Copyright Ⓒ Gerhard Hess - 17.10.1993

Kalendarisch-zahlenmythologische Angaben
zum Mond-Sonnenjahr
im nordisch-bronzezeitlichen Kunstwerk
Im Jahre 1902 wurden beim Pflügen im Trundholmer Moor nahe Nyköping auf Seeland / Dänemark die Bestandteile eines sechsrädrigen bronzenen Kultwägelchens gefunden, dessen Gesamtlänge nach geglückter Wiederherstellung 60 cm betrug. Zu ihm gehört eine einseitig mit Goldblech belegte Diskusscheibe. Sie trägt auf beiden Seiten eingravierte Spiralen und konzentrische Kreise. Das Zugpferdchen mit ähnlichen Verzierungen auf Kopf, Hals und Brust war mittels eines Bändchens durch die Öse an der Sonnenscheibe so verbunden, dass der Eindruck erweckt wurde, als zöge das Tier die goldblinkende Sonne. Aus etwa gleicher Zeit blieben Felsritzungen (z.B. Balken / Tanumshede / Bohuslän / Schweden) und Zierbilder auf Rasiermessern (z.B. Viborg / Jütland) erhalten, welche ebensolche Sonnenpferdchen zeigen. Eine Messergravur (Ketting / Laaland / Dänemark) stellt das Rösslein mit dem Kopf nach unten dar, wie es die Sonne über das Weltenschiff zieht. Nach nordischem Mythos bewegt sich die Sonne bei Tage von Ost nach West (also für den Beobachter von links nach rechts) vom Pferde gezogen - mit oder ohne Wagen, bei Nacht zurück auf einem Schiff von West nach Ost. Aufgrund stilistischer Kriterien ordnet man das Trundholmer Kunstwerk der älteren Bronzezeit (1.700-1.000) zu; es wird auf 1.400 v.0 datiert.
Es darf davon ausgegangen werden, dass diese nordische Kultur von einer Zentralgewalt gelenkt wurde, denn politische Kleinstaaterei wäre unfähig gewesen, die archäologisch erkennbare, gleichartige Ausprägung über viele Tausende Quadratkilometer hervorzurufen (Prof. Müller-Karpe während Tagung zum Chronolog. Projekt, Bonn, 21/22.2.1981). Rohmaterialien konnten von weit her erhandelt werden, doch gewiss waren auch schon eigene Kupfer- und Zinnvorkommen erschlossen. Zinn holte man aus England. Kupfererze baute man z.B. auf Helgoland und Hellerö / Schweden ab. Bei Hallunda, südwestlich von Stockholm, fand sich eine rechteckige Werkhalle für Bronzeverarbeitung von 20 m Länge mit Steinfundament. In ihrem Inneren standen nicht weniger als 12 Erzöfen aus gebranntem Ton. Der Bronzeguss verlangte größere Spezialwerkstätten und Fachleute, die sich ausschließlich mit diesem Handwerk beschäftigten, die ihre eigenen Beobachtungen und die überlieferten Erfahrungen von Generation zu Generation weitergaben und so einen neuen Stand zu hohem Ansehen brachten, den metallbearbeitenden Künstler, den Schmied. Betrachtet man die Besonderheit einer solch frühen Schöpfung wie den Sonnenwagen von Trundholm aus mythisch-sakraler wie auch aus fertigungstechnischer Sicht, dann ist daraus zwingend die Berechtigung abzuleiten, jedes Detail auf eine möglicherweise vorhandene symbolische Aussage hin zu überprüfen. So ist es erfahrungsgemäß zulässig, die ornamentalen Bildelemente als Zähleinheiten zu betrachten und auszuwerten. Die Zahlensprache der alten Zeit suchte ihre wesentlichsten Vorbilder im kosmischen Anschauungsunterricht der Gestirnsbewegungen. In den Zeiten von Sonne und Mond schienen sich Wille und Maß der höchsten göttlichen Kraftmächte abzuzeichnen.
An einem Septemberabend des Jahres 1993 machte ich es mir mit den exakten Darstellungen des „Sonnenwagens“ - die ich von meinem Freund, dem Archäologen Dr. Kurt Kibbert übernommen hatte - auf meiner Liege gemütlich, um die diversen Verzierungselemente des „Sonnendiskus“ durchzuzählen. Die Kirchturmsuhr schlug Mitternacht, als ich wie elektrisiert erfuhr, dass sich das von mir vermutete und erhoffte luni-solare Jahresschema im bronzezeitlichen Kunstwerk zu entschleiern begann. (Veröffentlichung u.a. 1994 in DGG, 42. Jg. Nr. 3 - ISSN 034-5710 -- Juni 1994 in Pen-Tuisto 34, ISSN 1015 - 1664)
Die Bestandsaufnahme der zählbaren Einheiten auf dem Trundholmer Kunstwerk führt zu Ergebnissen, welche mit dessen kultspezifischem Charakter übereinstimmen. Der Ornamentalschmuck beider Diskusseiten besteht grobvisuell aus jeweils 6 konzentrischen Dekorringen die sich um den jeweiligen Mittelpunkt legen. 3 dieser Dekorringe auf beiden Diskusseiten sind gebildet durch Aneinanderreihungen von Medaillons, geformt aus zentrischen Liniengravuren, die wir als „Kreischen“ bezeichnen. Auch beide Mittelpunkte werden jeweils durch ein derartiges Kreischen gebildet. Es bietet sich an, diese Medaillons als Gestirnsdarstellungen bzw. als Sönnchen und/oder Möndchen zu deuten.
VORDERSEITE
Die Kreischen der goldbelegten Diskusscheibenseite erweisen folgendes Zahlengefüge: Der innere Dekorring wird aus 8 Kreischen gebildet, der mittlere aus 8 Pärchen mit insgesamt 16 (2 x 8) Kreischen, der äußere aus 27 Kreischen. Insgesamt handelt es sich also um 52 Kreischen. 3 der Dekorringe bestehen aus Strichelungen, 3 aus Kreischen, wir addieren den Mittelpunktkreis dazu und gelangen zu 7 Zähleinheiten. Multiplizieren wir 7 mit der Gesamtsumme von 52 Kreischen, resultiert daraus die altgebräuchliche Annäherungszahl der Tage des Jahres: 364.
Die Gesamtzahl der Kreischen setzt sich aus vier Zähleinheiten (27 + 16 + 8 + 1) zusammen. Die 4 als Zahl der möglichen Lichtgestalten des Mondes, wie auch der jährlichen Haupt-Sonnenstände (Äquinoktien / Solstitien), vertritt Mond- und Jahressymbolismus. Das Jahr und die 13 galten als Sinnbilder der Zeit schlechthin. 13 war eine der signifikanten Zahlen des eranischen Zeitgottes Zervan. Da im luni-solaren Kalendersystem das notwenige Schaltjahr des 13. Regulationsmonates bedarf, wurde die 13 zum Zeit- und zum Ordnungssymbol. Bei Aufsummierung der 13 entsteht 91, welche mit 4 multipliziert auch zur Sonnenjahres-Tagezahl 364 hinführt.
Die Lichtkörper-Kreischen der goldbelegten Seite des Diskus weisen unterschiedliche Größen auf. Sie sind in 27 + 1 = 28 größere sowie 16 + 8 = 26 kleinere Kreischen zu unterscheiden. Die Zähleinheiten 27 und 28 deuten auf den Zeitweiser Mond hin. Benötigt er doch für seinen Erdumlauf einen „siderischen Monat“ von 27,322 Tagen. Aber der „synodische Monat“, also die Zeit zwischen zwei Neumonden, beträgt im Mittel 29,531 Tage. In 28 sind die 4 Phasen des Nachtgestirns vollkommen enthalten (4 x 7 = 28), welches nach Vorstellung der Alten in seinem Rundlauf auch 28 Sternengruppen durchwandern muss. 13 Mondmonate von 28 Tagen ergeben das Jahr von 364 Tagen. Da jeder Monat 4 Phasen hat, ergibt sich eine zeitliche Feinrastereinteilung von 52 Mondzeitsegmenten („Wochen“) pro Jahr, mit der ersichtlich die nordische Bronzezeit ihre Kalenderordnung gestaltet hat.
Auch der Kalender der Essener-Kultgruppe bei Chirbet Qumran, vom Beginn heutiger Zeitrechnung, umfasste 364 Tage, eingeteilt in 4 Quartale je 91 Tagen. Von den 12 Monaten des Jahres hatten die 4 letzen Monate der Quartale jeweils 31 Tage, die restlichen 8 Monate 30 Tage. Jedes Jahr hatte 52 Wochen, ein neues Jahr begann immer mit einem Mittwoch. Das Jahr, die „Wanderung Gottes durch die Zeit“, ist zu verstehen als ein kosmisches Produkt aus Sonne und Mond. Bei des Sonnenjahres Wochenzahl von 52 (Quersumme 7), à 7 Tagen, ist die Tagesanzahl also 364 und deren Quersumme 13, dem Zahlensymbol des Jahreszeichens (
) im gemeingermanischen Kalendarium des ODiNG-FUÞARK-Systems.

RÜCKSEITE
Die Rückseite des Sonnendiskus besaß, nach Auffassung der Fachgelehrten, zu keiner Zeit einen Goldblechüberzug. Seine ornamentale Gestaltung gleicht mit wenigen Abweichungen der Vorderseite. Auf dem äußeren Dekorring reihen sich nur 25 Kreischen. So ergeben beide Dekorringe, der vordere und rückwärtige, schon jene Jahresmondphasenanzahl 52. Im mittleren Dekorring stehen hier 20 Kreischen. Addiert man die 16 Kreischen der Frontseite hinzu, ergibt das 36 - eine Summe, die neben ihrer arithmetischen Bedeutung (sie ist Produkt der ersten Quadratzahlen: 4 und 9) sich auch wieder als Jahres- bzw. Kreisberechnungsziffer präsentiert. Tatsächlich stellte man sich den Kreisumfang (Himmelskreis) aufgrund sehr alten Herkommens in 360 gleiche Teile oder Bogengrade zerlegt vor. Die beiden Diskuszentren mit jeweils 9 Kreischen (1 Zentralkreischen, um den sich 8 Kreischen gleichabständig herumgruppieren) sind identisch; sie ergeben zusammen 18 mit Quersumme 9. Die Addition sämtlicher vorhandener Kreischen erbringt 106. Dazugerechnet die beiden gleichgestaltigen Augen-Kreischen des Sonnenpferdchens, produzieren die Endsumme 108 (12 x 9) mit Quersumme 9, jener Zahl der gemeingerm. sowilo- / Sonnen-Rune (
) im ODiNG-FUÞARK-Buchstabensystem. Das Dazuzählen der Pferdeaugen entspricht keiner Willkür, sie sind nicht als Tieraugen gestaltet, sondern eindeutig als Sonnen-Kreischen.

DIE ZAHL 108
Die Gesamtzahl aller Kreischen der goldbelegten Seite beträgt 52, die der Rückseite 54. Gleiche Zahlen erhält man bei anderer Addition. Die kleinen Kreischen von Vor- und Rückseite zusammengenommen ergeben 52, von großen Kreischen sind 54 vorhanden. Beide Zahlenwerte wurden demnach planvoll hineingearbeitet. Zusammengerechnet mit den Pferdeaugen-Kreischen erscheint die Zahl 108. Sie bliebe ohne Widerhall, wüssten wir nicht, dass sie in der hinduistischen und buddhistischen Tradition heiliger Zahlen eine bedeutende Rolle spielt. So tanzt die Sonneninkarnation Krishna im gewiss tiefsinnigen Symbolismus im Kreise mit solch einer Zahl von Gopis, die sich auf der höchsten Stufe der vollkommenen reinen Liebe und Hingabe befinden. Für die Buddhisten ist es die Zahl der Arhats, jener verklärten, vollendeten Heiligen; aber auch der Perlen des Rosenkranzes sowie der Bände tibetanischer heiliger Schriften. Das ODiNG-FUÞARK-Runensystem etwa vom Beginn unserer Zeitrechung demonstriert mit 6 Vokalen und 18 Konsonanten (6 x 18) = 108 Urstammsilben der germanischen Sprache. Die Zahl 108 - Produkt aus 36 x 3, oder 6 x 18, oder 4 x 27, oder 12 x 9 - scheint demnach ein sehr altes heiliges Vollkommenheitssymbol (Kreissymbol) zu sein, das über die indogermanische Brücke nach Nordeuropa bzw. andererseits nach Zentralasien gelangte.
SONNENRUNDJAHR UND MONDJAHR
Es führt darüber hinaus ein Rechenweg der Trundholmer Zahlenangaben zum Mondjahr von 354 sowie zum altherkömmlichen Sonnen-Rundjahr von 360 Tagen. Das altindische und babylonische Jahr bestand ursprünglich aus 360 Tagen - und das Hinzufügen von 5 Festtagen zu den 12 ägyptischen Monaten legt nahe, dass das ägyptische Jahr einst auch 360 Tage umfasste. Auf diese Weise war die Kreisbahn der Sonne im Ekliptikgürtel auf der Himmelskugel in 360 Teile zerlegt, von denen jeder einem Tag und einer Nacht entsprachen. Gehen wir davon aus, dass die beidseitigen Kreischen in den Mittelpunkten der Diskusseiten die Position 1 vertreten, dann stehen die beiden kleinsten Dekorringe mit 8 Kreisen für Position 2, die beiden mittleren Dekorringe mit 16 bzw. 20 Kreisen lägen auf 3. Stelle und die beiden größten Dekorringe mit 27 bzw. 25 Kreisen stehen auf Platz 4. Multiplizieren wir nacheinander die Anzahl der Kreischen aller 3 Dekorringe mit dem Wert ihrer Ringpositionen, dann ergibt sich folgende Rechnung:
Zwei Zentrums-Kreischen x 1 = 2; der beiden ersten Ringe 16 Kreischen x 2 = 32, der beiden zweiten Ringe 36 Kreischen x 3 = 108; der beiden dritten Ringe 52 Kreischen x 4 = 208. Die Addition der vier Ergebnisse erbringt 350. Die hinzuzurechnenden beiden Pferdeaugen erhöhen auf 352. Nun übersah die ausgeklügelte kultische Mathematizität der alten Weisen keine Details, die uns Heutigen, bei dem soviel größeren Spielraum kommunikativer Möglichkeiten, leicht entgehen würden. Dem Trundholmer Kultobjekt dürfen wir eine kleinlich-genaue mathematische Symbolsprache unterstellen. Der gesamte zweiseitige Sonnendiskus gleicht jedem einzelnen der hineingepunzten Kreischen-Gebilde. Mit diesen beiden Großkreischen erhalten wir die Tagesanzahl von 354 eines Mondjahres, bestehend aus 12 synodischen Mondläufen (von Neumond zu Neumond) à 29,5 Tagen.
Zusätzlich wurde die unvergoldete Diskusseite die exakte Halbsumme der Mondjahreszahl hineingearbeitet: Zentrumskreischen x 1 = 1, plus kleine Kreischen 8 x 2 = 16, plus Mittelring 20 x 3 = 60, plus großer Ring 25 x 4 = 100, ergibt 177 (177 x 2 = 354). Da der Trundhomer Meisterschmied seine Schöpfung zweifellos als eine Ganzheit ansah die das Mond-Sonnenjahr symbolisieren sollte, wäre sein Gedankengang in etwa nachvollziehbar: Die unvergoldete „sonnenlichtlose“ Diskusseite ist unverkennbar beauftragt die Nachtzeit-Mondzeit zu vertreten - aber nur der Mondjahres-Halbwert von 177 Tagen darf erscheinen, weil auch die Diskus-Goldseite bei der vollen Zählung des Gesamtmondjahres beteiligt ist.
Will man sämtliche Kreischen-, Scheiben- und Radgebilde des Gesamtkunstwerkes erfassen, so muss man zur Summe 354 auch die 6 Räder des Wagens addieren und man erhält 360, die Tageszahl des alten Sonnen-Rundjahres, gleichzeitig die Kreiszahl von 360°. Mit nachvollziehbarer Logik sind es gerade Radkreuze welche zur Tageszahl des Sonnenjahres ergänzen, ist doch das vierspeichige Rad als bronzezeitliches Sonnensymbol aus einer Menge von Bildbelegen der Kleinkunstwerke und der bronzezeitlichen skandinavischen Felsbilder bestens bezeugt. Der aufschlussreiche, fein gearbeitete Sonnenwagen scheint also nicht nur befähigt, ein Zeugnis abzulegen von hochentwickelter Ästhetik nordischen Kunstschaffens, sondern die Rechnungsgrundlage der Organisation eines frühgermanischen Mond-Sonnen-Jahres (lunisolares Schema) zu bezeugen.
QUERSUMMENZIEHUNGEN
Gesichert ist die Feststellung, dass in den Sonnenwagen die Zahlen des Mond- und des Sonnenjahres hineingearbeitet wurden. Als weniger glaubwürdig möchte man gern die zahlenmythologischen Deutungen bezeichnen die aufgrund von Ziffernsummen, also Quersummenziehungen, zustande kamen. Könnten die Mathematiker der nordischen Bronzezeit überhaupt schon Quersummenziehungen zuwege gebracht haben, ist eine so frühe Zahlenmystik vorstellbar und mit welchem Rechensystem wird damals gearbeitet worden sein ?
In der Tat erscheinen Quersummenziehungen nur möglich innerhalb des heutigen Dezimalstellensystems, welches über die Vermittlung der Araber von den Indern übernommen wurde und sich erst ab dem 12. Jh. n.0 zunehmend als Allgemeingut des Abendlandes ausweitete. Es ist fähig, mit den wenigen Zahlensymbolen von 0 bis 9 auszukommen; 10 ist dabei die Basis- oder Grundzahl - nur deshalb, weil eben der Mensch 10 Finger besitzt, die er natürlich benutzt, um die Dinge, die er auszählt, zu kontrollieren. Solche selbstverständliche Art der Zählweise, über 10 hinaus wieder mit einer höheren Qualität der 1 zu beginnen, zeigt sich bei vielen Indianerstämmen in dem Begriff für 11 = „Fuß-Eins“. Waren die 10 Finger erschöpft, nahm man die Zehen zu Hilfe. Die Hochschätzung der 10 als Vollkommenheits- und Basiszahl ist von menschlicher Anatomie also zwingend vorgegeben und mithin älter als die Erfindung des indischen Dezimalstellensystems; sie basiert in Europa nachweislich auf sehr alter Tradition. Sie wurde von den Pythagoreern in der tetraktys, der „Vierheit“, ausgedrückt, da die 4 Grundelemente unserer Welt und die ersten 4 Zahlen die Summe der „heiligen Zehnzahl“ ergibt. Und so, wie diese Schule von 10 Weltkörpern ausging, zeigt das vielleicht geistesverwandte Ritzbild auf dem bronzezeitlichen Rasiermesser von Hviving (Aarhus / Dänemark) neben den beiden großen Strahlenkreisen, die sicher Sonne und Mond darstellen, acht weitere, also insgesamt zehn Himmelskörper-Darstellungen, die um das „Weltenschiff“ herum gruppiert wurden. Wie zur Bekräftigung dieses Befundes zeigt der geschwungene Griff ein Ornament von zehn Gürtellinien. Und nach Platons Atlantisbericht waren es 10 Könige, die das Reich der nordeuropäischen Atlanter regierten.
Die Griechen nutzten zwar ihr gesamtes Alphabet zur Zahlenbezeichnung, und auch die Römer besaßen mehr als 10 Zahlzeichen; somit ist eigentlich eine Quersummenziehung, welche sich auf die 10 Grundzahlen verkürzen möchte, kaum denkbar. Trotzdem jedoch war sie im Gebrauch und kann durchaus auch in germanischer Bronzezeit bekannt gewesen sein. Der römische Schriftsteller Varro (116-27 v.0) beschrieb die Quersummenziehung als ein Mittel, um größere Zahlen - z.B. im Orakelbrauch - auf ihre besonderen beweiskräftigen Elemente hinabzumindern, indem Zehner, Hunderter, Tausender als Einer gezählt wurden. Man nannte das regula novenaria, weil man dabei die je neun Zehner, Hunderter, Tausender in einheitlicher Weise vornahm (Varro, de lingua latina IX, 49, 886 p. 166). Bereits im 4. Jh. v.0 gebrauchte der griechische Philosoph Speusippos, der die Ideenlehre Platons zu einer Zahlentheorie gestaltete, den Fachausdruck der Quersumme. Und der Neuplatoniker Theodoros von Asine verwendete in der ersten Hälfte des 4. Jh. quersummierendes Verringern der Zahlenbuchstaben zu spekulativ-theoretischen Zwecken. Er übte also schon eine Rechenoperation, welche sich erst in unserem Dezimalsystem so sehr viel leichter durchführen lässt. Völlig auszuschließen ist es demnach nicht, dass die nordische Bronzezeit bereits mit Quersummenrechnungen hantierte - dafür war kein Dezimalstellensystem erforderlich, sondern nur ein dekadisches Weltverständnis, welches Veranlassung gab, jene Zahlengrößen, die 10 überstiegen, durch Quersummenziehung auf einen Wert unter 10 zu verdichten. Alle von mir vorgestellten zahlenmythologischen Gedankengänge liegen demnach im Bereich des Möglichen.

