14.02.2015
Armagnaken zu Pferd (mit dem Banner des Dauphin/Thronfolger und dem Lilienbanner des französischen Königs) greifen die im Kirchhof von St.Jakob verschanzten deutschen Eidgenossen an. Umzeichnung einer Darstellung aus der um 1470 entstandenen „Chronik Tschachtlan“. Als sich die Armagnaken im August 1444 Basel näherten, eilte ihnen ihr arger Ruf voraus. Sie hatten das nahe Elsass bereits 1439 heimgesucht und ihr Name verbreitete Furcht und Schrecken. Er stand für die Heimsuchung durch eine Armee die das Land mit Brandschatzung, Plünderung und Tod überzog. In ihrer französischen Heimat nannte man sie „Ecorcheurs“, die Bezeichnung für die verabscheute Berufsgattung der Abdecker denen die Entsorgung von Tierkadavern oblag. Sinngemäss dazu nannte man sie im deutschen Sprachraum Schinder. Aber auch als arme Gecken, Jacken oder Schnaggen wurden sie betitelt.
DIE ARMAGNATEN
Es brannte die Zeit, die Dörfer brannten,
räuberische Rotten aus Frankreich rannten
ins Obere Elsass und den Sundgau hinein,
und überall flammte der Feuerschein.
Armagnaken hieß das Lumpengesindel,
sie kündeten einen französischen Schwindel,
der deutsche Kaiser hätt‘ sie geschickt,
hätte seinen neuen Reichsfeind erblickt.
Doch Dauphin Louis war der Regisseur,
zur gewünschten Grenze war er der Akteur.
Der Rheinfluss wurde als Grenze erstrebt,
deutsche Lande an Frankreich geklebt.
Armangnacs hieß man auch Arme Gecken,
sie wollten das deutsche Basel erschrecken.
Unter Jean de Bueil marschierte das Heer,
mit Reitern auf‘s Birser St.Jakob daher.
Plündernd und mordend zogen die Schinder,
sie schonten nicht Weiber und kleine Kinder.
Wie eine Seuche zerstörten sie Bürger-Glück
und ließen nur Tod und Verzweiflung zurück.
Sie erreichten das Umland von Basels Auen,
doch die Eidgenossen konnten sich trauen,
sie griffen an, mit Schwert und mit Spieß,
dass mancher der Gecken sein Leben ließ.
Bei St.Jakob standen Deutsche gekesselt,
von sechshundert Bogenschützen gefesselt,
doch die Berner Oberländer rückten hervor,
zerrupften den Feind, retteten Basels Tor.
Doch viele Erb-Lande blieben verloren,
durch Franzen gestohlen, ganz unverfroren.
Brutale Macht bricht jegliches Recht,
Friedliebe aus Schwäche ist immer schlecht !
In Basel tagte damals eine Versammlung von Geistlichen und Gelehrten, welche über Verbesserungen in der Kirchenverfassung berieten. Dieselben waren durch ihre Beschlüsse in Widerspruch mit dem Oberhaupt der Kirche, dem Papste, geraten und hatten diesen für abgesetzt erklärt. Der erzürnte Papst hoffte jetzt, mit Hilfe der Armagnags die ihm verhasste Kirchenversammlung auseinander zu treiben; er unterhandelte deshalb insgeheim mit dem französischen Dauhin und borgte ihm für den Raubzug der Armagnacs den Schein eines Gott wohlgefälligen Unternehmens.
Auch österreichische Edelleute sahen mit unverhehlter Freude der Ankunft der Armagnacs entgegen; denn sie hofften, mit ihrem Beistande dem ,Bund der Bauern und Bösewichter‘ – so nannten sie die Eidgenossen – zu sprengen und den Trutz der Bauern unter die Hufe ihrer Rosse zu treten. Am 24. August erschien das Heer der Armagnacs wenige Meilen vor Basel. Der kriegserfahrene Hans von Rechberg, der aus der belagerten Farnsburg sich durchgeschlichen hatte, um den Anmarsch des Dauphins zu beschleunigen, hatte diesem geraten, sein Heer in mehreren Treffen hintereinander aufzustellen, weil die Eidgenossen sehr stark und ungestüm im ersten Angriff und nur durch immer erneuten Widerstand zu ermüden wären. Demzufolge ordnete der Dauphin das Heer.
Er stellte eine Vorhut von fünftausend Mann unter Johann von Beuil, Grafen von Lancerre, seinem Vertrauten und Freunde, um Pratteln auf, welche sich ebensowohl gegen Basel als gegen das eidgenössische Lager vor der Farnsburg wenden konnte. Dahinter standen bei Muttenz zehntausend Mann, unter dem tapferen Anton von Chabannes, Grafen von Dammartin, Marschall von Frankreich. Auf den Höhen am linken Ufer der Birs, eines Flüsschens, das nahe oberhalb Basels in den Rhein mündet, hielt der Dauphin mit dem Hauptheere, wenigstens wohl zwanzigtausend Mann stark und mit vielem Geschütz.
In Basel war alles zu mannhafter Gegenwehr gerüstet, das Stückzeug auf Türme und Mauern gebracht, Schanzen errichtet, Rheinmühlen angelegt, Korn für den Gebrauch eines Jahres eingeführt, alle Tore bis auf zwei – das Äscher- und das St. Paulustor – gesperrt, die Wälle mit Wachen besetzt, und den Bürgern ihre Pflicht für den Fall eines feindlichen Angriffs auf die Vaterstadt in Erinnerung gerufen. Alles Landvolk aus der Umgegend, das vor den Armagnacs Zuflucht in der Stadt suchte, ward aufgenommen, vorausgesetzt, dass jeder mit Lebensmitteln für ein Jahr versehen war. Wer die Waffen im Dienste der Stadt führte, erhielt das Bürgerrecht.
Alles, was die Baseler von dem mächtigen Anzug des Feides hörten, war wohl geignet, ihre Gemüter mit Sorge zu erfüllen. Deshalb entsanden sie in das Lager vor Farnesburg einen angesehenen Mann aus demm Rate, namens Hemmann Seevogel, um die Eidgenossen zu warnen und aufzufordern, sich nach Basel zu werfen. Aber die Übermütigen glaubten nicht an die Größe der Gefahr und spotteten der Warnung. „Mögen die Bürger von Basel sich hinter Mauern zu sichern“, riefen sie dem Abgesandten entgegen, wir werden auf offenem Felde den Feind erwarten und zagen nicht.“ Darauf jener: „Zaghaft ist auch Seevogel nicht, aber meine Kundschaft ist richtig, der Feind ist stark und nahe und damit ihr sehet, ob ich Mut habe, will ich bei euch bleiben und die Gefahr mit euch teilen.“ Auch die vor Zürich lagen, hielten die Gerüchte von der Stärke des feindlichen Heeres für übertrieben.
[…] Am 26. August in der Morgenfrühe brachen die fünfzehnhundert Eidgenossen aus dem Lager vor Farnsburg auf. Hans Matter von Bern und Hemmann Seevogel von Basel hatten die Führung. Als sie auf die große Matte vor Pratteln die feindlichen Heerhaufen des Grafen von Benil erblickten, wollten sie das Volk zum Angriff ordnen, aber da war kein Aufhalten mehr. Voller Ungestühm liefen alle gegen den Feind. Nach kurzer Gegenwehr zog sich dieser auf Muttenz zurück und ließ viele Erschlagene auf dem Felde, die Eidgenossen drangen ihm nach.
Auf der Weite vor Muttenz stand die Heeresabteilung des Grafen von Chabannes, zehntausend Mann zu Fuß und zu Ross, ihnen gegenüber. Ohne einen Augenblick zu rasten, drangen die Eidgenossen auch gegen diese vor. Mut und Wille verzehnfachten ihre Kräfte; sie durchbrachen die feindliche Schlachtordnung und schlugen so viele Tausende, als sie selbst Hunderte zählten, in die Flucht über die Birs. Banner, Wagen, Rosse und Gut in Menge fielen in die Hände der Sieger. Die Banner der Eidgenossen waren noch vollzählig; zu ihrer Rechten erblickten sie die Mauern des nahen Basel, gegenüber auf den jenseitigen Uferhöhen der Birs die Hauptmacht des Dauphins. Im stolzen Gefühl der errungenen Erfolge vergaßen sie die Mahnung, nicht über die Birs vorzugehen, und schalten ihre eigenen Hauptleute, die zur Mäßigung aufforderten, der Zaghaftigkeit. „Auf Basel, auf Basel!“ riefen sie stürmisch; „lasst uns keine Zeit mit Reden verlieren; der Sieg ist unser!“
[…] Nach dem Tage von St.Jakob waren die Belagerungen von Zürich und der Farnsburg durch die Eidgenossen eilig aufgehoben worden. Die Fehde mit Zürich aber dauerte noch beinahe zwei Jahre hindurch fort, bis endlich beide Teile des Krieges müde waren und sich im Friedensschluss über das Toggenburgische Erbe einigten. (Juni 1446) Zürch entsagte dem Bunde mit Österreich und schloss sich wieder fester an die Eidgenossen. Österreich gab seine Pläne auf das Aargau auf. Das Beispiel der Männer, die durch ihre heldenmütige Aufopferung bei St.Jakob schweres Unglück von ihrem Vaterlande abwandten, leuchtete noch den folgenden Geschlechtern, und die gemeinsame Verehrung für die gefallenen Helden festigte die Bande der Eintracht unter den Eidgenossen.“
(Soweit der Auszug „Aus der Heldenzeit der Schweiz“, in: „Deutsche Jugendbibliothek“, begründet von Ferdinand Schmidt, Herausgeber: Julius Lohmeyer 1835-1903)