29.08.2023

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RITT IN DEN MORGEN

Wohin wir unsere Blicke drehn,
die Welt ist nimmer zu verstehn,
doch keiner sei von Gram gebeugt,
wenn er den Weltentanz beäugt.

Er ähnelt einem Hummel-Schwarm,
sucht Honig-Beute für den Darm,
als aller Wesen Zweck und Ziel,
und keiner gönnt dem andern viel.

Ein jeder ist von sich entzückt,
er meint, die anderen sind verrückt,
so drehn sie sich im Schelmen-Kreis
und jeder weiß, dass er nichts weiß.

Zum Leben reicht es oft genug,
trotz allgemeinem Lug und Trug.
Habt eines Jünglings kecken Mut,
und sattelt euer Rösslein gut !

Sei‘s drum, reitet der Nase nach,
mag kommen auch, ein Weh und Ach,
das Leben ist ein köstlich‘ Ding,
sei‘s glanzreich oder sei‘s gering.

Der geilen Lust frönt jeder Gauch
und Sonnen-Segen hat er auch,
wenn er dazu nach Anstand sucht,
so wär‘ er niemals ganz verflucht.

Und lobt er gar, zum Überfluss,
dass das was recht ist bleiben muss,
wünscht gar den Brüden ihren Teil,
dann ist er selbst ein Teil vom Heil.

„Der Renner“ ist das einzige erhaltene deutschsprachige Werk von Hugos von Trimberg (um 1230-1330). Er umfasst 26.611 Verse. Hugo vollendete den „Renner“ 1300, bearbeitete ihn aber bis zum Jahre 1313 weiter. Es handelt sich um das umfangreichste Lehrgedicht in deutscher Sprache und ist in mehreren Handschriften überliefert und vielfach bearbeitet. Das Werk setzt bei den Todsünden an, die durch Exempel, Erzählungen, Allegorien und Fabeln illustriert werden. Zitate und Berufungen auf Autoritäten dienen der Absicherung und Glaubwürdigkeit seiner Aussagen. Die obige Abbildung stammt aus dem „Renner“ und soll die Dichtung versinnbildlichen.

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PowerPoints von Helga Betz für Gerd Hess:

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