DISABLÓT- UND DISATHING-REGEL
 
Unbestritten ist, dass im germanischen altheidnischen Festkalender dem Julfest (Julzeit Mitte lag auf tiefster Sonnenstandphase bzw. Wintersonnenwende) das Disenfest, dann das Siegfest folgte. Unter den Disen (althochdeutsch: Idisi) verstanden die Alten weibliche Schutzgeister. Es handelt sich mithin um ein Frauenfest. Die Quellen weisen ein frühjährliches (um den Februarbeginn) sowie ein herbstliches (zum Winterbeginn) Disenfest (disablót) aus. Darüber, wie die altgläubigen Disenfeste genauer zu terminieren seien, wurden verschiedene Überlegungen angestellt. Die genauen urgermanischen Festregeln - etwa aus der röm. Kaiserzeit - sind allein aus dem luni-solaren runischen Sakralkalender des ODING ablesbar. Danach lag das frühjährliche Disenfest auf einem Vollmond, während das herbstliche auf einem Schwarzmond lag. Da nach der Auskunft des Angelsachsen Beda Venerabilis (673-735) die Alten zwei Mondmonate Jul bzw. „giuli“ hielten und der zweite „giuli“ - den Mondschwankungen gemäß - bis zum Februaranfang pendeln konnte/kann, ist der früheste Disafesttermin Anfang Februar. Um die echte Regel des germ. oding‘schen Idealjahres verständlich zu machen, schauen wir, wann das Frühjahrs-Disafest stattfinden konnte: Liegt die julfestliche „Mütternacht“ (modranecht) auf Schwarzmond und WS (21.12), so ist Jul-Ende und Hoch-Jul eine synodische Mondphase später auf Schwarzmond des 21.01., also auf „Mittwinter“, mit den Freyr-Spielen bzw. der „Hakennacht“ (hökunot). Dann kommt auf den 04.02 der folgende Vollmond zu liegen, mit dem Disenfest. Die altgläubige Frühjahrs-Disfest-Terminregel lautete also: Erster Vollmond nach Jul-Zeit bzw. Hoch-Jul und gleichzeitig dem Julfest-Ende. Dass diese runenkalendarisch rekonstruierte Terminierung korrekt ist, macht der Umstand glaubhaft, dass das christliche „Mariä-Lichtmess“-Fest auf den 02.02. gelegt wurde, das auch mit „Unser Lieben Frauen Lichtweihe“ bezeichnet, sich als Frauenfest also kirchenchristlich manipuliertes Disen-Fest zu erkennen gibt.
 
Die diesbezüglichen Angaben aus mittelalterlichen Quellen, wie jene des Snorri Sturluson (1179-1241), können hilfreich sein, doch ist zu beachten, dass sie aus der Zeit christlicher Kalenderrechnung des Julianischen Jahresschemas stammen. In diesem Schema gibt es festgelegte Feiertermine zu bestimmten Tagen des Sonnenjahres. Im schwedischen  Alt-Uppsala wurde im Mittelalter ein „Disthing“ (= Dísa-þing, Thing der Disen) gehalten, während dem auch Markttag war. Wir dürfen diesen Versammlungs- und Markttag als Nachfolger des altsakralen Frauenfestes ansehen. Auch Otto Sigfrid Reuter (1876-1945) schreibt in „Germanische Himmelskunde“, 1934, S. 427: „… das volkstümliche Disting war … unmittelbar an die Erscheinung des Vollmondes  in einer bestimmten Jahreszeit gebunden.“ Weil dem Kalenderforscher O.S. Reuter der ODING-Kalender nicht bekannt war, versuchte er den Beweis für die historische Existenz des heidnischen Disenfestes aus den mittelalterlichen Angaben zu erbringen, und zwar erfolgreich. Eine dieser Angaben zitiert O.S. Reuter in einem Absatz auf S. 425: „Die einzige sichere Zeitbestimmung für ein heidnisches Hochopfer scheint sich aus der mittelalterlichen Bauernregel für den Distingsmarkt von Uppsala ableiten zu lassen, dessen Lage ungestört auf ein altes heidnisches dísablót zurückgeht. Die Regel lässt sich nach Olaus Magnus (um 1550) so ausdrücken: ,Der Neumond, der nach 0 Uhr mitternachts zwischen 6./7. Januar eintrifft, ist der Distingvollmond‘. Bei Joh. Bureus [auf Kupferstich, Upps., 1599] lautet ein Merkvers [übersetzt]: ,Wenn Dreizehntetags Neumond zu Vollmond geht, dann Disathing in Uppsala steht‘. Am kürzesten gibt die Regel Magnus Celsius [Upps., 1673]: ,Der Neumond, der nach Dreizehntags Mittnacht erscheint, ist Distingmond.‘“ O.S. Reuter, S. 426: „Die ,alte Auffassung‘ im norwegischen Bauernvolk bedeutete: Julmond ist, der am 6/1 am Himmel ist; Distingmond ist der auf den 6/1 folgende Neumond. Jul- und Distingregel sind in Wirklichkeit nur eine.“ O.S. Reuter, S. 429: „Man kann sagen, dass das kirchliche Jul bis zum 6. Januar und im Volk von alters her bis zum 13. Januar gefeiert wurde. Viele Runenstäbe lassen Jul bis zu diesem Tage, also bis Mittwinter, reichen.“ Das Volk hielt erkennbar an dem altheidnischen Herkommen möglichst fest, Jul bis zum alten Mittwinter-Termin zu feiern, also bis etwa Mitte Januar. Die Julmond- und Distingmond-Regeln im skandinavischen Mittelalter besagen demnach, dass dem Julmond der Distingmond folgt, nicht anders wie in heidnischer Vorzeit. Die Kirche begrenzte das Julfest oder Weihnachtsfest auf die 12 Nächte oder Tage („Zwölfte / Rauhnächte“) vom 24.12. (Lichtbringergeburt) bis 0.6. Januar („Epiphania / Erscheinung des Herrn“). Der 13. Tag nach dem 24.12. stand bereits außerhalb der kirchlichen Julfest-Spanne und gehörte demnach zur folgenden, nämlich der Disenfestzeit an. Der früheste Disting-Neumond, nach dem 6. Januar, muss also auf den 7. Januar fallen, während der späteste auf den 4. Februar fällt --, der ihm folgende Vollmond ist die Zeit für das mittelalterliche-skandinavische Disating. Das entsprechende Vollmondfest pendelte demzufolge zwischen dem 21. Januar und dem 18. Februar, stellt O.S. Reuter auf S. 428 fest.  Der Disting-Regel-Merkvers „Wenn Dreizehntetags Neumond zu Vollmond geht, dann Disathing in Uppsala steht“, meint – um es nochmals zu verdeutlichen – Wenn am 13. Tag nach dem Julabend (vermeintliche Wintersonnenwende des Julianischen Kalenders) der erste Neumond erscheint, ist er bereits der Disting-Mond, welcher, zum Vollmond erblüht, den Festtermin für das Disating abgibt.
 
Diese Regel deckt sich weitgehend mit den Angaben des ODING-Runenkalenders, auf dessen idealjahresschematischem Zeitpunkt, dem 04. Februar, die laukaz-lakuz-lin-Hieroglyphe steht, also die weiblichen Heilzauber-Hilfsmittel Lauch, Wasser und Leinen. Sie markieren das Runenmysterium des 4. ODING-Kalenderzeichens in Deutlichkeit als Symbol für das altgermanische Frauen-Frühlingsfest des Disablóts, zu dem die Feen, die Mütter, die Heilrätinnen geehrt und ihr Beistand für das kommende Jahr mittels ritueller Bräuche erfleht worden ist.
 
Bild: Tanzende Frauen - Ital. Renaissance-Kupferstich von Zoan Andrea, 1497