Genesis ist der altgriechische Begriff für „Schöpfung, Entstehung, Geburt“. Die Lehren von der Weltzeugung (auch griech. „Kosmogonie“) entwickelten mythische Modelle der Entstehung und Entwicklung der Welt. Die Philosophenschulen der griechischen sog. Vorsokratiker versuchten aus unterschiedlichen Urstoffen die Weltwerdung zu deuten. „Kosmogonische Mythen haben den umfassenden Anspruch, sinnstiftend den Ursprung der Welt vorstellbar zu machen und die Grundordnung für den Lebensraum des Menschen festzulegen. Wo Mythen ein Teil der kulturellen Identität sind, können sie dieselbe Überzeugungskraft wie die Wissenschaft haben“, heißt es in einem diesbezüglichen Text.
 
Die ersten 6 Runen erscheinen wie ein sinnvoller, nachempfindbarer Weltwerde-Ablauf. Wertet man die 1. Rune, in ihrer diffizile Ambivalenz, als Symbol für die Ur-Erde-Idee oder Ur-Materie-Atom, so stünde sie logisch an der Spitze, aus der die Luft-Atome hervorgingen. Die 1. Rune - das Zeichen der ersten Schlinge zum Weltgewebe - führt bekanntlich einen ambivalenten Charakter, einerseits handelt es sich um das Zeichen des Geistig-Seelischen, andererseits wird diese Rune „oðil“ in angelsächsischen Erklärungen „patria“ („Vaterland“) geheißen, sie steht für das Stammgut, den erdigen Schollenbesitz der bäuerlichen Odal-Sippen. Einen uns heute nicht mehr ganz hinreichend klaren Sinnzusammenhang hatte die Rune jedenfalls zum Erdhaften.
 
Aus dieser urgeist-mütterlich-väterlichen Qualität entwuchs das ur-väterliche Lichtprinzip des Tag-Vaters, so wie die Griechen den Uranus aus der Gäa hervorgekommen glaubten. Dass Uranus-Himmel ein Luft-Prinzip darstellt, erscheint uns naheliegend. Dass auch wiederum die Luft das Feuer anbläst, also im kosmogonischen Sinne die Himmelsfeuer der Sonne und der Sterne entzündet, folgt ebenso antiken Vorstellungen. Dann erst entstehen an 4. Runen-Position die Gewässer - die 4 Weltströme - wie auch die eddische Urkuh Auðumbla 4 Milchströme aussendet. An 5. Werdestelle erscheint der doppelgeschlechtliche Urmensch „mannaz“ und erstaunlicherweise - ganz im Sinne altarischer Sichtweisen - an 6. Stelle die Tierwelt, vertreten durch das edelste Tier, das Ross. Da das mediale, sensible Pferd einen Sinn mehr hat als der Mensch, nämlich den „6-Sinn“, musste es an 6. Position gestellt werden. Cornelius Tacitus schreibt in der „Germania“ von unseren germanischen Ureltern, dass sie meinten, der Mensch sei als Priester ein Diener der Götter, aber das Pferd sei der Gottheit Vertrauter. Bekannt sind die Vorahnungen von Pferden hinsichtlich schlimmer Unwetter oder Erdbeben. Aber aus viel zwingenderem Grunde musste das Tier/Pferd in der germ. Genesis hinter dem Menschen erscheinen, weil der Urmensch als der Schöpfer der Tierwelt galt. Der androgyne Urmensch wurde in seine beiden Hälften - Mann und Frau - gepalten. Sie, das Weib, floh vor den Begehrlichkeiten des Mannes und nahm die Form einer Stute an, da wurde Er zum Hengst und begattete sie, schuf damit die Rasse der Pferde. Da wurde Sie zur Kuh und Er zum Bullen, die Rinder entstanden. Sie wählte die Gestalt einer Ziege, Er die des Bockes und so weiter bis hinab zu den Ameisen. Das Urmenschenpaar wurde also Eltern der vielgestaltigen Tierwelt, womit die Tiere die schutzbedürftigen Kinderchen des Menschengeschlechtes darstellen.