„Der Mensch hat entweder Götter, oder er hat Komplexe“, erkannte der Seelenforscher C.G. Jung und beantwortet damit schon im Kern die Frage nach Wert oder Unwert allen Gottsuchertums. Der Anschauungsunterricht erweist es: Menschen, die sich - warum auch immer - von ihren herkömmlichen Gottesbildern lösen, werden entweder psychotisch oder schaffen sich in kürzester Frist Ersatzgötter in Gestalt schwärmerisch geglaubter Ideologien, die sie dann nicht weniger unkritisch-inbrünstig verfechten wie andere ihre konfessionellen Überzeugungen.
An anderer Stelle sagt Jung: „Unter allen meinen Patienten jenseits 35, ist nicht ein einziger, dessen endgültiges Problem nicht das der religiösen Einstellung wäre. Ja, jeder krankt in letzter Linie daran, dass er das verloren hat, was lebendige Religionen ihren Gläubigen zu allen Zeiten gegeben haben, und keiner ist wirklich geheilt, der seine religiöse Einstellung nicht wieder erreicht ..“ Ebenso überdenkenswert wie die Seelengesetze, denen der Einzelne folgt, sind jene, denen Gruppen, Gesellschaften, Völker unterliegen. Ausnahmslos alle freiwillig erbrachten großen Leistungen der Menschheit gründen auf nichts anderem als auf einer emporreißenden kraftschenkenden Gottesgewissheit. Ein Werk über das Alltagsbedürfnis hinaus ist anders gar nicht denkbar. Wer also die Menschheit auf ihre Unterleibsfunktionen der Fortpflanzungs- und Verdauungsorgane beschränken will und ihr die gleichermaßen lebenserhaltende Mitverankerung in einem jenseitigen, spirituellen Bezugs- und Haltepunkt abspricht, dem mangelt es an Verantwortungsgefühl oder Urteilsfähigkeit - wahrscheinlich verfolgt er selbstsüchtige Interessen.
Einige der bedeutendsten Physiker gestanden ein, sie waren mit den Mitteln naturwissenschaftlicher Logik immer nur auf der Suche nach Gott - dem Wahrheitsgrund des Menschen und der Welt. Dass sich physikalische Erkenntnisse der Neuzeit, also Wissenschaft und traditionelle Gottesvorstellungen keinesfalls gegenseitig ausschließen müssen, beweisen Worte von Max Planck (1858 - 1947): „Es gibt keine Materie an sich. Alle Materie entsteht und besteht nur durch eine Kraft, welche die Atomteilchen in Schwingung bringt und sie zum winzigen Sonnensystem des Atoms zusammenhält. Da es aber im gesamten Weltall weder eine intelligente noch eine ewige Kraft gibt, so müssen wir hinter dieser Kraft einen bewussten intelligenten Geist annehmen. Dieser Geist ist der Urgrund aller Materie. ... so scheue ich mich nicht, diesen geheimnisvollen Schöpfer ebenso zu benennen, wie ihn alle Kulturvölker der Erde früherer Jahrhunderte genannt haben: Gott.“
Die Vielfalt wirkmächtiger Erscheinungen auf eine einzige zentrale Urkraft zurückzuführen und zu verdichten, liegt in der Tendenz fast aller Religionen. Auch Naturvölker verehren über all ihren Geistern und Gottheiten den „Großen Geist“. Der Eingottglaube (Monotheismus) ist uralt. Ein monistischer Theismus erweist sich als Grundzug der indoarischen Veda-Erläuterungen. So steht geschrieben: „Gott ist der Eine, in allen Wesen verborgen, alldurchdringend, das innere Selbst aller Wesen.“ (Śvetasvatara-Upanishad VI,11) Und in der Völuspa, dem urreligiösen Kernstück der germanischen Edda heißt es: „Da reitet der Mächtige zum Rat der Götter, der Starke von oben, der alle steuert.“ Aus jener indogermanischen Grundströmung des Denkens, die Gott und Welt als eine Verwobenheit begriff, schöpfte der deutsche Mystiker und Prediger Meister Eckehart (1260 - 1327), der dafür den Meuchelmord durch die päpstliche Inquisition erleiden musste. Und als der Philosoph Spinoza (1632 - 1677) gleiche Gedanken darlegte, wurde er wegen „schrecklicher Irrlehren“ aus der jüdischen Gemeinde ausgestoßen. Auch er erwog die Einheit von Gott und Natur, da alles, was ist, aus der einen Substanz notwendig entsteht. Alle Dinge und Ideen sind Daseinsweisen der einen Substanz. Danach ist Gott die einzige, unteilbare, unendliche Grundbeschaffenheit der Wirklichkeit. Als Ursache seiner selbst ist Gott zugleich die „innebleibende Ursache“ aller Dinge. Ein außerirdischer, jenseitiger Gott ließe sich nach dieser Weltsicht ebensowenig denken wie ein der Gesamtsubstanz nicht angehörendes Etwas.
Die einzige Ur-Kunde, welche über das Gottesverständnis unserer germanischen Vorfahren unmittelbar Auskunft geben könnte, ist die Sinnbildreihe von 24 Runenzeichen, etwa vom Beginn unserer Zeitrechnung. Zu diesem Quellenzeugnis schrieb der bedeutende Religionswissenschaftler J.H. Hauer in seiner Arbeit über die Herkunft der Runen (S. 284) folgendes: „Darum wagen wir die Vermutung, daß diese Reihe in ihren Grundzügen ein Kernstück der Einweihung der jungen Geschlechter bei den Germanen bildete. Wenn in der Edda von der Einweihung in die Runen die Rede ist, dann handelt es sich nicht nur um die Kenntnis der Runenzeichen und der Runensprache, sondern auch um den tiefen Inhalt, der den Zeichen gemäß der Reihenfolge des Futhark innewohnt. Das Futhark in seinem symbolischen Charakter war sozusagen der Kerbstock der Weistumsüberlieferung. An Hand dieser Reihe mögen die Lehren vorgetragen worden sein. Man kann mit Recht vermuten, daß im Zusammenhang mit den verschiedenen Zeichen, etwa dem fehu-, uruz-, Thurs-, dem Tyr-, dem Odin-, dem Pferde-, dem ng-Zeichen die großen Mythen über diese Götter erzählt wurden. Auch sie bildeten den tieferen Inhalt oder Hintergrund der Runen.“
50 Jahre nach ihrer Niederschrift fanden diese Vermutungen ihre volle Bestätigung durch Entschlüsselung und Wiederbegreifbarmachung des Runenkanons. Das germanische Gotteslied ist für alle, die hinhören mögen, wieder vernehmbar geworden. Bei linksläufiger Lesung heißt die Runenreihe nicht mehr FUThARK, sondern ODiNG. Aus dieser Sicht offenbart sie uns den germanischen Allgott, den Asen Wodan/Wodin (), in bester indoarischer Tradition als verehrungswürdige - der Welt innewohnende - höchste und einzig wahre universale kosmische Schöpferkraft. Das Runensystem ist durchmathematisiert; es belehrt in Gestalt von Wort und Zahl: 24 Symbole - in ihrer Quersummierung die Zahl 6 - vertreten die Weltgesamtheit, deren göttliche Bewegungsenergie, der „Genius der 6“ (Summe der 6 =21), auf 21. Runenposition steht: = Ase Wodan, welcher sich nach Zahl und Zentralsilbe „od“ als Od-Gott, Seelenkraft des Kosmos offenbart. Das Viele fügt sich zu Einem, und das Eine ist aus dem Vielen zusammengefügt - alles ist gleich nahe zu Gott ! Da Wodan die All-Evolution von innen lenkt, also Schöpfergott ist, so muss er, der 21er, in seinem „Produkt“ (Summe von 21 = 231 mit Quersumme 6) wieder die Weltzahl 6 hervorbringen.
Dem Menschen einen Glauben schenken, heißt seine Kraft verzehnfachen. Also verkündet die runische Gotteslehre WODINals unbestrittenen gemeingermanischen Gottesgeist. Der deutsche Mensch, der sich ihm verschreibt und weiht, hat heimgefunden zu seiner angestammten Volksreligion, hat die Wiederverbindung (Re-ligio) mit seinem höchsten Heil und Haltepunkt vollzogen - er lebt in Gottes Namen.