DIE ZERSTÖRUNG VON ESCHBORN
UND TIDENHEIM - i.J. 875

Bei Eschborn, unfern dem Main,
lag ein gottgeweihter Hain,
wo auf segensreicher Flur,
in dem Dienste der Natur,
hohe Asen - gottentstammt -
einst geübt ihr hohes Amt.

Als nun Wodans Priester schwieg,
da der Christ gewann den Sieg,
spross des neuen Glaubens Keim,
unselig auch in Tidenheim.
Für das Volk des ganzen Gau’s
ward gebaut ein Gotteshaus.

Karls des Franken blutige Hand
beugte unters Kreuz das Land;
gezwungen wurde das Geschlecht,
zur römisch’ Frömmigkeit und Recht,
das man hier - der Sitte nach -
an altheiliger Stätte sprach.

Herr Wodan aber, zornentbrannt,
sah die frevlerische Hand;
seinen Blicken war’s ein Dorn,
dass am heiligen Asenborn,
fremder Priester Weiherauch
scheuchte seinen rechten Brauch.

So trieb er vom Walde her
ein Unwetter furchtbar schwer,
Blitze goss des Himmels Dom,
Regen flossen wie ein Strom.
Mit dem Dorf und seiner Flur,
vertilgte er der Schande Spur.

Schrecklich war sein Strafgericht,
Rettung d’rum, zu denken nicht.
Auch die Kirche ward zerstört,
wie der Hain, so ihm gehört.
Und es griff, mit Flut und Wind,
der Tod nach Mann und Weib und Kind.

Da verschwand von Tiedenheim
Ort und Name -, doch der Keim
fremden Römerglaubens spross,
wurde durch Gewalttat groß !
Verteufelt wurde Wodans Macht
im Glaubenszwang der Geistesnacht.

PS: Nach einem - von mir umgeformten - Gedicht aus „Nassau in seinen Sagen, Geschichten und Liedern“, 1845. Eschborn bei Frankfurt hieß eigentlich Asceburnen bzw. Asebrunnen. Hier stand im altheiligen Haine Tidenheim, oder Ditincheim, die älteste Christenkirche Nassaus. Ebenso befand sich hier die älteste Mallstätte des Niddagaues, alles sichere Hinweise auf die zentrale altheilige Bedeutung der Stätte. Typisch dafür ist ebenso, dass sie an das Kloster Lorsch verschenkt wurde. Auf April 782 datierte eine Urkunde: Darin schenkt eine „Hiltegard in Eschborn" dem Kloster Lorsch, „wo der ehrwürdige Abt Helmerich vorsteht", drei Leibeigene und eine Hufe Land (etwa 30 Morgen) - womit ebenso „Tidenheim" gemeint sein wird. Der Name erscheint in dieser Schreibweise nur einmal urkundlich, und zwar mit Bezug zu einer Schenkung eines Scerphuin in Tidenheim an das Kloster Lorsch „an dem 13. kalenden d...“
 
„Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung“ Bd. II., Wiesbaden, 1837, S. 81: „Die älteste urkundlich vorkommende Kirche des Niddagaues, worin auch Höchst lag, ja des ganzen jetzigen Herzogtums Nassau ist die in Tidenheim. Sie lag im Heimgereidebezirk von Eschborn. Unter Karl dm Großen erbauet, schenkte ein gewisser Scerphwin ihren dritten Teil an das Kloster Lorsch im Jahre 782. In einem furchtbaren Hochgewitter, welches 875 Eschborn gänzlich zerstörte und alle seine Einwohner tödete, scheint auch sie ihren Untergang gefunden zu haben. Der Name Tidenheim (Ditincheim) verschwindet seitdem, allein das Ansehen seiner Kirche, als der ehrwürdigen Mutterkirche des ganzen Gaues, ging auf die über welche jetzt in Eschborn wieder erbauet wurde. Diese wurde der Sitz des Erzpriesterthums oder Landcapitels und blieb es durch das ganze Mittelalter bis zur Reformation.“

Worterklärung: Asen = Ahnen, Ahnengötter
Bild: Unwetter-Hochwasser der Weser bei Minden 2011