ANFRAGE:
 
Lieber Kamerad Heß,
 
ich bin wieder mit der Redaktion von … zugange und bin – nach Prüfung – auf ein Problem gestoßen: Nach Otto Huth lautet es: Fasnot/Faselnächte (vaselen = fruchten, vermehren). Fest des Wachstums, der Freude, des Tanzes und der Maskierung, um gute Mächte herbeizuziehen oder böse zu bekämpfen [der 1. Vollmond, der dem 1. Neumond nach dem 6. Januar folgt]
 
in 2015 also am 4. Februar.
 
Nun: Der Runenzyklus von mannaz fällt auf den 19. Februar. Ihrer Erklärung zufolge heißt es aber;
 
mannaz:
 
Sakralfest: Faselnächte
Faseltreiben/Fruchtbarkeitsfest (Fasching) von Faseln = fruchtbar machen. Zur Erinnerung an die urweltliche Erzeugung aller paarigen sterblichen Wesen der Welt. Die mythische Urentstehung des Menschen ist rituell nachvollzogen mit Maskentreiben, Kleidertausch, geschlechtlicher Findung der Paare, während Astrild, der germ. Liebeself, seine Pfeile verschießt.
 
ANTWORT:
 
Hallo, werter Herr …,
 
Wenn im kommenden Jahr das Mannaz-Fasel-Fest auf den 19. Februar fällt, liegt es doch goldrichtig. Wenn O. Huth meint, „der 1. Vollmond,  der dem 1. Neumond nach dem 6. Januar folgt“, sei die korrekte Faselfestzeit, so hat er das lediglich kombiniert, denn ein Beleg dafür ist nicht bekannt und alle mittelalterlichen Angaben sind durch christenkirchliche Filter gegangen, ihnen ist folglich also nicht voll zu trauen. O. Huth kannte die ODING-Quelle noch nicht. Das germanische Frühlingsfest war - wie ich ausgeführt habe - mondstandsabhängig, wie sämtliche Jahresfeste. Die Kirche hat natürlich versucht, das Fest abzuschaffen, doch damit hatte sie keinen Dauererfolg, da sich die Menschen das Feiern nicht verbieten lassen wollten. Es gab/gibt keinen festen Sonnenjahrestermin für das Fest, es schwankte innerhalb eines Zeitraumes von etwa vier Wochen, wohl um Ende erster Dekade des Februar. Das hat sich niedergeschlagen in Gestalt einiger Quellenzeugnisse: Z.B. am 9. Februar 1609 wurde zum wiederholten Male in Köln das Karnevalsfest und die „Mummerei“ verboten, um die öffentliche Ordnung zu wahren. Oft artete es neben dem üblichen Trommeln und Trompeten sogar in Exzessen aus - auch durch Träger geistlicher Kleidung. 1610 ließ man die Handwerksgesellen in ihrem Mummenschanz dann wieder gewähren, 1640 wurden vom Volk und der niederen Geistlichkeit sogar „Narrenbischöfe“ gekürt. Am 7. Februar 1657 erging erneut das Ratsverbot zur „Mummerei“ in der Karnevalszeit. Am 5. März 1341 wird das Wort „Fastelovend“ im so genannten Eidbuch der Stadt Köln mit der Bemerkung erwähnt, dass der Rat kein Geld dafür mehr bewilligen darf. Der Kölner Stadtrat verbot wiederholt den „Mummenschanz“, so 1487 das „Vermomben, Verstuppen und Vermachen“ und im 17. Jahrhundert mehrfach „die Mummerey und Heidnische Tobung“.
 
Aschermittwoch 2015 ist am 18. Februar. Die alemannische Fasnet beginnt mit dem „Schmotzige Dunnschtig“ (Donnerstag vor Aschermittwoch, Gumpiger - Donnerstag), gleichzeitig ist es der Fasnet-Höhepunkt. Die Kirche hat bekanntlich das germanische Fruchtbarkeitsfest/Faselfest als die „Nächte vor der Fasten/Fastenzeit“ definiert, also mit ihrer Osterrechnung verbunden. Der Fastnachtsdienstag ist der Tag (bzw. die Nacht) vor dem Fastenzeit-Beginn, die am Aschermittwoch ihren Anfang nimmt. Das Aschermittwochs-Datum liegt 46 Tage vor dem Ostersonntag, der am 1. Sonntag nach dem 1. Vollmond nach der Frühlingsgleiche (21.03) gefeiert wird. Obwohl die Osterrechnung ja keine germ. Festzeitrechnung ist, liegen also die Faschings-Termine mit dem alten Faselfest recht deckungsgleich.
 
Lieber Herr ..., es gibt hier die gleichen Scheinprobleme wie wir sie schon bei der Jul-Zeit besprochen haben. Die echt-alten Festzeiten pendelten, an die Mondstände gebunden, und was sich an Erinnerungen daran erhalten hatte und im damals neuen Julianischen Sonnenzeitkalender - mit seinen 12 Monatseinteilungen - niederschlug, das war vages Streugut. Vertrauen wir unserem ODING, eine bessere Festzeit-Anleitung haben wir nicht.
 
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Altkalender-Überrest:
 
Ursprünglich waren die Faselnächte im Frühjahr nichts anderes als ein Fruchtbarkeitsfest, mit den entsprechenden fröhlichen Lustbarkeiten der Geschlechter. Von der Hauptrauh- nacht (06.01.) bzw. Rauhnächte-Ende bis Aschermittwoch dauert die eigentliche Faselzeit (Faselnächte, Fasenacht). Der Begriff ist abzuleiten von der Wortwurzel fas, mhd. vaselen („gedeihen / fruchten / vermehren“); Sprichwort: „Unrecht Gut faselt nicht!“: „gedeiht nicht“. Als „Faseleber“ / „Faselsau“ wird das Zuchtschwein bezeichnet, mit der eigentlichen Bedeutung: Vermehrungsschwein. Vasnaht, auch Faßnacht mit „ß“, ist eine der ursprüngl. Bezeichnungen dieser Zeitspanne gewesen. So erscheint das Wort im Jahre 1206 bei Wolfram von Eschenbach im „Parzifal“ (VIII. Buch, 409. Vers). Beginnend nach der Wende vom 12./13. Jh. wurde der Begriff langsam in mhd. vastnach bzw. nhd. Fastnacht umgedeutet. Die Christenkirche formte aus ihrem Verständnis heraus die „Nächte der Fruchtbarkeit“ um in die „Nächte vor der Fastenzeit“. Dies beweist auch das häufigere Vorkommen des Familiennamens der Schreibweise Faßnacht od. Fassnacht, weil sie einfach die verbreitetere war. In späteren Urkunden heißt es durcheinandergehend: „aller manne fassnacht“ / „to manne vastelavende“ / „mannervasten“ / „heilin Foschung“ / „alle manne faschangtag“. Jedenfalls wurde der Februar als Fasnachtsmonat „Fassnahtsman“ angesehen; so überlieferte es Johann Fischart aus dem 16.Jh. Der Begriff Faschang / Vaschang dürfte vom Faschings-Schank herrühren. Da sich der Fasching auch ums (kultisch-rituelle) Saufen und mithin ums Bier- und Weinfass drehte, mochte sich im Geiste schlichter Schluckspechte auch die Gedankenverbindung Faschang = Fass-Schank gebildet haben. Das noch heute im schwäbisch-alemannischen Sprachgebiet verbreitete Wort Fasnet ist ebenso bezeichnend wie die Mundartformen: Fasend, Fasent. Deren zweite Silbe weist deutlich auf die ausgelassene Abschlussfeier, also das Ende der Faselnächte, hin. Alte Fasnachtsbezeichnungen, wie „unsinnige Woche / taube Woche / Teufelswoche / Narrenweih / Torkeltage / Rastäg“ usw., charakterisieren das einstmals wilde, ausgelassene Fruchtbarkeitsfest. Johannes Böhm (1485-1534) schrieb 1520 sein „Repertorium librorum trium de omnium gentium ritibus“, das erstmals eine dt. Volkskunde enthielt. Darin heißt es zu unserem Fest, es breche ein „allgemein verbreiteter, spontaner Wahnsinn aus [...] sie essen und trinken und ergeben sich auf jede Weise dem Spiel und Spaß in solchem Maße, daß sie zu nichts mehr nütze sind, als ob sie morgen sterben müßten und davor sich heute noch an allem sättigen müßten.“ Die Leute tragen Schreckensmasken, färben sich die Gesichter schwarz oder rot, Männer ziehen sich Frauenkleider an, andere rennen nackt herum, Passanten werden mit Säcken geschlagen die mit Asche gefüllt sind. Am Aschermittwoch fällt ein Brauch auf: Mädchen werden vor einen Pflug gespannt und ziehen ihren Spielmann, der darauf sitzt und pfeift, in ein Wasser hinein. Davon berichtet ebenso Sebastian Frank (1494-1543) in seinem 1534 erschienenen „Weltbuch“: „Etlich kriechen auff alen Vieren wie die Thier.“ Er beschrieb die Verkleidungen / Vermummungen: König, Storchen, Bären, Waldmenschen, Teufeln, Affen, Narren. (Masken stellen weder Tiere noch Menschen dar, sondern deren Geister !)
 
Der Aschermittwoch bedeutete keineswegs allerorten das Ende der Verrücktheiten. Zwar ging das Volk in die Kirche: „Da streuet der Pfaff eim jeden umb ein Pfennig ein wenig Aschen auff den Kopff.“ Dann ging es weiter mit „großer Mummerei“, Banketten, Verkleidungen, Fackelläufen am hellen Tage; erst am darauffolgenden Sonntag war Schluss.
 
Auch bei der ostslav. Masljenica, der Entsprechung dt. Fasnacht, spielen Tiermasken eine Rolle. In einer kirchlichen Denkschrift aus Niznij-Novgorod an den Patriarchen aus 1636, heißt es (verkürzt): „Und sie machen aus Bast Pferde und Auerochsen, verdecken die Gesichter mit behaarten und tierförmigen Masken und ziehen entsprechende Kleider an, hinten befestigen sie Schwänze, wie sichtbare Teufel, und zeigen die Schamteile, allerlei Teufliches mit widriger Stimme sprechend, und andere schlagen Schellentromeln und klatschen in die Hände und tanzen [...] wie rasende Landstreicher umher." (Felix Haase, Wort und Brauch - Volksglaube und Brauchtum der Ostslaven", Breslau, 1939, S.268)