LICHTGESANG
 
Ich bin ein Wandrer durch Hessens Land,
grüß’ im Walde die wuchtigen Eichen:
Gott feie euch fürder vor Frevlers Hand -,
nie sollet dem Axtschlag Ihr weichen !

Sollt grünend künden dem guten Geschlecht -
das mit Blut sich und Boden verbunden -
in Sang und in Saga das Sonnenrecht,
bis der Lichtglaube wieder gefunden.
 
Seit tausend Jahren, wo trutzig ihr hebt
zum Himmel den Stamm und die Krone,
nie haben die Wurzeln im Wetter gebebt,
nicht im Hagelsturm, Spott oder Hohne !

Im rüstigen Deutschland, da raget ihr stolz
wie die Helden in himmlischer Halle -,
mein herrliches Vorbild sei kerniges Holz
dass nie Feigheit und Furcht mich befalle.
 
So wandere ich über den Wodenberg,
hinan späht mein Sinnen und Schreiten,
mich kümmert kein christlich’ Krämerwerk,
mein Wollen geht kühn in die Weiten.

Da bimmelt von unten ein kläglicher Klang
das Karlskirchlein rührt seine Glocken,
und ich singe im Steigen den Lichtgesang -,
lass’ die bettelnden Beter dort hocken.
 
Dort droben bin ich mit Wodan allein,
sein Sinn streift mir wild durch die Seele,
der Morgen durchflutet den Heiligen Hain,
und ein Jubel steigt mir in der Kehle.
 
PS: Der Gudensberg, früher Wodensberg, liegt im hessischen Schwalm-Eder-Kreis ca. 20 km südl. Kassel, 10 km nördl. Fritzlar, der Zentralregion des altgerm. Chatten-Gaues. Im 10. Jahrhundert wurde der Hof Wodensberg in Gudensberg urkundlich genant. Gudensberg selbst wurde erstmals 1121 erwähnt, als sich Giso IV. als Graf von Udenesberc bezeichnete. Der Name leitet sich von Odinsberg ab, ein Beleg, dass in altdeutscher Zeit dort von den Chatten der höchste germanische Gott verehrt worden ist. Noch 1672 wurde der Ort in einer Urkunde als Wutansberg bezeichnet.