Copyright Ⓒ Gerhard Hess / 06.10.2021
 
„Eresburg und Obermarsberg um 1670“, aus „Monumenta Paderbornensia“, 2. Ausg. 1672, S. 102 (Paderborn) - Dort, wo die spätere Peterskirche auf dem höheren nordöstlichen Teil des Bergrückens errichtet wurde, stand die hohe Steinsäule, welche die Sachsen in ihrer Muttersprache Irminsul nannten, welche sinnbildlich das Weltall zu tragen hatte.
 
Zur Einstimmung: Das Denken Roms und seiner imperialistischen u. imperial-vatikanischen Vertreter, Anhänger und Mitläufer:
 
Was die meisten der sich mit Christianismus und Katholizismus beschäftigenden Personen übersehen, ist die Quelle aus der diese Erscheinungen kamen und in den deutschen Norden massiv einzuwirken begannen. Die „römisch-katholische“ Geistigkeit kam aus den Patrizierkreisen Roms, für die im Norden allein zu unterwerfende Barbaren hausten. Diese Achtungslosigkeit und Verachtung des römischen Klerus gegenüber dem Deutschvolk bestimmte im Grunde von Anbeginn bis heute den Umgang der Kirche mit ihren Gläubigen. Christian Heitz (Universität Heidelberg) schreibt in „Die Guten, die Bösen und die Hässlichen - Nördliche 'Barbaren' in der römischen Bildkunst“, 2009, im Vorwort: „Ein Barbar ist leicht zu erkennen. Er ist böse, hässlich und dumm. Sonst wäre er ja kein Barbar. Oder hat man schon jemals von einem gutaussehenden und netten Barbaren berichtet, der sich höflich und mit perfekten Umgangsformen nach dem werten Befinden erkundigt hätte? Kaum. … Das Ziel dieser Untersuchung ist es, anhand der Bilder von Angehörigen der externae gentesdes Nordens herauszuarbeiten, wie viele verschiedene Facetten das Bild des ‘Nordbarbaren’ in der römischen Kunst haben konnte. … Der Begriff des ‘Nordbarbaren’ umfasst insbesondere die Völkerschaften, die im Allgemeinen als Gallier, Germanen und Briten angesprochen werden. Es wird gezeigt werden, dass die genaue ethnische Einordnung der jeweils abgebildeten Nordvolkangehörigen nur in Ausnahmefällen eine Rolle spielte. … Was hier erfolgen soll, ist vielmehr eine »Geschichte der Rezeption des Nordmenschen« in den Augen der Römer. Insofern wird die Arbeit viel mehr über die rezipierende Kultur der Römer aussagen können als über die abgebildeten Nordvölkerangehörigen, ihr eigentliches Sujet. Nicht der Wert der Bilder als Wiedergaben der Realität wird betrachtet werden, sondern die Vorstellung von dieser Realität aus der Perspektive der anderen, römischen Kultur. Bilder fremder Welten geben vor allem Auskunft über die Darstellenden und ihre Darstellungspraktiken und nur gelegentlich auch über das, was sie darzustellen vorgeben. Sie erscheinen als Zerrbilder im Spiegel der Werte der sie Abbildenden und werden in verschiedenartiger Weise geformt und genutzt. … Erkennungsmerkmale des Nordmenschen (S. 68 f): Bevor die Bilder selbst einer genaueren Untersuchung unterzogen werden, ist noch einmal zu rekapitulieren, was die Schriftquellen zum Aussehen der Nordvölker überliefern. Woran ist ein Angehöriger der nördlichen Völkerschaften zu erkennen? Wie bereits ausgeführt, vermitteln die literarischen Quellen ein relativ einheitliches Bild von dem, was einen wilden Nordmann ausmacht. Furchterregendes Äußeres, Riesenhaftigkeit, bleicher Teint und blondes, gerades Haar (meist kombiniert mit ungepflegter Erscheinung) kennzeichnen den typischen Vertreter seiner Art. Die damit einhergehende allgemeine Kulturlosigkeit, ja Tierhaftigkeit und charakterliche Verwerflichkeit wurde ebenfalls im Obigen schon skizziert. All das kann aber noch nicht viel dazu beitragen, einen Nordmenschen in der bildenden Kunst zu erkennen.“ Und der gleiche Autor in „Des Kaisers neue Kinder Romanitas und Barbarentum am Trajansbogen von Benevent“, 2005/6, S. 218ff: „Kindern fehlt das Urteilsvermögen, sie können nicht zwischen richtig und falsch unterscheiden, und folgen eher der Freude als der Pflicht. Ihnen wird in diesem Zusammenhang auch ein flatterhaftes Wesen bescheinigt; sie sind in ihren Stimmungen exaltiert, dem Augenblick verhaftet und kaum zu Mäßigung, Geduld und Ausdauer fähig. Genau diese Eigenschaften finden sich auch immer wieder in der Charakterisierung von Barbaren. Im Barbarenkontext ist das oft gebrauchte Schlagwort die Libertas im negativen Sinne: Man tut nur das, was einem passt, und handelt nach Lust und Laune, ohne Gesetzen zu folgen. Im Grunde ist also das Fehlen von Ratio den Barbaren und den Kindern gemeinsam. Kinder aber gelten als natürlich unschuldig, weil ihnen (noch) die Befähigung zur Ratio fehlt; bei Erwachsenen gilt diese Entschuldigung nicht mehr und fehlendes rationales Verhalten wird moralisch verurteilt. Während jedoch im römischen Kontext Ratio durch Erziehung nach den richtigen Werten und Normen gelernt werden kann, haben Barbaren keine Möglichkeit, ihren Kindern die richtigen, römischen Werte zu vermitteln. Quintilian bemerkt um das Jahr 100, dass jedes Kind einen Intellekt habe, der zu entwickeln wert sei, der aber durch richtige Erziehung geleitet werden müsse. So wird in der Vita des Caligula von Sueton bemerkt, dass germanische Geiseln ungenannten Alters in die Schule gehen; man wird allerdings vermuten, dass sie des Alters von sieben, von dem an der römischen Nachwuchs im allgemeinen in die Kunst des Lesens und Schreibens eingeführt wurde, schon überschritten hatten. Das zeigt, dass die Barbaren diese römische Schule, in der die ,richtigen‘ Werte und Normen vermittelt werden, nicht besitzen und Barbarenkinder insofern per se zu andauernder Barbarenschaft verurteilt sind, denn die barbarische Libertas ist mit der Ratio unvereinbar, die zusammen mit der Disciplina das Kennzeichen des zivilisierten Menschen ist. … Dem steht die Verleihung von Waffen (Schild und Frame) als Mannbarkeitsritus bei den Germanen in Tacitus‘ Germania gegenüber. Für den Barbaren gibt es diesen Gedankengängen zufolge keinen eigenen Weg zur Kultur. Rom habe daher den gleichen gottgegebenen Zivilisationsauftrag, den Kindern der kulturlosen Völker kulturelle Werte zu vermitteln, eine Vorstellung, die sich schon früh in der römischen Literatur findet. Roms Weltherrschaftsanspruch, verschmolzen mit ehrlich empfundenen und zugleich legitimierten ,Sendungsbewusstsein‘, findet sich deutlich artikuliert bei Vergil und Plinius.“ Die katholische Kirche lebte aus der gleichen hochmütigen Tradition und behandelte uns Deutsche von Anbeginn wie nicht ganz ernstzunehmende Kinder, die man „zu ihrem Glück“ natürlich auch schlagen/erschlagen dürfe.
 
Das Schicksal der Irminsul
 
Der Begriff „Irminsul“ ist keineswegs ein nur norddeutscher Ausdruck. In zwei Predigten aus Bayern des 12. Jhs. wurden Bekenner des Glaubens als „Fürsten und Irminsule der Christenheit“ und „boume und irminsule der Christenheit“ bezeichnet (Zitate von Herta Kollenz, Graz, in „Festschrift f. Frh. Bolko v. Richthofen“, 1974). Weiter kommt „irmansuli“ zweimal in der „Kaiserchronik“ des 12. Jh. vor, als „hohe Säule“. Irmin, irmana- scheint, wie anhand des Sprachmaterials erkennbar, die Bedeutung von „groß / erhaben / gewaltig“  besessen zu haben.
 
Der eigentliche Sinn hinter dem Weltsäulen-, dem gemeingermanischen und altsächsischen Irminsul-Kult ist nicht schwer zu erraten. Dass eine reale Säule, aus welchem Material auch immer, das riesige Himmelsdach abstützen würde, war bestenfalls ein Kinderglaube, niemals aber ernsthafter Bestandteil germanisch-religiöser Ansichten. Eine Art sonnenenergetische Kraft, eine Lichtsäule wäre aber denkbar, so wie Platon am Ende der „Politeia“ (der Staat), im „Mythos vom Er“ schrieb, der Helden Alcinous und dessen Sohn Armenius, der von seiner Himmelsreise Zeugnis abgelegt hatte. Er erzählte, was er in der Jenseitswelt gesehen und erlebte. Die Seelen der Gerechten stiegen zur Rechten hinauf in die Belohnungsphären und die der Ungerechten sanken zur Linken hinab in die Strafräume. Er gewahrte im Weltzentrum eine Lichtsäule als Achse, um die die kreisförmigen acht Sphären des Himmels angebracht sind, die gedreht werden nach Art einer „Spindel im Schoße der Notwendigkeit. Auf den Kreisen derselben aber saßen oben auf jeglichem eine mitumschwingende Sirene, eine Stimme von sich gebend, jede immer den nämlichen Ton, aus allen achten aber insgesamt klang dann ein Wohllaut zusammen (harmonian xymphonein).“ Pythagoräische Vorstellungen von der Spährenmusik und Sphärenharmonie klingen hier an. Was die symbolistsche Nähe zur Irminsul ausmacht, sind deren Doppelspiralen des Säulenkopfes, welche ja genau das Drehmoment einer gedachten Spindel ins Bild setzen. Denn da die Sonne, aus irdischer Sicht, vermeintlich im Lichtzunahme-Halbjahr eine spiralige Bewegung in den Norden hinauf vorführt und ab der Sommersonnenwende, auf gleichem Wege, eine Abwärtsdrehbewegung bis zur Winterwende, impliziert sich die Mechanik eines Sonnenkörpers, der mittels einer Verbindungsenergie - einem Seil vergleichbar - um die kosmische Zentralsäule kreiselt. Dass sich derartige Vorstellungen im Fundgut niedergeschlagen haben, ist nachweisbar (z.B.Hammerkopf aus irischem Ganggrab von Knowth (5.210-4.970 v.0), Gold-Fibel von Haithabu 7.-10. Jh.).
 
Mein zusammengefasstes Verständnis der Vorkommnisse: In den fränkischen Reichsannalen, die ja nie neutral waren, vielmehr den König über Gebühr lobten, heißt es vom Jahr 772: „Damals hielt der milde König Karl eine Versammlung in Worms und begab sich von hier erstmals nach Sachsen“. Nach dem Reichtag zu Worms und den anstehenden militärischen Besprechungen, marschierte das Frankenheer gerade in nördliche Richtung ca. 230 km, nach der sächsischen Feste Eresburg-Obermarsberg („Erisburgo“), wo König Karl die Wallanlagen und das Irminsul-Heiligtum („Ermensula“) drei Tage lang von seinen Pionieren schleifen ließ. Der Haupttross des Heeres wird derweil nach Norden, in Richtung der Weser, weitermarschiert sein, zum Gestirnsbeobachtungs-Heiligtum im Osning/Teutoburgerwald, das ebenso wüst gemacht werden sollte. Der Sommer war heiß, so dass das Heer, oder seine Vorausabteilung, nach einer Strecke von ca. 40 km, eine Rast einlegte und zwar bei Altenbeken, wo der intermettierende „Bullerborn“ seine Wasser spendete; die wegemüden Krieger konnten sich satttrinken. Dazu informieren die „Annalen“: Karl „nahm das Gold und Silber, das er dort [in der Eresburg oder dem Irminsul-Heiligtum] fand, mit sich. Es gab eine große Trockenheit, so dass es dort, wo die Irminsul stand, an Wasser fehlte. Während der vorgenannte ruhmreiche König dort zwei oder drei Tage bleiben wollte, um dieses Heiligtum gänzlich zu zerstören und sie kein Wasser hatten, da stürzten plötzlich durch Gottes Gnade um Mittag, als das ganze Heer an einem Bachlauf ruhte, ohne dass irgendjemand etwas wusste, Wasser in solcher Fülle daher, dass das ganze Heer genug hatte.“ Die Chronologie scheint plausibel, bis auf die fehlende, aber zu rekonstruierende Kunde, dass das Heer, oder eine Teileinheit, bis zu „einem [trockenen] Bachlauf“, eben dem von Altenbeken, von der Eresburg aus weitergewandert war, denn das Heer „das an einem Bachlauf“ ruhte, der zunächst kein Wasser führte, kann zeitlich nicht das gleiche gewesen sein, das die Eresburg und und die dortige Irminsul zerstört hatte. Dazwischen lag eine in den „Annalen“ nicht ausdrücklich erwähnte Aktion, nämlich der Weitermarsch nach Altenbecken. Bei Obermarsberg liegt der Fluss Diemel, dort kann das Heer keine Wasserknappheit erlebt haben. Bei Altenbeken aber können die Bäche, wie Ellerbach und Rothenbach, im Sommer trocken liegen, da sie im karstigen Kalksteingrund versickern, so dass der Ellerbach bis zu seiner Mündung in die Altenau zumindest oberirdisch kein Wasser führt. Bis zum Externstein ist es von hier noch eine anderthalbstündige Wegstecke (ca. 17 km). Mehrere Gelehrte haben in den vergangenen Jahrhunderten den periodisch sprudelnden Born, den „Bullerborn“ am Fuße des Eggegebirges aufgesucht und hierüber schriftliche Zeugnisse verfasst. Im Weiteren traf sich König Karl mit einigen Sachsenfürsten, schloss mit ihnen einen ersten Vertrag und zwang die Sachsen, ihm zwölf Geiseln zu stellen. Diese Zuammenkunft könnte am nahen hl. Agister-/Externstein zustande gekommen sein.
Noch einmal die Angaben: Die „Annales Laureshamenses“ oder „Lorscher Jahrbücher“ berichten über einen Zeitraum der Jahre 703-818 der karolingischen Verhältnisse, ab 778 berichten sie recht ausführlich über die Reichsgeschichte. Die „Lorscher Jahrbücher“ vermelden vom Beginn Frankenkönig Karls Sachsenkrieg: „Damals hielt Herr Karl, der mildeste König, einen Reichstag zu Worms und drang von da zum ersten Male nach dem Gebiet Sachsens vor, nahm die Feste Eresburg, kam bis zur Ermensul und zerstörte das Heiligtum selbst und raubte Gold oder Silber, was er dort fand.“ Die fränkischen „Annalessancti Amandi“ erklären zum Jahr 772: „König Karl führte Krieg gegen die Sachsen in Heresburg“, worunter Obermarsberg an der Diemel gemeint war. Die „Annales Moselani“ schreiben gleichzeitig: „König Karl war feindlich in Sachsen und zerstörte ihr Heiligtum, das Irmensul heißt.“ In den „Petauer Jahrbüchern“ heißt es: „Der Herr König Karl drang nach Sachsen vor und eroberte die Eresburg und kam zu dem Ort der Ermensul heißt und verbrannte jene Orte.“ Ebenso der Verfasser der „Annales Einhardi“, er notierte, dass Karl „alles mit Feuer und Schwert verwüstete, die Feste Aeresburg zerstörte und das Götzenbild, das Irmensul von den Sachsen genannt wurde.“ Der Mönch Rudolf von Fulda gab der Nachwelt verwirrende Kunde von der altsächsischen heiligen Irmin-Säule in einem zum Jahr 863 gefertigten Text, in „De miraculis sancti Alexandri“ (Kap. 3), wo er schrieb: „Truncum quoque ligni non parvae magnitudinis in altum erectum sub divo colebant, patria eum lingua Irminsul appellantes, quod Latine dicitur universalis columna, quasi sustinens omnia.“ Das heißt deutsch: Sie verehrten auch unter freiem Himmel einen senkrecht aufgerichteten Holzstamm von nicht geringer Größe, den sie in ihrer Muttersprache ,Irminsul‘ nannten, was auf Lateinisch ,columna universalis‘ [deutsch: All-Säule] bedeutet, welche gewissermaßen das All trägt.“ Die Begriffe „truncum-ligni“ wurden in der Regel als „Holz-Rumpf“ bzw. als „Baumstamm“ übersetzt, was wohl schon im schmähenden Sinne des Rudolf von Fulda lag, der bewusst nicht von einer Säule sprach, sodass wir annehmen sollen, dass es sich nur um ein primitives, aus Holz gefertigtes Weltsäulen-Idol gehandelt habe. Fraglich ist, ob das Latein des Rudolf so gut war, dass er die Texte des Vitruv kannte, dem röm. Architekten und Ingenieur des 1. Jh. v.0, welcher „truncus“ sehr wohl im Sinne eines Säulenschaftes gebrauchte. Nachweislich konnte „truncus“ im Lateinischen nicht allein für hölzerne Formungen der Art in Anwendung kommen. Sowieso wird eine Säule die, wenn auch nur symbolisch, das All tagen soll, in der sächsischen Zentralkultstätte nicht aus dem vergänglichen Material Holz geschaffen worden sein, sondern viel eher aus einem feuerbeständigen und doch leicht zu bearbeitenden Sandstein. Zum Glück kennen wir die schlüssigere Schilderung eines im Kloster Corvy um 888/891 wirkenden Geschichtsschreibers, Poeta Saxo, der die „Annales de gestis Caroli Magni imperatoris“ verfasste. Er informierte über den Charakter der Kultsäule, dass es kein unstrukturierter, glatter Stamm gewesen ist, er schrieb: „Irminsul benannte das Volk und verehrte als heilig ein in Säulengestalt gen Himmel ragendes Bildwerk trefflicher Arbeit fürwahr und auch gar herrlich gezieret. Diese zerstörte der Krieg und blieb selbst drei Tage in einem daneben errichteten Lager. Damals, als die Hitze des Sommers lange fortdauerte, und der Himmel heiter war, brannten die Felder und in den Quellen selbst war kein Wasser; von vielem Staub starrten die Flüsse.“ Nach anderer Übersetzung: „…ähnlich einer Säule gewesen, von nicht geringer Kunst und gleicherweise Zierde.“ Zu lesen in „Poetae Saxonis annalium de gestis Caroli magni imperatoris libri quinque”, MGH SS I  - Lib. I, 65. Das bisher Gesagte schließt ein Vorhandensein von weiteren Irminsulen, in anderen Kulthöfen des Nordens, nicht aus. Seit den Ereignissen um die Fällung und Einholung der Irminsul waren Jahrzehnte vergangen. Rudolf von Fulda war seit 812 in der Kanzlei des Klosters tätig und betreute zunächst dessen Urkunden. Dabei fälschte er mehrere dieser Dokumente, was den Beurkundeten, dauerhaften Erhalt klostereigener Besitztümer gewähren sollte. Dass die Klöster skrupellose Fälscherwerkstätten waren ist längst aufgrund vieler textkritischer Nachweise erkannt worden. Auch Rudolfs Aussage mit dem undeutlich-mehrdeutigen Wort „truncum“ für die Irminsul, die lediglich ein „hoher Baumstamm“ gewesen sei, wird der Täuschung der Öffentlichkeit gedient haben, um zu verheimlichen, dass der Sachsen altes Volksheiligtum in einem, salopp formuliert, Fuldaer „Kirchenkeller“ schmachtet, wie ich im Folgenden hier wieder ausführen werde, was ich fast gleichermaßen mündlich sowie in diversen Publikationen seit 1981 vortrug, z.B. in „Mitteilungsblatt des Arbeitskreises für Ur-Sinnbild-Forschung e.V.“, Jan. 1984 und in „Pen Dragan - Briefe für deutsche Heiden“, Juni 1986. Rudolf von Fulda wusste genau was Sache war, um die Causa Irminsul, denn er hat ihren Einbau im Jahre 822 erfahren und erlebte die Fuldaer Betriebsamkeiten bis zu seinem Todesjahr 865.
 
Das Schicksal und der Verbleib der Irminsul ist, den Überlieferungen zufolge, so zu rekonstruieren: Auf dem hervorragenden Bergsporn der Eresburg/Obermarsberg stand sie, weit ins Land schauend. Die fränkischen Reichsannalen berichten zum Jahr 772, dass sie von den Truppen Frankenkönigs Karl im Sommer zerstört worden sei. Eine solche Kriegstrophäe zerstört kein Sieger, er deponiert sie als genugtuendes Objekt seines Triumphes. Dem theologischen niedersächsischen Landeshistoriker Johannes Letzner (1531-1613) aus Hardegsen, waren noch Überlieferungen bekannt, auf die sich sein Bericht von 1590 stützt. Er erwähnt seine Quelle Albertus Crantzius. Albert Krantz/Crantzius (1448-1517) war geistlicher Gelehrter und Diplomat im Auftrag der Hansestädte Lübeck und Hamburg. Er wurde ehrend als „Geschichtsschreiber des Nordens“ bezeichnet. Letzner vermittelt, dass die Säule zuerst an einen geheimen 60 km entfernten Platz verschleppt und vergraben worden sei, nämlich dorthin, wo ca. 40 Jahre später, seit dem Jahre 817/822, das Kloster Corvey errichtet wurde. Dort hat man sie in der Zeit Ludwigs des Frommen wieder aus dem Erdboden geholt, um sie nach Hildesheim zu bringen. Im „Achtzehende Capitel. Von der Armenseul, so man zu Corbej funden“, liest man folgenden Text: „Aber diese itzterzehlete Heidnische Götzen, haben die Sachsen ehe sie zum Christlichen glauben bekeret worden, einen sonderlichen Abgott gehabt, den haben sie Armen oder Irmenseul, das ist jedermans Seul oder auch wol der Armen trost, genandt, auch ihn dafür geehret als einen Gott, und mit grosser andacht in ihren nöthen angeruffen… Andere wollen, Es solle die Armenseul in Westphalen auff einem berge in einem sonderlichen dazu gebaweten Tempel gestanden haben, welcher meinung neben mir viele andere beyfall geben. … Als nun Carolus Magnus Anno Chriti 772. Die Sachsen bey Osenbrugk erlegt und erschlagen, hat er auch diesen Tempel darin die Armenseul gestanden zerstöret und zerbrochen. Ob er aber das Bildnis gantz und unverseret habe wegführen unn etwan in die Erden verscharren lassen, damit es den Sachsen aus den augen keme, oder ob solchs die Sachsen selbst gethan haben kan man nichts eigentlich wisseu. … Conradus Fontanus schreibt, es sey dieses Bildtnüß am selben orth gantz heimlich und verborgen behalten, bis auff die zeitm als Lodowicus Pius Keyser wurden, das stifft Hildenßheim unnd Corby gestifftet, da habe er das vielbemelte Bildniß wollen von dem orth weg bringen lassen, damit es den Leuten aus ihrer macht unnd aus den augen komen möcht. Als man nu in der Nacht dahin komen, das Bildt langen wollen, sey es nicht fürhanden gewesen, und nur die blosse Seul funden worden, die man auff einen wagen gelegt, unnd damit nach Hildenßheim zu gefahren. Was nu unter dem gemeinen Volck der Sachsen noch Heidnisch und Abgottisch gewesen, unnd den morgen geshen, das die Seule von abhanden komen, haben sich dieselbigen gantz feindlicher weise zusamen gerottieret, dem spuhr des wagens gefolget, bis ins stifft Hildenßheim, an den orth da ißundt das Dorff Armenseul, den Junckern von Stockheim zustendig, stehet, und den wagen gantz grimmiglich angefallen, in meinung der Seul, wor auff etwan ihr Gott gestanden, wider mechtig zu werden, die andern aber haben sich tapffer gewehret, und sindt in diesem geringen scharmützel acht Mann zu beiden seiten  todt blieben, aber man hat gleichwol die Seul gen Hildenßheim bracht. An diesem orth hat man zum gedechtnisse etliche Leichsteine gesetzt und denselben orth Armenseul genandt. … Als man aber die vielbenandte Seul gen Hildenßheim bracht, hat man sie in den Thum für den hohen Chor, zu einem Leuchter gesetzt, worauff meins behalts zwelff Liechter stehen können, ist gantz zierlich unnd arthlich außgemacht. Wann man mit einem messer oder dergleichen daran schlegt, so gibt sie einen gantz hellen schal von sich, In grosser hitz des Sommers ist sie fast kalt, und schwißet gleichwohl. Gleich als nun diese Seul, zuvor deu Heidnischen Sachsen, in ihrem Tempel hat dienen müssen, also dienet sie nu in dem Thum zu Hildenßheim. Und mus in dem, daselbst gebreuchlichen Ceremonien etliche Liechter halten.
 
Man hat auch zu Hildenßheim, diesem zerstöreten Gotte, eine ewige memorien unnd gedechtniß gestifftet, so alle Jahr, ungefehrliche umb Mitfasten, volgender gestalt gehalten wirt. Etliche Knaben komen auff dem kleinen Thumhoffe zusamen, setzen einen pfost in die Erden, unnd ein kleines höltzlin darauff, damit wirt die Armenseul mit dem darauffstehenden Gott bedeutet, darnach tretten sie alle an einen gewissen orth, und wirfft ein iglicher mit einem kurtzen höltzlein nach dem gesetzten ziel, welcher ihrer dan das auffgesetzte höltzlin trifft und herunter wirfft, der ist König, und hat das beste gethan, auch aus der Kemerey einen sonderlichen gewin zugewarten.“ - So säte und schürte die Römische Religion schon unter die Kinder Hass und Verachtung gegen den Glauben der Ahnen und damit gegen die Nation, sie spaltete die Gesellschaft und vermittelte im Kern einen psychotisch-kritischen Vorbehalt und ein Misstrauen gegen alles Eigene, das bis heute nicht überwunden wurde, ganz im Gegenteil. 
 
Soweit der Bericht und jetzt die folgerichtige Rekonstruktion des weiteren Herganges. Als die Mönche von Corvey, respektive die Kirchenbehörden, erleben mussten, welche Unruhen die altheilige Irmensul bei  ihrem Wiederzutagetreten auszulösen fähig war, was nur mit ihrem „heidnischen Dämonismus“ erklärt werden könne, beschlossen sie, das Objekt erneut unter die Erde zu verbannen, aber ihre Kraft, gleich einer Gefangenen, sich dienstbar zu machen. So etwa ist damaliges christgläubiges Denken zu verstehen. Wahrscheinlich haben die Kirchenbüttel die beteiligten Männer des Angriffes auf den Irminsul-Transportwagen als Aufständische behandelt und nach den üblichen Folterungen zu Tode gerichtet. Die Sul aber auf direktem Wege in Richtung Süden, über die Stationen der christfrommen Plätze Gandersheim, Northeim, Göttingen, Hersfeld, dem Kloster Fulda ausgeliefert. Das benediktinische Reichskloster Fulda geht auf die Gründung durch Bonifatius und dessen Schüler und ersten Abt Sturm/Sturmius zurück, der an einer Fuldafurt, in einer Fuldaaue namens Eichloha i.J. 744 die Klostergründung begann. Die meisten Informationen über das Leben Sturmis stammen aus der von Abt Eigil verfassten „Vita Sturmi“ aus den Jahren 818-820. Die Mönche von Fulda glaubten das erste Anrecht auf die Irminsul-Trophäe zu besitzen, denn ihr i.J. 779 verstorbener Abt Sturmius war es höchstselbst, welcher am blutigen Eroberungs- und Zerstörungszug des Frankenkönigs Karl gegen die Sachsen des Jahres 772 teilgenommen hatte und also die Fällung der Irminsul oben auf der Eresburg persönlich miterleben konnte. Es wäre gut möglich, dass Karl seinem mönchischen Begleiter schon damals die Sul, auf dessen Bitten hin, für sein Kloster versprochen hatte, sie aber aus mancherlei Gründen, zunächst zwischengelagert werden sollte, nämlich auf dem Weg durch die Täler, nach Überquerung der noch schmalen Diemel, hinter der Eresburg, dann immer linksseitig von Diemel und Weser, ohne weitere Flussüberquerungen, bis zum Ort wo der Klosterbau Corvey geplant war. Sie war, wie wir durch Johannes Letzners Bericht hörten, zurzeit des Kaisersohnes Ludwig I. „der Fromme“ (778-840) wieder ausgegraben worden.
 
Die ersten Jahre seiner Herrschaft waren von einem großen Reformwillen geprägt, er gab viele neue Gesetze heraus und strengere Regeln sollten die korrekte Christianisierung vorantreiben. Auf einer Synode im Jahr 813 soll er den „Michaelstag“ anstelle eines Festes des germanischen Gottes Wotan/Odin festgelegt haben, sodass der hebräische Erzengel zum Schutzpatron des sich langsam herausschälenden deutsch-germanischen Ostfrankenreiches wurde. Seine Königsboten („missi dominici“) berichteten ihm von erschreckenden Missständen der Kleriker im Reich, wie Amtsmissbrauch, Rechtsbeugung und Völlerei. Auf verschiedenen Synoden (Kirchenversammlungen) wurde das Kirchenrecht reformiert. Auch in die Streitigkeiten des Klosters Fulda griff er ein. Abt Eigil (um 750-822), ein Verwandter des Gründerabtes Sturmi, hatte i.J. 817 eine Beschwerdebitte („Supplex Libellus“) vorgebracht, den Abt Ratgar abzusetzen, was Ludwig auch vollzog. Nach der Absetzung Ratgars befahl Kaiser Ludwig die Einführung einer Reform nach den Benediktiner-Regeln des südfränkischen Abtes Witizia, der den Namen „Benedikt von Aniane“ angenommen hatte. Als Eigil i.J. 818 vierter Abt des Fuldaklosters wurde, musste er Ludwigs Verfügungen akzeptieren. Gewissermaßen zur Belohnung und Anerkennung seiner Leistungen bekam er wohl das verkürzte Irminsul-Bruchstück vom frommen Ludwig geschenkt. Zwei Jahre darauf begann Abt Eigil mit dem Bau der Michaelskirche in Fulda, deren Bauzeit bis 822 währte. Sie diente als Totenkapelle des 744 gegründeten Klosters und als Grablege ihres Erbauers Eigil. Der als Zentralsäule der Unterkirche eigebauten Irminsul wurde pikanterweise die Aufgabe zuteil, sinnbildlich das gesamte Sakralgebäude zu tragen, so wie der mythologische Riese Atlas (altgriech. „tragen, erdulden“) das Himmelsgewölbe auf seinen Schultern trägt. Aus Sicht des Kirchenchristianismus hat die germanisch-sächsische Irminsul, als Allsäule („columna universalis“), damit ihre ursprüngliche, nur „christlich veredelte“, Aufgabe beibehalten, nämlich jetzt die kirchliche Gedankenwelt und Herrlichkeit zu (er)tragen. Eine Biographie i.J. 840 des Abtes Eigils verfasste der Mönch Brun Candidus von Fulda (ca. 770-845), ein priesterlicher Maler (Buch- sowie Wandmalerei), Schriftsteller und Verfasser einer weiteren Abts-Biographien, der verlorenen „Vita Abt Baugulfs“.
 
Die Michaelskirche in Fulda wurde im karolingischen Baustil im Auftrag von Abt Egil, ab dem Jahr 820 erbaut und am 15.01.822 durch Erzbischof Haistulph dem „Erzengel Michael“ (Wodan-Ersatzfigur) geweiht. Sie zählt zu den bedeutendsten mittelalterlichen Kirchen Deutschlands und diente zwar als Grablege des Egil und als Totenkapelle des Klosters Fulda, welches als führendes Missions- und Unterwerfungszentrum für das niedergeschlagene Sachsenland galt. Der Fuldaer Mönch Brun Candidus lieferte in seiner „Vita Abt Eigils“ bedeutsame Kommentare zur Bausymbolik. Die Michaelskirche steht in unmittelbarer Nachbarschaft zum Fuldaer Dom auf dem Michaelsberg. Von dem ursprünglichen karolingischen Baukomplex hat sich nur die Krypta erhalten, weil wahrscheinlich im Verlauf eines Ungarneinfalles, der eigentliche Kirchenbau zerstört wurde. Der in früher Tradition stehende Zentralbau erhob sich wie noch heute als Rotunde über acht Säulen. Der Zentralraum wurde durch einen ursprünglich sicher nur eingeschossigen, heute zweigeschossigen Umgang, umfangen. Die Rotunde besaß ursprünglich ein Gewölbe oder eine Kuppel mit einem sichtbaren Schlussstein. Unter der Kirche befand sich die als Untergeschoss angelegte über zwei konzentrischen Mauerringen und einer Mittelsäule gewölbte und von außen zugängliche Krypta. Sie besaß demnach einen Zentralraum, der durch den inneren Mauerring gebildet und auch hier von einem tonnengewölbten Umgang umfasst wurde. Im Zentrum befand und befindet sich die kurze Mittelsäule mit ihrem Kapitell, das bei ungenauer Beobachtung einem ionischen Säulenhaupt gleicht, aber unregelmäßige Windungen hat, also den heidnischen Sonnenlauf-Symbolen entspricht. Das Ionische-Säulenkapitell hat absolut symmetrische, sich zum Ende hin verjüngende Spiralwindungen, nicht aber ungleichmäßige Linienbänder wie die Fuldaer Säule. Hier handelt es sich weder um ein „Ionisches-Kapitell“, noch um ein „ionisierendes Kapitell“, wie zuweilen in den Beschreibungen formuliert wird. Zusammen mit der inneren Ringmauer trägt die Mittelsäule den Gewölbering. Als Grablege ihres Erbauers, Abt Eigils, geplant, verfügte die Krypta ursprünglich weder über einen eigenen Altar noch über eine räumliche Verbindung mit dem Obergeschoss. Eigils Grab befindet sich noch heute zusammen mit einem weiteren im Ostteil des Umgangs. Die Zentralsäule ist mit hoher Sicherheit die durch gewaltsamen Bruch verkürzte Irminsul der Sachsen, die ursprünglich in einer heidnischen Kultanlage auf dem höchsten Felsensporn von Obermarsberg - der sog. sächsischen Eresburg - weit ins Land hineinschauen konnte, bevor sie wahrscheinlich durch Fuldaer Mönche, mit Billigung des ihnen sehr gewogenen Frankenkönigs Karl, in den Raum Corvey weggeschleppt worden ist. Bei Schändung und Zerstörung des Irminsul-Haines und anderer Kultanlagen dürften ihre Paradestücke gewollt und bewusst zerbrochen worden sein, so dass sie in stark verkürzter Länge in die kirchchristlichen Sakralbauten als Trophäen eingearbeitet werden konnten. Der Mönch Brun Candidus deutete die Gesamtkonzeption als symbolische Repräsentation der Beziehung Christi und der Kirche, die Irminsul in der Krypta und der Schlussstein seien - man höre und staune - Symbole für Christus. Er verschweigt natürlich den Namen und die Herkunft der Säule. Aber er verrät sich, indem er die altheilige All-Säule als die höchste Heilsfigur des neuen Glaubens bezeichnet. Als hätte es je christlicher Auffassung entsprochen, den „Erlöser“ unter die Erde zu verbannen, um dort das schwere Amt zu übernehmen, den Michaelskappellenbau zu stützen. Aus den 8 Tragesäulen spricht ebenso die altheidnische Sichtweise vom Himmelsgott Tiu-Tyr, welchem in der runischen Geheimsymbolik die 8. Rune zugeordnet worden ist (siehe „ODING-Wizzod“-Lehre). Die schon altheidnische Kreisform versinnbildliche, so Brun Candidus, das ewig kreisende Leben und die dauerhaften Belohnungen, die die Gläubigen dort erhoffen könnten; aber letztlich doch die vorchristliche Reinkarnationslehre. Wie ambivalent-verquast das auch hier sichtbar werdende Denken der mittelalterlichen Kuttenträger war, geht u.a. daraus hervor, dass die Krypta der Michaelskirche als Beinhaus der Mönche diente, das heißt, hier lagerten die faulenden Leiber und Knochen der frommen Herren. Welch ein Geruch dort herrschte kann man sich unschwer vorstellen -, und ebenso das Vergnügen der lebenden Mönche, das heidnische Sinnbild diesem dauerhaften Gestank auszusetzen.
 
Günther Binding schreibt in „Kirchenbau als Bedeutungsträger - Ein Deutungsproblem“, 2012, S. 97: „Seit Joseph Sauer und und Günter Bandmann ist allgemein gegenwärtig, dass der karolingisch-ottonische Kirchenbau nicht nur formal, funktional oder ästhetisch zu betrachten ist, sondern auch die Symbolik berücksichtigt werden muss: der Kirchenbau als Bedeutungsträger. In der Regel sind solche zeichenhaften, das heißt symbolischen oder allegorischen Interpretationen nachträglich. Dafür gibt es einen informativen zeitgenössischen Beleg. Der Fuldaer Mönch Brun Candidus (+ 854), Schüler Einhards und als Nachfolger von Hrabanus Maurus Leiter der Fuldaer Klosterschule, interpretierte 840/842 in der Vita des Abtes Eigil (818-822) den von diesem erbauten und 822 dem heiligen Michael geweihten zweigeschossigen Rundbau (cimiterium) auf dem Mönchsfriedhof nordwestlich der Abteikirche von Fulda als Zeichen/Abbild (figura) der ecclesia spiritualis. Brun kennzeichnet die Interpretation der einzelnen Bauteile ausdrücklich als seine eigene, nachträglich: ipse puto praesignari posse. Er hätte Abt Hraban, der die Niederschrift der Vita veranlasst hat, fragen können, ob und welche symbolische oder allegorische Bedeutung die Wahl der Bauformen bestimmt hat“, was er mit Sicherheit auch getan hat.
 
Die Irminsul-„Christus“-Zentralsäule in der Fuldaer Michaels-Krypta auf einem älteren Postkartenbild und mit dem Autor und seiner Tochter in den 80er Jahren. Im 3. Bild ist die asymmetrische der Doppelspirale gut zu erkennen, bei der es sich nicht um einen „ionischen Säulenkopf“ handelt, sondern um die alte, mindesten bronzezeitliche Sonnenlauf-Chiffre.
 
 
„Irminsula“ und „Christussäule“ / „Bernwardsäule“ zu Hildesheim
 
 
Nun geht der Bericht, den Johannes Letzner wiedergibt, dahin, die Irmensul hätte nach Hildesheim verbracht werden sollen, um sie dem dortigen Dom zu stiften. Und wirklich, Kaiser Ludwigs Aufmerksamkeit war zu dieser Zeit nach Hildesheim gerichtet, weil, der Legende nach, ein Reliquienwunder den frommen Ludwig faziniert hatte und ihn veranlasste, an einer bestimmten Stelle Hildesheims eine Marienkapelle zu errichten. Die Ursprungsgeschichte des Domes reicht demgemäß bis in das Jahr 815 zurück. Auf dieser Marien-Örtlichkeit gründete dann der erste Dombau am Ort des heutigen Domhofes im Jahr 872 durch Bischof Altfrid. Doch der blutige Überfall auf den Irminsul-Transport am Flecken „Irmenseul“, der sich im Bericht von J. Letzner und i.J. 1298 als „Ermensulle“ erstmalig auch urkundlich erwähnt findet, hatte gezeigt, wie hartnäckig die Alt- bzw. Volksgläubigen in der Verfechtung ihrer Religion noch immer waren. Keine dreißig Jahre später erhob sich das sächsische Volk wiederum in großen Massen und forderte während des „Stellinga“-Aufstandes (841 bis 845) seine Heidenfreiheiten zurück. Kaiser Ludwig war, trotz seines christenkirchlichen Fundamentalismus, auf Landesfrieden bedacht. Also sah er davon ab, das heidnische Emblem in aller Öffentlichkeit erneut auszustellen und damit die zu erwartenden Unruhen heraufzubeschwören. Aus diesen Überlegungen muss die Order des Königs gekommen sein, für die Umleitung nach Kloster Fulda, wo ihm Abt Eigil das Angebot gegeben hatte, die Säule unterirdisch zu vermauern. Und weil die Hildesheimer sicherlich auf Erfüllung der Zusage bestanden, stiftete ihnen Ludwig ein Säulenersatz, dem kein Heide ansehen konnte, dass er Irminsul-Charakter hätte. Diese Säule, als Kerzenhalter, ist bis heute an Ort und Stelle vorhanden. Man hat sie „Irmensula“ geheißen. Heinrich Meibom aus Alverdissen (1555-1625), Prof. der Historie, schrieb dazu: „Irmensula Saxonica, Hoc est, Eius nominis Idoli, sive Numinis Tutelaris, apud antiquissimos Saxones paganos culti, Et a Karolo M. Augusto per occasionem“. Die sog. Irmensula wurde mehrfach neu gestaltet, in der Version aus dem Jahr 1741 trug sie inmitten des Kerzenkreises eine silberne Madonna. Die Säule wurde innerhalb des Doms auch mehrfach versetzt. Ursprünglich stand sie in der Mitte des Doms vor dem Kreuzaltar vor den Stufen der Vierung. Dann wurde sie in den ehemaligen Godehardichor versetzt. Seit 2014 steht sie in der Mitte des Hochchors vor der Apsis. Ihr 1,85 m hoher Schaft aus Kalksinter, steckt in einer Basis aus Bronze, auf einem Steinsockel. Kalksinter bzw. Sinter (von ahd. sintar = Schlacke) ist eine Substanz, die durch eine allmähliche mineralische Ablagerung entsteht („Versinterung“), insbesondere in Form von Kalkablagerungen. Als Material für eine sinnbildhafte Weltsäule, äußerst ungeeignet. Demgegenüber besteht die Irminsul der Michaelis-Krypta aus Sandstein. Eine Gesteinsanalyse könne feststellen, woher der Sandstein stammt, was aufschlussreich wäre. Der untere Durchmesser der Irmensula beträgt nur 26 cm. Mittig und oben umfasst den Schaft jeweils eine Ringwulst aus Bronze. Als oberer Abschluss der Säule befand sich bis 1651 zunächst ein eiserner Dorn, auf dem Kerzen aufgesteckt worden sein sollen. Mitte des 17. Jhs. wurde eine Lichtkrone mit insgesamt 14 Lichtschalen hinzugefügt. Gegen 1600 soll die Säule durch den Hildesheimer Kanoniker Asche von Heimburg restauriert worden sein, wobei die Inschrift der Kupferblechzier wiederentdeckt und erneuert wurde. Darauf weist der Dichter und Gelehrte Heinrich Meibom in seiner Schrift „Irminsula Saxonia“, 1612, hin. In dieser bildet er auf dem Abschlussblatt auch eine Zeichnung der Irmensäule ab, die an einen Kerzenleuchter erinnert. Damit Hildesheim aber auch eine unstrittig christliche Säule sein Eigen nennen darf, ließ Bischof Bernward (993-1022) die sog. „Christussäule“ oder „Bernwardsäule" anfertigen. Bernward gab die Säule um das Jahr 1.000 in Auftrag. Sie war für „St. Michael“, also die Michaeliskirche geschaffen worden, die Grablege Bernwards. Vor dem Kreuzaltar stand eine kupferbeschlagene Marmorsäule, deren Stein aus dem östlichen Mittelmeerbereich stammt und die späteren Quellen zufolge ein Geschenk von Kaiser Otto III. an Bernward war.
 
Streit zwischen Hildesheim und Fulda - ursächlich wegen des Besitzes der Irminsul ?
 
Der aufstrebende Gegenspieler des Eigil von Fulda war der erste Hildesheimer Bischof, „Missionsbischof“ Gunthar (Amtszeit: 815-835), der aus Reims, also dem Westen des Frankenreiches kam. Er ließ für König Ludwig den Frommen i.J. 815 die Marienkapelle an der Stelle heutiger Domkrypta erbauen sowie um 825 den ersten Dom, eine doppeltürmige Basilika. Er sollte das Bistum Hildesheim gründen und brauchte dazu auch Legitimationen, wozu sich die zerbrochene altgläubige Irminsul wohl geeignet hätte. Er bekam sie nicht, wie wir vernahmen, was ein Grund für die traditionellen Aversionen, ja den Hass zwischen Hildesheim und Fulda mitverursacht haben könnte. Der Hildesheimer Säulenkult, man könnte von einem „Säulen-Komplex“ reden, deutet ja, psychologisch gesehen, auf etwas Verlorenes hin, das eine Art Verlustpsychose auslöste. Ihre Symptome wären, dass man in Hildesheim eine „Irminsula“ aufstellte, den Kindern die jährlichen Hassspiele um Irminsäulchen auftrug und eine „Christussäule“ für den Dom herrichtete. Möglich ist der Auslöser jenes Streites zwischen Abt Eigil und Bischof Gunthar, um die Irminsul, welcher sich fortpflanzte, bis zum Rangstreit zwischen Bischof Hezilo von Hildesheim und dem Abt Widerad von Fulda, welcher i.J. 1079 zu Goslar gipfelte, sogar in der Kirche. Er geschah in Gegenwart der jungen Königs Heinrich IV.. Der Fuldaer Stadtarchivar Dr. Thomas Heiler hielt am 09.07.2007, anlässlich des „Hessischen Archäologietages“ einen Vortrag unter dem Titel „Fuldas Bedeutung für das Mittelalter“. Er geht darin auf den hysterischen Streit der geistlichen Herren ein, den man kennen muss, um die Dimension des zu Tage getretenen Hasses zu begreifen: „Am Weihnachtsfest des Jahres 1062 kam es in Goslar zu einem folgenschweren Eklat. In der dortigen Kirche St. Simon und Juda wollte der junge König Heinrich IV. mit seinem Gefolge den Abendgottesdienst feiern. Bei der Aufstellung der Stühle für die anwesenden Bischöfe brach ein heftiger Streit zwischen den Kämmerern des Hildesheimer Bischofs Hezilo und des Fuldaer Abtes Widerad aus. Es kam zunächst zu gegenseitigen Schmähungen, danach zu Handgreiflichkeiten, die gerade noch geschlichtet werden konnten, bevor die Kampfhähne zu den Schwertern griffen. Der Grund für die Auseinandersetzung klingt aus heutiger Sicht lächerlich. Die Fuldaer beanspruchten das alte Recht, dass ihr Abt dem Mainzer Erzbischof am nächsten sitzen dürfe, während die Hildesheimer darauf bestanden, dass ihr Bischof in seinem eigenen Bistum - Goslar gehörte zur Hildesheimer Diözese - niemanden den Vorrang geben müsse. Zwar schweigt sich der Chronist Lampert von Hersfeld, dem wir die Erzählung der Begebenheit verdanken, darüber aus, wer den Streit gewann, doch müssen wir aufgrund der folgenden Ereignisse davon ausgehen, dass sich die Fuldaer mit ihrem Anspruch zunächst durchsetzten und Abt Widerad an bevorzugter Stelle neben dem Mainzer Erzbischof Siegfried saß. Damit war die Angelegenheit aber noch nicht ausgestanden. Nur ein knappes halbes Jahr später, an Pfingsten 1063, kam es am selben Ort und wiederum in Anwesenheit des Königs zu einer zweiten Runde, die in einer Katastrophe endete. Als für die Vesper am Pfingstsamstag die Stühle für die Bischöfe aufgestellt wurden, brach erneut ein Tumult zwischen Hildesheim und Fulda wegen des Ehrenplatzes neben dem Mainzer Erzbischof aus. Doch diesmal war der Konflikt von langer Hand vorbereitet. Kampfbereite Hildesheimer, die sich hinter dem Altar versteckt hatten, sprangen hervor, attackierten die Gesandten aus Fulda mit Fäusten und Knüppeln und jagten sie aus der Kirche hinaus. Die Fuldaer gaben allerdings nicht klein bei. Sie griffen zu den Waffen und stürmten die Kirche, wo inmitten des Chors und rund um die singenden Mönche herum der Kampf mit den Schwertern begann. Auf beiden Seiten gab es Tote und Verletzte. König Heinrich, der versuchte schlichtend einzugreifen, konnte mit Müh und Not die Kirche verlassen, um sein Leben zu retten. Der Kampf endete mit einem Sieg der Hildesheimer. Nachdem die Kirche vom Blut gereinigt war, konnte sogar die Messe gefeiert werden. Ein eilig am nächsten Tag abgehaltenes Strafgericht sah den Fuldaer Abt Widerad als alleinig Schuldigen an. Nur durch hohe Geldzahlungen entging er weiteren Sanktionen. Unser Chronist Lampert schreibt hierzu: „Er [Widerad] verkaufte und verschwendete ... Eigentum des Klosters Fulda und kaufte sich und sein Gefolge um einen hohen Preis von den Anschuldigungen frei. Wieviel er dem König gab ... ist nicht bekannt. Es war nämlich vorgesehen, dass niemand davon erfahren sollte. Jedenfalls wurde der bis dahin glänzende und im Vergleich zu den anderen Kirchen ... überragende Reichtum und Wohlstand des Klosters so sehr ruiniert, das kaum eine Spur davon zurückblieb. … Woraus speist sich das fulda'ische Selbstbewusstsein, dessen Abt den Vorrang vor allen anderen Bischöfen beanspruchte? Tuomas Heikkilä, der jüngst dem Streit eine umfassende Studie widmete, nennt mehrere Gründe, von denen keiner allein ausschlaggebend gewesen sei: 1. das im Jahre 751 verliehene Papstprivileg der Exemtion des Klosters, das eine direkte Unterstellung der Bonifatiusgründung unter den apostolischen Stuhl vorsah, ein damals ungewöhnlicher Vorgang. 2. das ebenfalls außergewöhnlich Papstprivileg des Jahres 969, in welchem dem Abt von Fulda der Primat unter allen Äbten Galliens und Germaniens zuerkannt wurde 3. das Ende des 10. Jahrhunderts dem Fuldaer Abt Hatto III. verliehene Recht während der Messe Dalmatik und Sandalen zu tragen, bis dahin traditionell ein Vorrecht von Kardinälen.“ Nach dem Geschichtsschreiber und erstem Abt des Klosters Hasungen, dem Lampert von Hersfeld, soll der Hildesheimer Bischof Hezilo persönlich seine Kämpfer in der Goslarer Kirche durch Zurufe angefeuert haben.