Die Königshügel in Altuppsala / Schweden, 1984
 
UNSERE UR-RELIGION ?
 
Mit unserer Ur-Religion (= UR) verhält es sich ähnlich wie mit der Esoterik: es gibt, sagen wir einmal etwa je 100 namhafte Forscher bzw. Hellseher, die sich damit gründlich befasst haben und es gibt dementsprechend je hundert verschiedene Ansichten darüber, ja man kann sogar einen Schritt weitergehen: Da unsere UR u.a. Nornen, Riesen (Jöten, Thursen), Götter (Asen, Wanen), Zwerge, Alben(himmlische Licht- und unterirdische Schwarzalben, irdische Trolle und Elfen) dämonische Ungeheuer (u.a. Fenrir, Jörmungand, Aurboda) und deren Wohn-Heime, u.a. Asgard mit 12-13 Himmelsschlössern, u.a. Walhall, die Unterwelt Hel mit der gleichnamigen Göttin; die Freund- und Riesenwelt Utgard kennt und außerdem die von Freya bzw. Heid/ Gullweig stammende Seid- bzw. Zauberkunst und die besonders von Wodan und Heimdall abzuleitende Runen-Magie und das alles ja übersinnliche Wesen, Welten und Handlungen sind, ist unsere UR ein Teil bzw. unser Teil der Esoterik.
 
Neben der Feststellung einer verwirrenden, ja unversöhnlichen Meinungsvielfalt erhebt sich vor allem eine Grundfrage: Ist eine Wiederbelebung der alten Religion überhaupt sinnvoll, wünschenswert, ja möglich ? Wie in der Kinderpsychologie gab es möglicherweise eine längst  überwundene mythisch-magische Bewusstseinsphase und Weltschau in der Frühzeit der Menschheitsgeschichte. Wir könnten dann zwar ein neureales, ja vielleicht sogar ehrfurchtsvolles Andenken an unsere UR pflegen, aber für unsere (religiöse) Gegenwart und Zukunft ist sie ohne Belang. U.a. die Naturwissenschaft hat viele früher scheinbar selbstverständliche oder unerklärliche, unheimliche und oft angsterregende Sachverhalte aufgeklärt bzw. überwunden: z.B. gibt es ja in Wirklichkeit keinen Himmel oben und Erde unten mehr, kein Firmament mit Fixsternen, sondern ein Raumschiff Erde im unendlichen All – als Sonnensatellit …. und nicht die Sonne wandert täglich am Himmel von Ost nach West, sondern die Erde dreht sich um die eigene Achse. Oder: Blitz, Donner, Regen und Wind/Sturm sind weitgehend erklärt, bzw. vorhersehbar und damit entzaubert, entgöttert. Zumindest die Leiblichkeit des Menschen entwickelte sich aus dem Tierreich und kein Gott bzw. keine Götter (Wodin – Hönir – Lodur – bzw. die Elohim des AT) erschuf(en) das erste Menschenpaar aus Baumstämmen (bzw. Lehmkloß oder Rippe). Das etwa entspricht auch dem Standpunkt Mathilde Ludendorffs, die uns eine bewundernswert-moderne völkische Religion und Philosophie schenkte.
 
Was kann der Einzelne aber tun, wenn ihm die Wiederkehr der Götter, die Wiederbelebung bzw. religionsgeschichtliche Fortführung / Weiterentwicklung unserer UR trotz der verwirrenden Meinungsvielfalt und trotz anscheinender Unzeitgemäßigkeit am Herzen liegt. Dafür gibt es drei Hauptmöglichkeiten:
 
1.) Er wird Spezial-Forscher und Hellseher -; das wäre allerdings eine Lebensaufgabe ! Als Forscher wäre unabdingbare Voraussetzung die vollkommene Beherrschung des Altnordischen (eine Forderung übrigens, die die wenigsten derer erfüllen, die darüber viel schreiben und reden !) – der Sprache der Eddas und Sagas sowie die Kenntnis sämtlicher Runendenkmäler und aller archäologisch bedeutsamen Befunde; dazu die Beherrschung mindestens einer religionsgeschichtlich bedeutsamen indogermanischen (= idg.) Sprache: am besten Sanskrit, oder aber awestisch, altgriechisch, hethitisch sowie die Kenntnis der idg. Mythologie / Religionen. Als zukünftige/r Hellseher/in - und hier sind besonders die Frauen aufgerufen: bekanntlich stehen die germanischen Seherinnen dem Göttlichen bes. nahe – müsste man sich bes. Übungen unterziehen (Yoga, TM-Sidha, oder nach Steiners „Wie erlange ich Kenntnis höherer Welten“ …) und sich einer sittlich einwandfreien, asketischen Lebensweise befleißigen (siehe Hav. 138; Patanjali-Yoga-Sutra): mit Fasten(zeiten), vegetarischer Ernährung, befristeter Abgeschiedenheit bzw. vollkommener Beherrschung des Trieblebens also der Selbstzucht, nicht zu vergessen Heil-Atem-Übungen (= Odem / W-Odin).
2.) Er schließt sich einer der 100 Ansichten - einer der ihm am glaubwürdigsten erscheinenden – an bzw. formt sich aus einigen davon unter Einschluss eigener neuer Erkenntnisse eine eigene Ausrichtung.
3.) Er schließt sich einer jener altgläubig-religiösen Gemeinschaften an, die seiner Meinung nach der Wahrheit am nächsten kommt und versucht dabei auch in Gemeinschaftsarbeit etwas mehr Licht ins Dunkel der Vorzeit zu bringen.
 
Neben der o.g. Grundfrage gibt es viele umstrittene Punkte; die vier Hauptfragen sind:
 
1.)    Welche Stellung nimmt Wodin/Wodan/Odin ein ?
2.)    Welchen Wert hat die Edda für unser UR ?
3.)    Wie verhält sich unsere UR zum Christentum ?
4.)    War unsere UR mono- oder polytheistisch; was sind überhaupt „Götter“ ?
 
Zu 1.) Ist Wodin-Wodan der germanisch-deutsche Hauptgott und Volksgeist – also als (u.a.) der Gott der Dichter und Denker (z.B. F. Dahn, G. List, R. Steiner, O. Höfler u. die meisten anderen) oder ist der Wodinismus die erste orientalische Fremdreligion, Wegbereiter des vorderasiatischen Christianismus ? Ausgerechnet der beste – und einzige (?) – deutsche Altnordist unter den Altgläubigen, B. Kummer, vertrat letzteren Standpunkt. Ebenso stellte H. Wirth Wodan als Völkerwanderungs-Heerkönigs-Gott in eine Reihe mit dem jüdischen Jahwe ! Zwischen diesen beiden Extremen steht die euhemeristisch-abwertende Einstufung Snorri Sturlusons, Saxo Grammaticus, Th. Carlyles u.a.: Odin ein Heerkönig aus dem Schwarzmeergebiet, der bis Skandinavien zog; er und seine 12 Paladine wurden nach ihrem Tode wegen ihrer Heldentaten zu Göttern (damit hinge auch demzufolge die Wortableitung von Asen = aus Asien zusammen). – Astronomisch ist er „nur“ der Merkur, manchmal der Mond.
 
Zu 2.) Können die ältere und jüngere Edda, die in der überlieferten Form im 13. Jh. von christlichen Geistlichen niedergeschrien wurde (also rund 250 Jahren nach  der offiziellen Annahme des Christentums) als „Heilige Schrift“ der Germanen gelten, wie viele glauben ? B. Kummer verneinte es kategorisch. Tatsächlich besteht die Edda aus verschiedenen alten Bruchstücken und zeigt hier und da unübersehbar christlichen Einfluss; ja, es gibt Forscher die S. Bugge und E. H. Meyer die (fast) die gesamte Edda aus christlich-mittelmeerischen Quellen herleiten.
 
Die strenge Sicht unter die ich das Vorausgesagte gestellt habe, entspricht der nüchternen Analyse des neudeutschen Heidentums mit seinen umstrittenen Grundlagen. Die von mir bewusst herausgestrichene Bodenlosigkeit hinsichtlich der Basisquellen und Zerrissenheit hinsichtlich ihrer Ausdeutungen seitens der Fachleute lässt den traurigen Zustand erkennen, unter dem das Heidentum für Glaubenswillige zu einer Art Lotteriespiel wurde. Glücklicherweise sieht es seit meiner Runen-Entschlüsselung und der daraus erwachsenen ODING-Erkenntnis nicht mehr ganz so trostlos aus. Eine nicht unbeträchtliche Menge von Lehrmeinungen von vor meiner Zeit sind durch meine Forschungsergebnisse überholt und dürfen zu den Akten der Forschungsgeschichte gelegt werden. Erstmalig besitzt das deutsche Heidentum damit einen tagfähigen, im wahrsten Wortsinne berechenbaren Grund, auf dem eine deutsch-germanische Religionskultur der Neuzeit aufgebaut werden könnte. Die von mir angesprochenen veränderten weil weitergeschrittenen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse bilden dazu kein Hindernis, sämtliche Religionskonzepte mussten sich damit auseinandersetzen, und eine ODING-Religion - welche die Gottesgrößen als mathematische Metaphern fasst - hätte damit weit weniger Probleme als beispielsweise judäochristliche Ausformungen mit ihren unzeitgemäßen - um nicht zu sagen kitschigen - Dogmen von menschlich gestalteten und handelnden Göttern, dem steinzeitlichen Menschenopferkult, der Paradoxie einer „Sündenvergebung“ durch das Gottmenschenopfer, und der grob willkürlichen Erhöhung altjüdischer Menschen in die Sphären einer göttlichen Anbetung (Jesus, Maria, Jesu-Verkünder). Die Runen-Religion, wie sie sich unter der ODING-Perspektive ausnimmt, besitzt, im Gegensatz zu vielen ihrer Konkurrenten, mehr zeitlose Modernität als man es bei einem so altehrwürdigen Konzept zunächst vermuten möchte.