Fresko im Limburger Dom (ca. 1235) - Gottvater im hl. Palmbaum
 
 
 LIMBURG-DOM-FRESKEN - (W)ODIN IM PALMBAUM-SINNBILD
 

Auf einer erhöhten Landzunge, einem Kalkfelsen über der Lahn, wurde der Limburger Dom - weithin sichtbar - errichtet. Die erste Kirche an dieser Stelle wurde angeblich 910 gebaut. Es handelt sich um eine verteidigungsfähige sog. Burgkirche die nicht im Mittelpunkt der Stadtgemeinde liegt, weil - wie es für diese Zeit anzunehmen ist - die Mehrheit der Bewohner noch nicht für die neue Religion der Obrigkeit gewonnen war. Nicht zu übersehende Hinweise auf altgläubig-heidnische Bezüge bzw. Rücksichtnahmen bestärken diese Vermutung. Man nimmt an, dass es Graf Heinrich von Nassau war, der den Dom auf dem Platz der älteren Stiftskirche erbauen ließ. Die Einweihung soll 1235 durch den Trierer Erzbischof Theoderich von Wiederfolgt sein. Das exakte Datum der Grundsteinlegung des Doms ist nicht bekannt, aber die dendrochronologischen Untersuchungen, zusammen mit stilkritischen Betrachtungen, ergaben Aufschluss über den Baubeginn, der um 1180/90 anzusetzen ist. Bis 1280 waren die wichtigsten Bauabschnitte des Doms beendet. Ursprünglich war der Sakralbau zwei christlichen „Heiligen“, St. Georg und St. Nikolaus von Myra, die beide ihren eigenen Altar darin hatten, gewidmet. St. Georg („Erd-Besteller“ bzw. „Bauer“) wurde als die kirchenchristliche Ersatzfigur für den volksgläubigen lichtheldischen Drachentöter Siegfried angeboten, dessen hochreligiöse Vorbilder der nordische Phoibos-Apollon („Der Leuchtende“) und germanische Ingo-Frō („Herr-[Himmels]Kind“) waren. Und St. Nikolaus hatte seine kirchenchristliche Rolle als Lückenbüßer für den altdeutschen Geist-Seelen-Gott Woden-Wodin-Odin zu spielen, dessen u.a. ein heidnischer Kultname Nikar („Der Erregbare / Geisterreger“) gelautet hatte. Schon mit dieserart Weihungen versuchte die damalige christliche Missionskirche die Herzen der abseitsstehenden Bevölkerung zu gewinnen.
 
Das Äußere des Limburger Doms zeigt klar und deutlich den romanischen Grundbaustil, während der hohe und gut ausgeleuchtete Innenraum einen Einfluss des zu dieser Zeit gerade beginnenden gotischen Architekturtypus erkennen lässt. Der Dom hat sieben Türme, deren höchster 37 Meter misst. Die Zahl 7 gilt seit der Antike als kosmische Totalzahl, besitzt doch das Kosmos-Symbol Pentagramm 7 Felder. Das schöne Rosettenfenster über dem Kirchenhaupttor stellt die vier Weltgegen dar, kirchlich gedeutet als die vier Evangelisten. Eine Vielzahl mittelalterlicher Fresken und Skulpturen laden zur Besichtigung und Deutung ein. Die ältesten datieren von 1220-1235. Während der Barockzeit 1749 sind sie übertüncht worden, 1870 wieder freigelegt und wenig sachgerecht im Stil der Romantik übermalt. Erst ab 1975 hat man die Bilder aufwendig in mehrjähriger diffiziler Kleinarbeit restauriert.Damit gelangte der dreischiffige Innenraum mit dem halbrunden Chor mit Chorgang, den Arkaden und den romanischen Wandgemälden wieder weitgehend zu seinem ursprünglichen Erscheinungsbild.
 
Ein Fresko in der ursprünglichen Taufkapellennische, von 1235, stellt den übermenschlich starken blondhaarigen Samson dar, der einen Baum ausreißt, obwohl es so aussieht, als lehne er sich in einer Umarmung an ihn. Die bekannte Baumheiligung der Altdeutschen hätte die Schändung eines Baumes auf einem Kirchenraumbild wohl nicht zugelassen, weswegen der Maler den Samson so darstellte, als würde er den säulenartigen Baumstamm ehrend umschlingen. Ein weiteres Fresko im Süderquerhaus zeigt den Kruzifixus am Baumkreuz. Die beiden Kreuzbalken bestehen nicht aus glatt bearbeiteten Hölzern, sondern tragen grobe Aststutzen, mit der Aussage des „Heilandes am Baum“, womit auf den heidnisch-eddischen Mythos „Wodin/Odin am Weltenbaum hängend“ angespielt wird. Auch hier wurde eine heidnische Metapher als propagandistisches Mittel genutzt.  Wie aber so gut wie alle Aussagen der doppelbödigen „Paulinischen Religion“ ist auch diese Bildaussage in verschlagener Weise doppeldeutig. Der biblischen Legende folgend, reißt Samson das Tanzhaus der Philister ein, indem er die Tragesäulen des Gebäudes umbricht, damit die Feierenden unter den Trümmern begraben werden. Demgemäß ist es im Bild für den „bibelfesten“ Beschauer eine glatte Säule, die sich Samson umzuwerfen anschickt. Doch für die höheren Einweihungsgrade des Klerus offenbart sich in der Säule mit Baumwipfel als Symbol für den heidnisch-germanischen Baumkult, der, nach kirchlichem Plan, mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden sollte.
 
Gottvater im Weltenbaum
 
Am beachtlichsten ist das Fresko eines Baumes in dessen Wipfel ein altväterlicher Kopf erscheint (siehe Abb. 1). Aus dreibergiger Erde sprießt in das dreibogige Firmament hinauf der altgläubige Weltenbaum. Für die zahlenmythologisch Versierten offenbart sich darin bereits das Hexagramm der Welttotalen. Dass Gottvater sich aus dem Weltenbaum offenbaren würde klingt an keiner Textstelle der hebräischen Bibel an, es kann sich folglich allein um eine Metapher aus dem Baumkult der Altdeutschen - oder möglicherweise um orientalisch-heidnische Motivzüge handeln. Für die judäochristliche vorderasiatische „Wüstenreligion“ besaßen - nach herkömmlicher Sichtweise - der Baum und der Wald nie einen besonderen Stellenwert. Allerdings gehörte der Palmbaum in die Palette des altorientalischen Sakralsymbolismus. Die Palme galt z.B. in der assyrischen Kultur als der „Baum des Gottes Assur“, galt als geheiligter Ernährungsspender, als Lebensbaum. Er war ein Attribut des babylonischen Sonnengottes Shamasch und wurde ebenso eines der Sinnbilder des griechischen Apollon. Das Limburger Dom-Fresko vom ersten Drittel des 13. Jh. zeigt, wie an den langen Palmblattwedeln zu erkennen ist, den Palmbaum, der in dieser Zeit längst in Deutschland -mindestens seit den Kreuzzügen - gut bekannt war. Selbst in der isländischen Abbildung einer Weltenbaumabbildung - mit Eichhorn Ratatosk und Drachen Nidhöggr (aus dem 17. Jh.) erscheint der Palmbaum. Kein europäischer Baum erschien so säulenhoch und himmelstürmend - dazu eine süße Frucht spendend - wie die Dattelpalme. Das waren naheliegenderweise die Beweggründe dafür, dass die zeitgenössischen Maler und Bildhauer das Sinnbild „Weltenbaum/Lebensbaum“ in Dattelpalmbaumgestalt plausibel machten.
 
Den Baum flankieren zwei Liliendarstellungen, um die hl. Triade wieder anklingen zu lassen, die nicht originär christlich ist, vielmehr Bestandteil vorchristlicher Glaubensformen war, wie in nordgerm. Edda-Mythologie: „Wodin, Wili und Weh“ („Seele, Wille, Weihtum“). „Gottvater im Baum“ könnte man als einen kosmischen Vegetationsgeist beschreiben, oder die verbildlichte alles Leben hervorbringende göttliche Wachstumskraft. Selbst wenn es sich dabei um einen altorientalischen Symbolismus hätte handeln können, der aus christlich-vorderasiatischem Gedankengut in einigen mönchischen Köpfen tradiert worden wäre, richtet sich das Bild doch an deutsch-heidnische Betrachter, die es aus ihren eigenen vorchristlichen Vorstellungsbildern haben verstehen müssen. Also kann es sich dabei um keine in Altlimburg unbekannte Bildsprache gehandelt haben, sonst hätte man dieses Bild nicht in der Taufkapelle des Domes angebracht. Entweder war es ein Bild, dem der Mensch während der Erwachsenentaufe hat abschwören müssen, oder man machte mit diesem scheinbar heidnisch-vertrauten Bild dem Täufling die christliche Vereinnahmung leichter bzw. schmackhafter ? Altheidnische Symbole und Gestalten - denen abzuschwören war - finden sich in Masse auf den Außenwänden der sandsteinernen Taufbecken des 12. Jahrhunderts. Wir dem auch sei, das Palmbaum-Weltenbaum-Fresko von Limburg beinhaltet vorchristliche Bezüge. Und noch einmal: Dass der mythische Welten- oder Lebensbaum im Hochmittelalter von den Kunstschaffenden als Dattelpalme verbildlicht wurde, ist in sehr vielen Abbildung belegt. Auch im Kreuzabnahme-Relief vom Externstein, bei Horn-Bad-Meinberg, ist es in allen Einzelheiten das im Orient übliche Dattelbaumbild (in vom Kreuz weggebogenem Zustand), auf dem der Nikodemus stehend, bei der Kreuzabnahme des christlichen Kunstgottes behilflich ist.
 
Ist konkret Wodin-Odin gemeint ?
Gottes-Kopf im Weltenbaum -
wahrscheinlich Wotan-Wodin-Odin ?
 
Bei genauer Sondierung der Gotteskopf-Abbildung fällt auf, dass die Augenpartie zu mancherlei Überlegungen und Deutungen Anlass gibt. Insbesondere wegen ihrer Asymmetrie erinnert sie an den german. Gott Wodan-Wodin der bekanntlich einäugig verstanden wurde. Das rechte Auge ist größer als das linke. Unter dem linken Auge ist ein weiteres übergroßes deutliches Auge eingemalt. Kaum denkbar ist, dass mit diesem unklaren Kopf der kirchenchristliche Gottvater gemeint sein könnte ! Je mehr ich mich in das Studium dieses Bildes - oft genug vor Ort - hineinbegebe, um so sicherer wurde ich, eine verketzerte, verunschönte altgläubige Gottesdarstellung vor mir zu haben.