1. - Birke - B = (Runenbezug: germ. berka /berkanan / ags. birith - Birke / Birkenzweig - Birkengöttin - Frühlingsgleiche) Mit dem Synonym des Birkenbaumes steht die „weißhäutige“ Große Mutter (lat. Magna Mater), die „Jungfrau und Mutter“, vor uns, eine komplexe Metapher, nicht allein ariogerm. Glaubens- und Hoffnungstraditionen. Ihren Namen erhielt die Birke vom indogerm. Wort bhereo („glänzend / weiß“). Sie ist ältester Laubbaum des europäischen Nordens; vor 10.000 Jahren, nach der letzten Eiszeit, waren es die genügsamen Birken, die - zudem noch Windbestäuber und deshalb nicht auf Insekten angewiesen - die weiten baumlosen Steppen des späteren Germaniens wieder bevölkerten. Die Birke ist wahrscheinlich unser heiligster Baum,von allen Waldbäumen ist sie es, die am frühsten ausschlägt, sich wieder begrünt und so die Botschaft von Frühling und Wärme vermittelt. Der biegsame, hellrindige Frühlingsbaum - gilt noch heute als Verkörperung des Lenzes und dessen Befruchtungskraft. Nach den Regeln eddischer Dichtersprache wird „die Frau umschreibenderweise durch alle weiblichen Baumarten bezeichnet“ (Skalds. 31), so auch der Birke; als Beispiel wird der Reim des Skalden Orm vorgeführt, der die Frau „Birk“ nennt (Skalds. 46,184). Die enge Verbindung der einstigen heidnisch-volklichen Göttin drückte sich noch im Spiegel christl. Verzerrung von hessischen Hexenakten aus, wo Frau Holle wie folgt beschrieben wurde: „Frau Holle were von vorn her wie ein feins Weibsmensch, aber hinden her wie ein hohler Baum von rohen Rinden".
OGAM-Alphabet und ODING-Runen im Vergleich
Geschrieben im März 2017
Seite des „Book of Ballymote“, 14. Jh.
OGAM-Alphabet und ODING-Runen im Vergleich
Sicher ist, dass alle keltischen Sprachen der Gegenwart und der jüngsten Vergangenheit, also das Irische samt seinen Kolonialsprachen Schottisch-Gälisch und Manx, das Walisische (nach Eigenbezeichnung Kymrisch genannt), das Bretonische und das im 18. Jh. ausgestorbene (im 20. Jh. wiederbelebte) Kornische eng miteinander verwandt sind. Den sprachwissenschaftlichen Beweis hat 1853 Johann Caspar Zeuss erbracht. Diese Sprachen bilden zusammen einen eigenen Zweig der großen indogerm, Sprachfamilie. Archäologische Funde deuten darauf hin, dass das Ausbreitungszentrum der keltischen Sprachen am nördlichen Alpenrand bzw. in Süddeutschland zu suchen ist. Prähistorischer Salzbergbau wie in Hallstatt und frühe Eisenverarbeitung wie am Magdalensberg dürften die materielle Grundlage für das Erstarken und die Expansion einer keltischen Führungsschicht geboten haben, da Archäologen ihre späteren materiellen Hinterlassenschaften in Gallien gemeinsam mit gallischen, d.h. altkeltischen, Sprachzeugnissen vorgefunden haben. Dass latènezeitliche Funde bisher vor allem im Norden Irlands gemacht wurden, scheint auf den leichtesten Einfallsweg hinzuweisen. Die Überfahrt von nach Südostschottland nach Irland ist die kürzeste Verbindung. Es ist anzunehmen, dass ab etwa 300 v.0 spätestens eine keltischsprachige Oberschicht in ganz Irland herrschte, die ihr geistiges Erbe indogermanischer Prägung und bestimmte traditionelle Kulturtechniken mit den vorgefundenen örtlichen Lebensbedingungen zu verbinden und auf spezifische irische Weise weiterzuentwickeln wusste. Die ältesten bekannten Zeugnisse des Irischen sind die ca. 50 Völker- und Ortsnamen in der Geographie des Ptolemaios aus dem 2. Jh. n.0., sie beruht aber sicher auf weit älteren Quellen. Sie stehen formal dem postulierten und z.T. rekonstruierten Urkeltischen noch sehr nahe. Sprachlich jünger, schon `uririsch', sind die ältesten Inschriften. Es handelt sich um einige hundert schwer zu datierende Steinritzungen, etwa aus dem 4.-6. Jh., in sog. Ogam-Schrift, wohl Grabsteine oder Grenzmarkierungen.
Das „Leabhar Bhaile an Mhóta“ oder „Book of Ballymote“, von dem wir Aufschluss über das Geheimnis der Ogam-Buchstaben erwarten, stammt aus einer nordwestirischen Abtei und ist seinem Charakter nach durch und durch christmönchisch heillos verseucht, ist es doch aus dem spätmittelalterlichen 1390er Jahren auf uns gekommen. Ursprüngliche, echtheidnisch-druidische Relikte in dem Buch anzutreffen, ist eine spröde Hoffnung, das Echte war längst im christlichen Gedankensumpf untergegangen. Die seltsamsten und skurrilsten Ogam-Buchstabenamen hat das Ballymote-Buch überliefert, unter anderem jene von biblisch-altjüdischen Personen, aber auch die Listung aus scheinbar irischem Altertum beinhaltet keineswegs ein reines Pflanzen-, geschweige denn ein Baum-Alphabet, als eher eine Ansammlung von Begriffen, aus denen allein mit viel Glück eine Serie von Pflanzen herausgelesen werden können. Dass wir in dieser Textsammlung druidische Ursprünglichkeiten herauslesen könnten, ist nicht viel mehr als nur ein Erwartungswunsch. Wir wollen es trotzdem unternehmen und versuchen, die germanischen ODING-FUÞARK-Buchstaben vergleichsweise daneben zu stellen, um mögliche altzeitliche Übereinstimmungen herauszuhören, denn es wäre denkbar, dass gallische und germanische Mythenzüge aus verwandten oder gleichen Quellen stammen, lebten doch in selbstbestimmten langen Zeiträumen viele der bekannten Stämme beieinander und durcheinander und ob Druiden oder Parawaris, sie müssten sich folglich gegenseitig ausgesprochen und befruchtet haben, denken wir nur an die gemeinsamen Großunternehmungen wie den schicksalshaften Kimbern- und Teutonenzug, zum Beginn des ersten Jahrhunderts vor der Nullung unserer derzeitigen Zeitrechnung.
Gundsätzliches
Ogam ist erstmals sicher nachweisbar im 5. Jahrhundert, als Irland schon christlichen Einflüssen unterworfen war. Ogham wurde auch auf christlichen Monumenten verwendet. Ist Ogham als originär Irisch („Irisc“) zu bezeichnen ? Die Inschriften sind in Gälisch gehalten, und Ogam taucht außer in Irland auch in Wales, auf der „Isle of Man“, in Südwestengland auf, in Schottland auch ohne Verwendung der irischen Sprache. Der Mythologie zufolge soll der Halbgott Ogma, ein Krieger und Literat der „Tuatha Dé Danann“, das Schriftsystem erfunden haben. Fachkundige meinen: „Wahrscheinlicher ist allerdings, dass es sich schlicht um eine irische Darstellung des lateinischen Alphabets handelt. Dafür spricht die Existenz eines Ogham-Symbols für den Buchstaben Q, den es im Irischen eigentlich nicht gab (auch V und Z sind nicht Irisch, können jedoch immerhin als F und SS interpretiert werden). Warum sich irgendwann jemand hingesetzt hat und meinte, ein eigenes Symbolsystem für eine schon bestehende Schriftsprache erfinden zu müssen, das wird wohl für immer im Nebel der Geschichte verborgen bleiben. Wie auch die Bedeutung der Annotationen im ,Book of Ballymote‘, die von ,Fionns Rad‘ und dem ,Flussstrand von Fechertne‘ sprechen und aus Ogam gebildete Diagramme zeigen. Magie ?“ Ogham wurde erst durch Robert Graves’ „The White Goddess“ wieder populärer. Aus unserer Zeit stammen auch die gängigsten Interpretationen im okkulten Bereich. Es ist keine Letternschrift, sondern eher ein Zählsystem - als ob wir statt „Bier“ schreiben würden „2. 9. 5. 18.“, wobei die Nummern hier die Platzierung im lateinischen Alphabet beschreiben. Das auf den ersten Blick komplizierte System ist letztlich nicht komplizierter als jede andere gemalte, geritzte oder gemeißelte Lautdarstellung bzw. Schrift. Ogham besitzt vier Fünfergruppen, die insgesamt zwanzig Laute repräsentieren. In dieser Hinsicht entspricht dieses System unserem Alphabet, nur dass weniger und zum Teil andere Laute dargestellt werden. Ein gutes Beispiel ist ein Ogam-Stein in Arraglen (Kerry), der neben einem Tatzenkreuz die Inschrift „Rónán der Priester Sohn des Comgán“ trägt. In späteren Manuskripten wurde Ogam praktischerweise erhalten und übersetzt, so im 1390 entstandenen „Book of Ballymote“. Aus solchen Quellen stammen auch die Namen, die den einzelnen Zeichen gegeben wurden - Namen, die sich der Lautentsprechung analog auf Pflanzen beziehen und wohl auch zum Teil auf eine magisch-schamanistische Verwendung der Zeichen hindeuten könnten. So ist denn Ogam in diesem Bereich den Runen ähnlich, die auch sowohl als Lautentsprechung als auch als Symbol genutzt werden konnten.
Besprechung der Ogam-Buchstaben
Vorbemerkungen:
PIE = Proto-Indoeuropäisch. - Die englischen Erklärungen sprechen von „arboreal tradition”, („Baumtradition”) und „test-tree” („Versuchsbaum”), womit sie anmerken, dass es eine Erklärungstradition für diverse Begriffe gibt, die aber vage bzw. sprachwissenschaftlich unbelegt sind. Der im Folgenden vorkommende Begriff „Auraicept“ meint „Auraicept na nÉces“ („Leitfaden für den gelehrten Dichter“), was der Name einer Sammlung von Abhandlungen zur irischen Sprache aus dem „Leabhar Bhaile an Mhóta“ bzw. dem „Book of Ballymote“ ist. Als ursprünglicher Verfasser gilt der Gelehrte Longarad, der schon im 7. Jahrhundert mit den ersten Kapiteln begonnen haben soll. Nach einer anderen Überlieferung wurde das erste Buch des Werkes von Cenn Fáelad mac Ailella verfasst. Darin sind Informationen zur Ogham-Schrift enthalten, sowie zu Grammatik und Metrik des Irischen, wie sie von den filid („Dichtern“) verlangt wurde. Das Werk ist ein Versuch von Mönchen, die lateinischen Regeln auf ihre irische Muttersprache anzuwenden. Grundlagen sind die Werke der klassischen Grammatiker Aelius Donatus und Priscianus, sowie die Etymologiae von Isidor von Sevilla.
Beith, Altirisch Beithe bedeutet „Birkenbaum“, verwandt mit dem Mittelwalisischen bedw. Lateinisch betula gilt als entlehnt von dem gallischen Verwandten.
Luis, Altirisch Luis ist entweder im Zusammenhang mit luise „Lodern, Brand“ oder lus „Kraut“. Die Baumtradition hat hier caertheand, „Eberesche“ angegeben.
Fearn, Altirisch Fern bedeutet „Erlenbaum“, archaisches Irisch*wernā, so dass der ursprüngliche Lautwert [w] war.
Sail, Altirisch Sail bedeutet „Weidenbaum“, verwandt mit dem lateinischem Salix.
Nion, Altirisch Nin bedeutet entweder „Gabel“ oder „Speicher/Heuboden“. Die Baumtradition hat hier uinnius, „Eschenbaum“ angegeben.
Uath, Altirisch Úath bedeutet úath „Grauen, Furcht“, die Baumtradition hat hier den „Weißdorn“ angegeben. Die ursprüngliche Etymologie des Namens und der Lautwert sind jedoch unklar. McManus (1986) schlug den Lautwert [y] vor. Peter Schrijver (vgl. McManus 1991: 37) schlug vor, dass, wenn úath „Angst“ mit dem lateinischen pavere verwandt ist, eine Spur von PIE*p ins Archaische Irisch hinein überlebt haben könnte, doch dafür gibt es keine unabhängigen Beweise.
Dair, Altirisch Dair bedeutet „Eiche“ (PIE *doru-).
Tinne, Altirisch Tinne bedeutet „Metallstange, Barren”, wie sich anhand der Kennings beweisen lässt. Die Baumtradition hat hier cuileand, „Stechpalme“ angegeben.
Coll, Altirisch Coll hieß „Haselnussbaum“, verwandt mit dem walisischen collen, korrekt erläutert als cainfidh „Helles Holz“ („Hasel“) durch die Interpretation der Baumtradition. Lateinisch corulus oder corylus ist verwandt.
Ceirt, Altirisch Cert ist verwandt mit dem walisischen perth, „Busch“, Lateinisch quercus „Eiche“ (PIE*perkwos). Es wurde verwechselt mit dem Altirischen ceirt „Lappen“, was sich in den Kennings widerspiegelt. Der Auraicept erläutert es als aball, „Apfel“.
Muin, Altirisch Muin: Die Kennings verbinden diesen Namen mit drei verschiedenen Wörtern, muin „Hals, Oberteil des Rückens“, muin „List, Finte“ und muin „Liebe, Wertschätzung“. Die Baumtradition hat finemhain, „Rebe“ angegeben.
Gort, Altirisch Gort bedeutet „Feld“ (verwandt mit Garten). Die Baumtradition hat edind, „Efeu“ angegeben.
nGéadal, Altirisch Gétal hat den Kennings nach eine Bedeutung von „töten“, vielleicht verkündigt zu gonid „töten“, von PIE gwen-. Der Lautwert im archaischen Irisch war also ein stimmhafter Labiovelar, [ɡʷ]. Die Baumtradition erläutert cilcach, „Besen“ oder „Farn“ angegeben.
Straif, Altirisch Straiph bedeutet „Schwefel“. Der archaisch-Irische Lautwert ist unklar, es kann ein Zischlaut sein, der sich von s unterscheidet, welches ja bereits durch Sail abgedeckt wird, vielleicht ein Reflex von/st/ oder /sw/. Die Baumtradition erläutert draighin mit „Schwarzdorn“.
Ruis, Altirisch Ruis bedeutet „rot“ oder „Rötung“, erläutert als trom, „Holunder“.
Ailm, Altirisch Ailm ist von unsicherer Bedeutung, möglicherweise „Kiefer“. Der Auraicept hat crand giuis .i. ochtach, „Tannenbaum“ oder „Kiefer“ angegeben.
Onn, Altirisch Onn bedeutet „Esche“, obwohl der Auraicept es als aiten „Stechginster“ erläutert.
Úr, Altirisch Úr, basierend auf den Kennings, bedeutet „Erde, Lehm, Boden“. Der Auraicept erläutert fraech „Heide“ (wohl „Heidekraut“). Die offensichtliche Bedeutungsarmut von Heidekraut lässt uns vermuten, dass im ursprünglich heidnischen Ogham eine andere Pflanze in der Betrachtung stand, nämlich die Mistel, denn völlig unmöglich erscheint es, dass sie, als mythologisch hochbedeutsam, unberücksichtigt geblieben wäre. Mistel heißt im Irischen Uileiceadh und bedeutet „Allheilmittel“.
Eadhadh, Altirisch Edad - von unbekannter Bedeutung. Der Auraicept erläutert crand fir no crithach „Testbaum“ (???) oder „Espe“.
Iodhadh, Altirisch Idad ist von unklarer Bedeutung, aber ist wahrscheinlich eine Form von ibhar „Eibe“, was die Bedeutung ist, die ihm in der Baumtradition gegeben wird.
Von den forfeda werden vier vom Auraicept erläutert. Die Forfeda sind die zusätzlichen Buchstaben des Ogham-Alphabets, jenseits des grundlegenden Inventars von zwanzig Zeichen. Die wichtigsten von ihnen sind fünf Forfeda, die in ihrem eigenen aicme oder Klasse angeordnet wurden und in alter irischen Periode erfunden wurden, mehrere Jahrhunderte nach der Hochzeit des Ogham-Gebrauches. Es sind die Laute, die dem ursprünglichen irischen Alphabet zu fehlen schienen: é (o) , ó (i) , ú (i) , p und ch.
Eabhadh, Altirisch Ebhadh mit crithach „Espe“;
Ór, „gold“ (vom lateinischen aurum); Die Baumtradition gab an: feorus no edind, „Spindelbaum oder Efeu“.
Uilleann, Altirisch Uilleand „Ellenbogen“; Die Baumtradition gab an: edleand „Geißblatt“
Pín, später Ifín, Altirisch Iphin mit spinan no ispin „Stachelbeere oder Dorn“.
Die Buchstaben sind in ihren vertikalen und horizontalen Varianten dargestellt. Die Namen und Laute, die durch die Buchstaben uath und straif dargestellt werden, sind unsicher. Es gibt viele verschiedene Versionen der Buchstaben-Namen, nicht allein die hier vorgestellten Pflanzen-Namen.
Book of Ballymote, Seite 103
Book of Ballymot, Seite 104
Right side/downward strokes
1. [b] (*betwi-s) Birke - 2. L luis [l] (*lubsti-) Eberesche - 3. F fearn [w] (*wernā) Erle - 4. S saille [s] (*salik-s) Weide - 5. N nuin [n] Esche
Left side/upward strokes
6. H úath [j] (*osato-) Weißdorn - 7. D duir [d] (*darek-s) Eiche - 8. T tinne [t] Stechpalme 9. C coll [k] (*koslas) Haselnussbaum - 10 Q ceirt [kʷ] (*kʷer[x]tā) Apfelbaum
Across/pendicular strokes
11. M muin [m] Rebe - 12. G gort [ɡ] (*gorto-s) Efeu - 13. NG gétal [ɡʷ] (*gʷēdtlo-) Farn/Ried - 14. Z straif [sw] or [ts]? Schwarzdorn - 15. R ruis [r] (*rudsti-) Holunder
notches (vowels)
16. A ailm [a] Kiefer/Tanne - 17. O onn [o] (*osno-) Stechginster - 18. U úr [u] Heidekraut 19. E edad [e] Espe - 20. I idad [i] Eibe
Ogam-Besprechungen
Die von Graves vorgeschlagene Verbindung zwischen Ogam und Runen erfuhr v.a. in den 20er und 30er Jahren unseres Jahrhunderts mannigfaltige Weiterungen. So wurden zunächst von Holger Pedersen die folgenden Übereinstimmungen als stützende Argumente ins Feld geführt: Beide, das Runenalphabet und das Ogam-Alphabet, seien gegenüber dem Lateinalphabet durch eine völlig andersartige Reihenfolge der Buchstaben gekennzeichnet. Beide hätten ein eigenes Zeichen für ein konsonantisches v sowie für den Velarnasal. In beiden Systemen bestünden die Buchstabennamen, anders als im Lateinalphabet, aus ganzen Wörtern. Dabei herrsche zumindest in einem Fall, nämlich bei dem Buchstabennamen für b, eine semantische Übereinstimmung, insofern sowohl der Runenname bjerkan als auch das irische beithe der Name der „Birke“ ist. Wir erinnern uns an den Birkenmythos im Ogam-Traktat, der die Bedeutung gerade des Birkennamens im Zusammenhang mit dem Ogam unterstreicht.
Über Pedersen hinausgehend argumentierte Carl Marstrander, dass der Name des Ogam-Buchstabens Q, quert, möglicherweise sogar lautlich mit dem angelsächsischen Runennamen cweor identisch sei, der wiederum mit dem Namen der P-Rune, peor und weiter mit dem Namen der gallischen Göttin Perta zusammenhängen könne. Marstrander wies weiter darauf hin, dass die Buchstabennamen des Ogam-Alphabets, dem „Auraicept na n-éces“ zufolge, sämtlich Baumnamen darstellten:
beithe, luis, fern, sail, nin, huath, daur, tinne, coll, quert, muin, gort, ngetal, raif, luis, ailm, onn, ur, edad, ida, ebad, éubhadh oir, uillenn, pin / ifin, emancholl
„Birke, (Eberesche) Erle, Weide, (Esche), (Weißdorn), Eiche, (Stechpalme ?) Haselnuss, (Apfelbaum), (Weinstock), (Efeu), (Ginster, Farn) Schlehdorn, (Holunder), (Pinie), (Stechginster ?) (Heidekraut) (Espe), (Eibe), Espe, (Spindel ?) (Geißblatt), (Stachelbeere ?) [„Doppel-coll“]
(„Runernes oprindelse“, in „Aarbøger for nordisk oldkyndighed og historie“, 1923, 8. 26 - „Om runene og runenavnenes oprindelse“, in „Norsk Tidsskrift for Sprogvidenskap“ 1, 1928, S. 139)
Außerdem erwähnt der Traktat im selben Zusammenhang auch eine Einteilung der Bäume in drei Gruppen zu je acht Arten, was für Marstrander die deutlichste Übereinstimmung mit der Runeneinteilung war; die betreffende Stelle lautet: „Cis lir aicme ogaim ? Ni ansa. A iii .i. viii n-airigh fedha, viii n-aithigh, viii fidlosa. Ocht n-airigh cetus: - fernn, dur, coll, muin, gort, straif, onn, or. Ocht n-athaig .i. bethi, luis, sail, nin, huath, tinne, quert. Archuit a feda is at haig feda fidlosa olchena. (Übersetzung: „Wie viele Gruppen des Ogam gibt es ? Nicht schwer. Drei, nämlich acht Herrenbäume, und acht Bauernbäume, und acht Sträucher. Zuerst die acht Herrenbäume: Erle, Eiche, Haselnuss, Weinstock, Efeu, Schlehe, Stechginster, Heidekraut. (Dann die) acht Bauernbäume, d.s. Birke, Eberesche, Weide, Esche, Weißdorn, Ginster, Apfelbaum. Was die Buchstaben betrifft, sind der Rest Bauernbäume (und) Sträucher.“)
Ogam-Buchstaben im „Buch von Ballymote“, Seite 89
.o.o.o.o.o.
Die Lautzeichen des OGAM im Vergleich
mit dem möglichen Sinn der jahreszeitlichen
Lautzeichen des Runen-ODING
In Mythologie und Esoterik ist die Birke geradezu der Inbegriff des Weiblichen, daher der Name „Frauenbirke“. Laub und Zweige des heiligen Baumes, die „Maien“, scheinen einem heilkräftigen Numen Sitz zu gewähren. So ist seine weitreichende Nutzung im Volksbrauchtum zu erklären: von der Birke die der Werbende seiner Angebeteten vors Haus stellt bis hin zum Bau von Kinderwiegen aus Birkenholz.
So, wie es die alte Volksreligion und der Runenschöpfer verstanden, so empfinden noch heutige Menschen die Birke als weibliches Gleichnis; ein Dichter formulierte: „Wie eine Braut im Schmucke, - Steht zwischen schwarzen Tannen - So schämig schön, jungfräulich, - Die schlanke junge Birke." (O.J. Bierbaum); ein anderer reimte: „Alles hat zur Frühlingsfeier - Schön geziert sich, wohin man schaut, - Aber die Birke in zartem Schleier - Ist die Zierlichste, ist die Braut.“Hertha Graf schreibt in Kap. VI ihrer Lebenserinnerungen „Mit Dünawasser getauft“: „Im gedämpften Licht des Abends schimmerten die weißen Stämme seltsam unwirklich, als wären die Birken tatsächlich jene ,weißen Jungfrauen mit dem grünen, wehenden Haar’, wie sie in den lettischen Dainas [Volkslieder] und von den Dichtern besungen werden.“Und eine Hermann Löns nahestehende Schriftstellerin schrieb: „Ein leichter, frischwindiger Frühlingstag war’s. Ein Tag, an dem die weißen Birkenfrauen in grünen Schleiern auf der braunen Heide tanzen, wo die schimmernden, schneeigen Wolkenschiffe über das blaue Himmelsmeer dahinsegeln, wo noch Frühlingswind in ihre Segel bläst und die abgeklärte Ruhe der Hochsommers und das majestätische Zürnen des Herbstes ihnen gleichermaßen fremd sind.“ (Hermann Löns und die Swaantje, Swaantje Swantenjus, 1920, S.15)
Das ags. Runenlied bemerkt zur 7. Birken-Rune: „Beorc trägt keine Frucht; dazu bringt sie Zweige ohne Samen hervor; denn sie zeugt sich aus ihren Blättern. Hoch in der Spitze rauscht sie lieblich, blätterbeladen, von der Luft bewegt.“ Der isl. Runenreim meint einfallslos: „Bjarkan [Birkenreis] ist ein laubreicher Zweig und ein kleiner Baum und ein jugendliches Holz.“ Dazu stellt es das Wort lat. abies („Tanne“), was beweist, dass der Autor das Lateinische ungenügend beherrschte. Der zweite beigestellte Begriff, altn. buðlungr („Beschützer / Behüter“), passt gut in den Gesamtrunensinn hinein. Aber das norw. Runengedicht gibt Rätsel auf: „Bjarkan ist das laubgrünste Gezweig; Loke brachte Falschheit ins Glück“. Den Sinn der Strophe erklärt der dänische Übersetzer L.F.A. Wimmer: „Loke brachte durch seine Falschheit Unglück mit sich.“ (L.F.A. Wimmer, Die Runenschrift, 1887, S.280)Welche Falschheit könnte gemeint sein ? Loki ist ein echter Feind der Götter, das hat er durch den Mordanschlag auf Baldur bewiesen und er steht im Endkampf an der Spitze der von ihm gegen die Götter geschaffenen Ungeheuer. Doch insbesondere den Göttinnen spielte der Unhold übel mit. Die Idun lieferte er dem Riesen Thjazi aus (Skalds. 1), der Sif schnitt er das Haar ab (Skalds. 33), der Freyja raubte er den Brisingamen-Brustschmuck (Skalds. 16), der Frigga vereitelt er ihren geliebten Sohn Baldur aus der Gewalt der Hel zu lösen (Gylf. 48) und in der Lokasenna verlästert und beleidigt er sämtliche Göttinnen der männertollen Schändlichkeiten. Wir kennen nicht alle Mythen; es muss ein besonders tiefgreifender Gegensatz zwischen dem niederen verschlagenen Trickser, dem Schöpfer lebensfeindlicher Unholde und der lebensspendenden hohen Göttin empfunden worden sein.
Eine der bekanntesten eschatologischen dt. Sagen, von der „Zukunftsschlacht am Birkenbaum", spielt an einer zukunftsweisenden Birke. Es handelt sich um die Vision vom Ende der Zeiten, von einer bevorstehenden Völker- und Weltenschlacht, welche über kommendes Geschick bestimmen soll. Der Baum ist nicht nur Ort und Mittelpunkt des Schlachtgetümmels, sondern der Zeitpunkt der Schlacht knüpft sich an das Aufwachsen, Wiederergrünen oder Absterben dieser Birke. Lokalisiert wird sie in Westfalen, aber auch auf dem Walserfeld bei Salzburg. Auch daran ist die hohe Bedeutung der „Mutter Birke“ im deutsch-germ. Volksglauben abzulesen. Nicht nur im deutschen, skandinavischen, baltischen, sondern im gesamten nordasiatischen Gebiet ist die Birke eng mit der Religionsgeschichte der einzelnen Völker verwoben. Einige mongolische Stämme verehren die Birke als Weltenbaum. Bei den Chakassen steht die heilige, sieben-ästige Birke auf einem eisernen Berg in der Mitte des Erdkreises. Die Tataren von Minusinsk huldigen der göttlichen Birke ebenfalls auf einem Gipfel. In Sibirien, wo sich eine lange schamanistische Tradition bewahren konnte, handelt es sich häufig um eine Birke, dem „kosmischen Baum des Schamanismus". Indem der Schamane in Trance die Weltenbirke besteigt, gewinnt er die nötige Kraft, sich einen Weg zu den Göttern zu bahnen, beispielsweise um die Gesundung eines Kranken zu erbitten.
2. - Eberesche - L = (Runenbezug: L - germ. laukaz / laguz / lin, lina / lewa ? - Lauch, Kraut / Lache, Wasser / Lein, Flachs - (Mondgöttin) - Feier: kelt.: Imbolc, Oimele / germ.: Disablot - Anfang Februar) Nach den Listen der Ogam-Bezüge gehört zur L-Rune bzw. zum „L“-Laut luis die Eberesche oder der Lebensbaum. Die Eberesche ist der kelt.-irisch. Göttin Brigit geweiht, die in diesen Tagen ihr großes Fest hat. In Skandinavien soll er der Frigga heilig gewesen sein. In irisch. Sagen trägt der Baum die „Früchte der Unsterblichkeit“. Seine Zweige, so hofft man, brechen jeden bösen Zauber. Engl. Autoren bezeichnen sie als ersten kelt. Hexenbaum, der den Hexen- Zauberstab liefert. Der Baum soll die drei Phasen der Frau und Göttin verkörpern: Ihre weiße Blüte, die Jungfrau, ihre roten Beeren, die menstruierende reife Frau, ihr schwarzer Stamm, die Greisin. Die Wahrsagerinnen, die altn. Völven oder Valen, benannte man nach ihrem Ausrüstungsgegenstand, dem völr oder valu (got. valus), dem „Stab“, der dazu diente, Gewalt über verborgene Mächte zu erlangen. Die Völva /Vala führte den Zauberstab, der gleicherweise die Bezeichnung gandr trug. Man glaubte, dass er den Seherinnen und Heilrätinnen als Fortbewegungsmittel dienen könne. Der gandreidh ist der „Hexenritt“; „renna göndum“ heißt: „auf dem Zauberstab reiten“. Das Instrument der Seherin Thordis wird in der Vatnsdöla-Saga als „Glücksstab“ bezeichnet. In der Saga von Thorfinn Karlsefni findet sich die Beschreibung einer im 13. Jh. auf Grönland beheimateten „weisen Frau“, der Litivölva Thorbjörg („kleine Wahrsagerin“). Der Text lautet: „In der Hand trug sie einen Stab mit einem Knopf daran, der war mit Messing beschlagen und oben um den Knopf herum mit Steinen besetzt.“ Die Gambara galt entsprechend der langobard. Auswanderungssage als Mutter der beiden Führer Ibor/Ebbo und Ajo/Aggo. Ihr Name aus Gand-bera bedeutet „Stabträgerin“ und weist sie als Seherin und Priesterin aus - was die Legende bestätigen mochte, nach der sie es war, die den Sieg über die Wandalen bei der Muttergöttin Freija erwirkte und voraussagte.
3. - Erle - F = (Runenbezug: F - germ. fehu - Vieh / Besitz / Habe / Geld - Ende November) Die kelt. Ogam-Deutung des Buchstabens „F“ ist fearn, die Erle (Rot-/Schwarzerle). Erlen sind mit ihren regelmäßig angeordneten waagerechten Ästen, mächtige Pflanzen von bis zu 25 m Wuchshöhe. Oft sind es die wichtigsten Bäume in Auwäldern, entlang von Bächen und Flüssen; wobei sie durch ihre Wurzeln für eine Festigkeit des Ufers sorgen. Gern stehen sie in moorigen, nebeligen, unheimlich-düsteren Gegenden, die Anlass für Gespenstergeschichten liefern mit Hexen, bösen Geistern, Nebelfeen, Alfen/Elfen; das altdän. Wort Ellerkonge bedeuetet beides: Elfen- und Erlenkönig. Im durch Uhland und Herder übersetzten altdän. Kjämpe-Viser („Heldenweise“) von „Herr Oluf“ bestraft die abgewiesene „Erlkönigs Tochter“ den nächtlichen Reiter mit dem Tod. Frisch geschlagenes Erlenholz läuft an der Schnittstelle sofort blutrot an, worauf sich die Volksweisheit bezieht: „Erlenholz und rotes Haar, sind auf gutem Grunde rar“, in der die Haarfarbe der Hexen und Erlgeister mit der Holzverfärbung in Verbindung gebracht wird. Die Erle pflegt also enge, gute Verbindung zum Wasser; ihr gelbrotes Holz wird unter Feuchtigkeitseinwirkung mit den Jahren zwar schwarz doch immer härter. Wegen dieser Eigenschaft wurde es im Schiffsbau sowie für die Herstellung von Wasserfähren und Wasserbauten verwendet. In der Medizin leistete die Erle bei Fieber und Erkältungskrankheiten gute Dienste. Ihr irischer poetischer Name lautet „Hüter der Milch“. Molkereigefäße, auch Brunnenröhren fertigte man gern aus Erlenholz. In der Rahmen der Vieh-Rune passt, dass dem Baum eine mythische Verbindung zur weißen Mondkuh, „die Milch in Strömen gibt“, nachgesagt wurde. Der Aberglaube meinte: Erlenzweige/-kränze schützen vor Feuersbrünsten, oder ersticken jede Flamme. Damit trächtige Kühe ihr Junges gut zur Welt bringen können, sollen 9 von den männlichen Fruchtzäpfchen/-Kätzchen verabreicht werden. Dies soll den Geburtsvorgang wesentlich erleichtern und verkürzen.
4. - Weide - S = (Runenbezug: germ. sauil, sowilo; altn. sol - Sonne / Sonnengott - Mitte April) Das kelt. Baumalphabet rechnet dem „S“ suil, saile, seileach,die Weide zu. Wieder erleben wir mythologische und brauchtumsmäßige Übereinstimmung: Der Tod des „Verräters Judas“ / Teufels / Lokis gehört in dens-Kalenderraum. Er soll sich nach Volksmeinung an einer Weide erhängt haben. (Heinrich Marzell, Pflanzen im Volksleben, 1925, S.44f) Ihm, dem Dunklen, dem Gegenspieler des Lichtes, wurde demnach die Weide zum verhängnisvollen Todesbaum. Ein christl. Brauch, sog. „Palmweihe“, unter Verwendung von Weidenzweigen, ist seit dem 8. Jh. im Abendland nachweisbar; der „Salweidensonntag“ repräsentiert sich als österliche Vorfeier. Der Baum galt im christl. Mittelalter als Symbol für das „Gesetz Gottes" und den „Sohn Gottes" (Christus), so dürfen wir sicher sein, dass er schon in heidn. Zeit dem Sonnen- und Wachstumsgeist nahestand bzw. als wachstumsfördernd und unheilabwendend galt. Vielleicht deshalb, weil man dem Baum beliebig viele Zweige abschneiden kann, ohne ihm zu schaden. Nach griech. Mythos erblickte die Zeus-Gemahlin Hera unter einer Weide das Licht der Welt. Auch galt auch der universalen Todesgöttin Hekate-Hel die Salweide als heilig. Die griech. Begriffe helike („Weide“), helios („Sonne“) und helix („Wendel“), sprechen für ihre mythische Verwandtschaft. Dass die Weide eindeutig dem Sonnenkult angehört, geht aus der Notiz hervor, dass sie auch dem ägypt. Osiris heilig gegolten habe; sie beschattet seinen Sarg, während seine Seele als Phoenix auf ihr weilt. Phönix ist der griech. Name für Benu (von uben „leuchten / aufgehen"), dem heiligen Vogel des ägypt. Sonnenkultes von Heliopolis („Sonnenstadt“). Er wurde als Verkörperung des Sonnengottes Re verehrt und ist ein Symbol der ewig-unsterblichen Erneuerung, Auferstehung und Wiedergeburt. Er galt als Ba (Seele) Re‘s und als Erscheinungsform des Osiris. Man dachte ihn sitzend auf den Ben-ben-Steinen (Obelisken) oder eben auf dem heiligen Weidenbaum wohnend. Phoenix verbrennt sich selbst in seinem Nest, um aus der Asche neugeboren emporzusteigen -, ein Bild der aus flammender Morgenröte emporsteigenden Sonne. So war er nach griech. Mythenüberlieferung ein Symbol des sich durch den Flammentod erneuernden Lebens, wovon schon der griech. Historiker Herodot (484-402 v.0) berichtete. Dieser tröstliche Hoffnungsgedanken lag aber auch jeder germ. Totenverbrennung zu Grunde: Über die nur scheinbar verzehrenden Flammen gelangen die Seelen in die Heimat des jenseitigen Sonnenfeuers zur Neugeburt.
5. - Esche - N = (Runenbezug: N - germ. naudiz - Bedeutung: Zwang / Notwendigkeit / Notfeuerdrehung - Mitte Juli) Das Kelten-Ogam erklärt den Buchstaben N mit nion, der Esche. Sie ist über fast ganz Europa bis zum Kaukasus und Kleinasien verbreitet. Ihr lat. Name Fraxinus kommt vom griech. Wort Phraxis („Zaun“), während lat. excelsus („hervorragend“) wohl die Stattlichkeit ihres Höhenwachstums meint (bis zu 30/40 m). Sie zählt damit zu den höchsten Laubbäumen Mitteleuropas. Der Baum kann ca. 1,70 m stark und etwa 250 Jahre alt werden. Sie blüht kurz vor Laubaustrieb im April/Mai. Die Esche hat vielfache mythische Beziehungen: In eddischer Völuspa entsteht aus ihrem Holz Askr, der erste Mann; wie auch schon der Grieche Hesiod berichtet, dass Zeus das dritte, eherne Menschengeschlecht, aus Eschen erschaffte. Sicher ist die Esche im germ. Spätheidentum auch als Weltenbaum verklärt worden. Jedenfalls spielt sie im abergläubischen Volksbrauchtum eine bedeutenden Rolle: Unter ihr sollen die Hexen wohnen oder Zusammenkünfte abhalten; die Trud setzt sich mit Vorliebe auf sie. Doch hervorstechend ist die Schutzwirkung der Esche: der Rauch ihrer angezündeten Blätter soll Schlangen vertreiben, die Rinde hält frei von Ungeziefer, dem Vieh gegeben hülfe sie das ganze Jahr über; der Baum galt ganz allgemein als giftwidrig. Den Slowaken hält ein Eschenstock böse Geister, Gespenster Kobolde und Hexen zurück. Auch Franzosen und Engländer kennen Rezepturen mit Einbeziehung der Esche gegen mancherlei Krankheiten. Die Slowenen steckten am Johannistag einen Eschenzweig auf den Acker, die Spanier hängen zur gleichen Zeit glückbringende Zweige im Hause auf. In der Sympathiemedizien ist die Esche das berühmte blutstillende Wundholz; an gewissen Tagen soll es für diesen Zweck geschnitten werden, z.B.: Johanni (24. Juni), Peter-Paulstag (26. Juni), Jakobstag (25. Juli). In brit. Folklore gilt die Esche sogar als „Baum der Wiedergeburt“. Als vornehmlich Unheil abwehrend, fügt sie sich gut in die Charakteristik der 15. Rune ein.
6. - Weißdorn - Y (?) = Ein lautlicher Runenbezug ist nicht vorhanden.
7. - Eiche - D = (Runenbegriff: germ. dagaz - Tag / Tagvater - Ur-Himmelsgott - Anfang Januar) Im kelt. Ogam-Alphabet wird dem „D“ der Begriff duir („Eiche“) angehängt (griech. drouis). Dieser Baum war dem höchsten Gott zueigen, deshalb den indogerm. Himmels- bzw. Gewittergöttern geweiht: kelt. Gott Dagda, germ. Donar, griech. Dios-Zeus, röm. Jupiter, pruzz. Perkunas, slaw. Perun. Den Altpreußen galt er als kräftige Gestalt mit kupferrotem Bart, der sich von einem Ziegenbock über den himmlischen Steinhügel ziehen ließ und so das Donnergepolter verursachte, der seine Axt zur Fruchtbarkeit der Felder warf, ein Befruchter und Reiniger der Erde, dessen Baum die Eiche war -; also ein recht genaues Abbild des germ. Donar/Thor.
Bereits Homer (Ilias 5.692-3.) erwähnt die sich in Troja befindliche, dem Zeus heilige Eiche. Dodona ist als Zeus-Heiligtum seit dem 8. J.h. v.0 durch literarische Überlieferung und archäologisches Fundmaterial (zahlreichen Votive) belegt. Auch das kelt. Bildnis des Zeus war eine hohe Eiche, wie Maximus Tyrius berichtet. Nach Plinius brachten die Druiden ihre Opfer in Eichenhainen dar, die Eiche sei Kelten wie Griechen Wohnstatt des höchsten Gottes. Ovid erzählt von den Eicheln, die von Jupiters weitausladender Eiche stammen. Schon der röm. Staatsgründer Romulus legte die Kriegstrophäen auf dem Kapitol am heiligsten Ort, am Fuße einer Eiche nieder, wo später der Jupiter Feretrius seinen Tempel erhielt (T. Livius, Röm.-Gesch., I-III). Von den Bulgaren ist die Sitte überliefert, dass sie in Ermangelung einer Kirche, unter Eichen den Gottesdienst abhielten. Doch wurde die Verehrung des Baumes durch die christl. Naturfeindlichkeit zumeist radikal beendet. Die ersten christl. Kaiser Roms verboten die Baumverehrung. Fanatiker zerstörten daraufhin neben Tempeln, Götterbildern, heiligen Stätten, auch geweihte Bäume. Augustinus (354-430) drohte in einer seiner Schriften: „Wer irgendwo auf seinem Acker oder seinem Gehöfte oder neben demselben, etwa Bäume, Altäre oder sonstige Weiheorte besitzt [...] und solche nicht vernichtet oder nicht diesem unheiligen Treiben wehrt, der wird sich der Teilnahme an solchen Sakrilegien schuldig machen." (Augustinus, sermo CCXLI.). Die Zeuseiche von Dodona wurde i.J. 391 von einem Illyrer gefällt; das altdt. Baumheiligtum, die mächtige „Donareiche bei Geismar“, hat der christl. Enthusiast und päpstliche Parteigänger Bonifatius i.J. 724 unter fränkischem Schutz umhauen lassen. Zwar traf ihn daraufhin kein unmittelbarer Racheblitz, doch die Summe seiner Freveltaten, heidnischen Heiligtümern gegenüber, führte dazu, dass er i.J. 754 als vogelfreier, räudiger Hund von den Friesen erschlagen wurde. Die Blütezeit der Eiche in Mitteleuropa liegt auf Mitte bis Ende April, also im D-Runen-Zeitraum. Die gewaltigen, bis zu 20 Meter hochwachsenden, bis ca. 700 Jahre alt werdenden Bäume, gehörten mit den Ulmen zu den ersten die nach der Eiszeit die mitteleurop. Wälder aufbauten. Da ihr Holz als unverweslich galt, sah man ihnen noch im Mittelalter Symbole der Unsterblichkeit. Auch als Heilmittel verstand man den Baum des Himmelsvaters; sowohl in der Schule des Hippokrates (460-337 v.0), auch Dioscurides (1.Jh.n.0) lehrte in seinem 500 Pflanzen umfassenden Werk „De Materia Media” die Wirkung des Eichenbaumes. Der Arzt und Pflanzenforscher Hieronymus Bock schrieb in seinem 1539 erschienen Kräuterbuch: „So jemand von einm gifftigen Thier oder Wurm gestochen were, der trincke gepülvert Eicheln.“
8. - Stechpalme - T = (Runenbezug: T - germ. tiwaz / teiwatz / Tiu / Ziu / Tir / Tyr / Zeus / Jupiter / Mars / Himmelsvater - Anfang April) Das kelt. Ogam weist dem Buchstaben „T“ tinne / teine („immergrüne Stecheiche / Stechholder“) zu. Kleine rahmweiße Blüten erscheinen im Frühjahr von Mai-Juni. Die Bedeutung von teine („Brand / Feuer“) erklärt sich durch das Fruchtkleid der Pflanze, das ab September-Oktober in leuchtendem Rot ihres Beerenbesatzes, der bis zu 300 Jahre alten und bis zu 10 m hohen mitteleurop. Pflanze, erscheint. Der Gattungsname Ilex ist möglicherweise von der Steineiche (Quercus ilex) abgeleitet oder er entstand über das kelt. Wort ic oder ac für Spitze. Einstmals galt sie als Zauber abwehrend. Dazu der Frankfurter Stadtphysikus Adam Lonitzer (1528-1586) in seinem 1557 erschienenen Kräuterbuch: „Der gemeine Mann glaubt, daß die geweihete Zweige dieses Baumes über die Thür gelegt, daß Hauß vor dem Donner bewahren soll." In England werden Holly-Zweige traditionell zu Weihnachten aufgestellt. Bei dem sehr altertümlichen, heidnisch anmutenden Oberstdorfer „Wilde-Männle-Tanz“, der seit einer Pestepidemie im Jahre 1648 regelmäßig aufgeführt wird, tragen die 12 Darsteller Gewänder aus Tannenbart genäht (Moosflechte, die nur an Tannen wie Fichten in höheren Gebirgslagen vorkommt). Auf dem Kopf tragen sie einen kronenartigen Kranz aus Stechholderblättern, um die Hüfte einen Gürtel aus geflochtenen jungen Tannenzweigen. Neben verschiedenen mittelalterlichen Bildern ist wohl die beste Beschreibung des Brauchtumstanzes im Jagd- und Reisetagebuch des Fürstbischofs von Augsburg, zugleich Kurfürst von Trier, Clemens Wenzeslaus, zu finden (Münchner Staatsarchiv). Man ist nicht sicher, die Kelten könnten auch die Ilexblättrige Steineiche (Quercus ilex) gemeint haben. „Unter allen Bäumen des Waldes gebührt der Steineiche die Krone“, so singen kelt. Lieder. Dieser große typisch mediterrane Baum wird bis zu 20-25 m hoch. Plinius kannte im Vatikan (1. Jh. n.0) die älteste Steineiche von Rom, die mit einer etruskischen Inschrift aus Bronze versehen war. Albert Camus erwähnt eine Steineiche an der Rhone-Mündung, die 1913 einen Umfang von 6,15 m hatte und eine der seltenen überlebenden Steineichen der Druidenwälder gewesen sein soll. An der Mosel wurden die Holzfässer für die Weinlagerung ausschließlich im Fuderformat verwendet. Diese wurden von den Küfern aus dt. Steineichen hergestellt.
Unsere T-Rune wurde in altn. Tradition tyr und deus (altn. u. lat. „Gott“) bezeichnet, in der ags. tir und dominus („Herrscher“). In dt. Runenreihe des Hrabanus Maurus und Wiener Codex 64 erscheint das Zeichen als tac und dies (altn. u. lat. „Tag“) und im St. Galler Codex 270 ti (ohne Erklärung). Daraus wird neben der lautlichen auch die sinngemäße Verwandtschaft von „D“ und „T“ ersichtlich, die im ODING-Zeitkreis in Gestalt des 2. und 8. Sinnbildes des gleichen Himmelsgottes erscheinen. Das kelt. Ogom ordnet dem „D“ duir / dara („Eiche“) und dem „T“ tinne / teine („Stecheiche“ oder „Steineiche“) zu; das mit „T“ anlautende kelt. tann war aber überhaupt ein Wort für „Heiliger Baum“. Beide Anlaute vermochten im Keltischen die/den höchsten Götter/Gott mit entsprechenden Baumzuordungen kennzeichnen. Plinius sagte, die Eiche sei Kelten wie Griechen Wohnstatt des höchsten Gottes. Der höchste Keltengott war Dagda („guter Gott“), der den Beinamen Ollathir /Ollatheir („Allvater“) ebenso führte wie der wohl identische gallische Jupiter/Mars Teutates („göttlicher Stammesvater“), der dritte wäre Taran, der kelt. Himmels- und Donnergott. Auch dem röm. Gott Mar-ti („Glanz-ti“) war die Eiche ebenso wie dem Jupiter heilig, berichtet Sueton in der Kaiserbiographie des Vespasian. Der Zeitraum März-April galt dem Heidentum - wie es sich auch im ODING niedergeschlagen hat - als eine besondere Kultphase des Himmelsgottes (Rune T). Das findet Ausdruck auch darin, dass Böhmen/Tschechen den April Eichenmonat („duben“) nennen.
9. - Haselnussbaum - C/K = (Runenbezug: K - germ. kenaz /kaunan / kano - Kienfackel / Krankheit / Kahn - / Herbstgöttin ? - Herbstgleiche) Das kelt. Ogam stellt zum „K“-Laut coll („Hasel“), die den zauberischen Bäumen der Hexen zugehört. Diese vermögen sich zwischen Holz und Rinde zu verbergen. In Volkslied und Spruchgut heißt sie „Frau Hasel“. Aus ihrem Holz ist die gegabelte Wünschelrute / Heberute des Rutengehers geschnitten, die sich den unterirdischen Schätzen, Metalladern und Wasserquellen zuneigt. Haselstäbe sollen behilflich sein zur Erhebung der Toten. (A. Ritter v. Perger, Deutsche Pflanzensagen, 1804, S.241f) In germ. Gräbern fand man Schalen mit Haselnüssen; Alemannengräbern wiesen Haselzweige auf, was vermuten lässt, sie hätten mit Wiedergeburtshoffnungen in Beziehung gestanden. Die Hasel galt als weiblicher Schutz- und Machtbaum. Ihre Nuss ist ein Sinnbild des scheintoten, ins Erdengrab gesunkenen, trotzdem fruchtbaren, unverlierbar-unsterblichen Lebens. Der christl. Mystikerin Hildegard von Bingen erschien, in typisch christl. Überspitzung, die Haselnuss deshalb gleich zum „Sinnbild der Wollust“. Im Volksbrauchtum aber schenkte man die ersten Baum- oder Strauchnüsse (Wal- und Haselnüsse) wenn sie reif waren, den Kindern am 15. August (Großer Frauentag - Mariä Himmelfahrt) als „Mariennüsse“. Die Nähe des Baumes zur Göttin zeigt ein Märchen der Gebrüder Grimm; es heißt: „Die Haselrute“. Es erzählt, wie die christl. Gottesmutter im Walde von einer Natter bedroht und verfolgt wird. Sie birgt sich hinter der Haselstaude und spricht, als sich die Schlange wieder verkrochen hat: „Wie die Haselstaude diesmal mein Schutz gewesen ist, so soll sie es auch in Zukunft andern Menschen sein.“ Haselbüsche und -ruten bewahren nach dem Volksglauben vor Kobolden, bösem Zauber, Blitzschlag und besonders vor Schlangen. Im Grimm-Märchen vom Aschenputtel wird der auf das Grab der Mutter gepflanzte Haselzweig zum glückbringenden Baum, durch den die Verstorbene weiterhin ihre mütterlich schützenden Arme über dem Waisenkind ausbreitet. Da offenbaren sich Vorstellungswelten, die sich allein aus dem heidn. Gedankengut der Herbstgöttin bewahrt haben können.
10. - Apfelbaum - Q/P = (Runenbezug: germ. pertho, kelt. Göttin Perta / germ. Perchta - Liebesgöttin / kelt. qeirt : „Apfelbaum“ - lat.: Malus sylvestris - kelt. querta /pertra: Göttin; es gab Wechsel von q- zu p-Lauten - Kessel, Schale / Quelle - geöffneter Erdmutterschoß - Mitte Mai) Das ags. Runenlied stellt zur P-, Peorth-Rune, die Begriffe „Tanz und Lachen“. Im irischen Ogam-Baumalphabet, erscheint das Wort lautlich richtig als quert / qeirt mit der Bedeutung „Apfelbaum“. Im Inselkeltischen, dem Gälischen und Brythonischen fanden unterschiedliche Wechsel zwischen q-Lauten und p-Lauten statt. Mythologien gibt es die magischen Äpfel der Unsterblichkeit, die Tod und Wiedergeburt symbolisieren. In der Regel ist es die Göttin, die diese Äpfel einem Mann, Helden, Ahnen oder Gott verleiht. Zur liebreizenden Venus gehörten die Attribute: Schönheit, Taube, Spiegel und der Apfel. Die Attribute der griech. Hera waren Granatapfel, Szepter, Opferschale und der Pfau. In enger Sinnverwobenheit befindet sich die Gesamterscheinung dieser muttergöttlichen Wesenheit mit Apfel und Apfelbaum, dem uralten Symbol für Fruchtbarkeit und wuchs fern am westlichen Rand der Erde, wo die Sonne untergeht, der Apfelbaum mit den goldenen Früchten deren Genuss ewige Jugend und Unsterblichkeit schenkten. Er war ein Hochzeitsgeschenk der Terra Mater, der Erdgöttin Gaia an Juno (Hera), die Gattin des Jupiter (Zeus). Gemeinsam mit dem Drachen Ladon bewachten Nymphen, die Hesperiden („die Abendlichen“) diese erlesenen Früchte. Es handelt sich unverkennbar um ein jenseitiges Land. Auch die Insel Avalon, das altkelt. Heiligtum, ist als „Garten der Äpfel“ zu verstehen (korn. Avallen : „Apfelbaum“); der berühmte Legendenkönig Artus soll dort seine letzte Ruhestätte gefunden haben. Auf den etruskischen Denkmälern erscheint immer wieder die Liebesgöttin mit den Attributen Apfel und brünstiger Taube. Doch kennt man bereits eine sumer. Keilschriftstelle - die Inannas Gang zum Weisheitsgott Enki beschreibt - in der es zu Beginn heißt: „Als sie sich an den Apfelbaum lehnte, war ihre Vulva wunderschön anzusehen. Die junge Inanna jauchzte über ihre wundervolle Vulva und beglückwünschte sich selbst zu ihrer Schönheit.“ Liebe, Zeugung und Fortpflanzung gewährleisten den Bestand des Seins - auch aus einer höheren, vergeistigten Sicht-, so wurde die „Apfelverspeisung“ ein Gleichnis für „ewiges Leben“. Schon im olympischen Kult der Griechen galten die Äpfel als Symbole der Unsterblichkeit. (vgl. die 515/510 v.0 entstandene Schale des Oltos - Arias-Hirmer Taf. 101-104) Ebenso bedürfen die altn. Gottheiten der Edda der von Göttin Idun gehüteten Äpfel, um sich immer aufs neue zu verjüngen (Gylf. 26). Hiervon beeinflusst, gaben die alten Norweger ihren Toten Äpfel mit ins Grab.Idun heißt „Verjüngende / Erneuernde“, sie verwahrt in ihrer „Truhe“ die Äpfel des nicht alternden Lebens. Aus ihr heraus, aus ihrem Schoße, dem „Apfelbaum“, gebiert die Lebensmutter unsere Nahrung für Götter und Menschen; deshalb bietet sie in unzähligen romanisch-keltisch-germanischen Bildwerken, z.B. Kleinterrakotten, das uns allen zur Bedienung an.71 Dieses „Körbchen“ ist, gleich Liebe. Nach griech. Mythos dem Füllhorn und dem Kessel, das „aufnehmende“, zu Liebe und Lust verlockende, ebenso das „spendende“, den Lebenserhalt sichernde Zentrum jeglicher Frau und Göttin. In der altn. Geschichte von den Völsungen, hat das Stammelternpaar des Geschlechts lange keinen Nachwuchs, bis „Frigg ihre Bitte erhörte...“. Eine Wunschmaid Odins erhielt den göttlichen Apfel der Fruchtbarkeit, den brachte sie dem König, der gab seiner Frau davon zu essen und bald darauf fühlte diese, „dass sie mit einem Kinde ging“. Nur folgerichtig ist, wenn dann auch die „Äpfel Hels“, also der Todesgöttin Früchte, den Tod bedeuten (THB 8,S.317).Frucht- / Äpfelkörbchen, auf ihrem Schoße liegend. Dabei mag auch ein lateinisches Wortspiel wichtig gewesen sein. Aus malum = Apfel und malum = Übel, wurde das Sprichwort: „ex malo malum“: „vom Apfel kommt das Übel". So wurde der Apfel zum Symbol jener unsäglichern „Erbsünde“, die erst durch den vermeintlichen Opfertod des christl. Kunstgottes getilgt sei.
11. - Rebe/Wein - M = (Runenbezug: germ. mannaz / mannus - Urmensch / Stammvater / Totenherr - Mitte Februar) Tiefsinnig wird das „M“ der Mannus-Rune vom kelt. Ogam als muin („Weinstock“) gedeutet, jenem Sinnbild des Geistigen und des Jenseitslebens, wie es in den griech. Mysterien des Dionysos, des Gottes der Ekstase - des Aus-sich-Heraustretens - und des gleichzeitigen Gottes der Totengeister, genutzt wurde. Plutarch sagte, der Wein löse das Knechtische, Ängstliche, Unaufrichtige von der Seele ab und lehre die Menschen wahrhaftig und freimütig gegeneinander zu sein. So bringt er sie näher zu ihrem Innersten. Der Wein hat dazu die Kraft die unwilligsten Geliebten für die Liebe zu überwinden. Auch Übermut, Gewalt und Wahnsinn liegen in diesem Getränk. Denn der Wein läßt den Menschen alles vergessen, was er gelernt hat, es bleibt nur noch der Urgrund des Lebens übrig, die Instinkte. So gilt der Wein als jenes geistig-dionysische „Blut der Erde“. Das synkretistische Phillipus-Evangelium (NHC II,3, Spruch 100) hat diesen alten Mythos im Sinne der Gnosis verinnerlicht: „Der Kelch des Gebetes enthält Wein, enthält Wasser, das als Sinnbild des Blutes dient, über dem gedankt wird. Und er ist gefüllt mit dem Heiligen Geist, und er gehört ganz dem vollkommenen Menschen. Wenn wir diesen trinken, werden wir für uns den vollkommenen Menschen empfangen.“ In der manichäischen Mythologie ist die Seele ein Teil des Urmenschen (Rune M) und damit der Lichtwelt, sie wird in den erhaltenen Psalmen aufgerufen sich ihrer wahren Heimat zu erinnern und aus den Banden der finsteren Matrie zu retten; z.B. (MPB 181): „Du bist der Weinstock, der mit den fünf Reben“, oder (MPB 181,19ff): „Oh Seele, woher stammst du? Du stammst aus der Höhe. [...] Du hast deinen wahren Vater, deine wahre Mutter. [...] Du bist der Weinstock, der mit den fünf Reben, die du wirst zur Speise der Götter.“ Nach ind. Auffassung gehen bekanntlich die Seelen nach dem Tode in den Mond und werden dort die Speise der Götter, d.h., sie gehen ins Göttliche ein. Der Manichäismus ist zwar eine Schöpfung seines Gründers Mani (216–276/77), doch nahm er seine Hauptmotive aus dem Zorastrismus und benutzte nur opportunistisch-propagandistisch auch judäochristl. Metaphern. Die Befreiung der menschlichen Seele aus den Banden der finsteren Materie, durch den Urmenschen/Erlöser (ind. Purusha) ist das zentrale Thema.Noch in eddischer Sinnbildsprache ist Wein die einzige Nahrung, welche Odin, der germ. Seelengeistgott, zu sich nimmt (Grim. 18).
12. - Efeu - G = (Runenbezug: G - germ. gebo / Gabe / Übereinkunft /„Geben und Nehmen“ / Feier: altn.: Haustblót (Herbst-Erntedank / -gabenfeier / Ende August / September-Anfang) Das kelt. Ogam stellt zum „G“-Laut gort, die Efeu-Pflanze. Jetzt erst, oder in noch späterer Jahreszeit, erscheinen ihre kleinen grünlichweißen Blütendolden. Das Erhaltenbleiben der Efeublätter im Winter lässt ihn zum Symbol für Leben, ewiges Leben, Unsterblichkeit, Unvergänglichkeit und Wiedergeburt werden. Das Bildgleichnis der immergrünen Efeublätter fand in ihrer Herzform sehr wohl Beachtung. Der griech. herbstlich-winterliche Vegetations-, Mysterien- und Weingott Dionysos (röm. Bacchus; auch dem ägypt. Osiris gleichgestellt) wurde als alter Mann mit Bart, später als jugendlicher Gott dargestellt. Sein Symbol war zum einen der Tyros, ein mit Efeu und Weinlaub geschmückter Stab, zum anderen der Phallus. So wurden seine Attribute (Weinlaub und Efeu) mehr und mehr zum Symbol des Herbstes. Otto Brunfels, Verfasser des „Contrafayt Kreuterbuches“ (1532) schrieb: „Efeu [...] in so großen Ehren bei den Alten gewest, daß sie auch die fürnemsten Kronen daraus machten.“ Wegen seinem engen, beharrlichen Anschmiegen und Emporranken an die von ihm erfassbaren Bäume, war der Efeu auch ein Sinnbild der Geselligkeit, Freundschaft, Liebe (Liebesorakel mit Efeukränzen) und Treue. Goethe preist ihn darum als Treuesinnbild mit den Worten: „Da, wo der Efeu einmal sich / hat angeschmiegt so inniglich, / da trennt nicht Frost noch Sturm ihn ab, / dieselbe Stelle wird sein Grab. / So ist auch treuer Liebe Sinn.“ Eine unmittelbare Verbindung im zeitgerechten Brauchtum von Kornschnitt und Efeu finden wir in England. Dort wurde die letzte Ähre des Feldes mit Efeu verflochten, das Gebilde nannte man „Efeumädchen“. Jener Bauer, der als letzter seine Ernte einbrachte, erhielt zur Strafe das Efeumädchen, welches Unglück symbolisierte bis zur nächsten Ernte. Da Efeu ein Zeichen der Wachstumskräfte und Überwindung des Todes war, scheint der Sinn dieses Beschwörungsritus nicht schwer zu erraten: der geerntete, getötete Korngeist möge in verjüngter Kraft wieder auferstehen.
13. - Farn/Ried - NG = (Runenbezug: NG bzw. ING / kein Anfangslaut, nicht akrostichisch - Ingo-Frô / Ingu-Frej / Ingvi-Freyr - Sonnen-Fruchtbarkeitsgott - Mitte Januar) Das kelt. Buchstabensystem erklärt den „NG“-Laut durch Ngetal („Ried / Schilf“), dem größten der Gräser, das Symbol für „fruchtbares Grün“. Im Magna Mater Kult (15. bis 27. März) bzw. dem des Fruchtbarkeitsgottes Attis, erinnerten am 15. März die Schilfträger in einer Prozession an die Auffindung des Knaben am kleinasiatischen Fluß Sangarius und der Archigallus (Oberpriester) opferte einen Stier, um die Fruchtbarkeit für die neubestellten Felder zu erbitten. Dann folgten sieben Fasttage; bei Frühlingsbeginn begannen die eigentlichen Feierlichkeiten: Am 23.März brachten die Priester eine in Binden gewickelte Pinie, den Leichnam des Attis, auf den Palatin, um tags darauf dessen Leichenfeierlichkeiten zu begehen. Nach weiterem Fasten und der nächtlichen Totenklage verkündete am nächsten Tag der Oberpriester die Auferstehung des Attis, worauf ein rauschendes Fest, die Besiegung des Winters, gefeiert wurde. Der 26. März war der requietio, der Erholung, gewidmet, um am 27. März in feierlicher Prozession das Standbild der Kybele zum Bach Almo, einem Nebenfluß des Tiber, zu bringen, wo die lavatio, die Reinigung der Göttin stattfand. Als Gegenleistung erwartete man Regen, um das Wachstum der Felder zu fördern.
14. - Schwarzdorn - St (?) = Keine lautliche Runenentsprechung.
15. - Holunder - R = (Runenbezug: R - germ. raido - Wagen / Ritt / Fahrt - Radgott ? - Reiden - totenkultische Rennwagenspiele - September / Oktober) Die kelt. Ogam-Reihe fügt zum Buchstaben „R“ ruis, den Holunder (dt. Holder / Hollerbusch/ Eiderbaum / Huskolder / Flieder / Eller / Ellhorn; engl. Elder; dän. Hyld). Der schon steinzeitliche Urbewohner unseres Landes kann beachtliche 3 bis 10 Meter hoch werden. Die Blütezeit liegt auf Juni-Juli, Fruchtreife im Runenzeitraum: Sept.-Okt. Der Name geht auf hold (ahd. „gnädig / treu") zurück; auch Holdo („Geist"). Die „guoten Holden" sind die Hausgeister, der „Unhold" dagegen der ungeliebte Geist. Da der Legende nach der Holunder Wohnsitz beschützender Mächte ist - eben auch der „Hof- und Hausgötter" - pflanzte man ihn gern in die Nähe seines Hauses oder der Stallungen. In Deutschland gehört Frau Holle / Holda zu den Holundergeistern, in Dänemark ist es die Hyllefrao / Hylldemoer, die in ihm wohnt; in der nordischen Sagenwelt zieht auch die Göttin Freya in einen Holunderstrauch ein. In Schweden erzählten die Alten, der Holunder, der Elfenbaum, sei das „Tor zur Unterwelt“; der Elfenkönig mitsamt seinem Hofstaat, würde zu gegebener Zeit unter ihm residieren. Folglich rechnen die Skandinavier den Baum der Unterweltsherrin Hel zu; von der die dt. Holle nicht weit entfernt sein kann, findet doch im Grimm-Märchen die „Goldmarie“ über den Brunnenschacht den Eingang zur Unter- und Anderswelt der Göttin. Das hat antike Tradition: Er war der Nachtschwärmerin Hekate / Diana / Artemis heilig (Orph. arg. 953). In irischen Sagen reiten die Hexen bei ihrem Nachtschwärmen auf Holunderstäben. Überhaupt sollen Hexen für ihre Zauberstäbe Holunderholz bevorzugen, wovon auf den Gebrauch durch die heidn. Heilrätinnen geschlossen werden darf. Als gefährlich galt es, eine Wiege mit seinen Zweigen zu zieren: Der Schmuck sollte ein Zeichen für die Elfen sein, dass sie das Kind mitnehmen können. Nicht nur nach alten nordgerm., auch nach slaw. Zeugnissen wohnen unter ihm die Unterirdischen. Für die alten Preussen haust dort der Erdengott Puschkaitis, dem man Brot und Bier opferte. Vom Blitz, sagt man, kann ein Holunder nicht getroffen werden. Überraschend, wie sich die Pflanze ins mythische Bild der Rune einfügt. So wie der Himmelsgott zwei Seiten hat (Rune D = Doppelaxt), wie er im Jahreslauf als Aufsteigender-Heller (Rune T) und als Absteigender-Dunkler (Rune R) präsent ist, so blüht der Holunder weiß, aber die Beeren reifen schwarz - er ist heilend, aber auch giftig. Der Baum war so geachtet, dass man in Tirol vor jedem Holunderbaum den Hut zog. In Haan/Rheinland sagten die alten Leute: „Wenn me langes nen Flierenboum kömmt, sah me nit vergeten, die Kapp aftedonn !“ Die Blüten durften nicht mit Füßen getreten werden, an manchen Orten des Rheinlandes vermied man daher, sie bei der Fronleichnamsprozession zum Streuen zu verwenden. Bis in die Neuzeit galt der schwarze Holunder als „heiliger Baum" und niemand hätte es gewagt, ihn umzuhacken oder nur zu beschädigen, weil dies - so glaubte man - für den Täter innerhalb dreier Tage den Tod bedeutet hätte; mithin erscheint als Lebensbaum. Wollte man Blätter / Blüten pflücken, bat man den Strauch erst um Erlaubnis, damit man ihn nicht verärgerte und er dadurch seine Heilkraft verlor. Von schlesischem Brauch wird berichtet: ,,Bevor man etwas Holz vom Holunderbusch abbricht, muss man die Hände falten, niederknien und den Strauch um Vergebung bitten mit den Worten: Frau Elhorn, gib mir was von deinem Holze...,“
Seine wohltuenden Eigenschaften waren in der alten Medizin wohlbekannt. Eine alte Redensart lautet: „Der Holunder ist der erste und beste Doktor der Welt“. Von den Römern weiß man, die nutzten die Beeren als Zutat für ein „Pulver zum langen Leben“, mit dem man legendäre 100 Jahre werden sollte. Die hohe Achtung die dem Holunder erbracht wurde, würde schon zur Bedeutung der herbstlichen R-Rune des Tiu / Taranis / Jupiter passen, und auch der nötige Bezug zum Tod und zur Unterwelt ist gegeben. Im Totenkult spielen Holundermythen eine bedeutende Rolle. Tacitus berichtet, dass im antiken Rom aus Holunderholz gefertigte Särge verwendet wurden. Die alten Friesen bestatteten Ihre Toten unter Holunderbäumen. Auch in der kelt. Mythologie ist der schwarze Holunder ein Schwellenbaum, er schützt die Wesen der Oberwelt vor dem Zugriff der Wesen, die in der Erde leben. Der bergische Volkskundler Scheu berichtet, man habe den Toten ein Kreuz aus Holunderholz mit in den Sarg gegeben. Montanus (Vincenz von Zuccalmaglio) erzählt in seinen Volksbräuchen: „Der Schreiner, der den Totenschein fertigen sollte, nahm früher das Maß mit einem Holunderstab, und der Fuhrmann, der den Sarg zum Gottesacker fuhr, trug statt der Peitsche einen Holunderstab in der Hand.“ Man verwandte Holunderholz für Grabkreuze, Tote wurden auf Holunderreisig gebettet, und bei der Totenwache wurde Holundertee getrunken. In Tirol werden noch heute Holunderzweige auf Gräber gesteckt (genannt: „Lebelang“). Treiben die Zweige aus, gilt dies als Zeichen dafür, dass der Verstorbene wohlwollend ins Reich der Toten aufgenommen, also selig wurde. Nach all dem nimmt es nicht wunder, dass der Baum auch christlicherseits in Legenden einbezogen, teils angeeignet, teils verunholdet wurde: Hollabirbou / Hölderlin sind Namen des Teufels. Jesus soll mit Holunderruten geschlagen worden,sein Kreuz angeblich aus Holunderholz gezimmert gewesen sein;und Judas (vgl. 9.SB) sich am Holunderbaum erhängt haben.
16. - Kiefer/Tanne - A = (Runenbezug: A - germ. ansuz - Ase / Geistgott / Wodin-Odin - Asa-Alfablot /„Asen-Alfenfeier“ - Mitte Oktober) Baumbezug = singrün wie Eibe - Das runische Bildkürzel stellt des Weltgeistes auf eine Ästeseite verkürztes Baumsymbol (Rune A), die Eibe bzw. Edeltanne oder Fichte dar, deren Nadeln und Zweige die größte Ähnlichkeit untereinander aufweisen. Die Fichte, der Gattung der Pinien zugehörig, galt als „Baum des Lebens“, war sie doch dem Fruchtsbarkeitsgott Attis geweiht. Einen bestätigenden Hinweis erhalten wir zusätzlich von den alttraditionell-mythischen Figuren der skandinavisch-lappischen Zaubertrommeln. Hier bedeutet das Fichtenzeichen mit den beidseitig nach unten weisenden Strichelchen für die herabhängenden Äste: „Wind“. Und der Sturmgott, Biegalmai („Wettermann“) od. Bieggagalles („Wind-Alte“ / „Mann des starken Windes“) wird als ein Aspekt des Rutu / Rautu / Rota, des berittenen Todesdämons verstanden, der manchen Gleichklang mit Odin aufweist. Wahrscheinlich ist lappisch rota von altn. drottinn („Herrscher / Herrgott“), dem Ehrennamen Odins, abzuleiten. Der Missionar J. Randulf schrieb im Jahre 1723: „Dieser Rute offenbart sich den Lappen gern in blauer Kleidung [wie Odin]; man glaubt, daß er derselbe ist wie Mercurius“. (Ernst Manker, Die Lappische Zaubertrommel II., 1950, S.102f/165/193) Die Zusammengehörigkeit vom Asen Odin und dem Tannen-/Fichten-Zeichen ist also über das heidn. Mittelalter bis in die Neuzeit des skandinav. Spätheidentums sehr wahrscheinlich gemacht. Das kelt. Baumalphabet Ogom/Ogham nennt für den Buchstaben „A“, also dem des Asen, ailm („Silbertanne/-fichte“: Abies alba). Sie ist einer der höchsten europäischen Bäume. Auch die nordischen Sagas (Gautrekssaga 7) schildern die Fichte als Odins Opferbaum. Die immergrüne dunkle Tanne/Fichte, die Asenzahl 21, Wodans Einäugigkeit in der Kultlegende, sein Windcharakter, in den letztlich alles sichtbar Stoffliche einmündet, um im rein Geistigen zu entmaterialisieren: das alles macht sein Wesen deutlich als chthonisch-kosmische Belebungskraft oder - um bildhaft zu bleiben - als Geistsonne, „Schwarze Sonne“.
17. - Stechginster - O = (Runenbezug: germ. odala - Heimat - Wintersonnenwende) Das kelt. Baumalphabet stellt zum Laut „O“ onn („Ginster“). Er ist als recht giftige, andererseits alte Heilpflanze bekannt, deren goldgelben Schmetterlingsblüten gegen Schlangenbisse empfohlen wurden. Bis ins 18. Jh. hinein war Ginster die meistgebrauchte Droge zur Behandlung von Herzkrankheiten. Das Verbreitungsgebiet der genügsamen Pflanze ist Mitteleuropa bis nach Südskandinavien sowie bis Polen und Rumänien. Die Yaqui-Indianer in Mexico rauchten die getrockneten Blüten um ihre geistige Wachheit und visuelle Effekte zu erhöhen. Auch im europäischen Hexenkult war das Gewächs sehr verbreitet, da die Samen psychoaktive und aphrodisierende Eigenschaften aufweisen. Man inhalierte den Rauch von getrockneten Blüten. Die Ruten des Ginsters wurden früher zur Herstellung von Fasern verwendet, die zu Schnüren/Stricken, zum Korbflechten, Besenbinden, Dachdecken, auch grobem Stoff verarbeitet wurden. Es ließen sich also genügend Anhaltspunkte dafür finden, warum der Ginster dem Buchstaben „O“ bzw. dem Schlingenzeichen der O-Rune zugeordnet wurde.
Eine der tieferen Veranlassungen den Buchstaben „O“ an die Spitze zu stellen, war sicher auch der Name des Hauptgottes (wohl eine Erscheinungsform Dagda’s) des irischen und kelt. Pantheons, Ogma / Ogmios („der Sieger“), der neben seiner Tapferkeit auch Gott des Schreibens, Lernens, der Gelehrsamkeit, Beredsamkeit, der Dichtkunst und Erfinder der Ogam-Schrift war. In der Schlacht gegen die dämonischen Fomore gelingt es ihm, deren König das Schwert wegzunehmen. Seine Beinamen sind: „der mit dem Sonnenantlitz“, auch „der mit dem Löwenfell“. Als Attribute galten ihm: Keule, Köcher und Bogen. Auf einer seiner Darstellungen, so berichtet Lukianos von Samosatos, wurde er als alter Mann beschrieben, von dessen Zungenspitze Bänder ausgehen, die die Ohren der Menschen binden, sie gleichsam durch die Kunst der beschwörenden Worte fesseln. Auch eine kelt. Göttin namens Onniona wurde bekannt, die in Verbindung mit onn, dem Ginster, gestanden haben könnte. Im Hinblick auf die Runenbedeutung „Heimat“, wäre anzunehmen, dass der Ginsterstrauch wohl als kennzeichnend für unser nordisches Landschaftsgepräge angesehen wurde. Er scheint immerhin für die deutsche Küstenregion noch so typisch zu sein, dass er in das 1907 erstmalig gedruckte Heimatlied von Martha Müller-Grählert (1876-1939) Eingang fand: „Wo de Ostseewellen trecken an den Strand, wo de gele Ginster bläuht in'n Dünensand, wo de Möven schriegen grell in't Stormgebruus', dor is mine Heimat, dor bün ik tau Huus.“
18. - Heidekraut/Mistel (?) - U = (Runenbezug: U - germ. uruz / Ur / Auerochse / Rind - / Gottesstier - Mitte November - altn. Tarfurblót / lat. Taurobolium - „Stieropfer“) Im Altnordischen heißt das Heidekraut „lyng“. Man liest, dass man in ferner Vergangenheit die Heide mit ihren Hünengräbern und den aufrechten Wacholdern als Stätten ansah, auf denen gewaltige Schlachten geschlagen worden sind. Man glaubte, dass aus dem Blut der gefallenen Kämpfer die rötlich blühende Heide hervorwuchs. Also hätte das Heidekraut Bezüge zum Totenkult. Andererseits gilt es als glückbringend. Ein deutscher Spruch lautet: „Dost, Harthaw und weiße Heidt tun dem Teuffel vil leidt“. In Süddeutschland heißt es, ein an der Decke aufgehängter Heidekranz würde Hexen verscheuchen. Einstmals steckte der Kuhhirt auf der Alp, bevor er zum Essen ging, eine Erikastaude neben dem Vieh in die Erde. Dann betete er: „O guter, heiliger Valentin, ich stecke eine Erikastaude, hüte mein Vieh, bis ich geh und bis ich komme; ich will ein Vaterunser beten und dem Vieh ein Kreuz auf den Rücken machen.“ Nach der Rückkehr deckte er die Erikastaude mit Erde zu und betete zum Dank nochmals ein „Vaterunser“. Was das soll, bleibt nicht rätselhaft, der Erika wird ihre unheilabwehrende Kraft zugeschrieben. Im Braunschweigischen soll man einen weiß blühenden Heidezweig unter das Kopfkissen legen, um Träume wahr werden zu lassen. In der Pfalz steckt man hinter den Spiegel einen Heidezweig. Dadurch wird kein Blitz das Haus treffen und kein Hagelschlag die Saat verwüsten. In Schottland glaubt man, dass ein junger Mann, der weiß blühende Heide findet, im selben Jahr heiratet. Heidekraut gilt im Volksglauben als Glücksbringer und dient der Wunscherfüllung. Insbesondere weißblühendes Heidekraut galt als Glücksbringer. Das Heidekraut in der Volksmedizin: Es ist seit dem Mittelalter als Heilpflanze bekannt. Heidekraut gilt als schleimlösend, blutreinigend, harn- und schweißtreibend. Es findet Anwendung bei Blasen- und Nierensteinen, Gicht, Rheuma und Entzündungen. Sebastian Kneipp empfahl es wegen seiner blutreinigenden Wirkung bei Gicht und Rheuma. Die Ausräucherung von Ställen lässt das Vieh ruhig bleiben, Kühe geben gute Milch. Lebensmittel bleiben frisch, wenn der Vorratskeller mit Heidekraut ausgeräuchert wird.
Wie dem Heidekraut wird der Mistel - in verstärktem Maße - Unheil abwehrende Kraft zugemessen, insbesondere in der keltischen Mythologie. Wir müssen annehmen, dass der „U“-Laut im altechten Ogam-System der Mistel galt, die im Irischen „Uileiceadh“ / „utile i ceath“ und auf walisisch „ol iach“ („Allheilmittel“) genannt wird. Sehr bekannt ist die altnordisch-eddische Sage die vom lichten Gott Baldur handelt, dem nordischen Gottessohn (Dioskur) des Guten und des Sommers. Er träumte Nacht für Nacht er würde einmal ermordet werden. Seine Mutter Frigga nahm das als schlimmes Vorzeichen. Deshalb suchte sie die gesamte beseelte und unbeseelte Natur auf, die Steine, Metalle, Wasser und Feuer, Tiere und Pflanzen. Allen nahm sie das Versprechen ab, ihrem Sohn Baldur nichts anzutun. Den unscheinbaren Mistelzweig ließ sie aus. Der grundsätzliche Widersacher, den Gegengott Loki erfuhr davon, er gab Baldurs blindem Bruder Hödur einen Pfeil aus Mistelholz der Baldur traf und tötete. Es handelt sich hier klar um einen Jahreszeitenmythos der Sommersonnenwende: Der „Dunkel / Blinde“ tötet den „Hellen / Guten“, womit die absteigende Jahreshälfte beginnt. Über die Hintergründe des Mythos klärt etwas auf, die älteste mythologische Charakterisierung der Mistel, jene aus der „Aeneis“, einem römischen Heldenepos. Darin zeigt der Dichter Vergil (70-19 v.0), wie die Mistel als „goldener Zweig“ den nach Erkenntnis Strebenden auf seinem gefahrvollen Weg schützen kann. Im sechsten Buch der „Aeneis“ rät die Seherin Sibylle dem Helden Äneas, was er tun muss, um in die Unterwelt zu gelangen: „Nun denn, vernimm was zuvor noch zu tun: an schattigem Baume birgt sich, golden an Blättern und biegsamem Schafte, ein Zweig, der Juno des Abgrunds heilig genannt; ihn schützt und umhüllt der ganze Hain, im dunklen Tal umschließen ihn Schatten. Keinem ist aber der Weg zur Erdentiefe gestattet, eh er den goldenumlaubten Zweig vom Baume gepflückt hat.“ Der Mistelpfeil ist es, der Baldur in das Unterweltreich der Hel führt, wo er das Geheimnis der Wiedergeburt erfährt. Eine fachliche Erklärung lautet: „Mistelpflanzen sind zweihäusig - sie tragen also nur männliche oder nur weibliche Blüten. Bei der Keimung schiebt sich der grüne Keimblattstamm (Hypokotyl) bis zu einem Zentimeter aus dem Samen hervor und krümmt sich der dunklen Wirtsrinde zu. Dieses bei anderen Pflanzen untypische Keimlingsverhalten wird als lichtfliehend (negativ phototrop) bezeichnet.“ Dieses Verhalten könnte dazu beigetragen haben, die Mistel als „Schlüssel zur Unterwelt“ zu betrachten.
Wie ist es zu verstehen, dass die Mistel einerseits am „dunklen Jahreseingang“ zum Lichtabstieg der Sommersonnenwende steht - Baldurs Tod bewirkend - und zum anderen am „lichten Eingang“ der Wintersonnenwende bzw. der Julzeit, als Heilsweihezweig ? Ein kompetenter Autor erklärt: „Auffällig ist die Entwicklung der Mistel, welche sich in zwei deutlich verschiedene Phasen gliedern lässt, die ihrerseits eng mit dem aufsteigenden oder absteigenden Sonnenjahr einhergehen. Im absteigenden Jahr, insbesondere vom Herbst-Äquinoktium bis zum Winter-Solstitium, tendiert die Pflanze zur Ruhe, während im aufsteigenden Sonnenjahr, insbesondere vom Frühlings-Äquinoktium bis zum Sommer-Solstitium, die Tendenz zur Bewegung dominiert. Um die Sommersonnenwende [21. Juni] bilden sich in den Achseln der ausdifferenzierten Zweiganlagen Sprosse [Urmeristem]; diese ruhen zunächst neun Monate, bevor aus ihnen von Anfang April bis Ende Juni die Anlagen einer nächsten Generation von Mistelzweigen entstehen. Diese Zweiganlagen ruhen abermals mehrere Monate, bevor sie sich im Frühjahr als Jahrestriebe entfalten und im Juni ihre endgültige Stellung im Mistelbusch einnehmen. Nachdem zu Beginn des dritten Jahres, zwischen Juli und September, in den Blütenanlagen die Pollen und Embryosack-Zellen ausdifferenziert wurden, öffnen sich im Anschluss an eine weitere Ruheperiode zwischen Januar und März die Blüten der Mistel, worauf sich bis Ende Juni in den Früchten rein vegetativ das Nährgewebe entwickelt. Dann, genau drei Jahre nach dem Entstehen der Sprosse, entfalten junge Misteln die zweite Blatt-Generation. Bereits Ende September sind diese prinzipiell lebensfähig; sie fallen jedoch in eine Art Winterruhe, während im November die Früchte reifen und weiß im Licht aufglänzen.“ Mitte November steht die germ. ODING-Rune „U“, welche „Uileiceadh“, die Mistel, repräsentieren könnte. Wenn die einstige keltische und germanische Mythologie den heiligen Mistel-Kult in Form einer ganzheitlichen Symbolik verstanden hat, dann wäre etwa nachvollziehbar, dass die Mistel mit/nach der Sommersonnenwende den Abstieg einläutet und zum Julspannen-Beginn der Novembermitte, und bis zur Wintersonnenwende, das Aufstiegs-Heil vertritt. Die weißbeerige Mistel blüht ab ca. Februar, um der Faselfeier (Fasching), während sie im November die Vollreife erreicht, als gewissermaßen ein Signal und Garant für die kommende Lichtzunahme und die Rückkehr des Lebens.
Bis ins 18. Jh. wurde sie in holländischen und englischen Arzneibüchern als Mittel gegen Epilepsie aufgeführt. Noch Sebastian Kneipp pries ihre Wirkung gegen Fallsucht. Die Mistel ist eines der besten pflanzlichen Herz- und Kreislaufmittel. Blätter und Presssaft der Pflanze enthalten einen Stoff der den Blutdruck senkt. Sie gilt als krebsverhütend (Muttermundkrebs) und dem Krebs entgegenwirkend. Noch Mitte des 19. Jhs. galt dem Botaniker P. Lesson in Saintonge die Mistel als Tee eingenommen als Mittel gegen die verschiedensten Beschwerden. Ihre Wirkung wurde von Frazer wie folgt erklärt: „Da die Mistel nicht auf der Erde wurzelt so scheint daraus zu folgen, dass ein Epileptiker unmöglich hinfallen kann solang er ein Stück Mistel in der Tasche mit sich herumträgt, oder eine Abkochung aus Mistel im Magen hat.“ Der Brauch, dass die Mistel beim Ernten nicht auf die Erde fallen darf, unterstützt diese Ansicht ebenso wie das Verbot ein Werkzeug aus Eisen zu benutzen, weil dieses Werkzeug angeblich die Geister, damit aber auch die magischen Kräfte der Pflanzen vertreiben würde. Bei den Kelten galt die Mistel generell als „Bringerin der Fruchtbarkeit“, bei Mensch und Tier. „Da sie den allmächtigen Samen des Gottes darstellte“, wie ein Autor schreibt, und somit dessen Gegenwart auf der Eiche, dem heiligen Baum der Griechen, Kelten und Germanen, bestätigte. Die zähflüssige Konsistenz und die weißliche Farbe des Fruchtfleisches lassen möglicherweise an Sperma denken. Die Mistel, die nur selten auf Eichen wächst wurde, wie Plinius schrieb, von den Druiden als Zeichen dafür angesehen, dass der Baum durch den Gott auserwählt war. Man wusste wahrscheinlich nicht, dass der Samen der Mistel durch Vögel auf den Baum getragen wurde und nahm deshalb ihren himmlischen Ursprung an. Der Brauch der Neujahrsmistel ist in England und Frankreich lebendig geblieben. In der Silvesternacht tauscht man genau um Mitternacht, wenn das neue Jahr beginnt, unter Büscheln von Misteln und deren Frucht gute Wünsche aus.
Einen Bericht über den keltischen Mistelkult hat der Natur-Historiker Plinius der Ältere in der Naturalis Historia Band XVI, 249-251, hinterlassen. Er lebte von 23 bis 79 n.0, also nachdem die Kaiser Augustus, Tiberius und Claudius das keltische Druidentum, mit allen seinen Schulen, verboten hatten: „Bei dieser Gelegenheit darf man auch nicht die Bewunderung der gallischen Provinzen [für die Mistel] übergehen. Denn nichts halten die Druiden, so nennen sie ihre Magier, für heiliger als die Mistel und den Baum, auf dem sie wächst, sofern es nur eine Stein-Eiche ist. Sie wählen an sich schon die Eichen-Haine aus und verrichten kein Opfer ohne das Laub dieses Baumes ... Ja, sie glauben, Alles, was an den Eichen wächst, sei vom Himmel gesandt, und sehen dies als einen Beweis an, dass die Gottheit selbst sich diesen Baum erwählt habe. Man findet aber die Mistel in Gallien sehr selten; und hat man sie gefunden, so wird sie mit großer Ehrfurcht abgenommen, vor allem am sechsten Tag des Mondes, der bei ihnen den Anfang der Monate und Jahre und nach 30 Jahren einen neuen Zeitabschnitt bildet, ein Tag, an dem der Mond schon genügend Kräfte hat und noch nicht halbvoll ist. Sie nennen die Mistel in ihrer Sprache die alles Heilende. Sie bereiten nach ihrer Sitte das Opfer und das Mahl unter dem Baum und führen zwei weiße Stiere herbei, deren Hörner da zum ersten Mal umwunden werden. Der Priester, bekleidet mit einem weißen Gewand, besteigt den Baum und schneidet die Mistel mit einer goldenen Hippe ab: Sie wird mit einem weißen Tuch aufgefangen. Endlich schlachten sie dann die Opfertiere und bitten die Gottheit, sie möge die Gabe glückbringend machen für diejenigen, denen er sie gab. Sie glauben, ein von diesem Gewächs bereiteter Trank mache ein jedes unfruchtbare Tier fruchtbar; auch sei es ein Hilfsmittel wider alle Gifte. Soviel Verehrung bezeugen oft ganze Völker den gewöhnlichsten Dingen.“
19. - Espe - E = (Runenbezug: germ. ehwaz / ehwa - Ross / Lichtross / Pegasos - Anfang März) - Die kelt. Schrift ordnete dem Buchstaben „E“ eadod , die Espe (Weiß- oder Silberpappel) zu. Die lichtbedürftige, frostunempfindliche schnellwachsende Espe kommt in fast ganz Europa vor; in Skandinavien gedeiht sie bis zum 71. nördl. Breitengrad. In der letzten Eiszeit war sie einer der ersten Bäume, die nach dem Zurückweichen des Eises wieder erschienen. Sie besitzt einen langen hell und glatt bleibenden Stamm, eine lockere Krone und fast runde, schon beim leisesten Windhauch zitternde Blätter. In der griech. Sage vom Helios-Sohn Phaeton, der nach seiner misslungenen Lenkung des Sonnenwagens von Zeus in den Eridanus (die Eider, die noch heute Bernstein führt) geschleudert wurde, wird von seinen, ihn dort bestattenden Schwestern, den Heliaden, berichtet, sie hätten Bernsteintränen geweint und seien in Pappeln verwandelt worden. Sogar Göttervater Zeus (Rune T) wurde von Rhea unter einem Pappelbaum geboren; dazu kommt, dass die Silberpappel in ihrer Funktion als Opferholz im Kult des Zeus von Olympia eine Rolle spielte. (Hans Schabl, Zeus, 1978, S.1464) Diese Baumgattung muss demnach eine mytische Verbindung zur höchsten Gottheit, dem Lichtvater, zur Sonne bzw. zum Sonnenross/Rossegespann gehabt haben. In solche urtümlichen Zusammenhänge führt das bekannte poseidonische Mythenross, der Pegasos, der als Blitz- und Donnerträger zu Zeus in den Olymp hinauf kommt (Hesiod. Theog. S.281/284ff). Der Flügelhengst (vom luwischen Wort pihas-/pihatta- d.h. „Blitz / Glanz“) ist demnach der Himmelsfeuer- oder Glanzträger des Höchsten. Schon ein Beiname des luwisch-hethit. Himmels-/Wettergottes war Pihassassi („Blitzglänzender“). (Die Hethiter und ihr Reich, Ausstellungskatalog Bonn, 2002, S.104) Pegasos ist mithin ursprünglich der Glanzhengst der Himmelsgottheit. Auf dem berühmten Silberkessel von Gundestrup, dem wichtigsten Zeugnis kelt. Religion, ist das Flügelross auf Platte 8 unter jenem gefallenen Krieger abgebildet, der als tapferer Held ins Paradies (germ. Walhalla) hinaufgeführt wird. (Die Kelten, Katalog der Salzburger Landesausstellung im Keltenmuseum Hallein/Österreich, 1980, S.72) Den Bernstein verstand man als geronnenes Sonnenfeuer, da liegt es nahe, auch dfas Sonnenpferd aus diesem Material nachzubilden: Eine schon ca. 5.000 Jahre alte bernsteinerne Pferdeskulptur fand sich bei Woldenberg in Pommern, die leider während des 2. Weltkrieges verloren ging (Russendiebstal). Auf ein Alter von 12.000 Jahre schätzt man das niedersächsische Bernsteinpferdchen von Weitsche (Ldkr. Lüchow-Dannenberg).
20. - Eibe - I = (Runenbezug: EI - germ. iwaz /eihwaz - Eibe / „Yggdrasil“ / Weltenbaum - Mai/Juni) Es wird so sein, dass der uralte Welteibenbegriff in späterer isländ.-eddischer Zeit durch den Odinsbeinamen neu ausgedeutet wurde. Dafür liefert das eddische Fjölsvinnsmál (20-22) zusätzliche Bestätigung. Hier wird vom Weltenbaum gesagt: „Mimameiðr heißt er, Menschen wissen selten aus welcher Wurzel er wächst.“ Der Schreiber selbst wusste jedoch sehr genau, dass kein anderer Baum als die Eibe gemeint war; er fährt fort: „Mit seinen Früchten soll man feuern, wenn Weiber nicht wollen gebären. Aus ihnen geht dann was innen bliebe: so wird er der Leute Schicksalsbaum [Maßbaum].“ Der Begriff lautet: mjötuðr („Baum des Gesetzes / Baum des rechten Maßes“). Wenn Weiber nicht wollten gebären, verwendeten sie Eibenabkochungen um ungewollte Schwangerschaften abzutreiben. Das beschrieb schon der griech. Arzt und Apollopriester Nikandros um 275 v.0 in seinen Versen über die Gifte („Alexipharmaka“). Unter Kaiserin Maria Theresia kam es gegen Ende des 18. Jh. zu einer gebietsweise unterschiedlich radikal vollzogenen Ausrottungskampagne gegen die Eibe, weil das gemeine Volk das Gift gerne als Abortivum verwendete - die Ursache so mancher Todesfälle von Frauen bei Überdosierung. So erhellt sich diese zunächst dunkel erscheinende Eddastelle. Noch eindeutiger wird unsere Erkenntnis durch Begriffe bestätigt, mit denen Eddatexte den Weltenbaum umschreiben. Im Altnordischen bedeutet barr, got. barizeins : „Nadeln des Nadelholzes“; im heutigen Isländisch ist barrtré, schwed. barrträd, der „Nadelbaum“. Im eddischen Háv. 50 heißt es von einer Föhre, dem Nadelbaum, sie hätte nicht „borkr ne barr“ („Borke noch Nadel“). Im eddischen Fjöls. 13 wird nach dem Namen des Baumes gefragt, „der mit breiten Ästen die weite Welt überwölbt“, im Original: „hvat dat barr heitir“: „wie heißt der Nadel[baum] ?“ Auch im Gylfaginning (16 / 39) wird berichtet, dass des Weltbaums (Yggdrasill / Lärað) Krone vier Hirsche bzw. Ziege Heidrun die Nadeln abäsen (bita barr); oder sind hier die jungen Blättersprossen gemeint ? Bekanntlich sorgt zwar das Alkaloid Taxin dafür, dass Eibensamen (ausser dem roten Samenmantel), Nadeln, Rinde und Holz für Mensch und Pferd sehr giftig sind, dagegen können Wiederkäuer wie Rotwild und Rehe große Mengen an Eibennadeln ohne Probleme zu sich nehmen.
Ist der Baum nicht das von der Natur gegebene, schönste Gleichnis einer Verbindung zwischen Himmel und Erde ! Mit seinen Wurzeln gehört er dem unterirdischen Bereich der Erde an und mit seiner Krone reicht er in den Himmel. Dem stimmt auch noch der christli. Theologe und Mystiker Meister Eckhart (1260-1327) in einem auf uns gekommenen Predigtfragment (54b DW II) bei: „und waz dâ vermenget ist mit der erde, als loup und gras und böume: daz treget in im eine glîcheit des himels". Die ind. Mythologie kannte den ashwatta, den symbolischen Baum kosmischer Existenz, der keinen Anfang und kein Ende hat; der Baum des Lebens. Die alte germ. Lehre (Vsp.19; Grm.31) glaubte an ein organisch gegliedertes Weltall mit einem Weltbaum, der Himmel, Erde und Hel/Hölle verbindet; dessen Äste durch die ganze Welt treiben und über die Himmelshöhe hinausreichen. Drei Wurzeln breiten sich nach drei Enden aus, die eine strebt nach den Asen, die andere nach den Reifriesen, die dritte nach der Unterwelt. Unter jeder Wurzel quillt ein wunderbarer Quell, nämlich bei der himmlichen der Urðarbrunnr, bei der thursischen Mimisbrunnr, bei der höllischen Hvertgelmir. Die Edda (Fjöls. 20) spricht davon, dass dem Weltbaum, dem Mimameiðr, „weder Feuer noch Eisen [Schwert]“ etwas anhaben könne, und in Übereinstimmung vermeldet das norweg. Runengedicht: „Eibe ist der wintergrünste Baum; es pflegt zu sengen [svitha], wenn es brennt“, d.h., er kann von Flammen nicht verzehrt werden, durch Brand wird er nur angekohlt, also im Feuer gehärtet. Auch das ags. Runenlied läßt noch die heidn. Erinnerung an den vor Feuer schützenden mythischen Baum mit mächtigen Wurzeln und felsenfester Rindenhaut erkennen: „Eibe [eoh] ist ein Baum mit rauher Rinde, hart, felsenfest, Hirte des Feuers [hyrde fyres], durch Wurzeln befestigt, eine Freude dem Vaterland [ethle]“. Der „hyrde fyres“ („Feuerhirte / Feuerschützer“) meint jenen Baum, welcher vor dem Feuer behütet. Und ganz folgerichtig verheißt die Edda (Gylf. 53) den Erhalt des Lebens - auch über die endzeitliche Katastrophe des Weltbrandes hinaus - durch diesen allegorischen Lebensbaum. In Vafðr. 45 wird von den beiden Menschenkindern berichtet: „Lif oc Lifðrasir“ („Leben und Lebensstreber“), sie verbergen sich in des Weltbaumes Gehölz, retten sich vor den Flammen des endzeitlichen schwarzen Feuerriesen, überdauern und werden Stammeltern eines wiedererwachenden und erstarkenden Geschlechtes. Es heißt: „Morgentau [morgindöggvar...] wird ihre Mahlzeit sein“; das bedeute, sie werden den Tagesanbruch einer neuen, verjüngten Welt erleben.
Von den Nadelbäumen des dt. Waldes hat zweifellos gerade jener Baum die meisten volkstümlichen Beziehungen, der jetzt fast ausgestorben ist, die Eibe. Nach Cäsars Bericht (Gall. Krieg 31) war sie in Gallien und Germanien sehr häufig. Eiben können bekanntlich riesenhafte Ausmaße annehmen. Sie wachsen allmählich bis zu 12 und 17 Meter hohen und bis zu 4 Meter dicken Bäumen heran. Eine sehr würdige Eibe steht in Schottland bei Fortinghall, in Münchshagen bei Rostock wächst eine mehr als 1.500 Jahre alte, eine zu Heunersdorf in Schlesien ist nicht viel jünger; die wohl ältesten hierzulande sind die vor ca. 2.000 Jahren im Bärgründle Tal auf 1250 m Höhe bei Hinterstein im Allgäu ersprossene und die bis auf 4.000 Jahre geschätzte männliche Doppel-Eibe südöstlich von Balderschwang / Bayr.-Allgäu in 1150 m Höhe. An der Stiftskirche des Klosters Wietmarschen (Grafschaft Bentheim) stand eine Eibe die 30 m hoch aufragte, ihr Stammumfang betrug 1 m über dem Boden 2,96 m. In einer Sturmnacht d. J. 1830 brach sie zusammen, 1864 starb sie endgültig. In der mittelalterlichen Liebesgeschichte „Tristian und Isolde“, die aus einer kelt. Legende hervorging, heißt es: „Drei Bäume gibt es, die gut und wahr - Eibe, Stechpalme und Efeu sie genannt - Blätter tragen sie das ganze Jahr.“ Im Volksmund war die Eibe als Todesbaum bekannt, denn unzähligen Morde und Selbstmorde wurden mit seiner Hilfe verübt. Heute nutzt man die Enzyme aus der Eibenrinde (Taxol), diedas bisher wirksamste Zytostatikum in der Therapie gegen die Zellvermehrung bei Brust- und Eierstockkrebs sind. Doch auch schon in alter Zeit erhofften die Menschen von dem Baum eine, wie immer auch geartete, Heil- und Schutzwirkung: In Angerode/Thüringen war es noch in den siebziger Jahren des 19. Jh. Brauch, dass Alt und Jung alljährlich zu gewissen Tagen in die Wälder gingen, um Eibenzweige zu brechen, die dann in Keller, Stuben und Stallungen gesteckt wurden zur Vertreibung unreiner Geister. Im Waldmärchen „Das Wunder im Spessart“, fragt der Schüler die Elster um ein Mittel, die verzauberte Prinzessin zu befreien: „Oh“, schrie der Vogel, „wenn ihr mich fragt, so gibt es das, unser weiser Alter in der Kluft hat den Eibenbaum in Verwahr, wenn ihr davon einen Zweig bekommt und mit demselben die Stirn der Schönen dreimal berührt, so weichen alle Fesslungen von ihr -, denn vor Eiben die Zauber nicht bleiben !“ (Heinrich Marzell, Pflanzen im Volksleben, 1925, S.18f) Andererseits wird in vielen Quellen, wie im Kräuterbuch des Hieronymus Bock (17. Jh.), immer wieder davor gewarnt, unter einer Eibe einzuschlafen, da man sonst des Todes sei. Schon Plinius und Dioskorides bezeichneten die Eibe als Baum des Todes, dessen Ausdünstung während der Blütezeit einen unter ihm Schlafenden töten könne. So zeigt sich die Eibe als wahrhaft ambivalenter, aber langlebig-wintergrüner Lebens- und Todes-, also Allbaum.
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Friedensspruch Altislands:
Versöhnt und gesellt,
bei Met und Mahl,
beim Richten und beim Raten,
soweit Feuer flammen,
Flur grünt,
Kind Mutter ruft,
Schiff schreitet,
Schilde blinken,
Sonnenschein Schnee schmelzt,
Föhre wächst,
Falke fliegt,
frühlingslangen Tag
Himmel sich wölbt,
Heimat bebaut ist.