Die „Goldene Garbe“ der Kalenderscheibe vom „Mittelberg“, bei Wangen-Nebra an der Unstrut, im Zentrum der alten Germania, ist noch lange nicht ausgedroschen. Ihr Alter wird auf 3.700 bis 4.100 Jahre geschätzt. Immer wieder dürfen wir diesen grandiosen Fund aus germanischer Bronzezeit ergötzend studieren. Und immer wieder müssen wir auch dankbar des Landesarchäologen von Sachsen-Anhalt, Herrn Harald Meller, gedenken, der durch sein energisches, zupackendes Naturell dieses Objekt - gefunden am 4.07.1999 - für die Allgemeinheit, aus den Händen von Raubgräbern und billigen Geschäftemachern, für das Landesmuseum in Halle sicherstellte. Für mich persönlich wurde der Fund eine Genugtuung, weil er wissenschaftlich belegen konnte, dass ich mich mit meinen ersten Aussagen zum Thema, von 1981 und dann ausführlich von 1993, in meinem Buch „ODING-Wizzod - Gottesgesetz und Botschaft der Runen“, zum germanischen Lunisolar-Jahr, nicht geirrt hatte. Ich gab damals schon den Modus der Schaltjahre an. 
 
Harald Meller, „Nebra: Vom Logos zum Mythos - Biographie eines Himmelsbildes“ (2005) - Die wichtigen Auszüge zum Grundverständnis des Originaltextes von Harald Meller: Zusammenfassung: Die Himmelsscheibe von Nebra, einer der wichtigsten archäologischen Funde Mitteleuropas,wurde von Raubgräbern entdeckt und über Hehler in Umlauf gebracht. Schließlich gelang die Sicherstellung des Fundes im Zuge einer Polizeiaktion. Durch die anschließenden polizeilichen Ermittlungen und z.T. langwierigen Gerichtsprozesse wurden Fundumstände, Fundgeschichte und ursprünglicher Fundort zweifelsfrei aufgeklärt. Diese Ermittlungsergebnisse wurden durch verschiedene naturwissenschaftliche Verfahren im Detail bestätigt, sodass heute die Echtheit und die Zusammengehörigkeit des Fundes unbestritten sind. Die Niederlegung des Hortfundes datiert in die Zeit um 16oo v.Chr. Das Hortfundmuster aus Schwertern oder Dolchen, Beilen und Armspiralen ist charakteristisch für frühbronzezeitliche Deponierungen im mitteldeutschen Raum. Die hochwertigen Schwerter sind als Imitationen sogenannter Apa-Schwerter - allerdings über Dänemark und den Sögel-Klingen-Horizont vermittelt- zu sehen. Die Himmelsscheibe selbst wurde während ihres Nutzungszeitraumes mindestens vier Mal in Bezug auf den Bildinhalt verändert. Diese Änderungen sind vermutlich jeweils mit einem Besitzerwechsel in Verbindung zu bringen, wobei die Besitzer der jeweiligen Führungsschicht angehört habendürften. Phase 1 zeigt mehrfach codiert die Schaltregeln zur Herstellung eines Lunisolarkalenders. Dieses Wissen geht in Phase 2 verloren. Hier werden Horizontbögen aufgebracht, die das alte neolithische Wissen des Sonnenlaufes zwischenWinter- und Sommersonnenwende wiedergeben und darüber hinaus einen Hinweis auf die Kenntnis eines Kuppelweltbildes liefern. In Phase 3 erfährt das Bild durch die Anbringung eines goldenen Schiffes, das über den südlichen Himmel fährt,eine mythologische Umdeutung. Auch dieses Bild wird durch die randliche Durchlochung in Phase 4 zerstört. Die durchlochte Scheibe dürfte - nun an einer Standarte befestigt - auf das bloße Himmelsbild oder die Sonne verweisen. In Phase 5 wird, nachdem ein Horizontbogen abgerissen worden ist, die Scheibe den Göttern auf dem Mittelberg bei Nebra geopfert und so für 36oo Jahre dem Anblick der Menschen entzogen.
 
Abb. 7
 
Abb. 7 - Vom Mittelberg aus gesehen ging die Sonne zur Sommersonnenwende hinter dem Harzmassiv mit dem Brocken unter. Am wichtigen Kalenderdatum des 1. Mai ging sie hinter dem Kyffhäuser unter. Die Himmelsscheibe konnte in Phase 2 mit dem Horizontbogen zum Brocken hin ausgerichtet werden.
 
Abb. 27
 
Abb. 27 - Die vorliegende Abbildung verdeutlicht die auf der Himmelsscheibe dargestellte Schaltregel. Rechts ist eine schmale Mondsichel (Neulicht) zu sehen, die in früher Abenddämmerung dicht am Horizont bei den Plejaden steht. Diese Konstellation läutete den Frühlingsmonat März ein. Wenige Tage später werden die Plejaden als Kalendersterne in der Dämmerung verschwinden. Die linke Seite zeigt eine wesentlich dickere Mondsichel, die erst 32 Tage nach dem letzten Neulicht in der späten Abenddämmerung beiden Plejaden steht. Diese werden erst in etwa einem Monat in der Abenddämmerung verschwinden. Der Frühlingsmonat März ist noch einen Monat entfernt, deshalb muss bei der Konstellation mit »dickem« Mond nun ein Monat eingefügt werden, um Sonnen- und Mondlauf erneut zu harmonisieren.
 
Astronomische Bildinterpretation: Auf die Bedeutung der Plejaden, die auffällig zwischen Sichel- und Vollmond stehen, wurde von W. Schlosser ausführlich hingewiesen 56. Die Plejaden sind altbekannte Kalendersterne, unter deren Zuhilfenahme die Einteilung des bäuerlichen Sonnenjahres erfolgte, und zwar über ihre tagesscharfe, letztmalige Sichtbarkeit am 1o. März und ihren erstmaligen Untergang am westlichen Morgenhimmel um den 17. Oktober 57. Hansen erschloss darüber hinaus die astronomische Bedeutung des gesamtkompositorischen Bildes der Scheibe. Dabei war das Verhältnis der Plejaden zum benachbarten Sichelmond entscheidend. Hinter der Gesamtdarstellung entschlüsselte er zwei Schaltregeln, die es dem Schöpfer der Himmelsscheibe ermöglichten, das längere Sonnenjahr (365 Tage) mit dem kürzeren Mondjahr (354 Tage) in Einklang zu bringen (Hansen 2oo6, 289–3o4). Hansen wies zudem darauf hin, dass dieses Wissen während des 7./6. Jh. v.Chr. in Babylonien schriftlich fixiert, dort aber bereits wesentlichlänger bekannt war. Die Himmelsscheibe diente somit als lunisolarer Kalender, der die Harmonisierung von Mond- und Sonnenjahr auf eine vergleichsweise einfache Art und Weise durch Beobachtung und Kenntnis der Himmelsmechanik löst. Entscheidend hierfür ist die Kenntnis der Schaltregel. Für die Anwendung dieser Regel ist die »Dicke« des Sichelmondes ausschlaggebend. Der Sichelmond wird auf der Himmelsscheibe etwa 4,5 Tage alt wiedergegeben. Tritt er bei derjährlichen Konjunktion im Frühlingsmonat März in dieser »Dicke« zu den Plejaden, so muss ein Schaltmonat eingefügt werden. Ist er dünner und somit jünger, ist die Anwendung der Schaltregel noch nicht notwendig (Abb. 27). Wenn der Mond also nicht als Neulicht, sondern eben als 4,5 Tage alte Sichel bei den Plejaden steht, verstreicht seitdem vorangegangenen Neulicht ein Zeitraum von 32 undnicht, wie üblich, von 29 oder 3oTagen. Dies wiederum bedeutet, dass die 32 Sterne des Urbildes ebenfalls nicht zufällig angebracht wurden. Sie sind der Hinweis auf die zweite Schaltregel: Vergehen 32 Tage, bis der Mond seitdem Neulicht des Vormonates im Frühlingsmonat bei den Plejaden steht, so muss geschaltet werden. Zwölf Tage nach dieser Konstellation markiert der Vollmond den Frühlingsbeginn und zeigt damit den Beginn des bäuerlichen Jahres an, also des Sonnenjahres. Folglich kann der Vollmond auch als Sonne gesehen werden. Möglicherweise könnten die 32 Goldpunkte der Sterne auch für 32 Sonnenjahre stehen. In Zusammenschau mit der Goldscheibe des Vollmondes würden sie die 33 entsprechen - den Mondjahre symbolisieren. Zudem hat Schlosser auf die Möglichkeit zur indirekten Vorhersage einer Mondfinsternis verwiesen: In der Regel läuft, wie auf der Himmelsscheibe wiedergegeben, der Mond unter den Plejaden. Zieht er als Halbmond über die Plejaden, so folgt acht Tage später eine Mondfinsternis (dpa-Meldung Schlosser vom 14.o2.2oo8).
 
Geistiger Hintergrund: Folgt man der astronomischen Bildinterpretation, so sind auf dem Urbild der Himmelsscheibe komplexe himmelsmechanische Regeln gekonnt verschlüsselt in einem scheinbar einfachen Bild wiedergegeben. Diese Umsetzung muss alserhebliche geistige Transformationsleistung betrachtet werden. Der Versuch, diese Leistung in die geistige Welt der Frühbronzezeit einzuordnen, fällt insofern schwer, als sich der Großteil der bildlichen Überlieferung entweder aus deutlich späteren Phasen der mitteleuropäischen Bronzezeit oder zwar aus frühbronzezeitlichen, vermutlich aber ganz an deren Ende datierenden reichhaltigen bildlichen Darstellungen des Nordens speist 58. Da davon auszugehen ist, dass die Phase der Schaffung der Himmelsscheibe weit vor dem Zeitpunkt der Niederlegung um 16oo v.Chr. liegt, liefern die Bildquellen dieser Zeit wenig Anhaltspunkte. Für einen direkten Vergleich wäre zuerst das zeitliche Umfeld des Fürstengrabes von Leubingen heranzuziehen. Die Quellenlage jedoch ist vergleichsweise unergiebig. Für diese Zeit wird vor allem horizontastronomisches, in der Sonnenorientierung geschultes Wissen vorauszusetzen sein. Dieses Wissen spielt für die Interpretation der Himmelsscheibe allerdings erst in der folgenden Phase 2 eine Rolle. Die Sonne und deren Lauf dürften seit dem Spätneolithikum eine erhebliche religiöse Bedeutung innegehabt haben, wie die bipolaren Gräber der Schnurkeramik- und Glockenbecherkultur, vor allem aber die entsprechenden »Sonnenschalen« der Schönfelder Kultur zeigen (Abb. 31). Das Urbild der Himmelsscheibe von Nebra scheint von diesen religiösen Vorstellungen nicht behaftet zu sein. Es ist die Schöpfung eines beobachtenden Geistes oder eines weitgereisten »Helden«, der neues Wissen in die Heimat bringt.