DAS UR-MEER-WEIB
 
Das Ur-Meer wogte, dämmrigen Tags,
im zeitlosen Gleichklang des Wellenschlags.
Da wurde durch Reibung von Welle in Welle
ein Wirbel-Wesen an grundloser Stelle.
 
Das Wasser schiebt, das Wasser schäumt,
und wie sich das Meer zur Mutter träumt,
perlt einmal die Gischt im kreisenden Tanz,
Moleküle mutierten zum brodelnden Kranz.
 
Ein Fieber erfasst’ die aufwallende See,
und aus des Malstromes donnerndem Dreh,
erhebt sich verdichtet ein tropfender Leib,
das meerschaum-geborene irdische Weib.
 
So wurde dies’ Wesen der Wellen Kind,
welche unstet plätschernd am spielen sind,
und grundlos wabernd auf haltloser Flur,
seit Ur-Zeiten wirken und weichen nur.
 
In der Wellen Gipfel, der Wellen Tal,
erschöpft sich des Meeres gebärende Qual.
Die Werdung entsteht und Werdung vergeht,
wie ein Wind ohne Spur über Felsen geht.
 
Nichts Gewordenes ist von dauernder Art,
nichts bleibt vom Untergang ausgespart.
Was auch dem Meer-Weib zu fördern gelingt,
im ewigen Werde-Meer wieder ertrinkt.
 
Das Ur-Weib gebar zum Spiele die Sterne,
des Lebendigen bunte, vielförmige Kerne.
Immer ist es erneut zum Gestalten gestimmt,
es selbst ist das Leben, das gibt und nimmt.
 
Und wer eine Frau zu verstehen gedenkt,
sein Sinnen auf See und auf Seele lenkt,
dem wird jene Sicht zur Erkenntnis reifen,
Weib und Gewässer sind nicht zu begreifen.