Keltischer Schalen-Mutter-Umzug (Kultwagen von Strettweg)
 
ZEITRAUM DER RUNE
 
Rosiges Schimmern, - reizendes Schäumen,
erblümet sind APFEL-Büsche und -Bäume.
Altheiliger Fruchtbaum, wie bist du geschmückt,
wie leicht hast du Liebende linde entzückt.
 
Ein Gottesspross schuf deine Sinnbildschwere,
der Göttin der Minne und Anmut zur Ehre.
Die Gottgeister Asgards im großen Äon
verlangen der Äpfel verjüngenden Lohn.
 
Elf Äpfel, der begehrten Gerda zur Habe,
bot Skirnir, der Lichtstrahl, als Morgengabe.
Äpfel, - Sinnzeichen von Liebe und Leben,
nichts Größeres können sich Liebende geben.
 
Solange die Äpfel der Liebe erglüh‘n,
solang‘ kann das Leben nicht untergeh‘n.
Den himmlischen Regen,
den Sonnensegen,
des fruchtbaren Gatten gedeihliches Gut,
die Erdmutter trägt es in treulicher Hut.
Ihr Schoß schenkt das empfangene Glück
als „Äpfel der Liebe“ dem Leben zurück.
 
Leben - lifa - liban heißt „übrig sein“,
Elf - ellifu - einlif stimmt damit überein.
Leib - lif - lib, aus gleichem Stamm bekannt,
Liebe - liof - liop ist klangverwandt.
Ein verkehrter Geist fand hier die Gründe
zu meinen, die Elf sei die Zahl der Sünde.
 
Bild: Boris Olshansky
 
Die Rune der minnigen Mai-Königin
zeigt sonder Scheu ihren schieren Sinn:
Im Lenz lag der Erdenschoß verschlossen,
nun sind ihm Blüten und Blumen entsprossen.
In sämtlichen Zonen, Zimmern und Zellen
pochen und perlen die hurtigen Quellen.
Die Maibraut putzt sich mit regen Händen,
sie will ihre Farben und Düfte verschwenden.
Sie schmückt ihren lieblich-lockenden Leib
gleich einem verführerisch-schönen Weib.
Weit öffnet sie ihre Anger und Auen
und lässt ihre üppige Fülle beschauen.
Der Wachstumsgott, ihr wahrer Gemahl,
senkt sich hinab in ihr Blüten-Tal;
und küsst er auch innig die er erkor,
so sprießt er auch wieder aus ihr hervor.
 
Rund umher im licht-flammenden Kreise
schwirren und schweben nach eigener Weise,
tummeln sich tanzend die tausend Trabanten,
Lichtalfen und Elfen und ihre Verwandten.
Gänzliche Gauschaften giepriger Gnome
rambuzen geringelt im renkenden Strome.
Wachstumswichte wieseln und wipfen,
Waldwesen wirren, hickeln und hüpfen.
Zwischen dem Zirpen, Zischen und Kallen
das Gischen, das Geigen der Nachtigallen.
Fruchtbarkeits-Disen den Fluren entst eigen,
Chariten und Nymphen ringen den Reigen,
Genien und Geistchen mischen sich fein
zur fröhlichen, flirrenden Feier mit ein.
Da ist ein Jubel in allen Dingen,
ein Lachen, Locken, Läuten, Erklingen.
In werbenden, wackeren, wachsenden Wellen,
im Rasseln und Rufen von Glocken und Schellen,
das ist ein Suchen und Sich-Verschenken,
ein Finden, Entfalten und Wieder-Versenken.
Solch eine Lust, von der Liebe erdacht,
das ist der Tanz in der Maiennacht !
 
Der Wachstumsgeist, der das Leben erhält,
stets ist er der Liebe hinzugesellt.
Der Liebesgeist, der die Welt verklärt,
ihn hat die Göttin der Liebe gelehrt.
 
Er ist der Reine, der Gute, der Baldur,
sie ist Inanna - Nanna, die schöne Natur.
Sie ist Kore, das Mädchen, Maid, Meyja,
Terra Mater, Flora und Bona Dea.
Sie ist Aphrodite, Venus, Idun und Freya,
sie ist die Maien-Mutter, die Maia !
 
Welchem Ursinn wird dies' Run-Wort entstammen,
drei Begriffe treffen in ihm zusammen:
qeirt - perth - perðo, - ein Apfelblüten-Kranz;
peorð erklärt man mit „Spiel und Tanz“;
Perta - Perchta ist Herrin des hehren Sessels
und klare Göttin des „Kindernden Kessels“.
 
Bei Nimes, im Bächlein Vistre gefunden,
eine Inschrift, die konnte „Perta“ bekunden;
daselbst liegt die Quelle „le Peiroou“ genannt,
solche „Kessel der Göttin“ gab‘s viele im Land.
 
Der Vogel der Mutter, der Lebens-Finder,
der Odebero hebet aus Quellen die Kinder.
So folgt neun Monde später, im mythischen Sinn,
die Menschengeburt aus der Weltwöchnerin.
 
Gehört doch gewiss in des Run-Wortes Rahmen
per-, partus gerad‘so als passende Namen
für Gebaren, Geburt, Geburtszeit und Frucht,
wie der Geburtsgottin Parca gestrenge Zucht
 
Also ist uns‘re Rune nach jener benannt,
die in Gallien/Germanien weithin bekannt.
Die weit‘ren Begriffe sind Wahrzeichen bloß
gleich dem Run-Bild vom offenen Mutterschoß.
 
Ihr Name lebt so, wie in alten Gesängen,
in Bechtheim, dem Dörfchen an Taunushängen;
der Bechtelsberg, wie manch‘ anderer Ort,
bewahrten der wähelichen Göttin das Wort.
 
Ihr Name nur wechselt in Sang und Klang
gleich dem Bild der Natur im Jahresgang.
Im rauen Lenz wird die Scholle gebrochen,
die Göttin mit hartem „b“ ausgesprochen.
 
Wenn im Maien die linden Lüfte wehen,
ist die Göttin im weichen „p“ zu verstehen.
Doch die Liebende ist weder Laut noch Leib,
sie ist nicht Erde, Natur noch Weib,
sie ist die Idee, die im Geistigen thront
und zur seligen Zeit die Materie bewohnt.
Durch alle Gleichnisse schimmert das Wissen,
dass wir im Erahnen verweilen müssen.
Auch von der Pertha begreifen wir nur
ihre Spur.
 
In den Birkenzweigen, im Maienmond,
die Fruchtbarkeitskraft der Maiesta wohnt;
wir schmücken das Fest mit Birkenmaien, -
„Maien“, - das heißt Lieben, heißt Freien.
 
Das dichterisch deutlichste Frauensymbol,
das Maimutter-Zeichen ist nimmer frivol.
Im geöffneten Schoße, der Lebensquelle,
dem Erdmund, der Allmutter heiligster Stelle,
in ihm sah das Schauen der alten Zeit
die markante mimische Gleichartigkeit
mit Schale und Schüssel und tiefem Tiegel,
dem blühenden Becher, dem hortreichen Hügel,
mit Truhe, Trog, Tasche, Topf und Tonne
und dem dort verwahrten Heilwag der Wonne.
 
Das wonnige Wasser des Lebens rinnt,
wo die minnigen Stätten der Mutter sind.
Jeder blanke Born, jeder traute Teich
sind der einzigen Mutter Einflussbereich.
 
Sie ist die urfirne Urda am Lebensbronnen,
von ihr werden Fäden des Fatums gesponnen.
Die Mutter selbst ist die mich‘lige Quelle,
aus ihr quillt des Lebens ewige Welle,
die dort flutet am Fuße vom Lebensbaum,
die ihn nätzend nähret mit weißem Schaum.
 
Da hocken die Schepfen, Schicksal zu schöpfen,
Keime zu knoten, zu knüpfen, zu knöpfen;
und wieder zu lockern, zu löschen, zu lösen,
sie falten die Fäden, - die guten, die bösen.
 
Drei Disen erwählen wohl Dürfte und Dorn,
sie stehen am Quellhaupt, am Quickeborn.
Drei Nornen erküren das Lebensgebot,
sie nesteln den Ninnen die Heile, die Not.
Drei Parzen prägen Geburt und Geschick,
die neigende Not, - das gneisternde Glück.
 
Die herrliche Freya ward „Horn“ geheißen,
ihr Füllhorn soll mit der Weltfülle kreißen.
Der Asch, das Gefäß, ist ihr Attribut,
wie der Napf, das Näpfchen der Göttin Nut.
 
Ideogramme der Isis sind Schelch und Schiff,
Schiff und Gefäß sind von gleichem Begriff.
Das Meer und die Erde, - wie brauende Kessel,
sie liegen im Maien bar aller Fessel.
 
Nie ist der Erdschlund geöffneter, - weiter,
nie reckt sich das Wachstum bunter und breiter.
Die Göttin besitzt jenen Gnadenschrein,
ihr Barm birgt den Bat und das Seligsein.
 
Eng steh'n sie zusammen, die Quelle beim Baum
im Kalender der Runen, - im Maienfestraum.
Der Run-Meister musste das Muster bewahren,
das wir aus Mythen und Mären erfahren.
Die prächtigen Blumen im Brauchtumskranz
bleiben Maibrunnenfeste und Maibaumtanz.
 
Mit elfter - der „Rune der Liebe“ - pries
der Dichter die Freya, die „Vana-Dis“.
Sie entspricht der Venus, der Aphrodite,
und der Maia mit minniger mailicher Miete,
der Isis, Libera, der Flora und Fauna,
der Fria, Fulla, der Hulda, der Holla.
 
Es sind Gleichnisse sprossender Vegetation,
darein schwingt gelinde ein lieblicher Ton.
Aus Wortwurzel ven = „lieben - günstig - begehren“
erwuchsen die nordischen Vanen, die hehren.
Im Sanskrit heißt vana = „lieblich - genehm“,
das lateinische venustus meint „anmutig-schön“;
altnordisch vaen bedeutet das gleiche,
Vana - Venus heißt „gnädige Freudenreiche“.
 
Das deutsche Wort „wähe“ hat würdige Ahnen,
die glänzenden, werten, liebreizenden Wanen.
So erweist sich streng von sprachlicher Seite
die elfte als Rune von Frühling und Freite.
 
Die Vana-Dis, Venus, so wähe, so wahr,
ist auch Ushas, Aurora, die Ostara.
Im Veda ist Ushas das Sinnbild der Triebe,
sie enthüllt ihre Reize, die buhlende Liebe,
„die ewig junge, nicht alternde Schöne“,
steht Elf also doch für das Geile, Obszöne ?
 
Wer die goldigen Äpfel der Idun verachtet,
nicht nach den Lüsten des Leibes trachtet,
wer Labung des Leibes und Lied nicht liebt,
das Gottesgeschenk seines Leibes vergibt.
 
Wilibrord, der wirsige „Friesenverkehrer“,
Schändling, Schächer und Heiltumversehrer,
gewahrte den Glauben in norddeutschen Gauen,
er fand Venus-Walburgis verehrende Frauen;
mal Wallbee - Walberech - Valborg genannt,
war als Mutter von Mast und Mehrung bekannt.
 
So wär‘ die Walburgis, als Venus gepriesen,
als rechtgläubig heidnische Göttin erwiesen.
Den Berichten entsprechend, die uns erreichen,
trug ihr Abbild doppelgeschlechtliche Zeichen.
 
Die Göttin der Zeugung erzeigte den Zagel,
zum Nutzen gehören die Nut und der Nagel.
Dieweibmännliche Venus“, das ist ein Motiv,
tadellos, - tauglich, - gedankentief.
 
Ihr Wort ward zu Wilgefortis gewendet, -
zur „Märtyrerin“ wurd‘ sie hinabgeschändet.
Wilge-fortis bedeutet die „mächtige Wilge“,
die lautere, lustvolle, göttliche Gilge.
 
Auch Ontkommer - Ohnkummer war ein Name
der huldreichen Dise, der heiligen Dame.
Zur Kümmernis ward er hinuntergekümmert,
so ward unser Weihtum vom Wahnwitz zertrümmert.
 
Nun erst ist die runische Elf zu erklären,
die Elf kann erzeugen, - die Elf kann gebären.
In weiblichster Ziffer steckt auch die Zwei,
ist doch alles in allem allzeit dabei.
Aus Urschaum ist ja die Schöne geboren,
den Uranos „Lichtstrahl“ im Urmeer verloren.