„Piz-Ot“ („Erhabene Spitze“) und der Nietzsche-Stein
am Silvaplaner-See im Oberengadin
 
„WIEDERKEHR DES GLEICHEN“

Wie die Dinge steigen - weichen
in der „Wiederkehr des Gleichen“,
wurde Friedrich Nietzsches wahr,
als sein Erkenntnisblitz geschah.

Des großen Mannes Geistesblitz
geschah im Schatten des „Ot Piz“,
des Gipfels, dessen Od weithin,
strahlt rings ins Oberengadin.

„Der ungeheure Augenblick“,
beschenkte eines Geists Geschick.
Er wurde - der Gedanken schwer -
zum Lehrer „Ewiger Wiederkehr“.

Am Stein von Surlej es geschah,
dass Nietzsche „Zarathustra“ sah,
des „Übermenschen“ Morgenrot,
umfing den Stein wie den „Piz Ot“.

Es leuchtet immer wieder auf,
erstrahlt erneut im Kosmos-Lauf -;
das Wissen steigt, die Weisheit fällt,
in Wellen formt sich Gott die Welt.

Uralt ist die Erkenntnis-Last,
die manch ein Meister neu gefasst,
so wie im Runen „Oding“-Ring
ein Geist-Titan die Zeit einfing.

Auch im altnordischen Edda-Buch,
bewahrt das „Helgi-Lied“ den Spruch:
Einst war es Glaube der Germanen,
die ewige Neugeburt zu ahnen.

Es rollt die Zeit auf ihrem Pfad,
als „Ring der Ringe“, gleich dem Rad.
Und jede Speiche kommt und geht,
wie sie nach Tod und Leben steht.

Wenn alles Gute was uns frommt,
erscheint und geht und wiederkommt,
dann habt zum Leben Lust und Mut,
unsterblich kreist ihr in der Flut !

 
Bild: Der Berg „Piz-Ot“ („Erhabene Spitze“) und der Nietzsche-Stein am Silvaplaner-See im Oberengadin (Kanton Graubünden / Schweiz), in dessen Schatten Friedrich Nietzsche im Jahre 1881 die Idee des „Zarathustra“-Werkes empfing. Der Nietzsche-Stein in Surlej am Sylvaplaner-See hat die gleiche Pyramiden-Form wie der 9 km entfernte „Pitz-Ot“, dem Namensgeber der alpinen „Ot-Gruppe“. „Ot/od“ ist der germanische Begriff für Seele, und das Gute, Heilige schlechthin.
 
FRIEDRICH NIETZSCHES „AUGENBLICK“
 
Friedrich Nietzsche (1844-1900) bewohnte während der Sommermonate 1881-1888 im schweizerischen Kantons Graubünden, im Oberengadin, ein Haus in Sils-Maria am Silser-See. Während einer Wanderung unweit nördlich vom Silvaplaner-See, „bei einem mächtigen pyramidal aufgethürmten Block unweit Surlei“, überkam ihn im Jahre 1881 nach eigener Angabe die Grundkonzeption des Buches „Also sprach Zarathustra“, mit den Gedanken zum „Übermenschen“ und der „Ewigen Wiederkunft“. Surlei/Surlej („Überm See“) liegt auf der gegenüberliegenden Seite von Silvaplana und vom Silvaplanersee.
 
Nietzsches pyramidenförmiger Erkenntnisstein liegt nur um 9 km südlich vom pyramidenförmigen „Piz Ot“ (ladinisch „Spitz Hoch / Hohe Spitze / Hoher Gipfel / erhabene Spitze“) entfernt, dem Namensgeber der „Ot-Gruppe“, die zu den Albula-Alpen der Rätischen-Alpen gehört. Der „Piz Ot“ bietet in allen Richtungen eine überwältigende Fernsicht. Er ist ein oft besuchter Aussichtsberg, über den Piz-Ot-Weg (Steiganlage) leicht erreichbar, bei schneefreier Wetterlage. Weit über 800 Gipfel sind bei gutem Wetter mit uneingeschränkter Sichtweite zu erkennen, sie reicht in vier Länder hinein: Schweiz, Österreich, Italien, Lichtenstein. Der mit über 139 Kilometer am weitesten entfernte sichtbare Gipfel ist das Aletschhorn der Berner Alpen. Meiner Kenntnis nach sind Sagen über den „Piz Ot“ nicht bekannt und doch muss es eine besondere Art mit dem Berg haben, denn sein Name kann sich kaum allein aus dem Begriff für „hoch“ ableiten. Es gibt in dieser Alpenregion ringsum hohe Berge, der „Piz Ot“ ist nicht der höchste. Der „ot“-Begriff könnte ins Ladinische dieser Täler aus keltischen oder germanischen d.h. frühen kimbrischen oder alemannischen Mundarten übernommen worden sein. Dann hätte dem „ot“-Wort ursprünglich ein höheres, nämlich ein sakrales Verständnis von „hoch“ im seelisch-himmlischen Sinne zugrunde gelegen. Dann könnte der Berg als ein altgläubiger Andachts- und Kult-Ort begriffen werden und das ladinische „ot“ wäre zumindest als „hoch-erhaben“ zu begreifen.
 
Weniger als 9 km nordöstlich von Surlej liegt Pontresina/Pontraschigna, nördlich des Berninapasses im Val Bernina, dem höchstgelegene Seitental des Engadins. Zahlreiche steinzeitliche Menhire, mit rätselhaften Ritzzeichnungen, beweisen den hiesigen schon vorhistorischen Passverkehr über den Bernina. Zwischen dem alten Dorf und dem Bahnhof liegt die die Bernina-Schlucht mit der „Punt Ota“, der „Hohen Brücke“ (ladinisch: Punt = Brücke, Ota = hoch). Die über 300 Jahre alte Brücke trägt die Inschrift „Im Jahr 1710 Flurin P Tumaesch und Alesch Frauntz Gemeindevorsteher FF“. Die ursprüngliche Brücke entstand im 9./10. Jh. Der Talabschnitt im Brückenumfeld war besiedelt. Der damalige Ort hieß Pontalt / Puntauta / Punt auta / Pont alto, was auf den altgerm.-altdt. Begriff „od/ot“ bzw. das ältere „aut“ hinweist. Pontalt war einstmals der oberste Engadiner Vorposten der „Herrschaft Tirol“ des „Herzogtums Bayern“ und der „Habsburg-Monarchie. Verbunden mit der Bezeichnung der Brücke bzw. der ehemaligen Siedlung sind die Bezeichnungen des Berges „Piz Punt Ota“, des Baches „Ova Punt Ota“ und des Bergsees „Lei da Punt Ota“ überkommen. Nachdem sich die Lutherische Reformation 1537 durchgesetzt hatte, warf die Bevölkerung die Heiligenbilder und -statuen aus der Kirche „Sta. Maria“ von der „Punt Ota“ in den Fluss hinab. Den fortschwimmenden Gegenstände der katholischen Andacht wurde spöttisch hinterhergerufen: „Bhieti Gott“ (Behüt‘ euch Gott !). 
 
Friedrich Nietzsche selbst beschrieb in seiner Autobiographie „Ecce Homo“, wie ihn dieser Gedanke der „Ewigen Wiederkehr“ in einem Augenblick der der höheren Eingebung förmlich überfiel: „Die Grundconception des Werks [„Also sprach Zarathustra“], der Ewige-Wiederkunfts-Gedanke, diese höchste Formel der Bejahung, die überhaupt erreicht werden kann –, gehört in den August des Jahres 1881: er ist auf ein Blatt hingeworfen, mit der Unterschrift: '6000 Fuss jenseits von Mensch und Zeit.' Ich gieng an jenem Tage am See von Silvaplana durch die Wälder; bei einem mächtigen pyramidal aufgethürmten Block unweit Surlei machte ich Halt. Da kam mir dieser Gedanke.“ An anderer Stelle: „6000 Fuss über dem Meere und viel höher über allen menschlichen Dingen“, empfing er seine große Intuition. In der befreienden Höhenluft des Oberengadin, die sein ab­strak­tes Den­ken wohl wahrhaft überirdisch beflügelt hat, schuf der Philosoph die ersten drei Teile des „Zarathustra“, den 4. in Nizza am Mittelmeer, im Zeitraum vom November 1882 bis Februar 1885. Der große Meister des Gedankens und des Wortes war sich der schriftstellerischen Bedeutung seines „Zarathustra“ voll bewusst. An seinen Freund Erwin Rohde schreibt er im Februar 1884: „(...) - ich bilde mir ein, mit diesem Z. die deutsche Sprache zu ihrer Vollendung gebracht zu haben. Es war, nach Luther und Goethe noch ein dritter Schritt zu tun -; sieh zu, alter Herzens-Kamerad, ob Kraft, Geschmeidigkeit und Wohllaut je schon in unserer Sprache so beieinander gewesen sind.“ In einer Besprechung heißt es: „Bedeutsam ist dieses Werk nicht nur in seiner Fülle an denkwürdigen Überlegungen, sondern als ein herausragendes Werk der deutschen Sprache. Niemand muss Nietzsche als Denker schätzen - dem Zauber seiner in den Bann ziehenden Sprache kann man sich nur schlecht entziehen. Valery schreibt an irgendeiner Stelle in seinen 'Cahiers', dass Nietzsche kein Nahrungsmittel, sondern ein Rauschmittel ist. Wer's nicht erfühlt, der wird es nicht erjagen.“
 
Nietzsches Kraftbegriffe wie beispielsweise „der ungeheure Augenblick“, „das größte Schwergewicht“, „der große Mittag“, „Ring der Ringe“, „Rad des Seins“, „ewige Wiederkehr“ sind Allgemeingut der Denker geworden. Die „ewige Wiederkunft“ ist die „große bejahende mythische Erfahrung“, die im „Zarathustra“ in unterschiedlichen Variationen auftritt. Die Kunstfigur Zarathustra meint Nietzsche selbst, der als Lehrer der ewigen Wiederkunft auftritt. Die Lehre wird in Form von Gleichnissen verkündet. Die deutlichste Behandlung der „Ewigen Wiederkunft“ findet sich im Kapitel „Der Genesende“, das auf den Abschnitt „Von alten und neuen Tafeln“ folgt. Zarathustras Seelentiere sprechen: „Alles geht, Alles kommt zurück; ewig rollt das Rad des Seins. Alles stirbt, Alles blüht wieder auf, ewig läuft das Jahr des Seins. Alles bricht, Alles wird neu gefügt; ewig baut sich das gleiche Haus des Seins. Alles scheidet, Alles grüßt sich wieder; ewig bleibt sich treu der Ring des Seins. In jedem Nu beginnt das Sein; um jedes Hier rollt sich die Kugel Dort. Die Mitte ist überall. Krumm ist der Pfad der Ewigkeit.“ Die Hypothese von der „Ewigkeit der Welt“ erfährt natürlicherweise Befürwortung wie Ablehnung. In einem Diskussionsbeitrag heißt es: „Der auch in Notizen Nietzsches vielfach variierte Versuch eines naturwissenschaftlichen Beweises für die ewige Wiederkunft verläuft ungefähr folgendermaßen: Angenommen wird, dass die Zeit sich sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft unendlich ausdehnt, die gesamte ,Kraft‘, Materie oder Energie, und folglich die Anzahl der möglichen „Kombinationen“ oder Zustände der Welt, aber endlich ist. Daraus wird geschlossen, es müsse jeder mögliche Zustand der Welt bereits unendlich oft eingetreten sein und noch unendlich oft eintreten.“
 
Vor dem Meister haben andere Geister Gleiches erdacht -, wie könnte es nach der Lehre der „Wiederkehr des Gleichen“ anders sein ?!  Schon die altgriech. Schule der Stoa gebrauchte den Begriff „Apokatastasis“ (Wiederherstellung / Wiederbringung / Neuordnung) als theologische Lehre von der Wiederkunft der Dinge. Die germ. Runen-Schule des Oding-Kanons lehrt ebenfalls das Weltverständnis des Ewigen Kreislaufs, wie auch dieses urtümliche Denken im Nachsatz des 3. Helgi-Liedes der Edda zutage tritt, wo es heißt: „Einstmals war es Glaube, dass Menschen wiedergeboren würden…“. Der Religionswissenschaftler Mircea Eliade hat in seiner Untersuchung „Kosmos und Geschichte: Der Mythos der ewigen Wiederkehr“, 1949, dargelegt, dass man zyklischen Kosmologien weltweit in so gut wie sämtlichen mythologischen Traditionen begegnet.