DAS GESPALTENE WEIB
 
Jede Frau ist Mensch und Weib,
sie liebt mit Kopf und liebt mit Leib.
Ihr Köpfchen liebt den zagen Mann,
weil sie den beherrschen kann.
 
Ihr Leibchen aber liebt den Brecher,
den harten und brutalen Stecher.
Der eine will nur Weibes Bauch,
der andere schätzt die Seele auch.
 
Doch weil das Weib leibhaftig denkt,
es sich zu gern dem Starken schenkt.
Der gute Kerl wird nur benutzt,
weil er so lieb die Treppen putzt.
 
Dem einen schenkt sie ihren Busen,
der andere spricht ihr von den Musen.
Dem einen gibt sie sich als Stute,
beim andern schwingt sie selbst die Rute.
 
Der eine ist ihr strammer Specht,
der andere nur ihr Bettel-Knecht.
So ist des Weibes Ur-Natur -,
gerissen, schlau und selten stur.
 
Nun gibt es Leute die da meinen,
das würde alles nur so scheinen,
die Frau wär’ fast in jedem Falle,
ein Mensch, gerade so wie alle.
 
Nur wär’ sie lediglich versessen,
mit zweierlei Maßen zu bemessen,
sie würde auch die Machos knechten,
mit einem Wust von Sonderrechten.
 
Abbildung: Holzschnitt des 16. Jahrhunderts - Die Frau nimmt von einem und gibts dem anderen Liebhaber