27.06.2023

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Luren-Bläser Marion Hornung (l.) und Sabine Böhning vor dem bronzezeitlichen Langhaus des Archäologischen Freilichtmuseums zu Oerlinghausen. Die Luren sind germ. bronzezeitliche Blasinstrumente, die so dünnwandig gegossen sind, wie man es bis heute kaum blasenfrei bzw. lochfrei zuwege bingt.

Bei Oerlinghausen, südlich von Bielefeld, gibt es ein sehenswertes Archäologisches Freilichtmuseum, mit authentisch erstellen Bauwerken und Einrichtungen unserer bronzezeitich-germanischen Vorfahren. Der Ortsname Oerlinghausen entstand vor der Verchristlichung (Kristung). Bei der Silbe „-ing“ handelt es sich, wie beim ODING, um eine patronymische Sprachform, was bedeutet, dass der Bestandteil „Oerl“ der Name eines Mannes sein könnte, dessen Nachfahren Oerlinge genannt wurden. Bei unserem germanischem Buchstabensystem ODING (links-beginnend falsch gelesen: FUÞARK) ist die Bedeutung „Nachkommen bzw. Produkt/Ausfluss des Gottes Od“. Der Gott Od (Urform des Wodan/Wodin/Odin), ist laut Edda, der Ehemann der gemeingerm. Göttin Frija. Die Gläubigen der ODING-Runenreligion wären als Odinge zu bezeichnen, die der Gothe Jordanes (-553) in seiner „Gothengeschichte“ als „Otinge“ in Skandinavien beschreibt.

Entsprechend der Erklärung ist Oerlinghausen der Ort, an dem die Oerlinge beheimatet waren. Mehr spricht aber für die naheliegende Annahme, dass zwischen dem Namen Oerl und dem gleichlautenden englischen Earl ein Zusammenhang besteht. Der Begriff Earl entstand aus dem dänischen Jarl (Graf), was seit der Germanischen Eisenzeit bis ins Hochmittelalter ein Fürstentitel in den nordischen Ländern gewesen ist. Die früheste Verwendung des Jarlsbegriffs taucht in Runen-Inschriften aus dem 5. Jh. auf. Die Inschriften sind von der Mitte Norwegens, Südschwedens, Fünens und Deutschland zu finden.

In diesen Texten heißt der Jarl auch oftmals erilaR bzw. Erila, also Runenmeister, wohl abgeleitet von dem Runen-Schöpfer namen Erul, wie er im „Helm von Negau“ (Fundort in Südsteiermark) eingraviert ist. Alle haben vor erilaR ein betontes ek (= ich) stehen. Oft nennt sich der erilaR mit seinem Namen, woraus sich ergibt, dass es sich um einen Titel handelt. Die Seltenheit der Inschriften weist nicht unbedingt auf einen kleinen Kreis der Nutzer hin, sondern für den großen Verlust, im Laufe der Jahrhunderte des christenkirchlichen Vernichtungswillens von allen heidnischen Relikten. Auch weist der Begriff natürlich auf den hohen Rang hin, verbunden mit einer hohen Bildung, welche die Runen-Kenntnis beinhaltet. Oft stellen die Texte die Schriftkundigkeit des erilaR besonders heraus. Der erilaR, also der Runenmeister, stand, wie die Runen selbst, in einem magisch-religiösen Kontext. Der Jarl war auch zuständig für die Weihehandlungen seiner Gemeinde. Hier und da ist auch von Kulthandlungen durch den erilaR die Rede. Bei der gesellschaftlichen Funktion dürften religiöse Aufgaben (bei Opferfesten) und profane Herrschaftsausübung nicht zu trennen sein. Der Name Oerlinghausen wird auf der ersten Silbe betont und nicht, wie häufig von Auswärtigen und Zugezogenen gebraucht, auf der dritten Silbe. 1036 wird Oerlinghausen als Uralanchuson erstmals schriftlich erwähnt.

Erstmals wird Oerlinghausen in der sog. Busdorf-Urkunde vom 25. Mai 1036 als „Vorwerk Orlinchusen“ des nahe gelegenen „Haupthofs Barkhausen“ erwähnt. In dieser Urkunde erließ Bischof Meinwerk (um 975-1036) von Paderborn die Verfügung, dass unter anderem von den Vorwerken Orlinchusen und Meginchusen (Menkhausen) der Zehnt (die Steuer) an das von ihm gegründete Kanonikerstift Busdorf abzuführen sei. Das erste Bauwerk des Ortes war aber vermutlich eine Burg zur Sicherung der Passstraße über den Osning. Heute besteht noch eine Flurbezeichnung namens „Burghagen“, die offenbar auf den Standort dieser Burg hindeutet. Folgende Schreibweisen sind im Laufe der Jahrhunderte ebenfalls belegt: Orlinchusen (um 1214), Horlinchosen (1235), Orlinchosen (1272), Orninchusen (um 1324), Orlynchusen (1332), Ordinchusen (1367), Oerninchusen (1431), Ornynkhusen (1494), Orlinckhusßin (1507, im Landschatzregister), Örlinchusen (1514), Ornynckhusen (1533), Orlingkhausen (1589, im Landschatzregister), Oehrlinghaußen (1616/17, in den Salbüchern), Örlingkhausen (um 1625, im Landschatzregister), Ovlinglinghausen (1627), Oerlinghausen (1633, im Lemgoer Bürgerbuch), Oirlinghausen (1634), Arlinghausen (1715, in einer Karte der Senne (Landschaft in Ostwestfalen-Lippe) sowie Urlinchausen (1757).

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Ausgerichtet nach den Sonnenwenden, so könnte das „Goseck der Niederlande“ in Tiel, mit Sicherheit nicht ausgesehen haben. Im Zentrum ein Hügel, der auch als Grabanlange diente. Doch dieser geradezu alberne Rekonstruktionsversuch entspricht nicht der technologischen Kulturhöhe unserer germ. Vorfahren zur Bronzezeit.

Um 250 km exakt im Westen von Oerlinghausen liegt die niederländische Gemeinde Tiel, nahe Utrecht, wo Archäologen eine rund 4.000 Jahre alte bronzezeitlich-religiöse Stätte mit einem Grabhügel gefunden haben. Die Ausgrabung wird mitunter, nicht ganz nachvollziehbar, als „Stonehenge der Niederlande“ genannt. Stonehenge ist ein gewaltiges Steinmonument und nicht direkt vergleichbar mit den diversen Ringraben-Heiligtümern, wie das von Goseck (Sachsen-Anhalt), welches als das bisher älteste gilt. Im Inneren der Anlage von Tiel fanden die Forschenden die sterblichen Überreste von 60 Männern, Frauen und Kindern. Der Hügel hat einen Durchmesser von 20 Metern und diente offenbar auch als Sonnenkalender: Um ihn herum führte ein Graben mit mehreren Durchgängen. Zur Sommersonnenwende am 21. Juni und Wintersonnenwende am 22. Dezember soll die Sonne genau durch diese Öffnungen gestrahlt haben. So konnten die Menschen vom Hügel aus die längsten und den kürzesten Tag des Jahres bestimmen, so wie vom Mittelberg an der Unstrut im alten Thüringen (heute Sachsen-Anhalt), bei Wangen-Nebra, wo die ca. 4.000 Jahre alte „Himmelsscheibe“, innerhalb einer Wallanlage, gefunden wurde.

Inwiefern ist die Anlage mit dem berühmten „Goseck“ bei Naumburg, oder weniger sinnvoll, mit beispielsweise „Stonehenge“ in Südengland vergleichbar? „Ähnlich wie bei Stonehenge weist die religiöse Stätte in Tiel eine runde Struktur auf“, sagt der Archäologe Dr. Fritz Jürgens von der Uni Kiel. Alle diese uralten Kultstätten weisen eine runde Baustruktur auf ! Im Gegensatz zu den Menschen in England haben jene in den heutigen Niederlanden ihren Kult-Plätz jedoch nicht aus wuchtigen Steinkolossen errichtet, sondern aus Erde. Jürgens: „Damit ähnelt die Stätte eher der Kreisgrabenanlage von Pömmelte in Sachsen-Anhalt.“ In Goseck und Stonehenge befinden sich Gräber am Rand der Anlagen, in Tiel dagegen ist das das Zentrum des Heiligtums der Grabhügel selbst. „Diese Kombination von Grabmal und Sonnenkalender macht die Fundstätte so interessant, erklärt Jürgens. „Außerdem können wir jetzt davon ausgehen, dass rituelle Ringkreisanlagen wie Stonehenge, Pömmelte, Newgrange in Irland und nun Tiel im Neolithikum und in der Bronzezeit ein flächendeckendes Phänomen in Europa waren. Wie es kommt, dass der Fachmann Goseck nicht erwähnt, bleibt sein Geheimnis. Warum es für die damaligen Menschen so wichtig war, die Sommersonnenwende zu bestimmen, bleibt keine Spekulation, „natürlich könnte dieser Tag Bauern einen Anhaltspunkt gegeben haben, wann die Ernte einzubringen war“, erklärt Jürgens. „Allerdings laufen diese Arbeiten häufig einfach nach Gefühl.“ Möglicherweise spielte der längste und kürzeste Tag des Jahres im Kalender auch für Feste und Zeremonien eine Rolle. Nein, nicht „möglicherweise“, vielmehr ganz sicher, spielten diese Kalnderzeiten eine hervorragende Rolle im Jahresfestkreis unserer nordischen Vorfahren !

Rund 800 Jahre lang wurde der Hügel als Grabstätte für hervorragende Menschen ihrer Zeit genutzt. In einem der Gräber konnte die Archäologen eine Glasperle bergen, die aus Mesopotamien, dem heutigen Irak, stammen könnte, wo sich in jener Zeit bereits verschiedene Stadtstaaten wie Uruk etabliert hatten. „Diese Perle muss einen enormen Wert gehabt haben“, sagt Jürgens. Der Fund sei ein Beispiel dafür, über welch enorme Strecken bereits in der Bronzezeit Waren gehandelt wurden. Insgesamt eine Million Gegenstände konnten die Forschenden in Tiel freilegen, ihre Untersuchungen in den kommenden Jahren sollen mehr Einblicke in den Alltag der Menschen der Bronzezeit und das „Goseck der Niederlande“ geben.