„Bericht des Oberschlesiers Thiel, der von den polnischen Wachmannschaften als Totengräber eingesetzt war: Am 25. Aug. 1945 wurde ich von er Miliz verhaftet und nach Falkenberg zur Kreismiliz gebracht. Nach drei Wochen wurden wir nach Lamsdorf verschleppt. Die Aufnahme nach unserer Ankunft in Lamsdorf verlief so: Wir wurden einzeln auf eine Schreibstube gebracht. Wir draußen hörten das Brüllen und die Schreie der Miliz, dumpfe Schläge und Schmerzenslaute. Max Heine aus Tillowitz, Gastwirt, wurde aus der Türe herausgestoßen. Er blutete aus dem Gesicht, an den Händen, und seine Kleider waren zerrissen und zerfetzt. Er wurde hinter eine Baracke geführt und dort erschossen. Der Lagerarzt stellte bei ihm zahlreiche Stichwunden von einem Bajonett fest und Schüsse im Bauch und Kopf und Hals. Bei dem sogenannten Appell, bei dem in polnischer Sprache abgezählt wurde, obwohl niemand diese erlernt hatte, und das deutsche Lied ,Kehr ich einst zurück ins Heimatland‘ gesungen werden mußte, obwohl hierbei immerfort geschlagen wurde, gab es jedesmal eine Anzahl von Toten. Die Milizianten hatten einen scheußlichen Totschlag herausgefunden, indem sie die angetretenen Männer mit ihrer Handkante gegen die Schlagader am Halse schlugen, worauf diese fast jedesmal tot umfielen. Diese Toten nach jedem Appell, etwa vier bis sechs Männer, mußten von einigen hierzu Befohlenen an den Füßen schnell vom Platz gezerrt und in die Splittergräben geschleift werden. Vom 20. September 1945 an habe ich die Toten beerdigen müssen. Bis zu dieser Zeit wurden die Toten in die Splittergräben geworfen. Hierbei kamen drei bis fünf Tote übereinander. Die Gräber wurden der Erde gleichgemacht. Ich mußte einen neuen Friedhof anlegen. In Reihengräber kamen die Toten nebeneinander und übereinander. In einer Reihe lagen etwa 170 Tote. Hier wurden sie bis Jahresende begraben, und dann wurde außerhalb ein neuer Friedhof, sprich Massengrab, angelegt. Der bis März 1946 benutzte Friedhof ist eingeebnet, mit Kompost befahren und Gras besät. Zu den Todesfällen sei noch bemerkt, daß einmal zur Vergeltung fünfundzwanzig Mann erschossen wurden, weil ein Siebzehnjähriger aus dem Lager heimlich flüchten konnte. Frau Sch. aus Goldmoor wurde erschossen, weil sie kurz vor dem Wecken zur Latrine gehen mußte. Der Bielitzer Bauer Josef S. wurde zur Wache geholt, dort blutiggeschlagen und erschossen, weil er auf einem Arbeitskommando vorbeikommende Russen um ein Stück Brot gebeten hatte. Ein Milizmann hat sich damit gerühmt: ,Ich habe heute den 25. ins Jenseits befördert !‘ Die Arbeit der Häftlinge war schwer und hart. Auf das Feld kam kein Pferd, denn diese wurden benötigt für die Plünderfahrten der Polen. Die Wagen und die Ackergeräte mußten von Männern gezogen werden ohne Rücksicht auf ihren Gesundheitszustand. Manchmal mußten die Männer vor diesen Geräten so schnell laufen, daß sie zusammenbrachen und dann unter Kolbenstößen wieder weiter getrieben werden mußten, bis dieser und jener auf dem Felde sein Leben aushauchte. An Arbeitskräften hat es nie gemangelt, und wenn, dann wurde ein neues Dorf wieder ins Lager verschleppt. Alle Altersstufen waren vertreten, vom Kind bis zum Greis. Bericht der Oberlehrerin Elisabeth Ambros aus Floste, die im Lager Lamsdorf Kinder zu betreuen hatte: Auf dem Wege von Neiße nach Floste wurde ich 1945 im Oktober von Polen festgenommen und in das Lager Lamsdorf gebracht. Insgesamt waren in diesem Todeslager über 800 Kinder vom Säuglingsalter bis zum vierzehnten Lebensjahr. Die Jungens waren bereits in einer Baracke für sich untergebracht und mußten ihrem Alter entsprechende Arbeiten verrichten. Viele Säuglinge sind bereits in den ersten Monaten verhungert. Über 30 Prozent aller Kinder im Lager Lamsdorf schätzungsweise sind verhungert oder erfroren. Einige Kinder wurden von Posten erschlagen. Bericht des deutschen Lamsdorf-Häftlings M. Schneider über die Situation der Kinder im Lager: An einem Tag im Monat Dezember 1945 zog in den Morgenstunden etwa ein Dutzend Kinder im Alter zwischen sechs und zehn Jahren bei Frost und stürmischem Wetter an den Baracken entlang und bettelte vor den Fenstern der Männerbaracken mit erhobenen Händen um Brot. Sie weinten und zogen jammernd weiter, bis eins nach dem anderen sich um sich selber drehte und verzweifelt zusammensank in den gefrorenen Schnee. Dann wehten die Schneestürme über die kleinen Leichen hinweg. Bericht des deutschen Lamsdorf-Häftlings Willi Tirpitz über einen deutschen Stubenältesten in Lamsdorf: Ich wurde in die Villa Wackerzapp eingeliefert, und wenige Tage darauf brachten sie auch Pampuch. Er stammte aus Döbern/Oder, sein Vater war dort Fährmann. Wir kamen zusammen nach Lamsdorf. Pampuch, der Polnisch sprach und mit den Posten anbändelte, wurde Stubenkommandant. Als solcher schikanierte er seine Mitgefangenen. Der Leidensgefährte Siekiera. der neben mir lag, hatte ein Glasauge getragen und wurde von Pampuch zuerst so mißhandelt, daß er das Glasauge verlor. Eines Tages trat er zum Appell an mit schleppenden Schritten. Da stellten sich ihm Fuhrmann und Pampuch in den Weg. Pampuch nahm einen Eichenknüppel und erschlug Siekiera. Nach zwei Wochen kam auch der Lehrer Schmittala aus Karbischau ins Lager und auf unsere Stube. Er erhielt von Pampuch so viele Schläge, daß er zusammenbrach und verstarb. Bericht des deutschen Lamsdorf-Häftlings Erhard Schulz: Ich befand mich außerhalb des Lagers auf einem Arbeitskommando. Nach Rückkehr von der Arbeit wurden wir von den uns bewachenden zwei Posten mit Karabinern in einen Teich getrieben. Dann schossen die Polen auf unsere Köpfe, und zwar jedesmal, wenn wir mit den Köpfen hochkamen, um Luft zu holen. So wurde einer nach dem anderen durch die Kopfschüsse getötet. Ich selber hatte mich hinter Schilf versteckt. Unbarmherzig war der Anblick, als alte Männer zur Latrine mußten und dann als Übungsfiguren für Scharfschützen dienten, die Jungens von vierzehn bis achtzehn Jahren waren und zum Zeichen ihrer Gewalt eine polnische Milizmütze trugen. Bericht des deutschen Arztes Hans Esser, der im Lager Lamsdorf deutsche Gefangene wie polnische Wachmannschaften betreute: Grundsätzlich gab es für Frauen, Kinder und Kranke keine Verpflegung. Für die arbeitenden Männer gab es: täglich drei bis vier Kartoffeln, das bedeutet am Tage pro Mann etwa 200 bis 250 Kalorien. Der günstigste Tag war der 8. Juni 1946, an dem die Anzahl der Lagerinsassen nur noch 334 Menschen betrug. An diesem Tag gab es 15 Brote, 5 kg Mehl und 50 kg Kartoffeln. Das waren für die Lagerinsassen etwa 371 Kalorien. Am Mittag des 4. Oktober 1945 brach in der Baracke 12 nachmittags gegen 16 Uhr ein Brand aus, dessen Ursache nie geklärt wurde. Die betrunkenen Milizianten hatten mit ihrem Kommandanten einen Kordon um die Brandsteile gebildet und feuerten aus Karabinern in die Männer und Frauen, die dazu verurteilt worden waren, zu löschen, obwohl das alles unsinnig war. Inzwischen wurde auch ein Maschinengewehr aufgestellt, und schon fielen die Schüsse und knatterten bellende Geschosse aus dem MG. Der Lagerarzt war an seine Kranken herangekommen, um diese zu beschützen und ihnen den Weg aus der Baracke zu zeigen. In diesem Augenblick richteten sich die Gewehre auch auf die Kranken, die in eine neben der Baracke stehende Grube gejagt wurden. Gleichzeitig warf man diese Grube voller Menschen mit Erdklumpen zu, obwohl die darunter Liegenden herzerschütternde Schreie von sieh gaben. Die anderen wurden, spärlich bekleidet, auf die brennenden Dächer gejagt, oder man trieb sie in die Feuerglut. Man hörte Schreie, Flehen und Gebete, und es krachten die Gewehr- und Maschinengewehrgarben. Man schoß jetzt gezielt auf einzelne Personen und tötete diese durch Kopfschüsse aus allernächster Entfernung von zwei bis vier Metern. Inzwischen waren auch die Männer von den Arbeitskommandos zurückgekommen. So begann das Erschießen von neuem. Überall und fernab von der Brandstelle lagen die Leichen der Erschossenen und der Verbrannten. Jeder, der einem Wachposten begegnete, verlor sein Leben. So auch der Sanitäter Förster, der die Rote-Kreuz-Binde am Arm trug und des Weges kam, um zu einem schwerkranken Kinde zu gehen und diesem etwas dünne Suppe zu bringen. Er wurde von dem berüchtigten Ignatz durch Genickschuß getötet. Ähnlich erging es einer alten Frau, die gerade zur Aufnahme ins Lazarett wollte, um sich vor diesem Inferno zu schützen. Ignatz trieb sie heraus und an den Rand eines Massengrabes. Hier erschoß er sie. Es war Frau Bär aus Essen. Damals kamen mehrmals nach dem Brande Vertreter der Woiewodschaft, aber die verängstigten Lagerinsassen erhielten vom Lagerführer Fuhrmann abends vorher genaue Anweisungen über die zu gebenden Antworten. Es durfte auch niemand wagen, sich diesen Weisungen zu widersetzen, er wäre unbarmherzig zu den übrigen Toten gekommen. Auf diese Weise durch schwerste Bedrohungen eingeschüchtert, wagte es auch niemand, die Wahrheit zu sagen, aus Angst vor einem qualvollen Tod. Ähnlich verhielt es sich auch, wenn Abgeordnete einer übergeordneten polnischen oder alliierten Dienststelle kamen und die Männer im Lager befragten, ob sie mißhandelt würden oder wie die Verpflegung sei. Die Wahrheit konnte unter den damaligen Umständer nicht an den Tag kommen. Ein jeder schwieg aus Furcht für sein eigenes Leben oder das Leben seiner Angehörigen und Verwandten. Nicht mal in den Nachbarorten wußte man Genaues hierüber, und wenn, auch dort mußte geschwiegen werden, es ging ums Leben, um die nackte Existenz und das Leben der ganzen Gemeinde. Aus meinem Fenster sah ich, wie die Männer geschlagen und gejagt wurden, und ich sah, wie sie umfielen und sich nicht mehr rührten. Währenddessen kamen die Frauen und Mädchen von der Arbeit oder von außerhalb des Lagers. Man legte sie über einen Holzblock und schlug sie mit Eichenknüppeln bei Musik über das entblößte Gesäß, so daß die Fleischfetzen herunterhingen. Aber sie mußten noch in der Sonne liegen unter dem Hohngelächter der betrunkenen Milizianten, bis sie in eine Stube gebracht wurden, aus der es kein Herauskommen mehr gab. Sie lagen auf dreckigem Stroh, und über den Fleischfetzen schwärmten die Fliegen. Es gab kein Verbandzeug und keine schmerzlindernden Tabletten, es gab keine Mittel für Wunddesinfektion und Pflege, so daß sie alle sterben mußten, nach ein bis zwei Wochen. Über die Toten in Lamsdorf durften keinerlei Aufzeichnungen gemacht werden. Todesbescheinigungen auszustellen war unter Strafe durch Erschießung untersagt. Es war jeder Briefverkehr mit Personen außerhalb des Lagers ebenso wie jedwede Unterhaltung verboten. Allein der Lagerarzt konnte mit seinen Hilfskräften wichtige Aufzeichnungen machen, die aus dem Lager in die Hände von Vertrauenspersonen gebracht worden sind. Hierbei leisteten selbst Polen mit ordentlicher Gesinnung Mithilfe im Jahre nach der Lagerauflösung. Insgesamt kann man mit gutem ärztlichen Gewissen aussagen, daß 8.064 Menschen in das Lager Lamsdorf O/S in den Jahren 1945 und 1946 von den Polen zwangsverschleppt worden sind. Mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit kann ärztlich erklärt werden, daß hiervon 6.488 Menschen das Leben lassen mußten. (DER SPIEGEL 25/1979)
Arbeitsleistungen deutscher Kriegsgefangenen
Die gesamte von gefangenen Deutschen geleistete Zwangsarbeit nach dem Kriege, und das sind mindestens 90 Prozent der nachstehend dargestellten Leistungen, war ein beispielloser Bruch des Völkerrechts in der modernen Geschichte. Leider wurde bis heute noch von keiner amtlichen deutschen Stelle diese Zwangsarbeitsleistung vollständig bewertet. Gefangenschaftstage, an denen Zwangsarbeit geleistet wurde: Durch (A) Kriegsgefangene 3,502.452.000 (3,5 Milliarden). Geleistet wurde das von 11.094 Millionen Kriegsgefangenen. In den Oststaaten 3.349 Millionen, in den Weststaaten 7.745 Millionen. Davon starben in Gefangenschaft 1,5 Millionen, davon in Oststaaten 1.335 Millionen. Insgesamt starb jeder 7. Kriegsgefangene in Gefangenschaft. Im Osten starben von fünf Gefangenen zwei in den Todeslagern. Die letzten Gefangenen kehrten 1956, elf Jahre nach Kriegsende, aus der Sowjetunion heim. (B) Zivilverschleppte erbrachten 3,805.000.000 (3,8 Milliarden), geleistet von 1,7 Millionen, zum größten Teil ab 1945 verschleppten Volksdeutschen. Davon starben bis 1950 580.000 in den östlichen Todeslagern, jeder dritte Verschleppte. Insgesamt waren Zwangsarbeitstage: 7.307.452.000 (7,3 Milliarden), die Arbeitszeit: 73.074.520.000 Std. (73 Milliarden). Die Gefangenen mussten mindestens zehn Stunden am Tag arbeiten, woraus sich diese Anzahl geleisteter Zwangsarbeitsstunden ergibt. Arbeitswert: 730.745.200.000 DM (730 Mrd. DM). Bewertet man die Stunde nach einem Wert von minimal zehn DM, so ergibt sich allein aus der Zwangsarbeit diese Reparationsleistung. Das ist geradezu eine unvorstellbare Summe. Dazu eine Vergleichszahl: In der deutschen Industrie wurden 1985, von den Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten, von 4.769.000 Arbeitern 7.910.100.000 (7,9 Mrd.) Arbeitsstunden geleistet. Die Lohnsumme dafür betrug. 167,559 Mrd. DM (mittlerer Stundenlohn etwa DM 21,-). Die deutschen Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und Zivilverschleppte, haben also nahezu das Zehnfache der Jahresleistung 1985 der Arbeiter in der deutschen Industrie erbringen müssen. Nicht erfasst werden konnte die Zwangsarbeit der Zivilverschleppten aus den von den Bolschewiken besetzten Gebieten des Altreiches und Österreichs. Es waren mehr als 100.000 Deutsche, die aus politischen Gründen deportiert wurden und die während der Gefangenschaft fast ausnahmslos ermordet wurden. Dasselbe gilt für die mehr als 100.000 Menschen, die in den russischen KZ der sowjetischen Besatzungszone inhaftiert waren. Die F.A.Z. v. 12.9.1987 schreibt aus Anlass des Honecker-Besuches in der Bundesrepublik, allein von 80.000 Ermordeten in Buchenwald nach 1945. Insgesamt haben mehr als zehn Prozent der deutschen Bevölkerung jahrelang wider alles Völkerrecht Zwangsarbeit leisten müssen. (Aus 3. Jg., Heft 4 . Dez. 1999, „Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung“, Verlag und Vertrieb: Castle Hill Publishers, PO Box 118, Hastings TN34 3ZQ, Großbritannien)