IN BEARBEITUNG !
 
Tür 3
Buchstaben - Bausteine des Alls
 
1. - Oden-, Oding-, Gottes-Orte
 
Das alte Germanien, so scheint es, war überzogen von einem Netz solcher Plätze, die anhand ihres Namens mit einiger Wahrscheinlichkeit als Kultorte der althei­mi­­schen Religion ge­de­utet werden dürfen. Etlichen davon ist auch heute noch, selbst nach langen Jahrhunderten fremdgläubiger Überlagerung, das Geheimnis ihrer Ur­bestim­mung zu entlocken. Ein Ortsteil von Remagen, dem kelt. Ricomagus („Kö­nigs­feld“), ist Oedingen. Wenige km östlich fand man den Basisstein eines röm. Ju­piter­denkmals. Westlich davon gibt es ein Odesheim, nahe bei, also südl. Bonn, liegen Bad-Godes­berg, Gudenau und Odendorf, das als Odigedorp in der Chronik des Bon­ner Cassiusstiftes um 800 erwähnt wird. Seine Ortskirche ist mit die ältes­te im Rhein­land; eine vorbestehende Gerichtsstätte wurde von frühen Missionaren in ein Heili­gtum für den „Erzengel Michael“ ungewandelt, der einer kirchlichen Weisung gemäß, von der Lombardei bis Skandinavien, als Wodan­ersatz fungierte. Eine ganz frühe Besiedelung die­ses Rau­mes be­weist der archäo­logische Fund des aus Gold­blech getriebenen ein­zig­artigen „Fritz­dorfer Bech­ers“, aus 1.500 v.0. Hier fan­den sich Gräber der frän­ki­schen Siedler des 5. Jh., nach deren Land­einteilung dieser Bezirk, nörd. der Aar­mündung in den Rhein, auf der Grenze von Ebene und Eifel, als Odan­gau be­zeich­net wurde. Das dort anliegende Bad-Godes­berg wurde in mittel­­alterl. Ur­kun­den Gudenes­berg, Wode­nes­berg, geheißen; i.J. 1131 bezeugt bei Cae­sarius von Heister­bach: „vel, ut alii dicunt, Wudinisberg“. Es handelt sich hier um einen Bezirk besonders intensiver Wodanverehrung. Während der Ausgrabungen in und bei der Bonner Münsterkirche (1928-1930) wurden denn auch zahlreiche Weihesteine für den Gott Mercurius Gebrinius („Gebender Wodan“) gefunden, neben den zweifellos ebenso germanischen Widmungen an die Mütter: Matronae Aufaniae. (Jan de Vries, Altgerm. Religionsgeschichte II,1957, S. 31f)
 
Nur ca. 75 km Luft­linie östlich im Lahn-Dill-Kreis liegt der höchst­gele­ge­ne Ort unter den Nachbar­ge­mein­­den Oders­berg, in dessen Nähe der Ort Edingen an der Dill (früheste Erwäh­nung als Ödingen, 1341), nicht weit davon, an der Lahn, findet sich Oden­hau­sen/Lo­llar, Od­ers­bach bei Weil­burg, nördlich davon wiederum ein Oders­berg. Nord­östl. von Gießen ist Od­ernhausen. Es be­finden sich Ödinghausen nord­westl. und Gudens­berg (1121 Uudenesberc; bis ins 17. Jh. Wodenesberg) am Od­enberg südl. von Kas­sel. Dort geht die Sage, dass der Fran­ken­könig „Karl der Gro­ße“ mit seinem ganzen Heer in die­sem Berg versunken sei; ehe ein Krieg aus­bräche, würde er sich auftun, Kaiser Karl käme hervor, stieße in sein Hift­horn und zöge aus mit seinem ganzen Heer in einen anderen Berg. Es hat sich dem­nach eine Wodan­sage auf den Kaiser übertra­gen. Hier in der Kern­land­schaft des chattischen/hes­sischen Stammes lag dessen Haupt­volks­burg Mattium, die die Römer i.J. 15 über­fielen und verbran­n­ten. Auf der Maderheide, unterhalb des chattischen Gottes­ber­ges, wurden die hessischen Thing- und Landesversam­mlun­gen abge­halten. In einer Urkunde aus dem Jahre 1324 wird Gudensberg als die Haupt­stadt vom Nyderlandt zu Hes­sen bezeichnet. Ei­nen Gudensberg gab es ebenso beim nicht fernen Oberels­ungen. Na­he Bad Wild­ungen liegt Oders­hausen. Bei Geis­mar lag der noch in Ur­kunden i.J. 1154 als Wuoden­esberg erscheinende, spätere Vdenes­­berg (aus Du­ensberg) und Gu­dens­berg. Nicht weit davon ließ der fremdländische Papstagent Wynfreth-Bo­nifatius i.J. 723, durch einen Schutzbrief seitens der frän­kischen Militärmacht und deren Sol­datenlager Büraburg ge­deckt, die heilige Donar-Eiche der Chatten fällen. Aus ei­ner Urkunde von 1265 ersah Jacob Grimm den Vo­dinberg. Der loth­ringische Vau­dé­mont hieß einst Wa­­danimontis (GDM 139f).
 
Ein Woendsrecht (Wodani trajec­tum, also „Wodansfurt“) liegt unweit von Bergen op Zoom in Holland, ein Woensel (Woedens sele, also „Wodans Saal“) in Nordbrabant. Ein bran­den­bur­gisches Wothe­n­ow („Wotan­aue“) und ein thüringisches Wudanes­hu­sun/Woten­es­hu­sun („Wotan­hau­sen“) erweisen die Chroniken. Im Land­kreis Eichs­feld/Thü­ringen liegt Odra, das im 11. Jh. als Uder/Udra erwähnt wurde, im 12./13. Jh. als Othera, Udera, Odra, Odera. Bei Sömmerda liegt Guthmannshausen, das in erster Nennung im „Brevarium sancti Lulli“ (8.Jh.) ein Wotanshusen und i.J. 876 Uoten­eshus aufführt. Die Namens­än­derungen lassen sich besonders gut am Beispiel der Gemeinde Gutenswegen bei Magdeburg verfolgen, es hieß 937 Wuat­anesweg, 941 Vodeneswege, 973 Vodens­weg, 1231 Wodens­we­ge, 1300 Wo­den­s­wegen, 1382 Gu­denswegen, 1785 Gutens­wegen.
 
Gotha in Thüringen ist als „Villa Got­aha" in einer frän­ki­schen Urkunde von 775 er­wähnt. Göt­tingen in Nie­der­sachsen ver­bürgt sich erstmalig urkundlich 953 als Gut­ingi. Zwei weitere kleine Göttin­gen be­finden sich nördl. Mar­burg sowie nordöstl. Ulm. Nahe Mönchen­gladbach gibt es Ued­dingen, die älteste Hon­schaft des Neu­wer­ker Bezirks. Hier wurde im 12. Jh. ein Benediktinerinnenstift gegründet. Ausgangspunkt der Siedlung war der Ueddinger Hof, der 1300 Udenchoven, 1333 Weddichoven hieß. Die Entwicklungsreihe des Honschaftsnamens in urkundlicher Überlieferung sieht so aus: 1322 als Uddinck, 1323 Uddinc, 1331 Uddinck, Uddinch, 1333 Du­donck, 1399 Uddunck, 1403 Uddinghe, 1505 Uddyngh. Ein Auenhausen, auch als Adonhus belegt (Orts­teil von Brakel süd­westlich Höxter), wurde zwar von Bischof Bernhard (1127-1160) dem Klo­ster Ab­dinghof in Pa­derborn ge­schenkt (Ur­kunde-Nr.33-1147), doch der Haupthof des Ortes war in Besitz eines Johann von Oden­husen und bis 1273 dem Kloster Gehrden abgabe­pflich­tig. So dürfte Auen­hausen nur ein früh umgetauftes alt­heiliges Oden­husen sein, wel­ches unter unver­fänglicherem Namen jenen gierigen Kloster­brüdern überant­wortet wurde, die schon im Jahre 1093 die heidn. Kultstätte des Externstein-Bezirks aufge­kauft hat­ten. In Paderborner Chroniken von 1211 wird von einem „Hof in Othhym“ („Odheim“) berichtet. Ein Ot­h­fresen ist bei Goslar und ein Od­ag­sen südl. von Einbeck. Zwar soll der legendäre Gründer des letzteren ein Osdag, Sohn des Amelung, ge­wesen sein, doch das ändert nichts, denn Os- ist nur die nie­derdt. Form für Ase/Gott, also kommt eben­falls ein Jün­ger des Wodan als Grün­der in Betracht. Ein Osting­ha­sen (Ostin­chusen / Oseding­huse) existiert südwestl. Lippstadt, etwas nördl. dort ein Wadersloh, was als „Wodanforst“ zu erklären wäre. Wie ungezähmt die Men­schen in dieser armen Ge­gend selbst noch im Hochmittelalter zuweilen waren, ersieht man daran, dass die gesamte Bauernschaft Ost­hol­te i.J. 1299 aus der Kirche ausge­schlos­sen wurde. Der Bischof von Münster schrieb an den zuständigen Pfarrer von Wadersloh: „Da wir schon längst [...] alle Mitglieder aus der Bauernschaft [...] sowohl für den vorent­haltenen Zehnten als auch für ihre Halsstarrigkeit [...] exkommuniziert haben und sie nicht mit Rücksicht auf die schwere Gefahr für ihre Seelen begehren, die Absolution zu erlangen, tragen Wir euch auf, dass ihr an den Sonn- und Feiertagen die Kerzen entzündet und die Glocken [läutet], die Exkommunizierten selbst namentlich in der Kirche öffentlich verkündet und von allen Christgläubigen der Umgang mit ihnen strengsten zu meiden ist!Der Kirchenterror war massiv ! Ein Urhof Godesloh („Gottesforst“) wird 1153 bei Pader­born ge­nannt; ein Oetinghausen bei Her­ford; westl. Hannover Wunsdorf (1179 noch Woden­storp). In diesem altsächsisch-frän­kischen Grenzraum mehren sich nach Nor­den zu die Ortschaften mit Os-, Oss- und Ös-Anlautungen. Der heutige Teu­to­burger Wald, oder ein Teil davon, hieß bis ins 18. Jh. Osning; bei Oldenburg gibt es den Osenberg. Er ist der aus den Got­tes­silben âs-, ans-, ōs- gebildete Begriff für den hei­ligen Berg oder Wald; ebenso wie der Name Os­­na­brück aus Ansebruggi hervorging.
 
Im Jahre 772 eröffneten die Franken militärische Operationen gegen Sachsen, stie­ßen in den Osning vor, zer­störten das dortige Nationalheiligtum, die 380 m hoch­lie­gende Iburg, wo sicherlich die heilige Ir­min­sul stand, und richteten dafür eine Petrus­kirche ein, die älteste Kirche auf sächs­ischem Boden. Auf Bitten des Papstes Leo III., der eine althei­lig-heidnische Stätten in der Verfügungsgewalt des Klerus haben wollte, schenkte i.J. 799 der Franken­könig der Paderborner Kirche die Iburg, die auch Archi­dia­ko­natskirche wurde. Unter den Osna­brücker Bischöfen Benno I. und II. (1052-1088) wurde auf altsächsischen  Rui­nen die neue Burg- und Klosteranlage errichtet. Diese war Mittelpunkt des mön­chischen Le­bens im Bistum Osna­brück, bisch­öfliche Residenz und wichtigster Mili­tär- und Ver­wal­tungsstützpunkt beim Auf­bau des kirch­lichen Terr­i­to­rialstaats. Es ist nur erstaun­lich folgerichtig, dass Deutschlands zweit­größte christenkirchlich organisierte ca. 80-km-„Fuß­wallfahrt“ (hinter Altötting/Ba­y­ern), von der altgläubigen Asenhochburg Osna­brück ausgehend, zur Wallfahrts­ka­pelle der „Schmerzhaften Mutter“ in Telgte, das eine deutsche Meile vor Mün­ster/West­falen liegt, zurückgelegt wird. Dort wartet das pappelhölzerne „Gna­denbild der Gottesmutter“; es soll aus dem 13. Jh. stammen. Solche Wallfahrten waren und sind letztlich nichts als Macht­demon­stra­tionen der Christenkirche, die damit ihren Herr­schafts­anspruch über die Region und deren Menschen immer aufs neue kundtun möchte. Damit sich ge­nü­gend Pilger daran beteiligen, gebraucht man unverdrossen jenen billigen Schwin­del mit dem Angebot eines Sün­den­erlasses; und genügend Leu­te glauben noch heute solchen unauf­rich­tigen Versprechungen. Der Demon­strations­zug durch eine Hauptgegend althei­mischer Fröm­mig­keit geht von Osnabrück aus nach Oesede, einem alten Klost­er­standort, weiter nach Süden über die Irminsul­stätte Iburg nach Glan­dorf mit seiner Kirch­­hofs­burg, dann zum Rit­tergut Oeding­ber­ge, wo an der dor­tigen Klause die erste Rast mit „Wort­got­tes­dienst und Predigt“ ein­ge­legt wird.
Diesem Oedingberge kann kein völlig anderer Wortsinn zugrunde liegen als der germ. Buch­sta­ben­reihung namens ODING, demzufolge könnte diese „Burg des Od­ing“ einer der alt­heiligen Sitze eines priesterlichen Vorstandes und Lehrkörpers gewesen sein. Etwa 75 km westl. liegt die kleine westfälische Burgsiedlung Oeding im Kirchspiel Südlohn. Ausge­rechnet ein „Heiliger“ Otger (ahd. „Besitzer des Spe­eres“) soll hier der älteste christl. Glaubensbote im 6./7. Jh. am Niederrhein gewesen sein und ist auch Patron der Oedinger „Mutterpfarre“, der „Urpfarre Lon“ bzw. Nord­lohn/Stadtlohn. Man muss schon des öfteren schmunzeln über die durchschaubare Dreistigkeit christ­licher Schönfärbereien, Umdeutungen und Legendenverdrehungen. Wenig nördl. davon liegt Ottenstein. Des weiteren findet sich ein Oedingen/Odingen (bei Eslohe) im oberen Sauerland, das noch zur sächsischen Heerschaft Engern gehörte. Vom Oedinger Berg, mit seiner alten Wall- und Fliehburg, die im Jahre 1.000 als Grundlage für die Errichtung eines Nonnenklosters diente, spricht eine Urkunde von 1533: „tho Odingen uff deine Berge...“.
 
Der südhessische Oden­wald (627 Otenwalt, 815 Odonewalt) aus „Wald des Wo­den/Oden“, hätte seine skandinav. Entsprechungen in Ons­ved (früher Othæns­weth auf See­land/Dä­nemark), auch in Od­enslunda im schwed. Skåne und Uppland, sowie Ons­lunda in Vestergötland. Un­weit von Trier sind zwei eng beieinan­der liegende Ort­schaf­ten aus frühester Besiede­lungs­­phase Edingen und Godendorf. Auch Belgien be­sitzt ein Edingen (franz. Eng­hien) und die flämische Ge­meinde Oet­ingen. Ein wei­teres Edingen wurde am Un­ter­lauf des Neckars ge­gründet. Auch gab es ein Edin­­gen/Neu­stadt in Westpreußen. Ein Oden­bach und Od­ern­heim liegen südwestl. Bad Kreuznach am Zusammenfluss von Nahe und Glan. Hier, auf dem Disibo­den­berg, der Stätte eines vorchristlichen Heilig­tums, wurde seit dem 7. Jh. eine Tauf­kir­che zur Missionierung des Naheraumes er­rich­tet. Im dortigen Kloster hat die berühm­te heil­kundige Hildegard von Bingen (1098-1179) den größten Teil ihres Lebens zuge­bracht. Das 30 km östlich befindliche Gau-Od­ernheim (früher Otternheim), einstmals eine könig­lich fränkische Domäne mit Burg, wurde am Fuße des Pe­tersberges er­richtet, der höch­s­ten Erhebung im rhein­hessischen Land. Im Kraichgauer Hüge­lland, nahe Bruchsal, liegt das im Nibelun­g­en­lied (C-Fassung) erwähnte Oden­heim (im Lorscher-Codex 769 als Otemheim), des­sen Geschichte eng mit dem Kloster am Wigoldsberg ver­knüpft ist. Das Oden­heimer Kirchenpatrozinium hat der Wodan­-Nach­­folger „Erzengel Michael“ inne, er fand auch Aufnah­me im Orts­wap­pen. Die 1013. Strophe des Epos lautet: „Von dem selben brunnen do Sifrit ward erslagen sult ir die rehten maere von mir hören sagen: vor dem Otenwalde ein dorf lit Otenheim da fliuzet noch der brunne des ist zwifel dahein“. Weiter wären zu nennen die alten Re­sidenzstädte Öttin­gen im nördlichen Schwaben und das bay­erische Oet­tingen im Ries, da­zu das loth­ringische Oetingen. Es gibt reichs­­deutsch-bayerische Edel­familien dieses Na­m­ens, z.B. die „Grafen von Ötingen [oder Ot­ingen]“, die „Herren von Ött­ling“ und „v. Oed­enberg“, die ös­terreich­ischen „Herren von Öth“ (Oedt auf Lich­t­enau).
 
Sicherlich kommen viele Ott-/Otten-Orte in Betracht, die nicht sämtlich auf den Was­sermarder Otter zurück­gehen. Die gewöhnliche Erklärung für die deutschen Namens­gebungen ist die, dass der Ortsgründer ein Mann namens Udo/O­do war, wäh­rend die Endung -ing die Zuge­hö­rigkeit zur genan­nten Person ausdrückt. Mit -ing wurden ja Insassen­namen gebil­det. Diese Deutung ist im ersten Teil zu hin­terfragen, denn sie vermag nicht jene Anlautwandlungen von od- zu got- ver­ständ­lich machen. Wa­rum hätte man profane Odo-Otto-Siedungen zu God-Namen umformen sollen? Auch er­klärt das nicht ihre oft auffällige cha­rak­teristische Örtlich­keit als Kultplatz. Viel eher wird es sich um Heils­plätzedes Wodan-Odan-Godan han­deln. Der Langobarde War­ne­frid (720-797), der sich später Paulus Diakonus nannte, schrieb die „Historika Lan­gobardorum“, in der er die Geschichte von der Namensgebung seines Volkes durch Gott Wodan beschreibt, den er Godan nennt. Aus dem Begriff Wod­an/Wo­din  wurde im Früh­mit­tel­alter sprach­ge­setzlich, durch Wegfallen des „w“ vor dunk­len Vokalen, ein Odan/Odin und aus Kultbergen des Wodan/Woden oder Godan die Odens­ber­ge/God­es­berge. Bekan­nt­lich wurde auch der altheimische Wo­dan­stag (Mitt­woch) in den vor­handenen Chroni­ken zum Go­denstag, Goenstag, Godis­dag, Goi­destag, Gons­­dag, Gudenstag, Goder­des­dach, Gottestag umgeformt. Durch die im südger­man. Raum früh voll­zo­gene Missi­onierung und die damit einher­gehen­de gewalt­same Unter­drück­ung des Wo­dan, brach die Sprachtradition ab, so dass wir keine weiteren Belege als die Orts­namen finden können. In Skandinavien ver­blieb, wegen der spä­teren Ver­christ­lich­ung, ge­nügend Zeit, die Formen Odin bzw. Onsdagr (Wotanstag-Mittwoch), also ohne Anlaut „w“, in die altnord. Literatur ein­gehen zu lassen. Skan­dinavische Ortschaften wie Odense (1109 noch Othenswi), Odens und Oddense in Dänemark, Osland, Odinsland, Odinssalr in Norwegen, Odenslanda, Onslunda, Od­enslanda, Odensvi, Odensaker, Odinshargh, Odensala, Odinshof, Ödeshög in Schwe­­den, um einige zu nennen, stehen neben vielen Flurbe­zeich­nungen gleicher Art. In Schweden gibt es den Odensberg, Onsberg, Odenshög, in Norwegen Odins­berg, in Dänemark Onshöj, Oddenshöj und viele mehr. Von Nie­derdeutschland, wo der gleiche Begriff Odin bereits gebräuchlich gewesen sein muss, fehlen wahr­schein­lich nur deshalb die noch reich­eren Be­le­ge we­gen der un­duld­samen Zerstörungs- und Verbots­maß­nah­men der Franken im 9. Jh., nach ihrem Ein­drin­gen in Sachsen, i.J. 772, ver­wüsteten fränki­sche Heere, insbesondere ab 785 Land­strich um Land­strich bis zum letzten großen Befreiungsversuch 792 bzw. dem nie­derge­worf­enen Stel­linger-Aufstand i.J. 804. Die stark ent­völ­ker­ten östlichen Elb­land­schaf­ten mit Ost-Schleswig-Holstein über­ließ man fremden sog. slawischen Neu­siedlern. Oden-Gemein­den bzw. -Hof­schaften dürf­ten des­­halb im dt. Nor­den weniger zu finden sein als ur­sprüng­lich vorhanden. Ein Godenstedt gibt es im Kreis Bremer­vörde, ein­ Odisheim im Ha­delner Mo­orland nördl. von Bremerhaven und ein Go­den­sholt, ur­sprüng­­lich Wodens­holt, in un­wirtlicher Gegendim Oldenburgischen. Ode­weg, am „Weißen Moor“ bei Verden, wurde 1144 erstmals erwähnt, unter dem Ein­trag Etthewide, in einer lat. ge­schriebenen Schenkungsurkunde, mit der ein Verdener Bischof Thietmar ein Od­enweger Hofgut auf den Verdener Domherrn überträgt. In späteren Chroniken wird das Dorf Moetwege oder Othwede genannt. Dass der Anlaut zwischen Od-, Ott-, Ed- schwanken kann, ist auch anderenorts nachgewiesen. Doch dürften auch et­li­che norddt. Os-Orte ein Zeugnis zwar vom gleichen Gott liefern wie die süddt. Od-Orte, aber doch auch von der anders­gearteten Sprachtradition.
 
Wie der Reichenauer Chronist Gallus Öhem (1445-1522) mitteilte, gibt es im Gebiet von Pfungen bei Winterthur den Uetliberg. Dort soll Watilon, er meint den agilo­lfin­gi­schen Bayern­her­zog Odilo (715-748), dem „heiligen Pirmin“ Grundbesitz zu einem Klosterbau ge­schenkt haben. Dieser wählte schließlich, bestimmt aus Sicher­heits­gründen, lieber die Bo­den­seeinsel Reichenau als Klosterplatz. Nicht nur der Namen und die angetra­gene Schen­kung, auch seine frühgeschichtlichen und mittel­alter­lich­en Befesti­gungen weisen den Berg als altheilige Stätte des Wodan aus. Odilo muss hier ein alaman­nisches Teilherzogtum innegehabt haben bevor er seine Her­zogs­würde in Bayern erhielt. Er wurde der Kopf einer entschiedenen Front gegen die im­peri­alis­ti­sch­e Po­litik der von den karolingischen Hausmeiern Pippin und Karlmann geführten Franken. Katholisch war er offensichtlich nur aus politischem Kalkül, denn als es 743 zur Schlacht kam, leisteten ihm heidnische sächsische, alemannische und slawische Truppen Waffenhilfe; trotzdem wurde er am Lech geschlagen. Drei Jahre darauf  führte Karlmann einen nächsten Heereszug gegen die freiheitsdurstigen Ala­mannen durch. Als nach germ. Sitte die Alamannenführer im Jahr 746 waffenlos zu den ge­bo­tenen Ver­handlungen in Cannstadt erschienen, wurden sie ergriffen und nie­der­ge­macht. Nur wenige alamannische Adelsgeschlechter überlebten den Bluttag, auch Odilo scheint sich unter den Hingerichteten befunden zu haben. Das alamannische Herzogtums wurde beseitigt. Man spricht bei dieser fränkischen Massenmordtat vom Blutgericht zu Cannstatt“.
 
Beispielhaft für meine Kultplatztheorie dürfte Altötting/Bayern sein. Der Kernbau dortiger Kirche ist um das Jahr 700 als Oktogon (achteckiger Turm) entstanden. Er ist wohl der älteste bestehende Kirchenbau im rechtsrheinischen Deutschland. Sein acht­ecki­ger Grundriss weist auf die ursprüngliche Bestimmung als Taufkapelle hin. Der Le­gen­de nach hat hier der fränkische Christenagent (Bischof) Rupert den ersten christl. Bayernherzog namens Theodo (Reg.-Zeit 696-718) getauft. Bis ins 20. Jh. hinein haben die Herrscher Bayerns nach ihrem Tode ihre Herzen in silbernen Urnen in den Wandnischen der Altöttinger Kapelle beisetzen lassen, als „fürstliche Ehren­wache". Der Ort muss demnach schon damals von erheblicher Be­deutung gewesen sein. Wie allgegenwärtig noch in dieser heidnisch-katholischen Übergangszeit der Wodan in Eigen-, Berg- und Ortsnamen herumspukte, macht auch Watilon-Odilo kund. Ur­kundlich tritt die Stätte 748 ins Licht der Ge­schichte, unter dem Namen Au­tingas, einer Pfalz der agilo­lfin­gi­schen Bay­ern-Herzöge. In den spä­teren lat. gehaltenen Urkunden wird der Platz Otingas genannt; in deutscher Mundart hieß er demnach Oting/Oding; in mund­artlicher Lautung dor­tiger Be­völkerung bis heute Eding. Die Ansilben od-/oð-/ot- zu aud-/aut- oder ed- schwan­­­ken in germ. Spra­chen: „Herr“ heißt got. Frauja, ahd. Frô, „Gott“ heißt got. Gaut, ahd. Got. Den Namen des skirischen Für­sten­sohnes Odoaker, got. Auda­wakr, ahd. Otacher, könnte man mit „Gemüts- / Se­elen­­wacher“ erklären. Ot­ing/Ot­ingas war häufiger Aufent­haltsort und Regie­rungs­sitz der Bayernherzöge. Ge­gen En­de des 8. Jh. über­nahmen die frän­kischen Könige aus dem Haus der Karo­linger die Macht und bauten die Stätte weiterhin zum Herr­schafts­zentrum aus. Ihre größ­te Zeit erlebte sie als Pfalz König Karl­manns (830-880), des ältesten Sohnes von Ludwig II. dem Deut­schen und der Welfin Hemma, Tochter des bayrischen Grafen Ernst. Karl­mann ver­legte i.J. 865 seinen Regierungs­sitz von Re­gensburg nach Otingas und her­rschte von hier aus bis zu seinem Tode als König über Bayern und Italien. Ob die Bezeichnung von Oting-Altötting wirklich nur auf ei­nen Gründer namens Oto hinweist - obgleich in diesem Falle auch der älteste Namen strenggenommen Oto­ingen lauten müsste - ist auch angesichts seiner Historie sehr in Frage zu stel­len. Eher müsste man annehmen, dass solch ein bedeutungsvoller, schon altheiliger Platz gerade vom Begriff her auf wichtigere, eben altreligiöse Bezüge hinweisen müsste. Auch hier dürfte die altheilige Anlautsilbe od-/oð-/ot- vorliegen, die Zentral­lautung des germ. Gottesbegriffes Wodan/Wodin/Odin/Godin/Gott, bis hin zur Gottes­bot­schaft - dem geistigen Gotteskind, dem runischen Buchstabensystem OD­ING, wur­de. Jakob Grimm erklärt den Begriff (GDM 890) ôd mit lat. felicitas („Fruchtbarkeit / Glück / Gedeihen / Segen / Erfolg“). Oting-Oding-Ötting war mit Sicherheit in urgläubiger Zeit eine hervorragende Heil­stätte der Geist- und Seelen­gottheit, sonst hätte sich nicht dort der heidn. Bay­ern-Herzog Theodo (ca. 680-728), christlich taufen lassen. Der Ort blieb seiner herausragenden Rolle treu und wurde auch in Christenzeit einer der wichtigsten Wallfahrts- und Gna­denorte Deutschlands. Schon die Pfalzkapelle, die in der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts geweiht wurde, hatte die „Mutter Got­tes“ als Patronin, die noch heute als „Gnadenspenderin Altöt­tings“ von ansäs­sigen Gläubigen und den herbei­strö­men­den Pilgern ver­ehrt wird. Um 1330 kam das in Burgund oder am Oberrhein entstan­dene frühgotische lindenholzgeschnitzte Bild einer „Schwarzen Madon­na mit dem Kind“ hier­her, das rund 150 Jahre später, i.J. 1489, nach den Berichten von zwei an­gebl. Heil­ungs­wun­dern, zum Wallfahrtsziel wurde. Unweit der Gnadenkapelle steht die auch schon im 9. Jh. gegründete, dop­peltürmige Stiftspfarrkirche St. Philippus und Jakobus. Neben ihrem Hauptportal be­findet sich die Uhr mit dem berühmten, aus dem 16. Jh. stammenden, „Tod von Eding“, der in jeder Sekunde einmal seine Sen­se schwingt. Auch hier zeigt sich die altheilige bzw. heidn. Tradition: Die bei­den „Heili­gen“ Phillip und Jakob sind Ersatzfiguren für das germ.-kelt. Dioskurenpaar der Alki, die ihr Symbol­zeichen in der Algiz-Rune besitzen. Diese Ru­ne steht im 1. Mai, auf den christl. Kalender­macher wiederum Walburga („Glücks­bergerin“) zusammen mit den genannten Bei­den pos­tierten. Es handelt sich um die altheidnische Triade der Alki-Zwillinge mit der Göttin. Das gleiche Schema liegt in Altötting vor: die „Gottesmutter Maria“ mit den dios­ku­rischen Zwillingen Phillip und Jakob. Der Katholizismus ist streckenweise, wenn man es recht be­sieht, nur dürftig übertünch­tes Heidentum.
 
Unweit von Oting-Altötting liegt der Ort Polling, südl. vom Ammersee gibt es Oder­ding, heu­te ein Ortsteil eines weiteren Polling (auch urkundlich Polding). Dort grün­dete i.J. 750 der Bayernherzog Tassilo III. ein Kloster, wo angebl. eine gejagte Hirschkuh plötzlich stehen blieb. Der Name dür­fte auf ein altheimisches Phol-ingen, also eine Baldur­stät­te zurückgehen. Der ahd. Merseburger-Heilsspruch weist  Phol als Beiname des Bal­dur aus. Im Ge­mein­dewappen ist das Geschlecht der Pollinger durch ihr Wa­p­pen­tier, einem Hirsch mit Lilienzweig, repräsentiert; eigentlich sind es nichts an­de­res als die altbekannten Attribute des Gottes: Lebensbaum und Sonnen­hirsch. Fruchtbar­keits­­zweig und Hirsch spielten schon im altgriech. Apollon-Kult eine Rolle. Selbst Phol-Bal­ders enge Heils­beziehung zum Pferd hat sich auch hier be­wahrt, gleich­gü­ltig, ob die Tradition zwisch­endurch einmal zeitweise abriss: Der Ge­orgiritt mit an­schlie­ßen­der Segnung von Ross und Reiter findet in der Regel jährlich am zweiten Sonntag im April statt. Auch der Ort Hohenpolding, nördl. von München, hieß früher Palding, Pol­ling oder Pol­ding. Ein Bajuware namens Baldo, so meint man, müsse der Gründer sein. Im Jahr 998 taucht der Name in lat. Form „alto bald­ingae" in einer Ur­kunde auf, in der der Salzburger Bischof zugunsten des Ade­ligen Valherius de Bal­eding auf ei­nen Grund­zehent verzichtet. Dann wird 1154 eine dor­tige Kirche ge­nannt: „paldingecclesia“, i.J. 1315 wird die Filialkirche in „Balding“ er­wähnt. Von hier kam das Ge­schlecht der Bal­dinger, das mehrere Jahrhunderte über hohe Stellen in den Reichs­städten Ulm und Nürnberg innehatte. Ca. 55 km Luftlinie nördl. von Altötting liegt Ottering (Kr. Dingolfing), ca. 48 km west­lich (Kr. Erding) ein anderes, die mög­li­ch­erweise auf profane Otheri zurück­ge­hen sollen, wahrscheinlich aber doch ebenso An­dachts­stätten des Wodan-Odan waren. Südl. von München brei­tet sich Gauting; es ist eine ba­ju­warische Siedlung des 6. Jh.Ein i.J. 753 urkundlich genan­ntes Gout­ingen bezieht sich nicht si­cher auf diese Ge­meinde. Als Gründer soll hier nun ein Godo (Cotto, Gozzo) mit sei­nen Leu­ten ge­wirkt haben. Dass aber ge­ra­de diese Ört­lichkeit eine sicherlich hoch­heilige altgläu­bige Kult­stätte gewesen sein wird, dafür spricht die zei­tige Kloster­grün­dung. Denn aus dem frühen christl. Missi­ons­denken her­aus setzte man nicht eine Kirche oder ein Klo­ster in die Ortschaft eines gewöhnlichen Herrn Odo oder Go­do, sondern auf den alt­heiligen Platz des Heiden­tums, um ihn zu ent­dämo­nisieren, zu weihen, den Alt­gläu­bigen ihren religiösen Stützpunkt abzunehmen und ihn für den eigenen Kult zu ver­einnahmen. Wie hoch­bedeutsam sich gerade Gau­tig selbst einschätzte, geht aus der Legende hervor, Karl, der herrsch­­­gewaltige Frankenkaiser, sei hier i.J. 742 ge­boren worden. Auch an an­deren Orten sind be­kanntlich Erin­ner­ungen an Gott Wo­dan auf „Karl den Großen“ über­tra­gen worden.Er geisterte in ver­steckter Form, an­fangs wohl sehr bewusst und späterhin in immer un­erkannterer Art und Weise im Denken des Volkes weiter.
 
3.2- Wizzod, Oding und Odingi
 
Die Sprache ist der Leib des Geistes, die Worte darin sind die stützenden Knochen; an­hand unserer altsprachlichen Gebeinsfunde vermögen wir auch den heidn. Geist der Früh­zeit wieder zu verlebendigen. Unser Heidentum ist nicht tot, es schläft nur in un­serer Sprache. Wissen heißt ahd. wizzan/witan und wizzod/witoda war der Begriff für Gesetz / Gebot / Sakrament (hl. Glaubensgeheimnis) / Heilige Schrift, wobei sich sicherlich der Sinn der Begriffe wis („weise / verständig / erfahren“) und wiso („Füh­r­er“) hineingemischt haben. Deren Bedeutung ist bis heute in den Verben „weisen" (die Richtung angeben) bzw. „anweisen" (bestimmen, festlegen) erhalten geblieben. Der ahd. witoda-fasteis war ein Be­wahrer des Gesetzes, ein Gesetzes­kun­diger, Ge­setzesgelehrter, der witoda-laisareis der Gesetzeslehrer, Schriftgelehrter. Das ahd. Ad­jektive wizzodhaftigkennzeichnetZustände und Verhaltensweisen im genannten Sinne; während witodalaus gesetzlos bedeutet. Das ahd. wizzotophergalt als „Erlö­sung brin­gendes urgesetzliches Opfer“. Die mhd. frône meinte die geistlich-göttliche oder weltliche „Herrschaft / Herrschaftlichkeit / Herrlichkeit / Heilig­keit“, auch „Ge­waltherrschaft“; Grimm erwähnt mhd. „frône wizôt“, was „heiliges Herrengesetz“ be­deutet. Das mhd. wizôd/wizzôd steht für „Ge­setz / Sakrament / Eucharistia (hl. Abend- Kultmahl)“; mhd. wizzec heißt „klug“ und wiz­zen­haft wurde für „wissend / kundig“ gebraucht, im Hinblick auf das Wissen um Gott. Es hatte mhd. wisot / wisode / wisœde / wisat / wiset die Be­deu­tung von Geschenk / Zins / Abgabe (besonders in Naturalien) zu Festzeiten an Kirche, Herrn oder Braut. Die hehre, ins Sakrale hin­eingehende Be­deutung des zusammengesetzten Wortes Wizz-od kann schwerlich aus dem Wizz-, es muss ihm vielmehr aus einem alten Verständnis des Anteiles -od zu­ge­flossen sein. Er kann ursprünglich nicht allein nur schlicht „das Gut“ bedeutet haben, was auch im Wort Kleinod, dem zwar kleinen aber besonders „edlen Gut“ hervortritt. J. Grimm (GDM 890) erklärt den Begriff ôd durch lat. felicitas („Frucht­barkeit / Glück / Gedeihen / Segen / Erfolg“).Mit germ. und noch ahd. ot, dt, oð müs­sen sich aber Vor­stel­lungen eines heiligen Wertes, bis hin zum heiligen Zentrum des Gottesgesetzes, also der göttlichen Weltordnung verbunden ha­ben.
 
Der ahd. witoda-fasteis war der Be­wahrer des Gesetzes, der Gesetz­kun­dige, Ge­setzgelehrter, der witoda-laisareis der Gesetzlehrer, Schriftgelehrter. Das ahd. Ad­jektiv witodalaus bedeutet gesetzlos. Gehen wir von dieser Einsicht aus, wird das Verständnis des ahd. Begriffes od­mut/oth­­mod/od­mode/oetmoed erleichtert, welcher die Unterwerfung, die Unter­tänig­keit, ebenso eine Abgabe und auch die Gnade, die Begnadigung bedeutete. Die Od­mütigkeit (Adverb odmütiglich) meinte Demut, Untertänigkeit, Unterwürfigkeit, also Äußerungen der Ergebenheit, der Ehrerbietung und Bescheidenheit Ranghöheren gegenüber; dann auch folgerichtig Unterordnung unter das göttlich oder herr­schaft­lich Verfügte, also der obrigkeitlichen Verfügungen und Gesetze, die auch mit dem Wort Wizzod bezeichnet werden konnten. Also: Wer das wizzod anerkannte durfte als odmütig gelten.
 
Der/das altniederdt. Oding(e) war eine Rechtsform, ein Rechtsvertrag über be­stim­mte Zehntleistungen, also gesetzlich festgeschriebene Steuerabgaben; deren Merk­male waren Nichtablösbarkeit, feste Terminierung, Leistungsverdoppelung bei Ver­zug. Im Wort steckt wohl das altgerm. Verb dingen, was „verhandeln / abhan­deln“, durch das Ding/Thing (germ. Þinga „Volksversammlung“) regeln bedeutete. Ein Be­griff der in den Formen abdingen bzw. abbedingen oder ausbedingen in den nhd. Wortschatz übergegangen ist. Das altengl. ðingian bedeutet „bitten / verlangen / sich vertragen / beschließen“, schwed. tinga „bestellen / mieten“; „sich verdingen“ meint sich als Gehilfe einem vertraglich geregelten Dienst zu unterstellen. Der Oding be­deutete ursprünglich offenbar die festgeschrieben-vertragliche Regelung bezüglich der sakro­sankten Abgabe (Kirchen­steuer); in den hochmittelalterlichen Urkunden handelt es sich um eine gesetzliche Geldleistung. Die rechtliche Grundlagen der Zehnt­zieh­ung beruhte auf dem Zehnt, der vom fränkischen Eroberer mit dem allge­meine Zehntgebot zur Un­terhaltung der Kirche auch im niedergeworfenen sächs­ischen Stammesgebiet i.J. 779 eingeführt und um 785 mit dem Gesetz Capitulatio de partibus Saxoniae zur endgültigen Unterjochung und Zwangschristianisierung er­neuert worden war. Es lautet in § 1: „Alle stimmten zu, dass den Kirchen, die in Sachsen gebaut werden und Gott geweiht sind, nicht nur keine geringere, sondern größere und vorzüglichere Ehre erwiesen werde als den Heiligtümern der Götzen“ und § 16: „Auch dies wurde mit der Gnade Christi beschlossen, dass von jeder Fiskalabgabe, sei es Friedens- oder Banngeld oder sonst eine an den König ge­hende Abgabe, der zehnte Teil den Kirchen und Priestern gegeben werde“. Un­­­ter Zehnt ist urspr. die Abgabe des zehnten Teils wirtschaftlichen Erträge und Einkünfte zu verstehen. Über das Alte und Neue Testament wurde er vom Christentum über­nommen und seit frühchristlicher Zeit für kirchliche Einkünfte verwendet. Der Kirchenzehnt war eine Abgabe auf allen land­wirt­schaftlichen Erzeugnissen innerhalb eines territorial genau umrissenen Zehntbezirkes zugunsten einer zehntberechtigten Pfarr­kir­ch­e/Pfarrei.
 
Gehen wir vom vorgenannten Inhalt des Od-Begriffes aus, wäre der Oding erklärbar als die (Abgaben-)Regelung im Rahmen der geheiligten Gesetzes­ordnung. Aller­dings müsste das Wort dann in seiner Urform Od-ding bzw. Od-ðing geschrieben wor­den sein. In einer Urkunde (Hagenow-Dodow, 1313) wurde unter dieser Sprach­regelung die Umwandlung des Zehnten in eine Jahrespacht bestimmt. In einer Ur­kunde von 1393 (Neuenwalde Urkundenbuch, 328) geht es um den Verkauf eines Getreidezehnten. Es gab einen Odzins; der Odingzehnt war eine aus dem Oding resultierende Zehntleistung. In späten lat. Urkunden des Erzbistums Bremen-Ham­burg erscheint (Beginn 16. Jh.) der Begriff Noding. Der Oding, das Odinggeld war eine zu erbrin­gende Leistung für einen Bestandteil des Zehnten, ein Ausdruck für eine Geldab­gabe, die ein Äquivalent für eine Zehntabgabe darstellte; z. B.: „villicus dabit (decem solidorum) pro decima sub condicione que oding dicitur in vulgari“ (UB Kloster Scharnebeck 88; 1298 März 9). Die Zehntzahlungen und Ersatzleistungen unter­lagen einem ständigen Wechsel. Der konkrete Zehnt wurde jedes Jahr neu aus­gehandelt, Ersatzleistungen für ein oder mehrere Jahre fest­gelegt. Der umfang­reiche Fundus spätmittelalterlicher Quellen zur Grund­herrschaft im Kloster Ebstorf (Fürsten­tums Lüneburg) gewährt detailierte Einblick in die Ein­zelheiten von Zehntbesitz und Zehntziehung. Auch das Kloster Ebstorf hatte bereits im 13. Jahrhundert zahlreiche Zehnten erwerben können. So besaß es u.a. in den Jahren von 1470-1479 die ge­samten Zehntrechte in 44 Dörfern zumeist im heutigen Landkreis Uelzen. Den Zehnt von Brauel (nördl Zeven, nahe bei liegt Godenstadt) wurde 1220 erworben; Im ur­kundenbuchlichen Zinsregister der Jahre 1416 bis 1426 sind für die beiden dor­tigen Höfe ein sogenanntes Odingsgeld in Höhe von jeweils 12 Schilling und hohe Getrei­dezinsen vermerkt worden. Dieses Odings­geld und sonstige Zehntrechte führen die Register seit dem Jahre 1470 bis zur Säkularisierung der Propstei nicht mehr auf. Auch als Familienname kam Oding im Raum Lüneburg im späten Mittel­alter gele­gentlich vor. In den wenige km südl. vom Kloster liegenden Dörfern Bohlsen und Gerdau werden die Anwohnerfamilien Albert und Jacob Oding(k) erwähnt. (Klaus Goetke, Grundherrschaft des Klosters Ebstorf im späten Mittelalter, Gerdau 1997) Auch anderswo taucht dieser Familiennamen auf, so im Kirchspiel Emsbüren (nördl. Rheine) ist für d.J. 1450 ein Heinrich Oding nach­ge­wie­sen (vgl. Rolf Süwolto’s Orts­sippenbuch).
 
So, wie fast sämtliche ahd. Od-Begriffe verschwanden (ausgenommen die Dorf­na­men), eben weil an ihnen der Ruch des überwunden geglaubten Altheiligen hängen musste, ihnen, von den in lateini­sch­en Sprachtraditionen lebenden Klerikern, keine dauerhafte Zuneigung entgegen­ge­bracht wurde, wodurch ein Verwendungsbedürfnis zunehmend schwand, so ver­loren sich das Wizzod wie auch der Oding im Spät­­mit­telalter aus dem Sprach­ge­brauch. Wir fanden also den Sippennamen Oding, er­kann­ten Orte wie Odingberge, Odingen, Oting als vorchristlichen Kultstätten und er­fuh­ren, dass es einen Rechts­begriff Oding gab. Die Frage stellt sich nun, ob der urge­dank­liche Inhalt des letzteren - des­sen Be­griffsbestimmung  als „Regel im Rahmen der geheiligten Gesetzesordnung“ erklärbar ist - in einen Zu­sam­menhang mit dem gleich­lautenden Titel der linksläufigen Ru­n­enreihe gesetzt werden könnte -, im höheren Sinne einer Heiligen Übereinkunft, einer Goldenen Regel? Da das ei­gen­tümliche Ru­nen­schrift­denken keinen gram­matikalischen Prinzipien folgte, sondern geheim­nis­volle Doppel­deutungen liebte, wäre es zumindest nicht unmöglich. Bei einge­hen­der Betrachtung wirkt es sogar höchst erstaunlich wie genau dieser nie­derdt. Rechts­begriff Oding auch das Wesen des runischen Gesetzes trifft.
 
Anhänger und Bejaher eines solchen heiligen Gesetzes, wären nach germ. Sprach­verständnis als Odingi zu bezeichnen. Wie beispielsweise das altfreie Sachsenvolk Edle (Ethilingi) und Freie (Frilingi) unterschied; darunter standen Abhängige, wie sie noch bis in die Neuzeit als Heuerlinge bekannt waren, die von einem grö­ßeren Hof abhängig und ihm zu Dienst verpflichtet waren. Bei den Longo­barden hießen die Freien Arimanni, der Einzelne Arimannus. Die Endung -ingi wurde denen zugefügt die als Abkömmlinge einer bestimmten Person oder eines besti­m­mten Geschlechtes galten. Die Kinder des Od-Gottes, seine Abkömmlinge oder Anhänger, auch die od­mütigen Befürworter des Oding, des Od-Gesetzes, hätte man so be­nannt. Diese Anhängerschaftsbezeichnung ist quellenmäßig nachweisbar: In der i.J. 551 vom Go­ten Jordanis verfassten „Gotengeschichte" (Kapitel III § 16-24 der Mom­msen'sch­en Ausgabe) werden die verschiedenen Völker der „Insel Skandza" (Skan­dinavien) aufgezählt, dabei nennt er auch die Otingis. Bei dieser Aufzählung handelt es sich, wie wir heute wissen, nicht immer um Völker­namen im ethnischen Sinne, sondern um die Namen von Kultverbänden, d.h. von Volksgemeinschaften, die einer sie ver­bindenden religiösen Idee anhingen. So verhält es sich auch bei den Herulern, von denen man glaubte, es handele sich um einen germanischen Volksverband; heute wissen wir, dass es eine kultische Gemeinschaft von Run­en­anhängern war, die auch in den Kriegen des Römerreichbeendigers des Skiren („Reinen“) Odowakar („geistig Wacher“) engagiert mitfochten.
 
Bis hin zur Wortgleichheit der Begriffe ggerm. od, altn. („Geist / Gemüt / Seelen­bewegung"), alte. oðian („atmen“) und ggerm. Oding, altn. , Oðr, Oð­inn, dem göttlichen Allgeist. Daraus ist zu schließen, dass Wodin­-Gläu­bige ihre OD­ING-Runen als sinnbildhafte oder reale Segmente des Welt­odems auf­fass­ten, der den Makrokosmos ebenso erhaltend durch­strömt, wie er in uns allen als Lebens­hauch und bestimmende Seelenkraft durch die Zellen pulsiert.
 
Luzerner Chronik des Renward Cysat, aus dem 17. Jh. bekannt wurde. Darin findet sich folgende Geschichte: Auf einer Alp am Pilatus, der besonders verschrien ist für Spuk - dort soll ja Wotan (m. A.) heute noch sein Wesen treiben! Cysat wurde bei einer Pilatusbesteigung nachts gestört durch einen Zug von Leuten, die mit Musik und Singen an beiden Seiten der Hütte vorbeiströmten - genauso wie ich es im Traum erlebt hatte." Am nächsten Tag fragte er den Senn, bei dem er übernachtet hatte, was das zu bedeuten hätte. Dieser wußte ohne weiteres Bescheid: das müßten die 'sälig Lüt', gewesen sein, nämlich das Wotansheer der abgeschiedenen Seelen. Sie pflegten in dieser Weise 'umzugehen' und sich bemerkbar zu machen." (Vgl. C.G. Jung, Erinnerungen, Träume, Gedanken, S. 233f.)
 
Der ursprünglich vielleicht geheime Namen des ggerm. Geistgottes wudinaz oder wodinaz d.h. „Wu­di­naz“ bzw. „Wodinaz", formte sich durch Anlautschwund im Mittel­alter zu Wodan, Wodin, Óðinn / Odin. (i.J. 1131 bezeugt bei Caesarius von Heister­bach: „vel, ut alii dicunt, Wudinisberg“, Godes­berg südl. Bonn) Das Wilde Heer Wotans/Wodins, ist in den Formen „Wütisheer“, oder „Guotisheer“ durch den Luzerner Renward Cysat (1545-1614) belegt, in „Collectanea chronica und denkwürdige Sachen pro chronica Lucernensi et Helvetiae“. Addiert man die Buchstabenzahlenwerte des Namens Wudinaz, erhält man 102, also die Zah­lenfolge des Anfangs (1>2), mit QS 3 = Ing. Mit ihm, dem germ. Urgeist-Ahnen­geist, fängt alles, auch das zahlenrunische Leben und Weben an, und es schließt bereits die solare Idee der 3. Rune mit ein.