21.07.2023

Copyright © Gerhard Hess - 13. August 2023

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Streit der Gnostiker

Es geht darum, das Strukturprinzip, den Bauplan also Sinn der germanischen 24 Buchstaben umfassenden Ur-Runenreihe, zu ergründen, die im ersten Jahrhundert vor Beginn der heutigen Zeitrechnung entwickelt worden sein muss. Aus einzelnen nordischen Begriffszeichen und Buchstaben aus älteren Alphabeten hat ein Schöpfer etwas völlig Neues zusammengefügt, ohne jede Anlehnung an etwaige Vorbilder. Um zu begreifen, was ihn bewegte, was er hat wissen können und was nicht, ist es unverzichtbar, die Gedankenwelt seiner Lebenszeit in Erfahrung zu bringen. Es war die Zeit des Hellenismus, des späten Platonismus und Pythagoreismus und der zoroastrisch-eranischen, späterhin jüdisch-jesuischen Gnosis. Weil wir bisher nicht wissen können, wann genau den Ur-Runen ihre letzte Form gegeben wurde, unterziehe ich die in Frage kommenden Jahrzehnte meiner Untersuchung.

Auf die vorweg zu stellende Frage, was Gnosis sei, gibt der Kenner Wolfgang Schultz in seinem Werk „Dokumente der Gnosis“, die Antwort, S. 91: „Die Vereinigung des Menschen mit Gott ist die Erkenntnis - das macht das Wesen der Gnosis aus. Also ist sie ihrem Ergebnis nach Theosophie, ihrem Ausgangspunkte nach Anthropologie. Sie umfasst die große von Gott und die kleine, von der Seele beherrschte Weltordnung, lehrt innere Beziehung und Wesensgleichheit dieser beiden Zentren und fordert, daß sie durch Erkenntnis zur Deckung gebracht werden.“ Gnosis (griechisch = Erkenntnis) meint diverse religiöse Erkenntnislehren, die ursprünglich keineswegs judäo-christliche Bezüge besaßen, im Gegenteil, sie sind wesentlich durch die persischen Glaubensboten, den missionierenden Wander-Magiern, geprägt worden, mit ihrer Lehre von der großen kosmischen Dualität zwischen Gut und Böse, die sich ebenso in jeder Menschenseele abspielen würde. Mit Magiern wurden in der zoroastrischen Religion deren Priester bezeichnet. Sie beriefen sich auf „Zoroaster Magus“ oder Zarathustra (2./1. Jt. v.0), den Begründer der Parsen-Religion, mit ihren heiligen Texten des „Awesta“. Das Wort Gnosis ist nichts anderes als die Übersetzung des iranischen Zänd, weshalb die heiligen Schriften der Parsen Zend-Awesta heißen. Es entwickelte sich zunächst eine vorchristliche bzw. heidnische Gnosis und späterhin die essenisch-christliche oder jüdisch-jesuische Gnosis. Schon der griech. Naturforscher Empedokles von Agrigent (um 495-435), auf den die Lehre von den vier Urstoffen/Elementen zurückgeht (Luft, Feuer, Erde, Wasser), befasste sich mit der Frage der Weltentstehung (Kosmogonie) und verstand die Welt aus zwei gegensätzlichen Prinzipien hervorgegangen. Der Pythagoreer Philolaos (um 470-399 v.0), war Zeitgeonsse des Sokrates, er meinte bereits: „Wer die Zahl gefunden hat kennt das Wesentliche.“ Auch im 1. Jh. v.0 spielte das Zahlen-Denken ein sehr große Rolle. Was Laozi (6. Jh. v.0), der chinesische Lehrer des Taoismus, zum Anfang der Zahlenreihe ausdrückte, war naheliegende Grundansicht auch der westlichen Weisen: „Die 1 erzeugt die 2, die 2 erzeugt die 3, die 3 erzeugt alle Dinge.“

Die beachtliche Schreib- und Diskutierlust des Judenvolkes, sowie sein beständiger Drang, aufdringliche Werbung für sich und Mission für seinen Gott zu betreiben, bestimmte nicht wenig die Geister der Antike. Ein Beinamen seitens der Anhänger des Judengottes war „Zebaoth“, auch in der Form „Jhwh, Gott Zebaoth“, was etwa bedeutet: „Herr der Heerscharen/Mächte u. des Thrones“ (saba = Heer/Himmelsheer, Endung ôt = f. Pluralbildung). Ein Beiname des Judengottes seitens der Gegner war Jaldabaoth/Ildabaoth, mit eindeutig negativem Aspekt (Jalda baôt = „Kind des Chaos“ od. „Kind der Leere“). In dieser Form galt er gnostischen Richtungen als Demiurg/Schöpfer der materiellen Welt, zum Teil dargestellt als herrschsüchtige, löwenköpfige Gestalt. Er galt als jener, der die Menschen in dieser argen, von ihm selbst gezeugten aber verwirkten Welt gefangen hält. Er foltert in der Tiefe des Chaos, zusammen mit 49 (4+9=13, 1+3=4) Materiedämonen frevlerische Seelen in einem glühendheißen Pechstrom. Nach der Materie erzeugte Jaldabaoth den Schlangengeist (Ophimorphos = „Schlangengestalt“), welcher der Ursprung alles Bösen ist. Auch hier wieder gab es Schlangen-Verehrer-Kulte („Ophiten/Ophianer“), die schon aus dem frühen Judentum kamen und ebenso die jüngeren gnostischen Gruppen. Dazu eine Ausführung von dem evangelischer Theologen Richard Adelbert Lipsius (1830-1892) in: Herausg. Kurt Rudolp, „Gnosis und Gnostizismus“, 1975, S. 95f: „… der Judengott Jaldabaot und der hylische Schlangendämon liegen in ununterbrochenem Streite, aber Opiomrphos ist nur das düstere Spiegelbild Jaldabaots, dieser selbst nur ein physisches Wesen, von Neid, Jähzorn und wilder Herrschsucht bewegt und wie mit den anderen Planetengeistern, seinen Genossen, so auch mit dem pneumatischen Samen fortwährend im Hader, daher die Auflehnung wider sein Gebot einen Fortschritt zum Besseren, die Sendung des Erlösers, die er in blinder Wut vergeblich zu vereiteln sucht, die Befreiung der Geistesmenschen von seinem Gesetzesjoche herbeiführt. […] In der fortschreitenden Ausbildung der neuen gnostischen Mythologie ist ein immer stärkeres Einströmen heidnischer Elemente zu bemerken, was im ganzen und großen Hand in Hand mit der allmählich sich verschärfenden antijüdischen Haltung geht;“ Wann und mit welcher Schule es konkret begann, den Gott des jüdischen Gesetzes (Moses-Bücher, sog. Tora bzw. der „Pentateuch“, also „Fünf-Rollen-Buch“), als Vertreter des bösen Weltprinzips oder als ihm verwandt, zu kennzeichnen, ist schwer zu sagen. Der bedeutende Religionswissenschaftler Karl Gustav Adolf von Harnack (1851-1930) führte aus: „Die Gnosis war die erste Fundamentalkritik am Gott des Alten Testaments“, also an der stammesjüdischen Gottesvorstellung (v. Harnack, „Lehrbuch der Dogmengeschichte“, Bd. I, 1886, 1., Aufl. S. 190, 2. Aufl. 1893, S. 218).

Unter einigen anderen war es Markion/Marcion (ca. 90-160 n.0) der sie nachhaltig kritisierte. Über sein Leben ist wenig bekannt, obwohl er nach seinem Bruch mit der Christengemeinde in Rom eine eigene Kirche gründete, welche im 2. Jh. zeitweilig zur gefährlichsten Konkurrenz für die frühe Romkirche wurde, der er vorwarf, von der Wahrheit abgewichen und von sanhedrinischen Einflussnahmen gelenkt zu sein. Für den evangelischen Theologen und Wissenschaftler v. Harnack war er die bedeutsamste Gestalt der Kirchengeschichte des Altertums in der Zeit zwischen Paulus und Augustinus. Motiviert von seiner Ablehnung des Judengottes und dem Jüdischen Gesetz, dem sog. AT, schrieb Markion das erste Neue Evangelium. Harnack hat in mühevoller Arbeit, wobei er alle verfügbaren Quellen sammelte, den Versuch unternommen, die markionitische Bibel möglichst getreu zu rekonstruieren, und die zweite Auflage seiner Monographie „Markion - Das Evangelium vom fremden Gott“ (1924), ist bis heute für die Markion-Forschung wegweisend. Markion wurde um das Jahr 85 in der röm. Provinz Pontus geboren, in der Hafenstadt Sinope (heute türkisch Sinop). Sein Vater war Bischof der dortigen Christengemeinde. Es wird berichtet, dass Markion von seinem eigenen Vater exkommuniziert worden sei, der Grund bleibt Spekulation. Es wird angenommen, dass er zunächst in der Zeit von 120 bis 140 in Kleinasien gewirkt habe, bevor er nach Rom gegangen sei. Der Kirchenlehrer Tertullian bezeichnet ihn als „nauclerus“, was mit „Schiffsreeder“ zu übersetzten ist. Bei Markion muss man davon ausgehen, dass er Schiffseigner und geschäftlich erfolgreich war, weil er der römischen Gemeinde ansonsten nicht die bedeutende Summe von 200.000 Sesterzen hätte zur Spende anbieten können.

Sowohl Irenäus von Lyon als auch Tertullian berichten, Markion sei in Rom Schüler eines gewissen Kerdon gewesen und habe dessen Lehren lediglich ausgebaut. Irenäus schreibt: „Weiter kam ein gewisser Kerdon, der durch die Simonianer beeinflusst war, zur Zeit des Hyginus, des neunten Bischofs in der Aufeinanderfolge von den Aposteln herab, nach Rom. Er vertrat die Lehre, dass der vom Gesetz und den Propheten verkündete Gott nicht der Vater unseres Herrn Jesus Christus sei. Den einen könne man nämlich erkennen, der andere sei dagegen unbekannt; der eine sei gerecht, der andere aber gut. Er sah einen völligen Gegensatz zwischen dem „zornmütigen“ Gott des Alten und dem „sanftmütigen“ Gotte des Neuen Testamentes. Nach Irenäus kam Markion aus Pontus und „baute die Schule des Kerdons aus.“ Harnack bemerkte zu Recht, dass Irenäus, welcher Markion ja persönlich  nicht kannte, die Lehre Markions einfach auf Kerdon übertragen habe. In der markionitischen Kirche galt ausschließlich Markion als Stifter, während Kerdon bei den Markioniten keine Erwähnung fand. Dennoch muss man die Nachricht des Irenäus insoweit ernstnehmen, als dass jedenfalls in Rom eine Beziehung zwischen Kerdon, der vermutlich ein syrischer Gnostiker war, und Markion bestanden hat. Hyginus war von 136 bis 140 römischer Bischof. Um diese Zeit muss auch Markion nach Rom gekommen sein, vermutlich im Jahre 139. Jahrelang war er ein geehrtes Mitglied der röm. Gemeinde. Sein Ausschluss erfolgte erst Ende Juli 144, nachdem er den dortigen Geistlichen seine Lehre und seinen Schriftenkanon („Evangelium und Apostolos“) vorgestellt hatte (Markus Überberg „Leben und Wirkung von Markion“, 2006). 

„Simon Magus“ oder „Simon der Magier“ oder „Simon von Samarien“ oder „Simon von Gitta“ stritt sich schon mit den Mitläufern und Aposteln des Jeshua-Jesus herum und machte sich als  bezeichneter „Ur-Ketzer“ und antichristlicher Gnostiker einen Namen. Er starb im Jahre 65 in Rom. Von seinen Anhängern ist er als „die große Kraft Gottes“ oder „Gott in menschlicher Gestalt“ verehrt wurde. Der gefürchtete Simon erscheint in der Apostelgeschichte, bei den „Kirchenvätern“ (Irenäus, Justin der Märtyrer, Hippolyt von Rom) sowie in den apokryphen Petrusakten und den Pseudo-Klementinen. Geistesverwandt war ihm der erwähnte gnostische Syrer Addru Kerdon/Cerdo der etwa 135 n.0 nach Rom kam und dort unter dem Bischof Hyginus einigen Einfluss ausübte. Über den vergöttlichten Jeshua-Jesus „Christus“ drückte er die Auffassung aus, dass „Christus“ nur als Trugbild (in phantasmate) in der Welt gewesen wäre, nicht geboren sei und nur vermeintlich gelitten (quasi passum) habe. Er vertrat geradeso wie Markion die Auffassung, dass der vom Juden-Gesetz (Halacha) und den Propheten verkündete Gott nicht der Vater Jesu-Christi sei. Den einen Gott, so Irenäus, könne man erkennen, der andere sei dagegen unbekannt: „Der von Moses und den Propheten verkündete Gott ist nicht der Vater unseres Herrn Jesu Christi; jener ist erkennbar, dieser nicht; der eine ist bloß gerecht, der andere aber gut.“ 

„Tumultus Iudaicus“

Die Geister schieden sich in eine anti- und eine pro-mosaische Gnosis, wobei aus letzterer die romstädtischen Kirchengründer hervorgingen, mit ihrer Aufnahme des AT, neben NT, in den fundamentalen Kanon der neuen Christenkirche, was ohne eine finanzielle Bestechung durch den Sanhedrin nicht gedacht werden kann, obwohl dafür keinerlei Hinweise auf uns gekommen sind. Aus einer rein jüdischen Sekte - unter Berufung auf den rabbinisch-geschulten Shaul/Saul-Paulus (ca. 10-60 n.0), der den Jesus nie kennengelernt hatte - wurde eine internationale Glaubensorganisation gegründet. Sie stellte sich in den Dienst der Aufgabe, die Welt vom Himmelsgott Zeus/Jupiter abzubringen, um sie auf den jüdischen Stammesgott Jahwe auszurichten. Dabei muss verstanden werden, dass sich diese religiösen Widrigkeiten, die sich in der Frage konkretisierten: „Für-oder-gegen-das-Judengesetz“ (Tora,Tanach), von Schwärmern und Fanatikern in einem geistigen Großraum abspielten, der ebenso gespalten war in Judenfreunde und Judengegner, schon seit den Makkabäer-Kriegen 165-63 v.0. Die Makkabäer waren die Anführer eines jüdischen Aufstandes gegen das Seleukidenreich, einem Nachfolgereich Alexanders des Großen. Während des 3. und 2. Jh. v.0 beherrschte das 312 v.0 begründete Reich den Vorderen Orient und erstreckte sich in seiner größten Ausdehnung von Kleinasien bis über Afghanistan hinaus. Zwischen Griechen und Juden gab es überall Reibereien. Schon im 2. Jh. v.0, in der Diadochenzeit, hundertfünfzig Jahre vor dem Apostel Paulus, existierte in Delos, der heiligen Insel des Apollon, eine Gemeinde des vorzüglich aus der Metropole Alexandrien   ausschwärmenden Weltjudentums, mit einer Synagoge in Rheneia (Groß-Delos). Zwei jüdische Mädchen müssen irgendwie umgekommen sein, näheres weiß man nicht, aber es künden bis heute die erhalten gebliebenen Rachegebet-Grabsteine, auf denen unter dem Relief beschwörend emporgereckter Hände, dem Judengott, „dem Höchsten, dem Herrn der Geister“, am „Versöhnungsfest“ die Beschwörung um Rache vorgetragen wurde: „dass es ebenso gehe denen, die sie ermordet oder vergiftet haben, samt ihren Kindern […] unter Flehen: dass Du rächest ihr unschuldig Blut und es heimforderst aufs schnellste!“ (Adolf Deissmann „Licht vom Osten“, 1923, S. 352-362) Man darf davon ausgehen, dass seitens der Judengemeinde der Vorwurf und die Hoffnung auf Rache wider griechische Täter erhoben wurde, wäre dem nicht so, hätte man die Rachebeschwörung nicht öffentlich gemacht.

Die extrem-nationalistischen Makkabäer begründeten nach ihrem Sieg das königliche und hohepriesterliche Geschlecht der Hasmonäer und erkämpften sich seit 165 bis 63 v.0 eine Erbherrschaft über das Judenvolk. Das jüd. Chanukka-Fest soll auf damaligen Ereignisse zurückgehen. Wikipedia: „Was ist Chanukka? Die Rabbinen lehrten: Am 25. (des Monats) Kislew (beginnen) die acht Tage von Chanukka. An ihnen darf weder getrauert, noch gefastet werden. Als die Griechen in den Tempel eindrangen, verunreinigten sie alle Öle, die sich im Tempel befanden. Nachdem das Königtum des Hauses der Hasmonäer erstarkt war und sie [= die Griechen] besiegte, prüften sie [= die Hasmonäer] nach und fanden nichts, außer einem Gefäß mit Öl, welches (noch) mit dem Siegel des Hohepriesters verschlossen war. In ihm war Öl für nicht mehr als um für einen Tag (den Leuchter) zu entzünden. Es geschah ein Wunder und es wurde mit ihm acht Tage (lang der Leuchter) entzündet. Im folgenden Jahr legten sie diese (Tage) fest und machten sie zu Festtagen des Lobes und Dankes.“ Der Hass auf das fremdvölkische Griechentum wurde auch mit diesem jüd. Fest tradiert. Griechentum und dem daraus erwachsenem Römertum lagen mit dem Judentum in beständiger verbissener Feindschaft, welche dann ja auch in den jüd. Krieg einmündete (66-70 n.0), welcher mit der Eroberung und Einäscherung Jerusalems durch den röm. Feldherrn und späteren Kaiser Titus scheinbar endete. Es war aber nur der zweite jüd. Krieg gegen den europäischen Geist, zwei weitere blutige jüdische Aufstände im 1. und 2. Jh. n.0. folgten, nämlich der grauenhafte sog. „Diasporaaufstand“ (115-117), der mit fürchterlichen Metzeleien einherging. In Iudäa kam es offenbar zwischen Kaiser Trajans Tod und dem Regierungsantritt Hadrians, zu einem weiteren lokalen jüd. Aufstand, der in den talmudischen Quellen als „Polemos schel kitos“ (Krieg des Kitos) erscheint. Anführer sollen zwei alexandrinische Juden namens Julianus und Pappos gewesen sein. Der Legende nach blieben sie durch die Abberufung des röm. Feldherrn und Statthalter in Judäa Lusius Quietus (-118) im letzten Moment vor der Hinrichtung verschont. Jedenfalls fand der Tag, der 12. Adar, unter der Bezeichnung „Jom tirjanus“ (Trajanstag), als Halbfeiertag Eingang in den jüdischen Festkalender. Ein vierter Krieg war der „Bar-Kochba-Aufstand“ (132-135). Das Werk „Jüdischer Krieg“ von Flavius Josephus, der als Angehöriger des Jerusalemer Priesteradels, jüdischer Festungskommandant in Galiläa und Freigelassener Kaiser Vespasians (Vater des Titus), selbst in das Geschehen eingebunden war, ist die wichtigste Quelle.

Welche Meinungen über das aus Griechenverständnis exotisch anmutende Judentum umgingen, geht beispielsweise aus Plutarchs Buch „De Iside et Osiride“ (Isis und Osiris) hervor. Das Werk ist Clea gewidmet, einer kultivierten und intelligenten Frau, Priesterin in Delphi, der Plutarch auch sein Buch über die „Tapferkeit der Frauen“ („Moralia“) widmete. Schon daraus ist zu ersehen, wie weit der attische Plutarch (45-125) sich im artverwandten Einklang mit nordisch-germanisch-deutschem Geist der Frauenverehrung empfand. Der griech. Apollo-Priester und Schriftsteller von umfassender Gelehrsamkeit Plutarch  bekannte sich als Philosoph zur Tradition des Platonismus. Er schrieb in o.a. Werk, dass die Ägypter den Esel opferten weil er ein Symboltier des Typhon war und der Antipode des Horus („De Iside et Osiride“, 30f). Die späthellenistischen Griechen setzten das titanische Drachenungeheuer Typhon mit dem ägyptischen, ursprünglich fremdländischen Wüsten-Gott Seth gleich, den man sich mit einer Art langohrigem Eselskopf vorstellte. Diese hellenistische Teufelsmetapher, der Typhon-Seth, sei nach der Schlacht gegen Horus (gutes, ordnendes Lichtprinzip) sieben Tage lang auf einem Esel aus Ägypten geflohen, wonach er, nach seiner Errettung, die beiden Söhne Hierosolymos und Judaios mit der Eselin gezeugt habe. Der jüd. Erzvater Moses selbst soll im Allerheiligsten des Jerusalemer Tempels als Eselsreiter dargestellt gewesen sein. Der geglaubte angebliche Eselskult der Juden und Christen wurde in Form eines Graffitis auf dem Palatin-Hügel in Rom verewigt, wo sich eine Figur am Kreuz mit einem Eselskopf dargestellt findet. Man liest: „Für die Symboliker besitzt der Esel eine Astralprojektion, sie kennzeichnen ihn als eines der Attribute der sogenannten „zweiten Sonne“, welche nichts anderes als der Planet Saturn ist.“ Der Saturn und sein Tag, der „Sabbat“ (Samstag, jiddisch Schabbes), gilt als jüdischer Astralschirmherr. Auch der Samaritaner „Rabbi Jeshua“-Jesus (Joh. 8,33 u. 8,41 u. 8,48), der vom rabbinisch-gelehrten Shaul-Paulus missverstandene Reformator, ritt symbolträchtig auf einem Esel in Jerusalem ein und wurde währenddem als „König der Juden“ umjubelt.

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Bei Ausgrabungen eines ehemaligen romstädtischen Wachlokals für Soldaten fand man das eingekritzte Wandputz-Graffiti aus frühem 2. Jh. (ca. 125 n.0): Eine Eselsfigur am Kreuz, neben der ein junger Mann steht, der aufblickend, grüßend, betend die Hand zu ihm erhebt. Darunter steht mit ungelenken Buchstaben in griech. Sprache geschrieben: „Alexamenos sebete theon“, zu deutsch: „Alexamenos betet [seinen] Gott an“

Die ägyptischen Aversionen, den „Judaios“ als legendären Nachkommen des Teufels und einer Eselin zu beschreiben, könnten auf der Ursache basieren, dass sich der griechisch-mazedonischen Herrenschicht der Ptolemäer, die ebenfalls in Ägypten fremdvölkischen Juden als Schreiber und Verwaltungsbeamte, besonders natürlich im Bereich des Regierungssitzes Alexandrien, zur Verfügung gestellt und unbeliebt gemacht hatten, ist anzunehmen, ein Umstand, der im „Diasporaaufstand“ (latein. Tumultus Iudaicus) unter Kaisers Trajan darin resultierte, dass im Zuge der Rache, die Judenkolonie der Stadt so gut wie gänzlich ausgelöscht wurde. Der Aufstand brach in der nordafrikanischen röm. Provinz Kyrene (Libyen) aus, Anführer war ein Jude namens Andreas oder auch Lukas, der sich anmaßte, der erwartete göttlich-berechtige „Rächer an den Nationen“, also der „Messias“ zu sein, ebenso wie „Simon bar Kochba“, dem Anführer im letzten großen Juden-Aufstand. Etwa hundert Jahre später berichtet der röm. Historiker Lucius Cassius Dio (163-235), die Juden Kyrenes seien über ihre römischen und griechischen Nachbarn hergefallen und hätten ausgesprochene Scheußlichkeiten an ihnen verübt, bei ihm heißt es: „Inzwischen hatten die Juden der Kyrenaika einen gewissen Andreas zum Anführer gemacht und vernichteten sowohl Römer als Griechen. Sie aßen vom Fleisch ihrer Opfer, machten sich Gürtel aus Eingeweiden, schmierten sich mit dem Blut ein und kleideten sich in die Häute; viele zersägten sie von oben nach unten, andere warfen sie wilden Tieren vor und wieder andere zwangen sie, als Gladiatoren zu kämpfen. Insgesamt starben 220.000 Menschen.“ („Röm. Geschichte, LXVIII, 32) Inwieweit diese Angaben im Einzelnen genau zutreffen, sei dahingestellt, aber der satanische Hass der Parteien kommt damit zum Ausdruck. Unzweifelhaft sind die judenaufständischen weitflächigen Zerstörungen. In Kyrene scheinen vor allem die griechischen Tempel das Hauptziel des jüdisch-eingottgläubigen Zerstörungs-Fanatismus gewesen zu sein. Die Tempel des Apollon, des Zeus, der Dioskuren, der Demeter, der Artemis, der Isis, wie auch sämtliche die Symbole römischer Herrschaft und Kultur wie das Caesareum, die Basilika und die Thermen wurden völlig zerstört oder schwer beschädigt. Die neu errichteten Gebäude und Meilensteine geben als Grund für ihre Erneuerung den jüdischen „tumultus Iudaicus“ an. Jedenfalls bildet sich der Eindruck eines von jüdisch-religiösem Massenwahn angeheizten hemmungslosen Grausamkeit und Zerstörungswut, mit der darauf folgenden staatlich-rigorosen und effektiven Reaktion, die jede Rückkehr zu einem friedlichen Miteinander von Juden und Europäern auf absehbare Zeit ausschloss. Egal wann die Ur-Runenreihung endgültige Gestalt annahm, die Spanungen zwischen orientalisch-jüdischem und hellenistisch-europäischem Geist muss dem Runenschöpfer ebenso bekannt geworden sein, wie einige Erlösungsangebote und Schulen der Gnosis.   

Die Suche nach Wahrheit und Erlösung

Im fachwissenschaftlichen Sinn bezeichnet „Gnosis“ ein religiöses Geheimwissen, das „erlösende Erkenntnis“ vermittelt. Alle Mysterienkulte beruhen auf gnostischen Überzeugungen, wie sie besonderes im 2. und 3. Jh. n.0 in der spätantiken Mittelmeer-Kultur, im Nahen Osten und - was zunächst neu erscheint - im germanischen Norden, Blütezeiten erlebten. Eigentlich müssen schon die altgriechischen Mysterienkulte als Glaubensformen von gnostischer Art bezeichnet werden, wie die der Orphiker des 6./5. Jh. v.0 und der Pythagoreer/Pythagoräer des 6. Jh. v.0. Die Schule des Pythagoras von Samos (ca. 540-500 v.0) entstand um 525 v.0 als eine Gemeinschaft von sechshundert Männern und Frauen, die sich in erster Linie der Philosophie, aber auch der Mathematik, Religion und Politik verpflichtet fühlten. Zwar wussten viele von Pythagoras Zielen, aber niemand außerhalb des Bundes kannte Einzelheiten und den Umfang des Erfolges ihres Geheimbundes, dessen Brüderzeichen das Pentagramm war. Die Mitglieder der Schule mussten beschwören, Außenstehenden niemals von den mathematischen Entdeckungen zu berichten. Selbst noch nach Pythagoras Tod wurde ein Mitglied des Bundes ertränkt, weil es seinen Schwur gebrochen hatte. Die pythgagoräische Gemeinschaft brachte mit ihrer intensiven Suche nach Wahrheit Bewegung in die damalige Lehre der Mathematik. Die Kunde von ihrem Erfolg verbreitete sich trotz der streng gehüteten Geheimnisse sehr schnell, und so strebten Viele die Aufnahme ins „innere Heiligtum des Wissens“ an, aber nur die Fähigsten wurden aufgenommen. Zu den abgelehnten Kandidaten gehörte auch ein gewisser Kylon/Cylon. Im Jahre 513 v.0 ging Pythagoras nach Delos, wo sein früherer Lehrer Pherekydes im Sterben lag. Dort blieb er einige Monate bis zu dessen Tod und kehrte anschließend nach Kroton/Crotone (süditalische Stadt) zurück. Im Jahre 510 v.0 griff Kroton, wohl unter Beteiligung von Pythagoras, die Nachbarstadt Sybaris an und vernichtete sie. Zwei Jahre später versuchte Kylon, ein adliger Bürger Crotons, der vergeblich um Aufnahme in die pythagoräische Gesellschaft gebeten hatte, diese aus Rache zu vernichten. Pythagoras selbst entkam nach Metapontium, wo er nach Meinung der meisten Historiker auch starb. Manche sagen sogar, er habe dort angesichts des Angriffs auf seine Gesellschaft Selbstmord begangen. Die genauen Umstände von Pythagoras’ Tod sind unklar. Die nach ihm benannten Pythagoreer blieben auch nach seinem Tod kulturgeschichtlich bedeutsam. Die meisten Erkenntnisse und Vermutungen über die Pythagoreer stammen aus einer umstrittenen Pythagoras-Biografie des hellenistischen Philosophen und Mathematikers Iamblichos von Chalkis (ca. 250-330 n.0).

Das mathematisierte Goldhorn-Inschrift des Hlewagast-Holtijar

Der bedeutsamste namentlich bekannt gewordene germanische Pythagoreer war Hlewagast-Holtijar („Hlewagast Sohn des Holt“ oder „der Holsteiner“), der Schöpfer der beiden „Goldhörner von Rosengaard“ in Südjütland im deutsch-dänischen Grenzbereich. Der kleinwüchsige, langbärtige Mann - wie er sich selbst abgebildet hat - lebte und wirkte nahe dem heutigen Tondern, beim Dorf Gallehus, der Umlandgemeinde Mögeltondern (dän. Møgeltønder), Syddanmark, DK. Seine Goldhörner werden in die Zeit um 400 n.0 datiert. Man hat die Entstehungsregion in alter Zeit auch „Rosengaard“ genannt, was einen besseren Fingerzeig auf die authentische Bedeutung der altheiligen Kult- und Fundstätte abgeben kann. Nordschleswig musste aufgrund alliierten Zwanges 1920 an Dänemark abgetreten werden, obwohl in Tondern 77 % der Stimmberechtigten für einen Verbleib beim Deutschen Reich gestimmt hatten und auch später deutsche Parteien die Mehrheit bis 1945 bildeten. Der skandinavistische Mediävist und geniale Runologe Heinz Klingenberg (1934-2018), dessen Schüler ich sein durfte, verfasste das Werk „Runenschrift, Schriftdenken, Runeninschriften“, 1973, welches über die germanische Runen-Gematrie aufklärte und den pythagoreeischen Aspekt in Hlewagasts Runen-Hörnern aufzeigte; beispielsweise hinsichtlich des geheimen pythagoreeischen Pentagrammes bzw. des Fünfsterns. Auch der Runenmeister der Kylver-Grabplatte (siehe Überschrift-Abbildung) stellte sich, meiner Ansicht nach, als Pythagoreer vor, indem er seine Runenzeile rechts begann, mit einem baumartigen Zeichen, das 6 Zweige links und 8 Zweige rechts aufweist. Die Anzahl der Zweige ist mithin 14, was zur versteckten Quersumme 5 führt.

Das vergeheimnisende, kryptische Zahlen-Buchstaben-Denken der Pythagoreer nennt man Gematrie, nämlich die Buchstabenfolgen von Wörtern in Zahlenfolgen zu verwandeln, sowie die Sinndeutung von Wortbegriffen, mit Hilfe ihres Zahlenwerts der Buchstaben, zu ergründen. Hlewagast tat das mit seinem lapidar wirkenden Satz auf dem Trinkrand des Hornes: „ek hlewagastiR holtijaR horna tawido“, was zu übersetzen wäre: „Ich Ruhmesgast Holtijar (Sohn des Holt, das) Horn anfertigte“, oder: „Ich Ruhmesgast Holstensohn (der vom Hain) Horn Waldvater anfertigte“ (siehe dazu mein Aufsatz: RUNENRÄTSEL von ROSENGAARD). Klingenberg wies nach, dass in diesem Satz eine Art grandioses Zahlenbauwerk verborgen ist, welches die 13. Oding-Rune (jera = das Jahr/Zeit) glorifiziert, denn Gott ist die unfassbare Zeit. Mit den abstraktesten menschlichen Hilfsmitteln, Buchstabe und Zahl, wollte Hlewagast der Gottheit ein Loblied, ein Bittgebet hinan senden, denn schlimme Zeichen hatten sich durch Sonnenfinsternisse angezeigt, wie der geniale Willy Hartner (1905-1981) in seinem Buch „Die Goldhörner von Gallehus“ (1969) nachwies.

Seit dem Fund des Runen-Stein-Blocks vom Gräberfeld beim norwegischen Svingerud, im Jahr 2021, geht auch die offizielle Runologie davon aus, dass das germanische Runenwissen mindesten 2.000 Jahre alt ist. Mit seinen Darlegungen in „ODING-Wizzod - Gottes und Botschft der Runen“ (1993), hat Gerhard Hess nachweisen können, dass die 24er Ur-Runenreihe eine gematrische Basis besitzt, also pythagoreeisches Denken spiegelt. Sie ist nichts anderes als ein gnostisch-germanisches Glaubenskonzept, das von rechtsbeginnend zu lesen ist, so wie alle alten Schriften linksläufig gestaltet wurden; nämlich unter dem antiken Leitgedanken: Alles Rechte beginnt mit rechts !

Die Gnosis ist vorchristlichen Ursprunges, was sonst ?! Es gibt nichts originär Christliches, ausschließlich wurden alte Vorstellungen von den jüdisch-essenisch-christlichen Sektierern adaptiert und ihrem Messias-Christus-Glauben aufgepresst. Die wegweisendsten Denkanstöße zur Gnosis kamen aus dem arischen Eran. Was die lutherisch-christlich geprägte Barbara Aland im Vorwort zu ihrem Buch „Was ist Gnosis? - Studien zum frühen Christentum, zu Marcion und zur kaiserzeitlichen Philosophie“ (2009), ausdrücken will, bleibt unverständlich. Sie argumentiert: „Dafür, dass die Gnosis im christlichen Bereich anzusiedeln ist, spricht, dass die Kirchenväter sich von dem, was sie Gnosis nannten, absetzen zu müssen meinten, weil sie es für eine ihren Bestand bedrohende Häresie, also christliche Konkurrenz, hielten. Das gilt ungeachtet der Tatsache, dass sie die Gnosis über Simon Magus auf heidnische Ursprünge zurückfuhren zu müssen meinten; denn das war ein geschicktes Mittel der Polemik. Für die christliche Einordnung der Gnosis spricht auch, dass sich ein Großteil der ihr zuzurechnenden Texte christlicher Symbolsprache bedient, vor allem Jesus Christus zum wichtigsten Erlöser macht. Wer umgekehrt argumentiert und in diesen christlichen Zeichen nur die sekundäre Adaption von christlichen Namen und Vorstellungen an die eigenständige, im Kern nicht-christliche gnostische Religion sieht, der ist nach dem Sinn eines solchen Vorgehens zu fragen. So attraktiv und so verbreitet war das Christentum im 2. Jahrhundert ja nicht, dass es sich für eine fremde Religion hätte wünschenswert erweisen können, die eigenen, dem christlichen Glauben fremden Gehalte im christlichen Gewand vorzutragen. Die Gnosis dem christlichen Glauben zuzuordnen bedeutet natürlich noch nicht, dass gnostisch-christliche Aussagen angemessene Interpretationen christlicher Inhalte sein müssen.“ Das ist, platt gesagt, Unsinn, richtig hingegen ist, dass frühe christliche Theologen ihren Jesus-Glauben in die Denkschule stellten, die der griechische Philosoph Platon (um 428-347) begründet hatte. Danach gibt es Ideen vom Göttlichen, die es auf dem Weg der Erkenntnis (Gnosis) zu verstehen gilt. In Persien verband sich der gnostische Gedanken lange vor jüdisch-christlichen Interpreten, mit der Lehre vom Gott Ahura Mazda des altpersischen Religionsgründers Zoroaster (Zarathustra). Nach den Avesta-Texten des Zoroaster liegt der universale Gott Ahura Mazda, gemeinsam mit seinem „Guten Sohn“, gegen den „Bösen Sohn“ Ahriman (Skorpion ist sein Tier-Attribut) im Streit -, mit einem Ahriman/Angra Manyu („arger Geist“) der in der jüdisch-christlichen Tradition zum Mephistopheles (hebr. „Verderber“) Satan/Teufel und „Luzifer“ wurde.

Seine Stelle nimmt in der germ. Runen-Gnosis der Antigott-Loki, der Utgardloki, der Winterriese bzw. Thurse ein. Und er steht im typisch gnostischen Oding'schen Runen-Kalendarium auf 22. Position im November und dem astrologischen „Haus des Todes“, wo der astrologische Skorpion-Unhold sein böses Wesen treibt. Der antike griech. Autor Arat/Aratos von Soloi (ca. 310-245 v.0) gab in seinem kalendarisch-astronomisch-astrologischen Lehrgedicht „Phainomena“ („Himmelserscheinungen“) den astrologischen Skorpion als „Unhold“ und Feind des Orion an. Arat in der Übersetzung von Albert Schott, „Aratos, Sternbilder und Wetterzeichen“, 1958, Kap. 82-85: „In seinen Händen schleppt der Schlangenträger tüchtig - Die Schlange vor sich her. Gut hat er Fuß gefasst - Und dem Skorpion auf Rumpf und Auge seine Last - Verteilt; so steht er da, dem Unhold sehr zuleide.“ Bei ihm heißt es, dass Artemis den Skorpion gegen Orion schickte, als er versuchte, sie zu vergewaltigen. Die beiden Sternbilder liegen im Ekliptikkreis exakt gegenüber, wenn das eine aufgeht, geht das andere unter. Der Skorpion ist in der Astrologie das 8. Zeichen im Jahreslauf, also im „Haus des Todes“. Die jährliche Lebenskraft, Befruchtungskraft hat sich aufgebraucht und wendet sich gewissermaßen, um Atem zu holen, nach innen. Aratos beschreibt den Sternenhimmel, die Auf- und Untergänge der Sternbilder und die Wetterzeichen. In einer Gesellschaft, die zum großen Teil von der Landwirtschaft und der Seefahrt abhängt, viel entscheidender als heute, ist es von immenser Bedeutung, die Jahreszeiten bestimmen zu können. Denn aus ihnen ist die Entwicklung des Wetters am zuverlässigsten abzuleiten, da sie Jahr für Jahr wiederkehren. Eine hellenistische Urform dieser Astrologie war anscheinend in den verlorenengegangenen ägyptischen „Astrologumena“ beschrieben. Die Anfänge der astrologischen Literatur, die spätestens ab der röm. Kaiserzeit unter dem Namen des „Hermes Trismegistos“ verbreitet wurde, reichen in die Epoche des Hellenismus zurück. Im byzantinischen Mittelalter entstand dann der griechische Urtext als Klassikers der Hermetik, der in lat. Übersetzung unter dem Titel „Liber Hermetis Trismegisti“ (Buch des Hermes Trismegistos) erhalten blieb. Dieses Handbuch wird auch als „Buch über die 36 Dekane“ bezeichnet, weil es die „Dekane“, die je 10° umfassenden 36 Abschnitte des Tierkreises behandelt. Das darin zusammengefasste antike Wissen stammt aus verschiedenen Epochen, teils aus hellenistischer Zeit, teils aus der Spätantike. So folgte die Entwicklung des gnostischen Oding‘schen Runenkalenders einem lebenswichtigen Bedürfnis, das in den schon steinzeitlichen Kalenderbauten der Ringheiligtümer Mitteleuropas ebeno Ausdruck fand, wie in der „Phainomena“ des Aratos.

Der stammte aus einer vermögenden Familie. Seine Studien führten ihn nach Athen und an den mazedonischen Hof des Königs Antigonos II. Gonatas (ca. 319-239 v.0) in Pellas. Dieser warb keltische Krieger für seine Diadochenkämpfe gegen die Seleukiden an und vermochte diese im Jahr 278 zu einem Frieden zwingen, der ihn als Makedonen-König betätigte. Auch die wiederholt einsetzenden Keltenstürme konnte er abwehren, durch Siege und indem er sie als Söldner anheuerte oder sie zu seinem Verbündeten Nikomedes nach Asien schickte. Nachdem sie von Nikomedes aus dem Dienst entlassen worden waren, begannen sie, die umliegenden Länder anzugreifen. Im Jahr 268 v.0 kam es zur entscheidenden Schlacht, der so genannten „Elefantenschlacht“, in der Antiochos I. (281-261 v.0), Herrscher über das hellenistische Seleukidenreich über die zahlenmäßig überlegenen Kelten/Galater durch den Einsatz von Kriegselefanten besiegte. Wir sehen, dass schon zu Zeiten Alexander des Großen und seinen Nachfolgeherrschern Kontakte von Kelten und Gallogermanen gegeben waren und somit ein interessierter, kluger Nordmann hellenistisches Kalenderwissen zurück in seine Nordheimat getragen haben könnte. Es gibt, neben Aratos „Phainomena“, das „Aratea des Germanicus“, aus den ersten Jahrzehnten des 1. Jh. n.0, ebenso ein astronomisches Lehrgedicht in lateinischer Sprache, das weitgehend auf den „Phainomena“ beruht. Einige erhaltene Handschriften nennen als Autor Claudius Caesar oder T [Tiberius] Claudius Caesar, andere spätere Autoren sprechen von Germanicus Caesar. Ob mit dieser Namensnennung der röm. Feldherr in Germanien Nero Claudius Germanicus (15 v.0-19 n.0) gemeint war, oder der röm. Kaiser Tiberius Iulius Caesar Augustus (42 v.0-37 n.0), bleibt unklar. Ein weiterer röm. Astrologe und Astrologie-Dichter war Manilius, wahrscheinlich Marcus mit Vornamen, der zu Beginn des ersten Jahrhunderts heutige Zeitrechnung lebte. Über seine Person weiß man fast nichts, lediglich sein Hauptwerk, die „Astronomica“, blieb erhalten. Es handelt sich dabei um das älteste, relativ vollständig erhaltene Werk der antiken Astrologie. Es entstand rund hundert Jahre vor den „Tetrabiblos“ des Claudius Ptolemäus, in der Zeit der letzten Regierungsjahre des römischen Kaisers Augustus (gestorben 14 n.0) und den Regierungsjahren des nachfolgenden Kaisers Tiberius (Nero). Er musss zwischen dem Jahr 9 (Armin-Schlacht, Teutoburger Wald) und 37 (Ende der Herrschaft von Tiberius) geschrieben haben. Manilius beeinflusste wohl stark Astrologen wie Firmicus Maternus, noch in der Renaissance aber auch den Mathematiker Regiomontanus („Königsberger“), der 1473 eine neue Ausgabe erstellte. Marcus Manilius setzte in das Sternzeichen des Skorpions den antiken Unhold Typhon-Seth, wie der Runen-Schöpfer dorthin seinen germ. Thusen-Unhold setzte. Das Vorhandensein von „Astronomica“ und „Aratea des Germanicus“ begrenzt den Zeitrahmen des Runen-Schöpfers leider nicht, denn so wie der Autor „Germanicus“ die „Phainomena“ neu verfasst hat, kann ein Germane oder Kelte das ursprüngliche Manuskript der „Phainomena“ vor „Germanicus“ kennengelernt haben. Und auch der Sternzeichen-Kalender des Manilius besaß sicher Vorläufer, denn, dass der Teufel als Tyhon-Seth bezeichnet wurde, auch identisch mit dem persischen Angra-Manyu sei, dem Herrn des Skorpions, entspricht sämtlich älterem Gedankengut und ist keine Erfindung des Manilius. Welcher Germane könnte diese Vorstellungen erfahren und aufgegriffen haben ? Etwa der Kimber Erul (siehe „Helm von Negau“), welcher möglicherweise ein Centurio im disziplinierten  Sklavenaufstandsheer des Spartakus gewesen sein könnte und nach der gewonnenen Schlacht von Mutina (72 v.0) über die Alpen zurück in die jütländische Heimat entkommen konnte.

Zutiefst gnostisch im Charakter ist der Oding‘sche Denkanstoß, dass der göttliche Ur-Geist, der sich im 21er (2+1=3) ausdrückt, zwar gut war/ist, aber der titanische Gegenspieler, der Ur-Böse, der Materie-Geist, die Welt so schlecht gemacht hat wie sie ist. Und die daraus resultierende Aufgabe der Guten, der Gotteskrieger nur sein kann, das urweltliche Titanische, also das Urtrieb-Böse in der eigenen Seele und der Umwelt zu bekämpfen !

Buchstabenmystik

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Ausdruck kosmischer Erkenntnisse in Gestalt von Symbol und Zahl

Eine Erfindung unserer stammverwandten Griechen war es, ihre 24 Alphabetbuchstaben zugleich als Zahlen zu verwenden, das ging schon im 8. Jh. v.0 vom ionisch-griechischen Milet aus. Der bereits vorgestellte Pythagoras von Samos, des 6. Jh. v.0, war Philosoph, Mathematiker und Gründer jener religiös-philosophischen Gemeinschaft die auch politischen Einfluss beanspruchte. Ihre Forschungs- und Lehrinteressen waren Geometrie, Astronomie und Zahlentheorie. Das bedeutende pythagoreische Leitmotiv der Vernunft lautete: „Alles ist Zahl, die Zahl ist das Weltprinzip und erkenntnisspendend ist die Natur der Zahl“. Ein Gleiches motivierte den bronzezeitlichen Schöpfer des Sonnenwagen-Diskus. Wann pythagoreische Gedanken in den europäischen Norden vordrangen, ist ungewiss, aber um tausend Jahre vor Pythagoras hat man im deutschen und dänischen Norden, zwar nicht mittels Buchstaben, aber durch lesbare Symbol-Zahlen-Kombinationen - wie auf dem vergoldeten Diskus des „Sonnenwagens von Trundholm“, aus einem Opfermoor bei Kopenhagen, Aussagen zum luni-solaren Rundjahr von 360 Tagen hinterlegt. Daraus darf gefolgert werden, dass den klugen Männern des Nordens das pythagoreische Zahlendenken, als sie damit bekannt wurden, nicht gar so phantastisch-fremdartig erschienen sein kann. Die pythagoreische Zahlenmystik - wie wir sie vom wahrscheinlich jütländisch-kimbrischen Runenschöpfer Erul (?) und dem jütländischen Hlewagast erfuhren - griff besonders der Gnostiker „Markus Magus“, der Magier und seine Schule, auf. Der Theologe und Urchristenforscher Carl Friedrich Georg Heinrici (1844-1915) bemerkte dazu, Markus sei „die Zahlenmystik der Neopythagoräer, die Lehren des Christentums und die Kunststücke eines Goeten in einem wirren Labyrinth zu vereinen bestrebt“ gewesen (G. Heinrici, „Valentinianische Gnosis“). Das älteste erhaltene häresiologische Werk, aus dem man die valentinianische Lehre des Gnostikers Markus entnehmen kann und das den Gottesdienst und die Ausbreitung der von ihm gegründeten Gnostikergruppe beschreibt, stammt aus der Feder des Bischofs Irenäus von Lyon. Er verfasste ungefähr um 180 n.0 im ersten Buch seines Hauptwerkes „Adversus haereses“ den ersten Bericht über Markus, der vollständig erhalten ist. Markus habe gelehrt: „Aus der Monas und Dyas sei das All konstruiert“, also eine Dreiheit wie bei den Runen, die von 1 bis 24 addiert, zu 300 auflaufen. Auch Markos Idee, aus den 24 Buchstaben der Griechen, sich eine Geistgestalt der Weisheit, eine Sophia, zu denken, wurde im Runensystem verwirklicht. Bei Markos besteht ihr Haupt aus dem 1.+24. Buchstaben, also AO, und in diesem Prinzip fortfahrend, ihre Füße aus MN. Der Runenschöpfer verfuhr sinngemäß gleichermaßen, aber einfacher und direkter, indem er Beginn und Kopf mit O-D-ING markierte, was Geistkind heißt -, OD aber Seele Geist bedeutet. Am linken Ende der Reihe lesen wir FUÞ, den germ./altnord. Begriff für Hintern, was sich als Fott/Föttche für Gesäß in deutschen Dialektregionen erhalten hat.

In der Phase der Neuplatoniker und Neupythagoreer des 1. Jh.v.0 gab es einen zahlreichen pythagoreischen Zirkel in Rom, zu dem Männer wie der Universalgelehrte Marcus Terentius Varro (116-27 v.0) gehörten, der sich „Pythagorico modo“ bestatten ließ, auch Vatinius und der Gelehrte Publius Nigidius Figulus (100-45 v.0), der als zentraler Kopf angesehen wurde, auch der Politiker (Konsul im Jahr 54) Appius Claudius Pulcher (97-48 v.0) neigte dazu, auch der Wundermann Anaxilaos von Larissa, den Kaiser Augustus (laut Hieronymus) 28 v.0. aus Rom, wegen Magie, als „Pythagoreus et magus“, verbannen ließ, und der ein geistiger Vorfahre des Markos gewesen sei. (Walter Burkert, „Hellenistische Pseudopythagorica“, 1961) Wenn der gefangene Kimber Erul in den Häusern eines dieser Männer als Haussklave, bis zum Beginn des Spartakus-Sklavenaufstandes 73 v.0 diente, kann er die nötigen Anregungen erhalten haben, zur Schöpfung seiner runisch-germanischen Glaubensrevision und theosophischen Zeitweiser-Erfindung.

Nach den Erklärungen des Irenäus sahen die Ophiten, wie auch weitere antimosaische Gnostikergruppen, im „Schlangengestaltigen“ den „Ilda-Baoth“ oder Jaldabaot, den „Sohn der Finsternis“, den Judengott. Gleichgültig welche Mutter oder welchen Vater die verschiedenen Gnostiker ihm zuschrieben, er entspricht dem alten Vorstellungsbild des persischen Angra-Mainyu/Ahriman, dem Satan, der aus einem weiblichen Dämon hervorgegangen ist, der „Schwarzen Diw“. Jaldabaoth wurde mit dem röm. Gott Saturnus bzw. dem griech. Kronos identifiziert, so wie das norwegische Runengedicht den 22er Thursen als Saturnus offenbart. Manche Gnostiker setzten Jaldabaoth auch direkt mit Jahwe gleich, der entsprechend als negative Gestalt angesehen wird, welcher die Menschen durch sein unerbittliches Gesetz in der niederen materiellen Welt festhält. Mit Abraham soll Jaldabaoth einen Bund geschlossen haben, er sollte mit seinen Nachkommen ihm dienen. Die jüd. Propheten sollten Jaldabaoths Ruhm verkünden, was sie faktisch im AT, mit ihren grauenhaften Verfluchungen und Mordandrohungen gegen alle Fernstehenden und Abtrünnigen auch in Worte fassten. Dieser Ausformung einer gnostischen Frühform folgte ersichtlich der Runen-Schöpfer, indem er den Jaldabaoth-Saturnius in die 22. Runen-Position schob, im Runen-Kalender ins „Haus des Todes“ des Skorpions, in Opposition zum Orion-Sternbild, in dem die Altägypter den Osiris, „Führer der Toten“, sahen, die Griechen den „Großen Jäger“ und Germanen dementsprechend wohl den „Wilden Jäger Wodan“, denn es gibt den orphischen Hymnos an „Chthonios Hermes“ und belegt ist der „Hermes Psychopompos“ auf Vasenmalereien, als Begleiter der Seelen in die Unterwelt. Als seine röm. Entsprechung galt der Merkurius, seine germ. der Wodan, woraus zu schließen ist, dass man sie wie den Osiris im Orion verstirnt sah. Seine Runen-Buchstaben kreisförmig anzuordnen war nicht neu, schon die Griechen legten ihre 24 Buchstaben den 12 Jahresmonaten bei und auch auf den Ekliptig-Kreis. Selbst, dass mit dem Vortrag einer neuen Schrift, ein neuer Glaube einherzugehen versteht, besprach schon der Historiker Egbert Friedrich von Mülinen (1817-1887) in Ztschr. d. deutschen Palästinavereins 47 (1924) 65ff wo er mit dem Satz endet: „Freilich kann eine Schrift unter besonderen Umständen den Wechsel der Religion überdauern, denn nicht jede neue Kirche bringt eine neue Schrift mit sich; aber das Auftreten einer neuen Schrift wird, wenigsten für den Orient, in den meisten Fällen auf eine neue Kirche schließen lassen.“

Der griechische Astronom und Mathematiker Hipparchos von Nicäa (um 190-120 v.0) entdeckte die Präzession und seine Berechnungen des „tropisches Jahres“ (altgriech. tropos = Drehung/Wendung) gelten bis heute als korrekt. Er teilte den Kreis und mithin den Himmelskreis, die Ekliptik, in 360 Einheiten, also 6 x 60 = 360 Grade ein. Warum er das tat, weiß man angeblich nicht, man nimmt aber an, dass die 360-Gradeinteilung auf das 60er-Rechensystem der Sumerer und Babylonier zurückgehen wird. Es ist viel einfacher zu ergründen und keineswegs geheimnisvoll. Nicht nur die alten Babylonier, auch Bronzezeit-Germanen (noch die norwegischen Sieder Islands), Iraner, Inder, Chinesen und die späteren jüd. Essener rechneten mit einem Rundjahr von 360 Tagen. Die vedischen und awestischen Schriften kennen nur ein Jahr von 360 Tagen. Da der ältesten iranischen Zeitrechnung ein Rundjahr von 360 Tagen zugrunde lag, dem spätere zoroastrische Kalender hingegen ein Wandeljahr zu 365 Tagen, müssen irgendwann einmal dem ursprünglichen Rundjahr fünf Zusatztage hinzugefügt worden sein. Die 5 überschüssigen Tage des Jahres nannten die Griechen „Epagomenen“. Auch die Rechnungen der altägyptischen Tempelverwaltung benutzten ein Jahr von 360 Tagen. Aus den 360 Sonnentagen leitete man die 360 Grad des jährlichen Sonnenweges ab, dafür benötigte man kein Vorbild eines babylonischen Rechenschemas. In der Zahlenmythologie spielt die Null keine Rolle. Die Zahl 360 bzw. 36 wurde zum Synonym des Großen Kreises, der Zeit und der Ewigkeit. Hauptzahlen der 24 griechischen und germanischen Ur-Runen sind 3 und 6 (2+4=6) u. (1+2+3=6), die potenzierte 6 ist (6x6=36) und 3x36=108 Urstammsilben des Runen-Sprach-Systems. In der Luni-solar-Berechnung der frühgerm. Jahresdarstellung auf dem goldenen Sonnendiskus des „Sonnenwagens von Trundholm“ erscheint die Summe 108 drei Mal. 108x3=324. Der jährlichen Monate 12x30 Tagen des Jahres, ergeben das Rundjahr von 360 Tagen. Doch nur 27 Monatstage basieren auf Lichtmondphasen, jeweils in 3 Monatsnächten herrschen Neumond-Dunkelheiten. Also gibt es lediglich 324 Sonnentage des Jahres. Rechnet man die 3 monatlichen Dunkel- bzw. Neumondphasen wie folgt dazu (12x3=36) ergibt sich die 36+324=360 der Jahresrundzahl, deren QS 9 beträgt, was erstaunlicherweise die 9. Position im runischen ODING-Jahr namens „Sowilō“ (Sonne) ist. Viele antike Abbildungen zeigen Mithras gleichrangig mit dem Sonnengott Helios bzw. Sol. Mithras führte später immer öfter den Beinamen Sol-invictus („unbesiegter Sonnengott“), um auszudrücken, dass er der wahre Kosmokrator („Beherrscher des Kosmos“) sei. Schon der alte iranische Gott Mithra war Jahrhunderte zuvor oft mit der Sonne gleichgesetzt und als Sonnengott verehrt worden. Die Gnostiker sahen es als Bestätigung an, dass seine sieben griech. Buchstaben (40,5,10,9,100,1,200) die Jahrestagezahl 365 ergeben. Der Gnostiker Basilides/Basileides (ca. 85-145 n.0) erfand eigens einen neuen Gottesnamen „Abraxas“ (1,2,100,1,200,1,60), dessen griech. Buchstaben-Rechnung die Jahreszahl 365 demonstrierten konnte. Daran ist zu erkennen, wie dominant der Jahrgott-Gedanken in Verbindung mit der Buchstabenrechung zur Zeit der Runen-Schöpfung gewesen ist und warum der Runen-Erfinder sein ODING-Wizzod (Runen-Evangelium) schuf.

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Die Runenschrift verfügt über 108 Urstammsilben, 1. erste Vokal und 1. Konsonant ergeben die heilige Silbe OD.

Wenn man festgestellt zu haben glaubt, dass sich der Runenschöpfer entschieden auf Seiten der antimosaischen Opposition befand, fragt man spontan, ob in seinem Werk Anzeichen zu finden seien, in welcher Ausrichtung seine Neigungen möglicherweise erkennbar würden ? Diese Zeichen gibt es. Den alten arischen Himmelsgott des Zoroaster, den Ahura-Mazda („Herr der Weisheit“), mit dessen Awesta-Konzeption, bejahte der Runen-Lehrer, er scheint ihr basiskonzptionell oder mindstens streckenweise deutlich gefolgt zu sein. Sein unholder Dämon, im Awesta der Angra-Manyu/Ahriman („Böses Denken“, „Geist der Niedertracht und Zerstörung“), ist der negative Aspekt des Judengottes Jaldebaroth, den er mit dem Saturnius-Thursen identifizieren kann, denn laut awestischer Tradition, sei Ahriman sei von einer „durchdringenden, kalten Intelligenz“ geprägt. Hingegen den guten Gottesgeist, im Awesta der „Spenta-Manyu“ („Gutes, hilfreiches Denken“), versteht der Runen-Theosoph im Vai/Yayu oder Yayu-Vata („Wind, Luft, Lebensatem, Prana“), Er ist die Personifizierung des Atems vom ind. Himmelsgott Varuna, also in der Frühzeit, als arische Inder und Eraner ein einziges Volk waren, auch der des Ahura-Mazda. Der Vayu-Vata wurde im christlichen Trinitäts-System zum „Heilgen Geist“ und im vorausgegangenen Runen-Konzept, zum Windgeist/Lebenshauchgeist Wodanaz/Wodan/Wodin. In einem awestischen Hymnus heißt es: „Vayu, der hochwirksam ist und mächtiger ist als alle anderen Geschöpfe.“ Diesen Wodan, der gleichzeitig als germ. Ahnengeist, als der „Ase“ gilt, setzte der Runen-Finder auf den ODING-Platz Nr. 21, weil er damit dessen besondere Würde zu unterstreichen gedachte. Denn die verschiedenen Pahlevi-Texte erzählten, dass 21 Bücher des Avesta, die von Ahura Mazda erschaffen worden waren, von Zarathustra zum König Vistaspa gebracht wurden. Die 21 ist die heilige Zahl der Zoroaster-Religion und gilt bis heute als Zahl der Magier, der eingeweihten Esoteriker. Vayu wurde als Krieger mit Speer dargestellt, der bereit ist, in die Schlacht gegen die Mächte des Bösen zu ziehen, aber je nachdem, „aus welcher Richtung der Wind weht“, konnte er die Gläubigen enttäuschen; ein Vorwurf der auch degen den späteren Wodan-Odin zuweilen erhoben wurde. Die Kernphilosophie des Zoroastrismus lehrt den universalen Kampf zwischen „ascha“ („Licht der Wahrheit, der Ordnung, des Seins“) und „drudsch“ („Finsternis von Lüge, Chaos, Zerstörung des Seins“). Diese Sicht entspricht voll und ganz auch dem eddischen Ideal der Odin-Religion, nach welcher die tapferen Krieger im Tode nach Walhall gelangen, um dort für den Endkampf gegen die Finsternis-Mächte zu üben.  

Die eranische Dualitätslehre der Gnosis drückt sich im Antagonismus des Oding'schen 21ers (Ase Wodin) und des Oding'schen 22ers (Thurse) aus, wobei über die Quersummenziehung (schon in der vordekadischen Buchstabenrechnung der Antike üblich) die 3 gegen die 4 steht, also Licht-3 gegen Materie-4. Die Positionierung des antigöttlichen Thursen-Unholdes auf Platz 22 und die damit einhergehende Charakterisierung mit der geistfreien Materie, entspricht dem antimosaischen Zeitgeist zur Runen-Erschaffung, aber auch im Einklang mit der jüdischen Alphabet-Mystik: Im hebäischen Buchstabensystem steht an 22., also letzter Stelle, das Zeichen Taw, mit seiner Zahlenbedeutung 400.  Ein Drittes sprosst immer aus Zweien, so ist die Drei das Zahlensymbol des Lebens, des Weiterlebens, der Bewegung und der Spirale geworden. Während dazu in einem gewissen Gegensatz stehend, die Vier verstanden worden ist, denn sie versinnbildlicht das Statische, im Gegensatz zum Kreisenden, Dynamischen, das unbeweglich Festgefügte, das Gegebene der 4 Himmelsrichtungen, 4 Elemente (Wasser, Erde, Feuer, Luft), des Raumes (Länge, Breite, Tiefe, Höhe), der Charaktere (Sanguiniker, Choleriker, Phlegmatiker, Melancholiker). Vier Ecken hat das Quadrat, ein Symbol des Irdischen, des Greifbaren, mit 4 Milchströmen erhält die Ur-Kuh Audhumbla das irdische Sein. Im Buddhismus ist es die Zahl der Erde, symbolisiert durch das Quadrat. In jüd. Buchstabenreihe von 22 Konsonanten verkörpert das Endzeichen Taw den Tod, soll aber die Bedeutung von „Wahrheit“ tragen, einer jüdischen Wahrheit, denn so wie der jüd. Gott mit 4 Zeichen (Jud, Hej, Waw, Hej) geschrieben wird (JHWH) und ebenso sein Buch (Tora), so müssen alle „Gott“ in den Mund gelegten Bibel-Worte mit den 22 (2+2=4) Konsonanten des semitischen Alphabets verkörpert werden. Zitat aus jüd. Mystik-Text: „Die Zahlenrätsel der Kabbala - Abba ist der Ursprung (die Eins) und das Ziel (die Eins) des Wegs, der durch die Welt (4 = 2+2) führt, und zwar über die 22 (2-2) geschaffenen Buchstaben des Alphabets.“ In jüd. Texten wird das Taw-Zeichen, mit Nr. 22, als jenes beschrieben das zum Pessach-Fest passen würde, weil zum ersten Pessach-Tag „Gott alle Naturgesetze aufhob und die Israeliten höchstpersönlich aus Ägypten heraus führte. In der Haggada wird darauf ausdrücklich hingewiesen: Kein Engel, kein Seraph und kein Bote war es, sondern Gott, gesegnet sei Er, in seiner Herrlichkeit!“ sprach, „Ich werde durch das Land Ägypten ziehen in dieser Nacht und werde erschlagen jeden Erstgeborenen im Land Ägypten, vom Menschen bis Vieh, und an allen Götzen Ägyptens werde Ich Gericht üben. Ich, Gott.“ Jeder Mensch der das Taw-Zeichen nicht auf der Stirn besaß, sollte damit rechnen, getötet zu werden (2. Mose 12,12). Somit muss für jeden nichtjüdischen Menschen das Taw-Symbol zur tödlichen Bedrohung werden, wo es fehlte schlug der Hass „Gottes“ erbarmungslos zu. So passt das Zahlensymbol 22 und 4 vorzüglich in das herbstliche „Haus des Todes“ und des Wintertitan-Thursen, wie es der Runenschöpfer in seinem Jahreskreis angedacht hat (siehe dazu mein Aufsatz: Zahl 22 und die Thurisaz-Rune). Bei meinen Überlegungen setze ich eine gediegene Kenntnis des Runen-Schöpfers, der wichtigsten religiösen Konzepte, voraus; wie er sich diese angeeignet hat, wer ihn belehrte, welche Schulen er besuchte, bleibt bisher völlig offen und es wird so bleiben, wenn uns nicht neue Funde weiterbringen. 

Das germanische/gallogermanische Runen-Jahr

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Das luni-solare Jahres-Schema der ODING-Runen, das im 2./3. Jahr einen 13. Schaltmonat-Einschub erfordert.

Mit der Decodierung des antiken 24er Ur-Runensystems ist es dem Herman-Wirth-Schüler und -Kritiker G. Hess gelungen, bisher völlig unbekannte Nachrichtenquellen über das mythisch-religiöse Denken der Germanen und Kelten bzw. Gallogermanen zu öffnen. Seine rechtsbeginnende Runenreihen-Lesung ist über jeden Zweifel erhaben, weil nur bei ihr die Runen-Begriffe mit den zahlenmythischen Zuordnungen übereinstimmen. Wenn man davon ausgeht, was sich anhand vieler Anzeichen aufdrängt, anzunehmen, dass der Runenschöpfer aus dem Kreis der Kimbern und Teutonen - Germanen und Kelten - herstammt, die gemeinsam auf Landsuche in den Süden aufbrachen (113-101 v.0) und ebenso gemeinsam deren Jungmannschaften sich im Spartakus-Sklavenaufstand (73-71 v.0) zu befreien versuchten, was nicht wenigen nach der gewonnenen Schlacht bei Mutina, im Frühjahr 72 v.0, über die Alpen hinweg auch gelungen sein dürfte. Spartakus Unterführer waren u.a. Krix(us) („Lockenkopf“) der Kelte und Ganni(kus) („Gewinner“) der Germane. Die germanisch-keltischen Gemeinsamkeiten dürften naheliegenderweise auf dem Rückweg in die Nordheimat und nach Ankunft, zu einem Gemeinschaftswerk des ODING-FUÞARK-Wizzod (Runen-Evangelium) geführt haben. Was sich aufgrund der Runen-Entschlüsselung zeigt, ist zum Einen, eine Buchstaben-Methode, mit der noch heute jedes deutsche Wort geschrieben werden kann, und zum Anderen, einen mythischen Zeitweiser-Plan, der Einblick und Überblick schenkt zu den Mondphasen-Jahresfeiern sowie der artgläubigen Sonnen-Theologie.

Der Runenschöpfer oder die Runenschöpfer-Gilde lehnten sich an keines der vorhandenen Buchstaben-System an, vielmehr schufen sie ein durchmathematiertes - als Kreis gedachtes - Jahresschema, ist doch das Jahr bzw. die Zeit der gewaltigste Ausdruck von Gott und Ewigkeit. Davon ein Abbild zu schaffen galt ihnen als demütigster Ausdruck von Gottesdienst. Es ist naheliegend, anzunehmen, dass diese Tat einem Gelübte entwuchs, das sie ich vor Beginn ihren Flucht gegeben hatten, im Sinne von: „Wenn es unseres Gottes (Teutates-Wodanaz) Segen gefällt, uns heil in die Heimat heimkehren zu lassen, wollen wir unseren nordischen Völkern ein Schriftdenkmal errichten, heiliger, geheimnisvoller, aussagefähiger als jedes andere auf der Welt.“ Die dafür benötigten Zeichen hatten einigen Kriterien zu entsprechen, sie mussten als Bild-Kürzel zu verstehen sein, für die jeweiligen 24 Runen-Begriffe die Verwendung finden sollten. Bei einer solchen Methode der Zeichenzusammenstellung kann man auf kein Vorbild-Buchstabensystem zurückgreifen. Die Vermutungen diverser Autoren, es seien etruskische oder phönizische Alphabete für die Runenschaffung möglicherweise Vorbilder gewesen, sind deswegen unhaltbar. Die damals bekannten Buchstaben und der uralte Begriffszeichenbestand des Nordens - soweit verwertbar - wurden herangezogen und einerseits in die 24 Mondstandsphasen des Sonnenjahres eingefügt und andererseits für 24 Laute (6 Vokale u. 3x6 Konsonanten) der gemeingerm. Sprache bestimmt. Das ergibt 108 Urstammsilben, bestehend aus den Vokalen und Konsonanten, deren erste ist: OD = Geist/Seele

Was die Gematrie oder die Buchstaben-Mathematik des ODING-Runen-Kreises hinlänglich beweist, ist, mit ihr den Beginn des Wodan-Kultes zu erblicken. Der Ase, der 21er, der Ahnengeistgott Wotan wurde die zentrale Gotteskraft welcher das Runen-Geheimnis huldigt, und nicht mehr dem alten indogermanisch-germanischen Himmelsgott Tius (an. Tyr), dem, in Gestalt eines ehernen Stieres, die Kimbern vor ihren Schlachten mit den Römern gehuldigt hatten. Das war die große Zäsur einer religiösen Reformation; Tiu wurde an die zweite Stelle gerückt, nicht mehr den rein numinosen himmlischen Jenseitsmächten galt das unbedingte Vertrauen, sondern den beschirmenden Ahnen, unter dem Ahnengeistführer Wodan. Ein Prozess übrigends, der sich im arischen Indien und Persien mit unterschiedlichen Ausrichtung längt abgespielt hatte (Asuras-Devas = vergöttlichte Ahnengeister-Götter).       

Nehmen wir arbeitshypothetisch an, der gnostische Runen-Schöpfer und spätere Gildenführer sei ein Kimber namens Erul gewesen, dessen „Helm von Negau“ in der Südsteiermark gefunden wurde, welcher mit „c / k“ vor seinem Namen sich als Centurio bzw. Anführer einer Hundertschaft auswies, er könnte als 15-jähriger 101 v.0 die nordische Südwanderer-Niederlage von Vercellae erlitten und als 45-jähriger Hauptmann 72 v.0 den Rebellen-Sieg bei Mutina (Modena), unter der Führung des Thrakers Spartakus, erlebt haben. Von dort, der Po-Ebene, kann seine Gruppe die ca. 400 km (Luftlinie) nach Noreia überwunden haben. Allein wird er nicht gewesen sein, zusammen mit kimbrischen und keltischen Kameraden meisterte er das große Abenteuer der langen Wanderung, über die Ostalpen, in die Nordheimat Jütlands zurück. Auf diesem gefahrenvollen Weg, der eine Gruppe von Verschworenen zusammenschweißen kann, unter Eruls Führung, wird der Kern der kimbrisch-herulischen Wodan-Anhänger gediehen sein. Wann der Runenmeister von seiner aufwühlenden Vision ergriffen wurde, die zur runischen Schrifterfindung führte, vermögen wir nicht zweifelsfrei zu ergründen. Gesichert bleibt allein, dass dieser Mann existierte und dass er als Namenspatron anzusehen ist für die späteren Erilari, die Runenmagier, wie ebenso für die beweglichen, kampffrohen Wanderscharen der Eruli/Heruler. Ihre tapferen Scharen wurden die treuen Kampfgenossen des Odowaker (ca. 433-493), dessen Name Od-Wacher bedeutet, der das weströmische Kaisertum durch Absetzung des Romulus Augustus („Augustulus“, „das Kaiserlein“) beendete und sich im Jahr 476 von seinen überwiegend germanischen Soldaten zum König von Italien (lat. rex Italiae) ausrufen ließ. Im Jahr 493 unterlag er in der tragischen Rabenschacht, um die strategisch wichtige Küstenfeste Ravenna, gegen den Ostgotenkönig Theoderich, der ihn, im Rahmen seiner Neuordnung und des Machtkampfes um den Besitz Italiens, aus dem Weg räumte. Ich werde der Erul-Theorie im Anschluss ein eigenes Kapitel widmen !

Doch ich griff vor, im Jahr 73 v.0 begann Spartakus seinen Sklaven-Befreiungskampf in Italien, und sicher nicht zufällig, überschritt im Jahre 71 v.0 der germanische Heerkönig Ariowist, mit seinen Gefolgsleuten von ca. 15.000 Kämpfern den Oberrhein, nach Gallien hinüber, wo es gallogermanische und reingermanische Siedlungsgebiete gab. Ariowist war in zweiter Ehe mit einer Keltin verheiratet, der Schwester des Königs Voccio von Noricum (etwa Österreich). Ariowist hoffte, die römische Macht sei durch die innenpolitischen Turbulenzen gebunden, er hatte nicht mit dem genialen und skrupellosen Strategen Julius Caesar rechnen können, dem er im Jahr 58 v.0 in der Schlacht nahe Mühlhausen unterlag. Unser angenommener Erul wäre zur Zeit dieser Geschehnisse ein rüstiger ca. 60jähriger gewesen. Und seine neue Runen-Lehre des Wodan-Kultes hätte auf äußerst fruchtbaren seelischen Boden all jener Männer und Frauen fallen müssen, die nach der erschütternden Niederlage gegen Caesar, zu den zurückflutenden sieben Nordstämmen gehörten, die unter Ariowist vergeblich ausgezogen waren, Gallien zu unterwerfen. Das klingt zwar hypothetisch, ist aber höchst plausibel. Anzumerken wäre noch der tragische Umstand, dass Caesars Truppen aus Keltiberern (aus dem heutigen Nordspanien), also vom Blut her Gallier, bestanden, die Sold-Legionäre waren. Gallien wurde für Rom unterjocht und als Kultur ausgelöscht durch von röm. Gold bestochenen Galliern.

Die auf uns gekommenen Runen-Begriffswörter zeigen eine Reihenfolge, deren schöpferischer Sinn problemlos sakral-kalendarisch zu erklären ist. Die 24 Runen stellen die 24 Mondpositionen des Sonnenjahres dar, wir haben mithin den aussagestarken erulisch-heidnischen Festkalender vor uns. Wegen der Differenz von ca. 11 Tagen zwischen Sonnen- und dem etwas kürzeren Mond-Jahr muss jeweils im 2. dann im 3., darauffolgend wieder im 2., ein Schaltjahr gesetzt werden, welches einen 13. zusätzlichen Leermonat enthält. So, schreibt der angelsächsische Gelehrte Beda (672-734), hätten es seine angelsächsisch-heidnischen Vorfahren gehalten, die bekanntlich aus Jütland kamen. (Beda Venerabilis, „De temporum ratione“, Kap. 13) Dieses luni-solare Jahrsschema ist im prägermanischen Großraum seit Jahrtausenden unverändert gebräuchlich, wie es die „Kalenderscheibe von Wangen-Nebra“ aus ca. 3.800 v.0. demonstriert. Aufgrund der Untersuchungen von Prof. W. Schlosser und Rahlf Hansen vom Planetarium Hamburg ist gesichert, dass die Nebra-Scheibe in der Bronzezeit als „astronomische Uhr“ zur Synchronisation von Sonnen- und Mondkalendern diente, was mit Hilfe eines Schaltsymbols erfolgte. Das in der Runenreihe bzw. dem Runenring verankerte Kalenderwissen muss also im Norden als uraltes Wissensgut bis auf Erul weitergereicht worden sein. Dazu stellt ein Sprachforscher fest: „Somit könnten die Schöpfer der Himmelsscheibe von Nebra im heutigen Sachsen-Anhalt durchaus direkte Vorfahren der Germanen gewesen sein und waren jedenfalls sehr wahrscheinlich nicht frühe Kelten, weil Kelten hier nie gesiedelt haben.“ (Wolfram Euler u. Konrad Badenheuer, „Sprache und Herkunft der Germanen“, 2009, S. 25) Die kalendarische Zeichenreihe die Erul (?) schuf, sieht, mit Zustellung der Runenbegriffe, folgendermaßen aus:

o – 01 - oþilan (Erbbesitz, Heimat, Erbe + Art, Adelsgut, Adel, Sippenseele)
d – 02 - dagaz (Gott Dag, Tag-Vater, Svipdag, Weihung des Beginns)
ŋ – 03 - Ingwaz (Gott Ingo-Fro, Ingvi-Freyr, Fruchtbarkeit, Frieden, Freien + Freude)
l – 04 - laukaz, laguz (Lauch + Lauge, Kraut + Wasser, Mond, Heilkraft, Gedeihen)
m – 05 - mannaz (Urmensch bzw. Mann + Männin, Menschengeist)
e – 06 - ehwaz (Pferd, Kosmos-Synonym, Sleipnir)
b – 07 - bercanan (Birkenreis, Birke, Göttin Frigg-Freyja)
t – 08 - tiwaz (Gott Tius, Tyr, Irmin, Himmelsgott, Gerechtigkeit)
s – 09 - sowilo (Sonne, Sieg, Siegfest-Sigrblot)
z – 10 - algiz (Alken, Elchbrüder, Schutzgötter)
p – 11 - perþo (Göttin Perchta, Fruchtbaum, Quelle, Kessel, Liebe)
ë – 12 - ëwaz (Eibe, bipolarer Weltenbaum, Feinde + Freunde)
j – 13 - jeran (Jahr, gutes Erntejahr, Wechsel in die zweite Jahrshälfte)
i – 14 - isaz (Eis, Kälte, Erstarrung, Verderben droht)
n – 15 - naudiz (Notwendigkeit, Notwende, Schicksalszwang)
h – 16 - haglaz (Hagel + Heil, jähes Verderben + Schutz vor Schaden)
w – 17 - wunjo (Wonne, Wunscherfüllung, Ernte),
g – 18 - gebo (Gabe, Opfergabe, Geschenk, Vermehrung)
k – 19 - kenaz (Fackel, Lichtabstieg, Krankheit, Geschwür)
r – 20 - raido (Ritt, Fahrt, Weg, Reise, Wagen)
a – 21 - ansuz (Asengott, Wodin-Odin, Ahnen, Seelen, Asen- + Alfen-Herbstfest)
þ – 22 - þorn (Schlaf- + Todesdorn, Hrimthurse, riesischer Unhold)
u – 23 - uruz (Urrind, Auerochse, Tod der Zeugungskraft)
f – 24 - fehu (Vieh, Fahrhabe, beweglicher Besitz, Geld)

Kylver-Grabplatte.JPGGotländischer Kylver-Stein des 4. Jh., mit rechtsbeginnender ODING-Ritzung. Die Nebeninschrift, etwas oberhalb des rechten Anfanges, ist ein Palindrom das als eine Art Gebrauchsanweisung zur Lesung der Inschrift verstanden werden könnte, es lautet: „sueus“. So wie „sue“ von beiden Seiten gleicherweise gelesen werden kann, so soll auch die gesamte Runenzeile von beiden Seiten gelesen werden können: Mit FUÞ-Beginn als profane Lautschrift und mit ODING-Beginn als geistiges Konzept. Die Lautfolge „sue“ würde dann aus altnord. „súgan“ = „saugen, einsaugen, Verständnid saugen, geistig aufnehmen“ meinen. Die oding’sche Zahlenfolge des Palindroms wäre: 9,23,5,23,9 = 69, 6+9 = 15 QS 6, ebenso wie die 24 Runen, über ihre Quersumme 6 ergeben. 

Der neuzeitliche Runenmeister Prof. Heinz Klingenberg schreibt in „Runenschrift, Schriftdenken, Runeninschriften“, 1974, S. 288 ff: „Um vieles inniger ist die Vergesellschaftung von Buchstabe und Zahl durch die aus dem Altertum und Mittealter bekannte innere Buchstabenrechnung (Gematrie), die eine verbindliche Reihenfolge der Buchstaben im Alphabet voraussetzt. […] bietet die Grabplatte von Kylver allenfalls die Möglichkeit, den Futhark-Anfang in Frage zu stellen. Sie ist schon deswegen in Frage zu stellen, weil der Kylver-Runenmeister zweifellos rechts mit der Oding-Folge begann, da er aber unter dem Ritzen bemerkte, dass der Raum nach links hin knapp wurde, die Zeichen immer enger zu setzen sich genötigt fühlte. Im Übrigen führt die Kylver-Grabplatte die Ur-Runen-Reihenfolge vor, bis auf minimale Abweichungen: die 10. Rune-Algiz wurde geritzt mit den drei Sprossen nach unten. Und die 11. u. 12. Rune wurden in ihren Reihenfolgen vertauscht; wahrscheinlich ein Flüchtigkeitsfehler. Knapp hinter der linksseitig letzten F-Rune endet dann auch schon die Grabplatte. Wir dürfen absolut sicher sein, dass die Runenreihe in ihrer ursprünglichen Ordnung mit „o“ beginnt und mit „f“ endet. Woher nehmen wir, über die vorangestellte Bemerkung hinaus, diese Sicherheit ? Kein philosophisches, religiös überhöhtes System könnte mit dem F-Runen-Begriff „Vieh“ (materieller Wert) beginnen. Die Welt des Geistes nimmt ihren Anfang zweifelsfrei aus Vorstellungen von Geist und Seele; das „O“ wurde in der Antike als der erste Seelenlaut beschrieben. Wie ausgeführt, beginnt nach unverfälschter alter Vorstellung alles Rechte mit rechts, weil die linke Seite die nur zweitberechtigte, sekundäre (bei Geweben die falsche) ist. Und völlig unmissverständlich sprechen die runischen Zahlenzuordnungen von der rechtsbeginnend-linksläufigen Urversion. Eine Alternative ist für einen Kenner der zahlenmythologischen Komplexe ausgeschlossen. Daraus erwächst aber eine schwerwiegende Erkenntnis: Entweder war der Od-Beginn der Runenreihe derart geheim, dass ihn die späteren Erilari (Runenritzer) gar nicht mehr wussten, oder, was naheliegender wäre, die altechten Runenmeister und Runenadepten sind großteils in den diversen römischen Völkerabschlachtungen (z.B. Chauken, Marser, Chatten, Markomannen) untergegangen, ohne, dass eingeweihte Nachfolger überlebten.

Die 22 im „Haus des Todes“

Noch einmal zum geheimnisvollen Thema der Zahl 22: Man könnte vermuten, der Gelehrte Plutarch (45-125 n.0) aus dem mittelgriechenländischen Boitien, also ein klassischer Grieche, hätte mit der Teufelsgeschichte, wo er im Buch „De Iside et Osiride“ (Isis und Osiris) die Entstehung des „Iudaios“ aus dem Satan und einer Eselin beschreibt, seinen antihebräischen Abneigungen freien Lauf gelassen, aber weit gefehlt, sein jüd. Zeitgenosse Johannes, einer der Anhänger des galiläischen Sektenführers Jeschuha-Jesus, stimmte mit ein, den Stammesgott der Juden als Teufel zu bezeichnen. Apostel Johannes (11-99 n.0) gilt als Hauptautor des „Johannesevangeliums“, in dem er seinen geliebten „Herrn Jesus“, im Streitgespräch mit Juden diesen erwidern lässt, 8,44: „Ihr habt den Teufel zum Vater, und nach eures Vaters Begierden wollt ihr tun. Der ist ein Mörder von Anfang an und steht nicht in der Wahrheit, denn die Wahrheit ist nicht in ihm. Wenn er die Lüge redet, so redet er aus dem Eigenen; denn er ist ein Lügner und der Vater der Lüge.“ Der derart zum Ausdruck gekommene antijüdische Zeitgeist im ersten Jahrhundert unserere heutigen Zeitrechnung, war ja nicht wegen des „Jüdischen Krieges“ (66-74 n.0) urplötzlich vom Himmel gefallen, vielmehr schwelte die Judenfeindschaft lange zuvor, auch in Rom, schon wegen der angemaßten jüd. „Auserwähltheit“, wegen des jüd. Reichtums, wegen der jüd. „Proselytenmacherei“, des unbändigen jüd. Zelotentums, mit ihren Attentäter-Dolchmännern („Sikarier“) und der jüd. Exklusivität, die es strengläubigen Juden verbot, in intimer Vertrautheit mit Griechen bzw. Nichtjuden („die aus den Nationen“) zu verkehren und beispielsweise zu speisen. Fundamentale anti-mosaisch-oppositonelle Gruppierungen der Gnosis, wie sie als Häresien/Ketzereien von den Kirchenagenten bzw. Bischöfen Irenäus von Lyon (ca. 135-200) und Epiphanius von Salamis (ca. 315-403) beschrieben wurden, existierten ja lange vor ihren kirchenväterlichen Verurteilungen. Da gab es beispielsweise die „Kainiten“, als Fundamentalgegner des jüdisch-mosaischen Wertekanons. Sie verehrten sämtliche alttestamentlichen sog. „Sünder“, wie Kain, Esau, Gruppe Korach und die Sodomiter, von denen sie glaubten, sie hätten die besseren Erkenntnisse und die tieferen Wahrheiten besessen, als Abel, Hennoch, Abraham und Moses, ebenso wie der spätere „Verräter“ Judas Iskariot (siehe „Judasevangelium“). Die „Septuaginta“, die Übersetzung der hebräisch-aramäischen Bibel-Texte ins Griechische, erfolgte in der jüd. Kolonie zu Alexandrien etwa 250 v.0, und die meisten der Judentexte lagen etwa 100 v.0 in griechischer Sprache vor und könnten mithin im 1. Jh. v.0 dem Runenschöpfer Erul bekannt geworden sein, so dass er sich veranlasst sah, den mosaischen Judengott-Komplex, unter dem umgestalteten Kleid seiner germ. Mythologiensphäre, nämlich den antigöttlichen Thursen-Titan, unter Nr. 22, ins herbstliche „Haus des Todes“, astrologisch dem Sternzeichen des Skorpions, Mitte November, zu setzen, wo Marcus Manilius (1. Jh. n.0), der Autor des astronomischen Lehrgedichtes „Astronomica“ oder „Astronomicon libri V“ den Teufel „Typhon-Seth“ platzierte. Dem Gedicht ist zu entnehmen, dass der Autor zur Zeit der Kaiser Augustus und Tiberius als Einwohner Roms gelebt haben muss. Das letzte in Manilius Gedicht erwähnte Ereignis ist die Niederlage des Varus gegen Armini(us) in der Teutoburgerwaldschlacht des Jahres 9. Demnach lebte Manilius etwa in der zweiten Hälfte des letzten vorchristlichen Jahrhunderts und seine uns unbekannten Vorläufer/Vorbilder noch früher. So waren er und der angenommene Runenschöpfer Erul Zeitgenossen.

 

Typhon-Seth oder nur Typhon war eine antike Teufelsbezeichnung. Er wurde im Mythos von Zeus besiegt, in den Tartaros/Abgrund geworfen und der Ätna darübergehäuft. Beide titanischen Urmächte, Kronos-Saturen und Typhon sind von der mächtigen ordnenden Hand des Zeus-Jupiter-Tius in den Abgrund bze den Vulkan Ätna geworfen worden, doch der mythische Kronos-Saturn vermochte sich als Zeitgott eine gewisse Verehrung bewahren. Als unterirdischer Schätzebewacher und als Stern Saturn mochte er von einigen Anhängergruppen vergöttert werden, beispielsweise von jüdischen, obwohl er schon in der Antike als Unglücksstern galt. Nach der Interpretatio-graeca ist der semitische Gott „El“, „Elus“ oder „El Shaddai“ oder Yahweh/Jahwe mit dem griech. Titan Kronos und dem lat. Saturn gleichgesetzt worden. Die Vorstellung, dass der Saturn-Lauf eine besondere, schicksalhafte Bedeutung für die Judenheit habe („Saturnismus“), wurde im Judentum wirkmächtig. Es berief sich zumal auf seinen hebrä. Namen „shabtái“, der in röm. Zeit, unter Einfluss der griech.-röm. Astrologie zum „dies Saturnus“, geprägt wurde. In mittelalterlicher Astrologie wurde Saturn, dem in der Frühzeit Kinder geopfert worden sind, immer deutlicher zum Todtengenius, den man traditionell mit Sense und Stundenglas abbildete, Kälte, Unglück, Sorgen, Melancholie, Krankheiten und harte Arbeit symbolisierend. Im verkürzten 16-stabigen mittelalterlich-isländischen Runen-Gedicht steht der Thurse an dritter Stelle, wo er tatsächlch mit dem „Saturnus“ gleichgesetzt wird. Es heißt dort: „Thurse ist die Qual der Frauen- und der Felsen Bewohner- und der Ehemann Vardhrúnas - Saturnus - Führer des Things.“ Der Thurse, Eisriese, Utgardloki ist der Antigott im altgläubigen Runensystem. Er ist als ungezähmte titanische Brachialgewalt aller Schwachen Bedrohung und vornehmlich der „Frauen Qual“. Er ist mithin der unzivilisierte „Felsen-Bewohner“, der Ehemann einer Unholdin, einer Zauberin (altnord: varðloki = Zauberer; varðlokkur = Zaubergesang). Er galt dem späten Runenlied-Autor auch als gefährlicher „Führer des Things“, wohl als lügnerischer, verleumderischer, antigöttlichen Berater. „Die Astrologie kennt nur zwei Übeltäter, Saturn und Mars. Jenen nannte man im Mittelalter das große Übel, diesen das kleine“, schreibt Julius Schwabe in „Archetyp und Tierkreis“, S. 194. (siehe dazu mein Aufsatz: Zahl 22 und die Thurisaz-Rune)

Vielleicht schon vor, sicher aber seit den Pythagoreern, bis in die frühchristliche Zahlenmythologie und -sprache hinein, stehen die Zahlen für sehr fest umrissene Aussagen. Diese decken sich nur dann mit den Runenbegriffen, wenn linksläufige Durchnummerierung vorgenommen wird. Demzufolge beginnt die Reihung mit den ersten drei Buchstaben: O-D-iNG. Die Überlegung drängt sich auf, ob diese Buchstabenfolge einen nachvollziehbaren Sinn ergeben könnte. Das ist sehr wohl der Fall. Die Kernsilbe des germ. Wortes „wôd-gôd“, ahd. „got”, nhd. „Gott“ ist „od“. Sowohl ôdal, wie auch die anderen germ. Entsprechungen mit auðna („Schicksal / Glück“) und auðr („Reichtum“) gehen auf die indogerm. Wurzel audh zurück. (J. Wilhelm Hauer, „Schrift der Götter“, 2004, S.126f, 199) Der Gott Od, altnord. Óðr, gilt nach den Quellen (Gylfaginning u. Skáldskaparmál) als Ehemann der gemeingerm. Muttergöttin Frija/Freyja, wodurch er sich als der ursprüngliche Geist-Seelengott des germ. Pantheons zu erkennen gibt. Sein, wie auch Wodin-Odins Begriff, leitet sich vom altnord. Wort „óðr“ her, das im Uransatz nichts anderes als „Seelenwallung, -erregung“ bedeutet. Óðrörir („Seelenerreger“) heißt der mythische Trank aus dem Speichel aller Götter, der höchste Gelehrsamkeit, Weisheit und Dichtkunst schenkt. Von diesem vortreff­lichen Met trank Odin, da begann sein Geist zu wachsen, er fühlte sich wohl, ein Gedanken führte ihn zum nächsten und er kettete Werk an Werk (Hávamál, 140-141). Mit dem Begriff altn. óðr, germ. wôÞa „Gesang“, wurden Gesang und Dichtung bezeichnet und als Ad­jektiv beschrieb man damit Seelen­erregungen wie „erregt / wütend / rasend / toll“. Im heu­tigen schwed. Wortschatz gibt es noch odon, die „Rauschbeere“.

Wodin, der 21er, ist göttlicher Heil-Meister

Als Gegenspieler zum saturnisch-thursischen 22er dachten sich die gnostischen Anhänger des Wotan-Wodin-Odin ihren Heilgott-Arztgott, den der später aufkommende Christismus seinen „Heiligen Geist“ nannte. Wotan - schon seinem Namen nach - war der Rauschgott, der seinen Mysten den heiligen Rausch vermitteln konnte, mittels dem der Blick in Über- und Hinterwelten möglich wurde. Der irische Eiferer Gallus (um 550-641), der schon als Kind im Kloster Bangor christlich fanatisiert worden war, zog mit einer Schar von Gesinnungsgenossen, darunter Kolumban (um 543-615) und Magnoald/Magnus, um 590 nach Gallien ins Frankenreich und weiter in allemannische Gebiete. Vom Kastell Zürich gelangten sie nach Tuggen am Zürichsee, wo sie gewohnterweise gegen heidnische Idole wüteten, die sie verbrannten und in den See warfen, so dass die Bevölkerung die Fremden zu töten versuchte und davonverjagte. Sie flohen Richtung Bodensee, wo sie sich in Bregenz niederließen. Auch hier zerstörten die Mönche heidnische „Götzenbilder“ und warfen sie in den Bodensee. Wenige Tage nach dem Wüten gegen die alamannischen Heiligtümer setzten die Einheimischen ein rituelles Opferfest an, das erneut Kolumbans Zorn erregte. Überliefert blieb: „Ein großes, von Reifen zusammengehaltenes Fass, sie nannten es cupa und es fasste etwa 400 Liter, stand in ihrer Mitte. Auf die Frage Kolumbans, was sie damit wollten, lautete die Antwort: das sei ein Opfer für ihren Gott Wotan.“ Da schritt Kolumban auf das Fass zu, blies hinein, dass es zerbarst.“ Der Historiker Benedikt Bilgeri vermutete seinerzeit den Ort der Begebenheit im benachbarten Hofsteiggebiet, wo es dort in Lauterach noch um 1768 ein „Wuotasgässle“ gegeben hat, in dessen Nähe etwa 300 Jahre früher auch noch ein Sankt-Gallen-Brunnen bekannt gewesen sei. Die fränkische Obrigkeit ließ die Umerzieher gewähren, indem sie hoffte, die Alemannen durch Christianisierung gefügiger zu machen. Wie gewöhnlich, bei der klösterlichen Massierung frömmelnder junger Männer, kam es zu bedenklichen sittlichen Entgleisungen. Einer soll, wie es beschönigend heißt, einer „Alafrau“ also hübschen Alamannin, länger als schicklich nachgeblickt haben, wofür er vom Abt eine Tracht Stockschläge verabreicht bekam. Der Alemannen-Herzog Gunzo residierte in Überlingen, ihm konnten die mönchischen Unruhestifter nicht gefallen und er hielt mit seinen Getreuen dagegen, indem sie den Mönchen Ungemach bereiteten, Vieh der Brüder wurde gestohlen, Mitbrüder erschlagen aufgefunden, was Kolumban zu dem Ausspruch veranlasst haben soll: „Wir haben hier eine goldene Muschel gefunden, aber sie ist voller Schlangen“. Schon nach zwei Jahren verließen Columban und seine Gefährten Bregenz wieder, sie sahen ihre Missionsversuche als gescheitert an und zogen nach Italien ins Langobardenreich, die anderen blieben in ihrer Einöd-Zelle zurück, die der alemannischen Fürst Otwin und sein Gefolgsmann Erchanold zerstören ließ. Doch aus dem Ort, wo sie gelebt hatten, wurde im folgenden Jahrhundert unter dem Alemannen Otmar/Audomar die Abtei St. Gallen entwickelt. Ein Mitbruder namens Lantpert zeigte Abt Otmar mit dem Vorwurf an, eine Frau genotzüchtigt zu haben, er wurde vor Gericht gestellt und in der Königspfalz beim Landgut Bodman eingekerkert, wo ihm ein Klosterbruder namens Perahtgoz heimlich Nahrung brachte. In dieser Zeit wurden Vorwürfe gegen zwei Präfekten wegen tyrannischen Maßnahmen ihrer Verwaltungstätigkeiten, auch mit Kirchengüter-Enteignungen, vor König Pippin gebracht. Ich erwähne diese Dinge, um anzudeuten, dass das was gemeinhin als Christianisierung und „Lichtbringung“ verbrämt wird, nicht ohne auch niederste Machenschaften einherging. Was wir von Columban und Gallus hörten, schrieb der Mönch Jonas v. Bobbio auf bzw. stammt aus drei Fassungen der „Heiligengeschichte“ des Gallus, der sog. „Vita vetustissima Sancti Galli“, aus dem späten 7. u. 9. Jh. Worüber sich Kolumban empörte war ein Trinkopferfest der Sueben/Alemannen am Bodensee, wo die wodinischen Jungmannschaftsgilden dem rituellen Od-Bier, aus 26 Scheffeln Getreide, sicherlich heftig zusprachen, also den geistanregenden Rausch im Gemeinschaftskreis genossen, nämlich jenen Trank welcher in Passagen vom eddischen Hávamál und Skáldskaparmál altnord. Óðrerir („Trank/Kessel der Mut-/Wut-Erregung“ oder „Trunk der Erleuchtung“ bzw. der Inspiration) bezeichnet wird. Genau das war ein typisches Merkmal der Gnosis. Auch der gelehrte langobardische Historiker u. Bischof Liutprand von Cremona (920-972) empörte sich noch darüber, dass die Heiden „des Teufels Minne trinken“, also in liebevoller Verehrung einen Heidengott feierten.

Die „Hermetik“ oder der „Hermetismus“, in der „Hermetica“ beschrieben, waren eine antike religiös-philosophische Offenbarungslehre, der die mythische Gestalt des „Hermes Trismegistus“ („dreifach größter Hermes“) als der Wissensspender schlechthin galt. In manchen Texten erscheint Hermes nicht als Urheber der Offenbarung, sondern als deren menschlicher Empfänger und Verkünder. Jedenfalls wurden nach der Interpretatio Romana („römische Übersetzung“) Hermes/Merkurius, der Psychopompos („Seelengeleiter“), mit dem germ. Wodan gleichgesetzt. In röm. Kaiserzeit (27 v.0 bis 284 n.0) gewann diese Lehre gewaltigen Einfluss im röm. Imperium. Die „technische“ Hermetik versprach Lebensmeisterung und Naturbeherrschung durch okkulte Techniken, also Zauberei. Die religiös-philosophische Hermetik gibt Erklärungen für die Entstehung und Beschaffenheit der Welt und erteilt Anweisungen für die Erlangung von Weisheit und die Läuterung und Erlösung der Seele. Wolfgang Schultz erwähnt in „Dokumente der Gnosis“, 1910/2000, S. 175ff die Formen rein heidnischer Gnosis, wie die ursprünglich persiche, bei den röm. Legionen weit verbreitete Mithrasreligion oder auch die Poimandreslehre: „…hier einmal ein eigentlich gnostisches, aber rein heidnisches und vom Christentume noch gar nicht beeinflusstes System vor uns zu haben. Der Zeitpunkt, in dem es seine endgültige Form annahm, ist auch in der Tat diesem wichtigen Umstande gegenüber nebensächlich. Denn selbst wenn es etwa erst zur Zeit Christi oder sogar etwas nachher entstanden wäre, ist es trotzdem der deutliche und umumstößliche Beweis für den vorchristlichen, rein heidnischen Ursprung der Gnosis.“ Schultz, S.176: „ferner die stillschweigend voraus gesetzte Lehre von der Wiedergeburt und Wiedererinnerung sind gnostisch, eben so gut freilich auch platonisch und überhaupt in den Grundzügen Gemeingut der Völker und gerade deshalb umso schwerer bis in ihren Urspüngen zu verfolgen.“ S. 179: „Die ganze Lehre ist eine Geheimlehre, der Kult ein Geheimkult.“ Was sich bei Betrachtung des wodanisch-runischen Geheimkultes bestätigt, der erstmalig, mit der Veröffentlichung des G.Hess-Buches „ODING-Wizzod“, ein Stück weit fassbar wurde. Als gnostische Lehre kennen wir auch den „Poimandres“ (griech. „Männerhirt“), der nach dem Namen benannt ist, mit dem sich die offenbarende Gottheit in diesem Traktat vorstellt. Die Form Poimandres kreierte der Autor des Traktats offenbar selbst, wobei er an den ähnlich lautenden, anderweitig nicht belegten koptischen Ausdruck p-eime nte-rē („geistiges Vermögen des Sonnengottes“) anknüpfte. Somit kannte er sich sowohl in der griechischen als auch in der ägyptischen Tradition gut aus und erzielte eine geschickte sprachliche Verschmelzung. Mit Poimandres ist anscheinend der ägypt. Geist-, Lehrer-Gott und Schrifterfinder Thot gemeint, doch lässt sich diese Gestalt, wie man liest, auch als Personifikation des individuellen Geistes des menschlichen Offenbarungsempfängers, das heißt des in ihm anwesenden individualisierten göttlichen Geistes, auffassen. Dann tritt der Offenbarer nicht von außen an den Menschen heran, sondern spricht selbst zu ihm, als innere Stimme, wie es im Óðrerir-Rausch intensiv zu erleben ist.

Erul - Mein Verständnismodell der kimbrischen Runen-Erfindung

Was ich vortrage deckt sich mit den Anschauungen der runologischen Schulwissenschaft, nur, dass ich zusätzlich den heutigen Wissensstand und meinen speziellen, hinsichtlich des ODING-Wizzod, über den kein zweiter Mensch verfügt, zusätzlich mit einbringe. Auch Rudolf Simek, in „Lexikon der germ. Mythologie“, 1984, S. 177 weiß von den Herulern oder Erulern: „Früher bezeichnete man die H. als germ. Stamm, heute hat sich die Meinung durchgesetzt, daß es sich um gut organisierte, sehr mobile Kriegerverbände gehandelt haben muß. Schon früh hat man die H. mit dem mindestens neunmal belegten Terminus für ,Runenmeister‘, urnord. erilaR (5./6. Jh) zusammengebracht, der wiederum mit dem Adelstitel altnord. Jarl, angelsächs. eorl (engl. earl) verwandt sein könnte. In einer sehr überzeugenden Theorie hat Höfler [Otto Höfler, „Herkunft und Ausbreitung der Runen“, 1971] die Züge der H. mit der Ausbreitung der Runen in Zusammenhang gebracht, wobei der Helm A von Negau, der den Namen Erul eines german. Centurio in röm. Diensten aus dem 1. oder 2. Jh. n. Chr. trägt, als Bindeglied dient; Angehörige der H. (wie der genannte Centurio Erul) hätten demnach schon zu dieser Zeit nach etrurischen und römischen Vorbildern die Runenschrift geschaffen, deren Kenntnis sich durch die straffe Organisation und große Beweglichkeit der H.-Scharen bald bis Skandinavien ausbreitete, längere Zeit aber als Privileg der Angehörigen des (kultisch an Odin gebundenen?) Kriegerverbandes der H. galt.“

Runologe Prof. Dr. Klaus Düwel, „Runenkunde“, 2008, schreibt S. 12: „Ob erilaʀ mit dem Volksnamen der (H)eruler (urgerm. *erulaz) zu verknüpfen sei, ist umstritten. In erilaʀ liegt kein Stammesname, sondern eine Standesbezeichnung oder ein Titel vor. Es bezeichnet einen vornehmen Mann, der die Runenkunst beherrscht (Runenmeister) und der priesterliche Funktionen ausüben mag.“ Doch einen Hinweis, wer der runenmeisterliche Urvater, also der Runen-Schöpfer gewesen sein könnte, schenkt uns möglicherweise eine alte Weihestätte in der Südsteiermark, in deren Nähe ein Depotfund von 26 Bronzehelmen ans Tageslicht befördert wurde. Die Art der Negauer Helme wurden ursprünglich von den Etruskern entwickelt, sie gehören zur „Variante Vace“ südostalpiner Helme, die ursprünglich in die 2. Hälfte des 5. und ins beginnende 4. Jh. v.0 zu stellen sind, jedoch im alpinen Raum noch lange weiter fabriziert worden und zwar in einigen keltischen Rückzugsgebieten bis ins 2. und 1. Jh. v.0. Ein auf das 2.-1. Jh. v.0 datierter alpiner Helm vom Typ Negau fand sich z.B. in Saulgrub, Lkr. Garmisch-Partenkrichen; er trägt ebenfalls eine knappe Buchstabenritzung. Der unbestrittene Fachspezialist Herr Dr. Markus Egg war so freundlich, mir mitzuteilen (Mai 2013), das jüngste Exemplar aus Idrija bei Baca datiere in das 1. Jh. v.0. Für die Inschriften gilt das Gleiche wie für die Helme, sie wurden gebietsweise weitergetragen als sie schon längst aus der Mode waren. Die von unterschiedlichen Händen vorgenommenen Negauer Helmgravierungen könnten zu Beginn des 1. Jhs. v.0 erfolgt sein. Die Helme scheinen aus zeremoniellen Gründen am Ort Ženjak-Negau zurückgelassen worden zu sein. Wissenschaftlich weitgehend gesichert scheint heute die Tatsache, dass die Helme in der Zeit zwischen 55-50 v.0 zum Schutz vor Entweihung vergraben wurden, also nur etwa 35 Jahre, bevor die Römer plündernd und mordend in das Territorium eindrangen.

Zwei der Helme erfordern unsere besondere Aufmerksamkeit, nämlich „Ženjak-Negau-A und -B“. Auf der Helmkrempe von „Helm B“, welcher Anfang des 1. Jh. v.0 getragen wurde, also zur Zeit der Kimbern-und-Teutonenkriege, findet sich der Text einer rechtsbeginnenden Weiheinschrift bzw. Bittformel in einem venetischen oder rätischen Alphabet eingeritzt: „harigastiteiva“ (urgerm. harja-gasti-teiwa). Dazu erklärt Jan de Vries in „Altgerm. Religionsgeschichte“, Bd II., Kap. 380: „Harigastiteiva bedeutet ,dem Gotte Harigast‘“. Welcher das Heer begleitende Gott gemeint ist, bleibt dabei zunächst offen. Doch führt de Vries, nach einigen fachlichen Erwägungen, ergänzend aus: „Odin ist dann wohl auch gemeint mit dem Gotte Harigast, der auf der Ischrift des Negau-Helmes erwähnt wird; es ist wieder nur die Auffassung, daß Wodan-Odin eine verhältnismäßig junge Gottheit gewesen sein soll, die daran hat zweifeln lassen.“ Ich aber lege gerade dar, dass der Wodankult eben zu dieser Zeit seinen Anfang nahm -, und zwar wohl durch den Kimber Erul, dessen Besitzerritung auf Helm „Negau A“ erscheint. Die vier zu unterschiedlichen Zeiten angebrachten linksläufigen Inschriften auf Helm „Negau-A“ stellen andersvölkische, wohl keltische und venetische Namensritzungen der diversen Helmbesitzer dar. Darunter befindet sich der germanische „C[enturio] Erul“, falls das mit kleinem Abstand vorangestellte „c/k“ wirklich „Centurio“ sagen will. Wir hätten also einen germ. Hundertschaftsführer vor uns, der eine röm. Hilfstruppe (Auxiliarkohorte) anführt haben könnte. Wir kennen das Schicksal dieses Soldaten Erul nicht, sicher ist nur, dass auch er im ostalpinen Raum, bei den Norikern, Formen der alpenländischen Schreibschriften kennengelernt haben muss. Er könnte ein Teutone oder Kimmerier/Kimber gewesen sein, der nach den schrecklichen Niederlagen seines Volkes in den Schlachten von Aquae Sextiae (102 v.0) und Vercellae (101 v.0) ins römische Heerwesen eintrat -, in wieweit so etwas willig oder gezwungen geschah, entzieht sich der Kenntnis.

Doch zunächst verweilen wir beim Triumph des Jahres 113 v.0 der Kimbern und Teutonen über die röm. Kohorten und Truppenführer, die vergeblich versucht hatten, sie bei Noreia in eine Falle zu locken. Noreia war eine befestigte, keltische Siedlung und mutmaßliche Hauptstadt von Noricum, leider ist deren genaue Lage noch immer nicht bekannt. Einer der sieghaften Männer legte als Dankgabe für göttliche Errettung vor Niederlage und Schmach und den glücklichen Sieg, seinen Helm „Negau B“, mit der Harigast-Ritzung in einem der dortigen Tempel ab. Es ist gut vorstellbar, dass es der Vater des Erul war, ein gediegener, vielwissender nordländischer Fürst. Prof. Dr. Markus Egg führte während eines Interviews aus: „Ich habe wegen der Verbreitung der Inschriften der späten Negauer Helme vermutet, dass dieser Kultplatz möglicherweise nicht im Umfeld von Negau, sondern irgendwo im italienisch-slowenischen Grenzgebiet gestanden haben könnte.“ Danach zogen die Landsucher nach Westen, nach Gallien, Iberien und wieder Nordgallien weiter. Schließlich trennten sich die beiden Marschsäulen, so dass die Kimbern über den Brennerpass und die Ostalpen an die Etsch gelangten, wo sie erneut ein röm. Heer schlugen und sich über Venetien in die Poebene ergossen. Wieder erbaten sie Siedlungsland gegen Militärdienst, doch sie wurden im heißen Juli 101 geschlagen, nach röm. Angaben 120.000 Männer und Frauen getötet und 60.000 in die Sklaverei gezwungen. Die röm. Historiker machen unterschiedliche Zahlenangaben über die getöteten, überlebenden, gefangenen und geflohenen Germanen und Kelten. So wird bei der Schlacht von Aquae Sextia von 80.000 gefangenen und 3.000 entronnenen Teutonen geschrieben (Orosius, V 16, 9-13).

Wenn ein gedachter 15-jähriger Jungmann im Germanenheer 101 v.0 die Südwanderer-Niederlage von Vercellae erlebte, war er im Jahr 72 v.0 ein 45-jähriger beim Rebellen-Sieg von Mutina (Modena), als Führer einer Hundertschaft, unter der Führung des Thrakers Spartakus. Im disziplinierten Befreiungsheer muss er zu seinem Hauptmann-Diplom gekommen sein, so dass er ein „c / k“ vor seinen Namen setzen mochte, wie wir es im „Helm von Negau A“ vorfinden. Jene röm. Armee, deren Aufgabe die Sicherung der Bergpässe gewesen war, gab diese auf, um Spartakus anzugreifen. Sie wurde im Frühjahr 72 v.0 ebenso bei Mutina vernichtend geschlagen wie auch die Truppen eines zweiten herbeigeeilten Konsuls. Der Weg über die Alpen, zurück nach Norden, war freigekämpft. Aber Spartakus wendete sich zwar, ohne dass wir seine Beweggründe genau wissen, wieder Richtung Süden. Erul wird die Chance genutzt haben, er wird nicht im überschäumenden Siegestaumel des Sklavenheeres mit in den Süden gegen Rom und in den Tod gezogen sein, er wird die Truppe verlassen haben und über die Bergsteige nach Norikum gewandert sein, um das zu tun was ich beschrieben habe.

Er kann von dort, mit keltischen und germanischen Kameraden, die ca. 400 km (Luftlinie) nach Noreia, der Südsteiermark/Slowenien, überwunden haben. Von Mutina führten direkte Wege in die keltischen Berge, über das Etschtal, den Brennerpass zur Donau hin -, oder auch über ca. 250 km zum keltischen Udine und von dort über den Plöckenpass, den alten ostalpenländischen Handelsweg, nach Noricum und darüber in die freie Keltika und Germanika. Zunächst dort, bei der ihm bekannten Weihestätte der Noriker im Bezirk Negau oder dem italienisch-slowenischen Grenzgebiet, hat er seinen Helm „Negau B“ respektvoll abgelegt, wo bereits der Helm seines Vaters und jene anderer Väter in Ehren ruhten. Für den Vater schon war das Schreiben eine Faszination, was aus Helm „Negau B“ ja klar hervorgeht und sein Sohn Erul wollte das Ahnenvermächtnis, das große Werk der Schaffung einer eigenen germanischen Schrift in den folgenden Jahren verwirklichen. Erul, seine Mitstreiter und Anhänger, die Eruli/Heruli der ersten Jahre, müssen wenige Zeit später im jütländischen Norden angekommen sein und den Runen-Glauben, der eine Ahnen- bzw. Asen-verehrende OD-Religion ist (Glauben an das „OD“ als polares Kosmos-Prinzip), unter den germanischen Gemeinschaften verbreitet haben. Sie siedelten zunächst hauptsächlich im Hinterland der Aalborgbucht zwischen Limfjord und Mariagerfjord, wo noch jetzt die mittelalterlichen Ortsnamen ihren wotanischen Asen-Glauben (Ahnen-Religion) bezeugen: Aså (Asaa), Åstrup-Østrup, Asbækhede, Asferg, Ask, Askildrup, Asklev, Askov, Asløkke, Asp, Assedrup, Assendrup, Asmild Kloster (1179: Asmiald; Asmind), Assentoft, Assing, Åsted, Åstedbro, Astrup, Erslev, Esby, Esbøl, Eskerod, Essig, Estrup, Estrup Gårde, Estvad. Das Zentrum des herulischen „Asenlandes“ ist beim nordjütländischen Nørresundby zu lokalisieren.

Doch zunächst zur politischen Situation im 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung, die sah so aus: Nachdem Kaiser Nero vom Senat als „Feind des Volkes“ erklärt worden war, brachte er sich im Juni 68 selbst um. Es folgte das als röm. „Vierkaiserjahr“ bezeichnete Jahr 69 n.0. Es versuchten mehrere Truppenführer die Macht im Staate zu erlangen, wie Galba, Otho, Vitellius und Vespasian. In der röm. Provinz Niedergermanien („Germania inferior“) sah der germanische Kohortenführer Gaius Iulius Civilis (ca. 25-75 n.0) die Chance für einen Aufstand gegen Rom, dem sich auch viele Gallier anschlossen. Sein germ. Name blieb unbekannt. Er stammte aus einem vornehmen batavischen Geschlecht und war Präfekt einer Auxiliarkohorte. Die fortdauernden Unruhen in Italien nach dem Tod Kaiser Neros und der sich gegenseitig bekämpfenden und beseitigenden Kaiser schienen für einen Befreiungsversuch der unterjochten Stämme am Rhein unter Führung der Bataver, mit Unterstützung rechtsrheinischer Germanen, vielversprechend. Die Seherin Veleda sah einen Erfolg voraus. Veleda war nach Tacitus (Hist.; IV, 61, 65) eine germanische Seherin vom Stamm der Brukterer, die als hochgewachsene Jungfrau beschrieben wird. Von der profanen Umwelt zurückgezogen, wohnte sie in einem Turm unweit der Lippe. Die Seherin kommunizierte in dieser Funktion nur über Verwandte, die die Anfragen und Antworten übermittelten. Munius Lupercus, der Legat der XV. Legion, wurde im Bataveraufstand 69/70 nach der Eroberung des Lagers Vetera bei gefangen genommen. Er wurde von den Eroberern unter Iulius Civilis zur Seherin gesandt, doch wurde er aus unbekannten Gründen unterwegs getötet. Die Brukterer und die Bewohner von Köln, die sich durch die Römer bedroht sahen, verhandelten miteinander, wobei Veleda und Iulius Civilis angerufen wurden. Quintus Petilius Cerialis nahm Kontakt zu den beiden Schiedsrichtern auf, um den Krieg zu beenden. Veleda hatte den Aufstand der Bataver unter Civilis und den Sieg der Bataver vorausgesagt, was ihr nach Tacitus einen großen Prestigezuwachs eingetragen hatte. Möglicherweise sah Tacitus die Seherin in Rom persönlich. Nach der Unterdrückung der batavischen Revolte wurde Veleda im Jahr 77 von den Römern gefangen genommen. Aus einem bei Ardela, unweit Rom, entdeckten Spottepigramm auf Veleda, das in Form eines Orakels abgefasst ist, glaubt man, das Städtchen sei zeitweise Aufenthaltsort der gefangenen Veleda gewesen. Im Jahr 88 wurde Cornelius Tacitus (ca. 58-120) Prätor (höchster Justizbeamter) und ein Priester der Sybillinischen Weissagungsbücher. Im folgenden Jahr wurde er zum auswärtigen Dienst beordert und war vier Jahre lang in einer Provinz tätig. Unter Nerva wurde er im Jahr 97 Konsul. Trajan ernannte ihn um 112 n.0 zum Prokonsul der Provinz Asia. Im Jahr 98 erschien die Prosaschrift „De origine et situ germanorum“, die sogenannte „Germania“. Darin berichtet er über die Weissagung bei den Germanen: „Zeichendeutung und Los spielt auch bei den Germanen eine große Rolle. Das Verfahren beim Losen ist einfach. Man schneidet einen Zweig von einem Fruchtbaum in kleine Stücke, ritzt auf jedes gewisse Zeichen ein und wirft sie aufs geradewohl über ein weißes Tuch hin; ist es eine öffentliche Sache, so hebt der Priester, in Privatangelegenheiten der Familienvater unter Gebet und Aufblick zum Himmel drei Späne nach einander auf und gibt sodann aus den eingeschriebenen Zeichen seine Deutung. Sind sie verneinend, so erfolgt an dem laufenden Tage keine zweite Befragung; wenn bejahend, so bedürfen sie immer noch der Bestätigung durch die Auspicien [Vorausschau aufgrund weiterer Zeichen].“ Hat Tacitus das von Veleda selbst erfahren? Aus dem Bericht wäre möglicherweise der Gebrauch des Runen-Systems ableitbar, doch es könnte hier auch die Verwendung runenartiger Begriffszeichen beschrieben worden sein.

Vespasians Sohn Titus beendete den Jüdischen Krieg und Vespasian wurde im Juli 69 in Alexandria von den dortigen Truppen zum Kaiser erhoben, am 22.12.69 vom Senat als Kaiser anerkannt. Ende September 70 n.0 brach der letzte jüdische Widerstand, der vier Jahre lang getobt hatte, in Jerusalem zusammen. Es begannen die Aburteilungen der Rebellen und die Gladiatorenspiele der Sieger. Ob schon der niederländische Bataveraufstand und die Veleda von der neuen Runen-Religion des Erul beeinflusst waren, wissen wir nicht, umso sicherer ist die antijüdische Stimmung dieser Zeit im ganzen Imperium anzunehmen. Wie üblich von Seiten der Sieger wird eine antijüdische Greuelpropaganda von den heimkehrenden Legionären verbreitet und ausgewalzt worden sein. Beispielsweise die Ermordung der jüd. Friedenspartei und des Hohenpriesters Hananias, durch die fanatischen Zeloten, schon bei Kriegsausbruch im Jahre 66, mitsamt den römischen Soldaten, denen man freien Abzug aus Jerusalem versprochen hatte, die aber sämtlich ermordet worden sind.

Zurück zu Erul, der allein nicht gewesen sein wird, zusammen mit kimbrischen und keltischen Kameraden meisterte er das große Abenteuer der langen Wanderung, über die Ostalpen, in die Nordheimat Jütlands zurück. Auf diesem gefahrenvollen Weg, der eine Gruppe von Verschworenen zusammenschweißen kann, unter Eruls Führung, wird der Kern der kimbrisch-herulischen Wodan-Anhänger gediehen sein. Auf ihrem Rückmarsch muss sich Erul mit seinen Getreuen im Odenwald längere Zeit aufgehalten und schon dort seinen neuen Anbetungs-Gott nachhaltig gepriesen haben. Dass der röm. Gott Merkur dem germ. Wodan entspricht, gilt durch eine Vielzahl von Nachweisen als unstrittig, nicht allein wegen des Vergleichs röm. und germ. Wochentagsnamen. Die Anbetung Wotans im Odenwälder Bezirk, durch Germanen die sich Kimbern nannten, bezeugen röm. Grenzposten des 2. bis 3. Jhs., welche sich jeweils versuchten, mit den regionalen Gottheiten ihrer Standorte gut zu stellen, indem sie ihnen Weihesteine widmeten. Vier derartige steinerne Ehrungen des „Kimbern-Gottes“ Wodan-Merkur wurden gefunden. Ihren eigenen Gott Merkur schätzten die Römer sehr wohl, aber die Weihesteinstifter wandten sich speziell an den Merkur der am Standort sesshaften Kimbern, denn der musste als Kraftmacht und Herr der Region über den stärksten Einfluss verfügen -, und das war eben Wodan. In Miltenberg am Main lag ein Kohorten-Kastell zur Sicherung des Limes, der röm. Grenzbefestigung -; es spricht von der Anwesenheit der röm. Besatzungssoldaten von etwa Mitte des 2. bis Mitte des 3. Jhs. Auf dem Gipfel des nahen Greinberges errichteten sie ein Merkur-Heiligtum, zu dem die beiden Weihesteine zu Ehren des „Mercurius Cimbrianus“ gehörten. Beide sind etwa zeitgleich, einer davon wurde 191 n.0 durch einen in römischem Dienst stehenden Reiterhauptmann gestiftet. Um 450 m vom Berggipfel fand man einen primitiv gehauenen, um 5 m langen, nadelförmigen Sandstein mit der ungeschickt geschlagenen Inschrift: „INTER TOUTONOS C A H I“. Unklar ist die Funktion des Steines, der keine Parallelen hat. Der Schriftzug scheint den germ. Stammesnamen der Teutonen zu meinen, das Wort „INTER“ deutet am ehestens auf eine Funktion als Grenzstein hin. Weitere vorhandene Buchstaben erklären sich als angefangene, unvollendete Worte. Der Stein wurde am Fundort gebrochen, bearbeitet, aufgestellt und beschriftet. Doch viel eher ist der Touto-tatis „Vater des Stammes / Volkes“, als väterlicher Führer in Krieg und Frieden, (westindogerm. toutā = Volk) gemeint, wie bei der Inschrift von Bingen: „Mercurius Toutenus“ -; so dass es immer schwieriger wird, den kelt. Teutates vom germ. Wodan zu unterscheiden. Die Bearbeitung des Greinberger Steines entspricht nicht dem Formgefühl und der Tradition eines röm. Handwerkers. Es könnte ein unbeholfener Versuch gewesen sein, einen toutonisch-wodanischen Herrschaftsanspruch über das südliche Maingebiet kundzutun, was eine entsprechende Kultgruppe voraussetzt. Die weiteren Inschriftsteine fand man gegenüber von Heidelberg am Neckar auf dem Heiligenberg, dessen vorderer Gipfel Michaelsberg genannt wird. Auf ihm war ein genordetes Mercurius-Heiligtum errichtet das in christl. Zeit von einer Michaelsbasilika überbaut worden ist. Zu den dortigen archäologischen Funden gehören die Weihesteine für den „Mercurius Cimbrianus“ und „Mercurius Cimbrius“.

Scheint es also gesichert, Römer seien bei ihrem Vordringen in „Germania prima“ bis zum Main-Limes im Odenwald auf Ansiedlungen von wodan-gläubigen nordgermanischen Kimbern gestoßen, die entweder auf ihrem Südmarsch ab 120 v.0 dort hängenblieben, oder den Vernichtungsschlachten der Jahre 102 und 101 v.0 zu entkommen vermochten ? Die zweite Ungewissheit: Ist aufgrund der nachweislichen Wodan-Verehrung, darauf zu schließen, dass es sich um Rückwanderer aus Italien gehandelt hat ? Antwort gibt die Betrachtung der historischen Abläufe. Erul, in Begleitung seiner kimbrisch-teutonischen Mannschaft, müsste vor der Periode der ariovistschen und cäsarischen Kriege Germanien auf seinem Weg nach Skandinavien durchzogen haben. Er wird als charismatischer Glaubensverkünder - unterstützt von seiner Jüngerschar - im kaum besiedelten Odenwald, zunächst einmal eine sichere Bleibe gefunden haben, aber auch auf besonders offenen Ohren und Herzen gestoßen sein. Der Eindruck den die weitgereisten, welterfahrenen Italienfahrer hinterließen, in den dortigen Weilern unerfahrener Landsassen, muss bei den begeisterungsfähigen Jünglingen ein starker und dauerhafter gewesen sein. Die Botschaft vom Asen-Gott, der mehr vermöge als der alte Himmels-Gott, der seinen vertrauensvollen, tapferen Kindern den Sieg über Rom nicht gönnte, begann seine Kreise zu ziehen. Eine geringfügige Gruppe von Teutonen könnte hier zurückgeblieben sein, so dass einer ihrer Nachfahren die Veranlassung verspürte, sich an dem verunglückten „Teutonen-Menhir“ zu versuchen. Naheliegend wäre aber anzunehmen, dass hier in diesen verschwiegen Waldgebieten die Truppe der Rückwanderer durch hinzukommende Versprengte angewachsen ist, sich formierte, um dann weiterzuwandern durch die Gaue der Chatten, Hermunduren, Cherusker, Winiler, Chauken, Altsachsen und Angeln, den Küsten der germanischen Meere zu. Ungefährlich erscheinenden Gästen, die etwas von der Weltweite zu sagen wussten, bot man in Germanien zu allen Zeiten nur allzu gern Schlafplätze und Wegzehrung, hungerte man doch nach Neuigkeiten, die im grauen Alltagsleben für Abwechslung sorgten. So werden Einzelne und einzelne Sippen auch die erulische Wodan-Predigt vernommen, aufgenommen und sie weitergereicht haben, doch nie erfasste der Wodan-Kult ein Volksganzes -, noch viel weniger die Runenschrift, welche Erul zu dieser Zeit wohl schon im Kopfe, doch sicherlich noch nicht voll ausgereift, im Gepäck hatte.

Wann der Runenmeister von seiner aufwühlenden Vision ergriffen wurde, die zur runischen Schrifterfindung führte, vermögen wir nicht zweifelsfrei zu ergründen. Gesichert bleibt allein, dass dieser Mann existierte und dass er als Namenspatron anzusehen ist für die späteren Erilari, die Runenmagier, wie ebenso für die beweglichen, kampffrohen Wanderscharen der Eruli/Heruler. Die quirligen, streitbaren Heruli erschienen bald an vielen west- und osteuropäischen Orten. Sie wurden im Jahr 286 wegen deren Einfälle in Gallien erwähnt und herulischen Seeattacken an den spanischen Küsten. Zusammen mit den Goten waren sie gleichermaßen im Osten aktiv, seit dem 3. Jh. am Nordrand des „Schwarzen Meeres“ und dem östlichen Mittelmeer, bis ins 6. Jh. in den Nachrichten belegt. Unter ihrem Führer Odoaker (um 433-493), dem „Od-Erwachten“ stüzten sie den letzten weström. Kaiser und wählten Odoaker zum „König von Italien“. Der oström. Historiker Prokop berichtet in seinen „Historien“ (um 550 erschienen), dass die Heruler sich gespalten hätten und ein Teil nach „Thule“ (Skandinavien) zurückgekehrt seien. Ein anderer aber, in Südungarn verbliebener Teil, erbat einen neuen König von dort. Die Heruler hielten von allen germanischen Völkern oder Kultgruppen am längsten an ihem Glauben fest. Im Jahre 493 kämpften sie für Odoaker in der verlustreichen „Rabenschlacht“, um Ravenna. Im Jahre 508 erlag ihr Reich und ihr König Rudolf (Rodolf, Odulf = Od-Wolf) den Langobaden. im Jahr 512 errichteten Reste beim heutigen Belgrad ein vom Ostrom geduldetes kleines Reich. Der oström. Der Gote Jordanes (?-552) veröffentlichte i.J. 551 die „Getica“ („Gotengeschichte“), die im Auftrag von Ostgotenkönig Theoderich dem Großen verfasst wurde. In der „Getica“ erwähnt er die skandinavische Gruppe der „Otingi“ („OT/OD-Anhänger, Gläubige der OD-Religion“). Kaiser Maurikios (539-602) fügte an seinen Namen den Triumphzusatz „Herulicus“ bei, aus dem hervorzugehen scheint, auch er hätte einen Sieg über Heruler-Gruppen errungen. Dann schweigen die Quellen.

Über die Besonderheit der Heruler schreibt der Religionswissenschaftler und Mediävist Karl Helm (1871-1960), in „Altgermanische Religionsgeschichte, Bd. II., die Ostgermanen (1937) S. 45f: „Von den Herulern zeichnen die Quellen ein geradezu abschreckendes Bild eines wilden, jeder Kultur und Gesittung unzugänglichen Volkes. Sie tragen die Farben so dick auf, daß man unschwer erkennt: es ist eine jener Verzerrungen, wie sie in politischen Pamphleten jeder Zeit gegenüber einem unbequemen Gegner üblich sind. Offenbar haben die Heruler an hergebrachter Sitte strenger festgehalten als andere Germanenstämme, auch in der Religion. Sie wählen sich zwar im Jahre 471 den christlichen Skiren Odowakar zum König und einige von ihnen sind gewiß damals Christen gewesen. Aber das Volk als Ganzes blieb heidnisch. Bei der Einnahme von Joviacum in Pannonien im Jahre 480 töten sie den dortigen Presbyter [kirchenchristlicher Agent]. Und jener Teil des Volkes, der im Jahre 512 nach Skandiavien heimkehrte, war auch damals noch heidnisch. Erst Justinian gelang es im Jahre 527, die südlich der Donau wohnenden Heruler zu bestimmen, insgesamt die Taufe anzunehmen. Mit Namen wird einer ihrer Führer Gretes genannt…“

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 Mit der Wiederfindung des germanisch-keltischen Kultkalenders haben wir die frische Möglichkeit, nach einem über tausendjährigen, zum Schweigen gebrachten mythologisch-religiösem Gedankengut, unseren Kindern der Zukunft ihren geistigen Urbesitz wieder anzubieten. Gnosis heißt Verbindung mit dem Urheil aufnehmen, nennen wir es Gott. Aber es muss der rechte Gott sein, keiner der die Nationen und insbesondere unser deutsches Volk hasst und als Amalekiter verachtet. Die Wissbegierigen und Heilsuchenden müssen keine Zuflucht zu anti-nordischen Mysterien suchen, wie dem Judäo-Christlichen, Buddhistischen, Fernöstlichen -, die real-esoterische Pforte des ODING-Wizzod steht jedem Heimkehrer ins Ahnenland und Kinderland des Großen Morgens offen.   

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Datum: 09.06.2002 18:57
Autor: Guntram
Betreff: Germanische Gnosis

Der Begriff Gnosis stammt vom griech. Wort gnosis, das soviel bedeutet wie „Erkenntnis“. Erkenntnis ist das zentrale Anliegen dieser religiösen Bewegung, der die verschiedenen zusammenfließenden philosophischen Anschauungen des Altertums zugrunde liegen. Anfänge der Gnosis sind im 1. Jh.v.0 erkennbar, im 2. bzw. 3. Jh.n.0. stand sie in ihrer Blüte. Es gab mehrere unterschiedliche Schulrichtungen, so dass sich die „Gnosis“ kaum eindeutig charakterisieren läßt. Einige Grundelemente sind jedoch durchgehend anzutreffen, so wie diese, dass dem Menschen auf dem Wege der Erkenntnis seine Erlösung zuteil werde. Überhaupt ist er, der Mensch, das eigentliche Objekt dieser Erkenntnis. Er erkennt sich in der Gnosis selbst, seine Herkunft, seine Bedeutung und das Ziel seiner weltlichen Wanderung. Das erreicht er nicht durch ein verstandesmäßiges Erkennen, die gewünschten Antworten sind nicht aus eigenem Denken zu gewinnen, vielmehr werden sie durch ein sich offenbarendes Erkennen geschenkt. Ganz wichtig ist dabei die Überzeugung, dass die Erkenntnis zwar allen Menschen gleichermaßen möglich wäre, aber nur von einigen Auserwählten in Gestalt eines esoterischen Schatzes gefunden wird.

Eine von allen gnostischen Systemen mitgetragene Idee war der tief verwurzelte urheidnische Gegensatz der beiden Prinzipien: Geist und Materie. Die Gnosis ging von der Existenz einer guten und einer böse Welt aus, zwischen denen andauernder Kampf herrscht. Das Geistige, Gute, Lichte und Schöne steht gegen die Materie, das Böse und Finstere -, und zwar vom Uranfang an. Dieser Zustand wird etwa so erklärt: Ganz im Anfang war die Welt eine Einheit, doch ein Wesensbestandteil der Urharmonie schied freiwillig aus, verließ sie und aus dem daraus resultierenden Sturz aus der ersten Welt entstand eine zweite, die sinnliche, stoffliche, irdische. Es geschah etwas, was nach Auffassung mancher, nicht hätte sein dürfen. Unbestreitbar schien, dass der Geist sich zur Materie entäußern und in sie hinabsinken, doch die Materie sich nie zum Geist erheben kann. Jene in die Materie gestützten göttlichen Funken sind die menschlichen Seelen, die in dieser Welt als Gefangene des Fleisches nicht heimisch werden können, sich in den Niederungen gefangen fühlen und zurücksehnen. Daraus resultieren Angst, Verlorensein, Herumirren und Heimweh zur guten lichten Urheimat.

Um den Weg der Befreiung zu finden, bedarf es eines göttlichen Offenbarers, der dem Menschen den Weg der Gnosis/Erkenntnis weist. Dieser Erlöser wird gleichgesetzt mit dem Urmenschen oder der Urseele/Weltseele, dem Gottwesen, das auch Vertreter der Einzelseelen ist. Er ist Erlöser und Erlöster zugleich. Er befreit die weltlichen Seele mit seinem Ruf aus der niederziehenden stofflich-sinnlichen Welt. Der ideale Anspruch der Gnosis wäre in dem Augenblick erfüllt, wenn keine personale Offenbarer- und Erlöser-Gestalt das Rettungswerk vollbrächte, weil diese viel zu stark an die Welt gebunden wäre, sondern eine unkörperliche, rein geistige Wesenheit, wie es beispielsweise ein Buch, eine Heilige Schrift oder unsere, rechten Rat raunenden Runen sein würden. Der gnostische Befreier ist die so beschaffene Personifikation der göttlichen Offenbarung. Dieser herbeigesehnte Erlöser, dieser Rufer der Seelen zu Gott wird heute wieder erkennbar in der Geistgestalt des Od-ing, des Od-Kindes. Es ist die Kundgebung einer germanischen Gnosis.

Erlösung vollzieht sich durch die Offenbarung; allein das befreiende Wort ist maßgebend. Für die germ. Schule war es das Wort: ODING. Es und die damit verbundene Erkenntnis, gewinnt man in der Gnosis nicht auf die gleiche Art, wie man ansonsten zu Einsicht und Weisheit gelangt. Das Wort muss man hören und annehmen, dann wird man sich an seinen Ursprung erinnern, dann erhält man blitzartig die erleuchtende Erkenntnis und ist dementsprechend Erlöster und Gnostiker. Der Mensch erkennt dann sowohl Gott, sein eigenes Ich, als auch die Verworfenheit der Welt. Gnosis bedeutet schlagartige Einsicht, und das Wesentliche daran ist die Wiedererinnerung. Der Mensch muss sich daran erinnern, woher er eigentlich stammt und was er eigentlich ist. Auch heute noch können die Runen den Menschen schlagartig daran erinnern, dass er ein Germane bzw. ein nordischer Mensch ist, der zurück will zu seinem Geistgott und in seine nordische Geistesheimat.

Ausschlaggebend mag wohl zunächst das verlockende Angebot gewesen sein, einfach mehr zu wissen. Die Gnosis bietet ein Mehrwissen an, gleichsam ein Höherwissen. Ihre Schulen versprechen ein grundlegendes Wissen und eine allumfassende Deutung von Erdenwelt und Kosmos. Hinzu kam, dass die Gnosis geprägt war von einem Freiheitsschwung: „Ich bin in das Heiligtum eingetreten; mir kann nichts mehr widerfahren.“ So ergeht es auch noch uns Heutigen. Wer das Oding ergriffen hat, wer von ihm ergriffen wurde, der ist nach Hause gekommen, er bedarf keiner höheren Weihen mehr -, er ist gerettet!

Zu einer strengen Weltverneinung und totalen Askese muss die Gnosis nicht zwangsläufig führen, das Sich-über-die-Welt-Stellen konnte eine Art Erhabenheit und in seltenen Randgruppen sogar Ausschweifung und Zügellosigkeit zur Folge haben. Die stoffliche Unterscheidung von Männlichem und Weiblichem erschien auf der Ebene der Seele und des Geistes als unwesentlich, weshalb das Eins-Werden angestrebt wurde und die Frauen keine der damals gewöhnlichen Zurücksetzungen erfuhren. Überwunden ist hier der Abscheu des iranischen Zervanismus vor dem weiblichen Geschlechts und des sexuellen Faktors. Recht modern anmutend strebte die Gnosis eigentlich eine Vergeistigung und Veredelung und Überwindung der grobmateriellen Sinnenwelt an. In den gnostischen Gemeinschaften und Schulen wurde die jeweilige Offenbarung weitergeführt, wobei man davon ausging, dass der göttliche Offenbarer weiter in die Gemeinde hineinspricht. Dies geschieht vornehmlich durch den Mund des Schulgründer und dessen Nachfolger.

Guntram