04.02.2022
 
Urdeutsche „Schönfelder Kultur“ (ca. 2.800-2.200 v.0)
 
Aus der nordischen Maklemose-, Kungmose- und schließlich Ertebölle-Kultur der seetüchtigen Küstenjäger an Nord- und Ostsee, mit den aufgenommenen Anregungen und Blutanteilen der einerseits mobilen Viehnomaden, der mit Bootsäxten bewehrten Schnurkeramiker, und andererseits den bedächtigen bäuerlichen Bandkeramikern, aus den Siedlungsräumen der deutschen Flussregionen, entwickelte sich das weite Gebiete Südskandianviens und Norddeutschlands umfassende Reich der Großsteingäber- und Trichterbecherkultur. Eine spezielle Ausformung dieser hyperboräischen Hochkultur schufen die Menschen der Schönfelder-Kultur, die man als erste urdeutsche Sonderkultur bezeichnen darf.
 
Nach derzeitigem Forschungsstand: Die Schönfelder Kultur war der - die von den Schnurkeramikern mitgebrachte Pest überlebende - einheimische Nachfolger der Trichterbecher, Bernburger, Elb-Havel und Kugelamphoren Kulturen (ca. 5.100 - 4.650 vor heute). Die Kugelamphorenkultur der „Fischbecker Gruppe“ im Raum Stendal wird als ihre Frühphase angesehen. Die nach dem Fundort Schönfeld, Ldkr. Stendal, benannte urdeutsche Kultur war eine vorwiegend auf Mitteldeutschland zentrierte Erscheinung mit Kerngebiet zwischen nordöstlichem Harz, mittlerer Elbe und unterer Havel. Sie befand sich an der Elbe von dem Wendland  über das Mittelelbe-Saale-Gebiet (Schwerpunkt) bis Böhmen. In der entwickelten Schönfelder Kultur lassen sich zwei regionale Untergruppen unterscheiden, die sich um Magdeburg überschneiden: 1. Ammenslebener Gruppe (Mitte Sachsen-Anhalts) und 2. Schönfelder Nordgruppe (Norden Sachsen-Anhalts). Die Schönfelder Kultur lebte in Koexistenz zusammen mit den überregionalen Erscheinungen indogermanischer Schnurkeramik- und südwesteuropäischer Glockenbecherkultur, wobei ein von der Glockenbecherkultur dominierter Assimilierungsprozess einsetzte, der die Kulturen mit dem Beginn der Frühbronzezeit zur Aunjetitzer Kultur verschmolz. In diesen Landschaften löste sie die nordische Trichterbecher-, Bernburger-, Kugelamphoren- und Elb-Havel-Kultur ab. Bevölkerungsteile jener früheren Kulturen verschmolzen zu einem neuen Gesellschaftsverband, der sich wiederum in wenige Regionalgruppen gliederte. Offenbar ging dies mit einem geistigen Umbruch einher. So unterzogen diese frühdeutschen Menschen ihre Toten erstmalig der ausschließlichen Brandbestattung. Ebenso auffällig ist auch die charakteristische Strahlenornamentik auf der Außenseite flacher Tonschalen, der offensichtlich eine Sonnensymbolik zugrunde liegt (siehe Kopfabbildungen). Man hängte die Sonnensymbol-Schalen, im Sinne geheiligter bzw. heilbringender Amulette, an den Hausbalken auf. Die geheiligte Sonne wird in Form zentrischer Ringe dargestellt und das in den Zentren vorgeführte Kreuzzeichen macht sich bereits als Sonnen-Symbol bekannt. Diese hyperboräische Sonnen-Religion ist bis hin zum Strukturprinzip der germanischen Oding-Runen - aus dem 1. Jahrhundert vor Null - nachweisbar. Der Sonnenkult wird als eine denkbare Wurzel für die frühbronzezeitliche Aunjetitzer Kultur angesehen. Er könnte auf eine auf einen Häuptling (Führerprinzip) zugeschnittene durchsetzungsfähige Hierarchisierung der Gesellschaftsordnung hinweisen. Elemente dieser Zivilisation in auswärtigen Gegenden - vor allem im Gebiet der Schnurkeramik-Kultur - zeugen von einer gewissen Behauptungskraft oder Attraktivität. Sie selbst zeigte sich fremden Einflüssen kaum aufgeschlossen. Bemerkenswert ist die hohe Qualität der Keramik, worin sich Tendenzen zur spezialisierten Töpferei abzeichnen. Hinsichtlich der Bestattungssitte spielte die Brandbestattung bei allen anderen jungsteinzeitlichen Zivilisationen nur eine untergeordnete Rolle, so war sie für die Schönfelder Kultur die alleinige Art der Beisetzung. Hier dokumentiert sich eine bewusste Abgrenzung gegenüber den benachbarten Kulturkreisen. Die Toten wurden mitsamt Geräte-, Schmuck- und Nahrungsbeigaben auf einem Scheiterhaufen eingeäschert, wie es bis hin zur mittelalterlichen Verkristung der Germanen bzw. Deutschen weiter geschah. Keramikschalen und gelegentlich andere Tongefäße dienten als Behälter und Abdeckung für den Leichenbrand. Brauchgemäß waren die Grabgruben nur flach eingetieft und eingeebnet. Vereinzelt wählte man die Großsteingräber der Vorgängerkultur als Bestattungsplatz aus. Die Grabstätten lagen höchstens wenige 100 Meter von den Siedlungen entfernt. Zwischen den einzelnen Gräbern ließ man einige Meter Abstand. Zum Hausbau- und Siedlungswesen, ist festzustellen, dass die Bodenqualität bei der Wahl des Wohnplatzes offenbar nur bedingt ausschlaggebend war. Siedlungen - kleinere Weiler oder bis zu einem Hektar große Dörfer - lagen stets in Gewässernähe, aber hochwassergeschützt. Je nach Zweck errichtete man Gebäude verschiedener Größe in Pfostenbauweise und ohne regelhafte Ausrichtung. In den Wohnhäusern, die bis etwa 20 Meter lang sein konnten und wohl Firstdächer trugen, befanden sich nachweislich Feuerstellen in separierten Räumen. Schließlich gibt es einige Hinweise auf eine Befestigungsanlage im Raum Magdeburg, die ein Licht auf das zumindest zeitweilige Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung wirft, wie auch auf deren Fähigkeit, Großbauprojekte zu organisieren. (Basis-Informationen u.a. vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt - Landesmuseum für Vorgeschichte)