WODINS WALHALLA-ZAHLEN
Wie lautete nun eigentlich die ODING-/ Asen-Lehre zusammengefasst ? Sie ruft unzweideutig auf zu einem tapferen Leben im Dienste Wodins. Wer die Gefährdungen, die vielfältigen irdischen Nöte bezwingt, die Anfeindungen, die notwendigen Lebenskämpfe, die Prüfungen besteht, der geht ein in Gimles „dritten Himmel“ der dauernden Seligkeit (Gylf. 3 u. 51), unerreichbar für alles Niedere, Unholde.
Wer sich jedoch für den schweren Weg des reinen Kriegers entschieden hat, und diesem Weg der Treue für das Rechte und Göttliche unbeirrbar bis zum Preis seines Kampftodes für Wodin zu folgen vermag, wird die Freuden Walhalls („jenseitige Halle gefallener Kämpfer“) erleben. Was steht darüber geschrieben ?
Die bedeutsamste Zahlenangabe im altnordischen Weisheitsbuch „Edda“ findet sich im Grimnismål = Grimnislied, Vers 23. Da heißt es: „Fünfmalhundert(zwanzig) Tore und vierzig dazu sind in Walhalls weitem Bau; achtmalhundert(zwanzig) Einherier gehen aus einem Tor, wenn sie auszieh'n, zu wehren dem Wolf.“ 1.)
Der mythologische Strophensinn scheint unmissverständlich. Räumliche Gegebenheiten Walhalls werden beschrieben. Wir erhalten Angaben über die Bauweise der jenseitigen Totenhalle seliger Geister. Es ist zu erfahren, dass aus jedem der himmlischen Tore 8x100 / 120 Lichtritterseelen heraustreten werden, um den Endkampf gegen die wölfischen Finsternis- und Chaosmächte (
) auszufechten.

Wie viele Tore Walhall aufweist, teilt die erste altnord. Strophe mit: Fimm hundruð dura - oc um fiórom togom = „Fünfhundert Tore und vierzig dazu“. 540 Tore sollen es demnach sein. Multipliziert man diese Walhalla-Zahl mit den 800 Einheriern = „Einzelkämpfern", entsteht die Zahl 432.000. Doch ein schwerwiegender Einwand lässt den Fragenkomplex zwielichtig erscheinen, denn lassen wir sprachwissenschaftliche Strenge walten, ändern sich die Zahlenverhältnisse. Hätte der Autor betreffender Edda-Strophe wirklich allein die Zahl 100 nach dem Zehnersystem gemeint, hätte er entweder „tio tiger“ oder „hundruð tirott" geschrieben. Er gebrauchte jedoch die Bezeichnung „hundruð“, die fürs Großhundert von 120 Einheiten üblich war. 2.) Schon Hugo Gering interpretierte in diesem Sinne (Komm. I, 1927, 196). Der ältere Wortgebrauch ging von 120 Einheiten aus, der jüngere, wie auch im heutigen Island, von 100. Wollen wir das Grimnismål als eine eher urtümliche Dichtung verstehen, müssen wir mit den Angaben von 120er Werten zurechtkommen. 3.)
Wir wollen den Versuch wagen, unter Zugrundelegung korrekter Übersetzung einen mythischen Sinn jener nun sich ergebenden Zahlenverhältnisse zu ergründen. Die Walhalla-Zahl errechnet sich also: 5x120=600 und 40 dazu = 640 -, und schon erhalten wir ein sehr viel sinnvolleres Ergebnis. Die erscheinende 64 ist eine hochbedeutsame Raumzahl, nämlich der Kubikwert der Grundordnungszahl Vier; 4x4x4=64. Die QS von 64 ist 1, d.h. es handelt sich um den urtümlichen Gottesraum schlechthin, denn 1 galt nicht eigentlich als Zahl, sondern als Ursprung, als Geberin, Anfang und Fundament aller folgenden Zahlen. Diese Meinung vertraten die Pythagoräer, ebenso wie Euklit, bis hin zu den Mystikern des Mittelalters und beispielsweise dem deutschen Rechenmeister Köbel, 1537. Somit erklärt sich die geheimnisvolle Walhalla-Zahl als Metapher für das göttliche Urwesen und den göttlichen Urraum. 64 Felder besitzt das aus Altindien stammende Schachspiel, das den ewigen Wettkampf zwischen Schwarz und Weiß, den Kräften des Lichtes und jenen der Finsternis, symbolisieren soll.
Auch die Gesänge des Rigveda, die das gesamte heilige Wissen Arioindiens in sich vereinigen, führen den Namen „Die Vierundsechzig“. Das aus 64 Hexagrammen aufgebaute „I-Ging“ der Chinesen ist fähig, die vielfältigen Erscheinungsformen der Welt und der Zeit symbolhaft einzufangen. Es handelt sich um eine rein zeichenhafte Beschreibung des Universums.
Angesichts solcher Entsprechungen und Seitenstücke aus der Geistigkeit anderer alter Kulturen, erscheint die spätgerm. Walhalla-Zahl 640 hoch verständlich. Sie verkündet unüberhörbar die Bedeutung der Achtzahl, ist sie doch das Produkt aus 8x80. Diese Sinngebung wird verstärkt durch die „atta hundruð“ (8x120), für den Endkampf der gegen die wölfischen Chaosmächte aus jedem Tor hervorgehenden Einherier. Da die Zahl der streitbaren Lichtseelen, wie gezeigt, ebenfalls mit „atta hundruð“ angegeben ist, handelt es sich um 8x120=960 Geistwesen, die aus jedem der 640 Walhallatore ausziehen. 96 ist, ebenso wie 64, eine Vielfache der Gotteszahl 8=Tiu-Tyr (
). Er galt wie wir wissen als Herr des Raumes und musste folgerichtig auch durch das zweite Runenzeichen, die Doppelaxt-Rune (
), versinnbildlicht werden, welche zur ersten Raumzahl hinführt: 2x2x2=8 (
). Nicht nur bei Pythagoräern galt 8 als Zahl des vollen Körpers, der Himmelsharmonie und der Gerechtigkeit. Für die „beträchtliche Rolle“ der „Achtzahl in Runenkunst und Runenmagie“ vermochte auch W. Lange keine einleuchtende Erklärung anzubieten und stellte deshalb fest: „Die relative Häufigkeit und das Gewicht der Zahl muss also aus anderem Ursprung zu erklären sein.“ Auch die Bedeutung der 12 als Kosmos-Chiffre und Tierkreisbilder- / Ekliptikzahl wurde uns bekannt. Folgerichtig weist die Runenphilosophie die 12 als Weltenbaum-Eibenbaum-Ideogramm (
) aus. Die runischen Zahlenzuordnungen des ODING 4.) sind nicht zum Verwundern, sondern bestätigen überraschend genau, lang vermutete Zusammenhänge zwischen Zahl und Gottheit, geradeso wie es Plutarch von den Pythagogräern berichtete: „Sie beehren Zahlen und Figuren mit dem Namen von Gottheiten.“ (Iside et osiride c 76).




Schon ind. und ägypt. Kultsysteme beruhten auf der 8-Zahl. Der ägypt. Geistgott Thot wurde „Herr der Acht“ genannt. Auch Wodin galt als Reiter des 8-beinigen Weltenrosses Sleipnir. Die altheid. Vorstellung, dass die Heroenseelen in die vergöttlichende hochgeachtete 8-heit, besser 8x8-heit, verklärt würden, übernahm selbst der späte Christianismus, sagte doch der belesene Kirchenlehrer Clemens aus Alexandrien: „Jene, die Christus wieder zum Leben gebiert, die werden in die Achtheit versetzt !“, d.h. in den geistigen Kosmos, den allumfassenden für den Menschengeist aber letztlich unfassbaren Gottesraum.
Dass sich die dreiwesige Gottheit („welche war, ist und sein wird“) in Gestalt ihrer Achtheit dreimal ins System der 24 runischen Kosmosbausteine eingliedert - isländ. „aettir“ genannt - bedeutet uns heute nichts mehr als Spielerei. Schon die Griechen teilten ihr 24 Buchstaben umfassendes Alphabet in drei 8-er Gruppen. Für einstige zahlenmythologisierende Theosophen galt dies als Offenbarung himmlischer Harmonie. Ebenso, dass die QS von 24 wieder die Kosmoszahl 6 ergibt, die arithmetische Summe der 6 aber 21, mit QS 3, und die Addition der Gesamtheitvon 24 Runen als QS wiederum 3 präsentiert, das mutete wie eine zahlengestaltige Gottesoffenbarung an. Die arithmetische Addition der 21, mit Ergebnis 231, weist die ersten drei Zahlen auf, wieder mit QS 6. Solche Zahlensprache macht klar, warum Ase-Wodin, die Weltseele, der heilige Gottesgeist schlechthin, im Runensystem mit Zahl 21 (
) markiert wurde. Er erscheint gleichzeitig als 21er, als Herr der 8-heit und der Kosmos-6 und stellt selbst die Gottestriade dar (21=2+1=3).

Die Einherierzahl 960/96 ergibt sich aus 3x32. Man darf dabei an die 32 Spielkarten denken, die so weit verbreitet sind, oder an die Anzahl der Schachfiguren. Zwei Scharen, bestehend aus jeweils 16 Kämpfern, stehen sich hier gegenüber. Ein für den apokalyptischen Endkampf bereitstehendes Einherier-Heer, bestehend aus 60x16=960 Glanzseelen, müsste nach mythischer Logik altgläubigen Denkens als eine unüberwindliche Macht gelten. Insbesondere auch deshalb, weil die letzte QS-Kernzahl von 960 wiederum 6 ist (9+6=15=1+5=6).
Nun heißt es aber, dass aus jedem der 640 Tore Walhalls 960 Gottesstreiter dem Weltenwolf entgegentreten werden. Das wären 640x960 = 614.400 gute Geister; diese Menge ergibt in QS ebenfalls 6 (6+1+4+4=15=1+5=6). Die Frage erhebt sich: Welche mythisch-symbolische Aussage liegt in der Zahl 614.400 / 6144 verschlüsselt ?
In Anbetracht vergleichbarer religionshistorischer Anschauungen ist es unzweifelhaft, dass die Seelengesamtheit der Gottesstreiter mit ihrer Gottheit gleichgesetzt wurden. Unter Zugrundelegung einer reifen, ethischen Hochreligion - und solche darf entsprechend der Quellenlage für die urgerm. Gesellschaft in Rechnung gesetzt werden - galten die lichtgeistigen Einherier als Erscheinungsformen bzw. Teilwesenheiten des Lichtstreiter-Gottes selbst. Sie waren gewissermaßen die Funken des großen, guten Geistfeuers, welches gegen die Finsternismächte auflodern sollte. Jeder irdische Held, beseelt vom göttlichen Glanzhauch, wurde im Tode zu einem Lichtalfen / Asen / zu einem „Licht des Heils“. Seine Lebenskraft floss mit dem irdischem Ableben zurück zur Urpotenz der jenseitigen guten feurigen Weltseele. So lautete die große erhebende Glaubenshoffnung.
Es gibt eine Erklärungstheorie, mittels der wir die Gedankengänge des Schöpfers der Edda-Strophe im „Grimnismål“ 23 nachvollziehen und damit seine Einherierzahl von 614.400 möglicherweise enträtseln können. Erschien diese Zahl vielleicht deshalb so hochbedeutsam, weil sie zum einen QS 6 trägt, gleichzeitig aber die Vielfache der wichtigsten mythischen Zahlen darstellt ? Sie ist durch 2,3,4,6,8,12,16 und 24 teilbar. Sie besitzt also 8 Divisoren innerhalb des (auch runischen) Systems der 24 heiligen Zahlen.
Die 24 bzw. 6 sind zu begreifen als Schlüsselzahlen der germ. Gotterkenntnis. Jeder Spielwürfel, wie sie auch in germ. Völkerwanderungszeit-Gräbern gefunden wurden, besitzt ja 6 Seiten. Das auf dem wikingerzeitlichen Gokstad-Schiff abgelegte Spielbrett trug bei Rekonstruktion nach quadratischer Symmetrie auf 13x13=169 Quadrateinteilungen 24 durch Verzierungen herausgehobene Spielfelder, ebenso das auf der Rückseite aufgetragene Mühlespiel, welches bekanntlich 24 Spielpunkte besitzt. Alle diese Spiele entstanden zweifellos aus mystisch-mythischen, rituell-divinatorischen Urgründen und dienten auch ebensolchen Zwecken. Die 2-Parteien-Spiele erwuchsen aus den Vorbildern religiöser Ideen eines Weltverständnisses vom Kampf zwischen Weiß und Schwarz, zwischen „Gut und Böse“, - Geist und Materie.
Beim Bemühen, antikes Zahlendenken nachzuempfinden, ist zu beachten, dass die Alten mit den einzelnen Zahlen zwar bestimmte Ideenbilder verknüpften, dass aber das Erlebnis der Zahlen doch nicht ausschließlich und hauptsächlich vom Symbolwert einzelner Zahlen bestimmt war, sondern vom Verhältnis der Zahlen zueinander und der vernetzten Bezüge untereinander. Das war es, was die hervorragende Bedeutung der pythagoreischen Zahlensystematik ausmachte: mittels Zahlensystemen die Welt der Erscheinungen zu erklären und durch Nutzung solcher Hilfsmittel hochzuschließen auf das Transzendente, Jenseitige, Göttliche. Also den Weltlogos erfassbar zu machen. Den heidn. Gottsuchern waren diese Zahlenkräfte eine unbezweifelbare geistige Erfahrung. So ist es von Griechen bezeugt und gesichert. Und, dass die germ. Runenmystiker den gleichen Weg gegangen sind, erweist die heutige Runenforschung. 5.)
Die pythagoreischen Zahlenmystiker rechneten auch mit der Summe der Teiler, um Zahlenverwandtschaften, auch „Zahlenfreundschaften“ (griech. philoi arithmoi) genannt, herauszufinden. Die 1 als Teiler wurde dabei mitgerechnet. Die Teiler von 6144 sind: 1,2,3,4,6,8,12,16,24,32,48,64,96,128,192,256,384,512,768,1024,1536,2048,3072. Die Summe dieser Teiler ergibt eine interessante Zahlenfolge, nämlich: 10236 mit QS 12=3. In der Sprache der Zahlenmystik heißt das noch exakter als es die QS von 6144 bereits verkündete: Die Gesamtheit der Einherier ist identisch mit der Lichtgeistmacht die sich in der 3-Zahl (Lichttrinität) ausdrückt. Darüber hinaus wird die Reihe 1,2,3 vorgeführt, die zur 6 hinführenden ersten drei zahlengestaltigen Metaphern. Die überragende Bedeutung dieser Zahlen ist bereits vermittelt worden. Doch wir lassen unterstreichend Ernst Bindet zu Wort kommen, welcher erklärte: „... dass unter den vollkommenen Zahlen die 6 nicht bloß an erster Stelle, sondern auch an oberster Stelle steht, weil sie ihre Vollkommenheit auf die grundlegendsten Zahlen überhaupt, auf die Zahlen 1, 2 und 3, stützt.“ 6.) Derselbe Autor führte ebenfalls „Die Zahl 123 als Mittelpunktgebilde des Irrationalen“ vor. 6.) Es handelt sich um eine Zahl, welche Wegweiser ist zum Metaphysischen, einer vom Menschenverstand letztlich unbegreiflichen Wesenheit, - ein Bezirk, der mit der Gottesidee zusammengeht.
Interessant ist, dass sämtliche Divisoren der Einherierzahl 614.400 / 6144 als Zahlenwerte der „ersten drei Oktaven der Weltseele“ auftreten, wie sie in Timaeus Locris angegeben werden, einem pythagoreischen Werk, das einer kürzeren Version von Platons Timaeus ähnelt. 7.) Es handelt sich dabei um eine fortschreitende Folge von 24 Tönen und Halbtönen, ausgedrückt in dafür charakteristischen Zahlen. Die Annahme des Pythagoras von der „Musik der Sphären“ ging davon aus, dass die einzelnen Töne eines jeden Planeten zusammenklingen würden, um eine universale Harmonie hervorzubringen, - gewissermaßen eine musikalische Ausdrucksform der zahlenmäßigen Struktur des Kosmos.
Es bietet sich neben all diesen Überlegungen aber eine viel naheliegendere Erklärung für diese Edda-Zahl an: 614.400 wäre aufzuteilen in 600.000 und 14.400. Die mythische Bedeutung der 6 ist hinreichend bekannt, der Sinn von 14.400 / 144 aber weniger. Ein germ. Großhundert, von dem unsere zahlenmythologischen Feststellungen ausgingen, ins Quadrat gehoben (120x120), ergibt 14.400 bzw. 144 was als „dickes Dutzend“ gilt. Es ist eine Vervielfältigung der heiligen 12-Zahl. Die Multiplikation der beiden wichtigsten Zahlen des Ur-Runensystems - 6x24 - lässt ebenso 144 entstehen, wie auch die Addition aller ungeraden Zahlen von 1 bis 24 (1+3+5+9+11+13+15+17+19+21+23=144). Die sogenannte Präzession, der jährliche Rücklauf des Frühlingspunktes, beträgt in 72 Jahren 1°. In 72 Jahren mal 360° läuft der Frühlingspunkt einmal um die gesamte Ekliptik. Diesen Zeitraum von 25.920 Jahren nannte man ein Äon oder das Große- bzw. Gottesjahr. In 1440x18=25.920 Jahren rundet sich das Gottesjahr, kehrt der Frühlingspunkt an seinen Ausgangsort zurück. Die Zahl 1440 erweist sich also auch als eine nicht unwichtige Zeitrechnungsgröße - ebenso wie die alternative Edda-Zahl 432.000, das Produkt aus 3x144.000 ist. Es besteht kein Grund zu erschrecken, wenn wir diese Zahlengrundlage in jüdisch-christlicher Bibel wiederfinden, und zwar in gleichem Sinne wie in der nordgerm. Edda. In „Offenbarung des Johannes“ (14/1+3; 21/17), einer aus iran.-indogerm. Gnosis kommenden, eigentlich ganz heidn. Schrift, wird in visionärer Schau die kubusgleiche himmlisch-geistige Stadt (Jerusalem) beschrieben, die sehr wohl mit german. Walhalla-Vorstellungen vergleichbar wäre. Ihre Mauerhöhe soll „144 Ellen“, und 144.000 Stadien der Umfang der apokalyptischen Himmelsstadt betragen. An anderer Stelle werden die 144.000 Auserwählten, die „Erstlinge Gottes“, gepriesen. Es sind jene, die vor Beginn des letzten Gerichtes um ihren Gott geschart auf dem Nordberg stehen (hier Berg Zion genannt); die ihrem Geistvater verschrieben sind, ihm also bedingungslos angehören. Auf ihren Stirnen prangt sein Zeichen. Ebenso wie die zum „Letzten Gefecht“ bereiten Einherier Odins, sind das die reinen gottestreuen Menschenseelen, an denen nichts Falsches gefunden wurde. Ich denke, dass solche deckungsgleichen Übereinstimmungen kaum zufälliger Natur sein können, dass vielmehr eine Urübereinstimmung mythischer Betrachtungen sichtbar wird. Wie viele andere religiöse Mythen, Gleichnisse und Symbole kann die Bedeutung der „neutestamentischen" 144 aus dem indogerm.-iran. Kult entlehnt worden sein. Andererseits jedoch müsste in jedem Religionssystem, in dem die Zwölfzahl Hochschätzung erfährt, die (12x12=)144 gesteigerte Bedeutung erlangen. So benötigen die zorastischen Priester 144 Tage oder fünf Monate, um die Gesamtheit der 144 Ritualtexte (Yasnas) und 144 Ritualgesetze (Vendidads) des mazdayasnischen Messopfers zu rezitieren. Als ursprünglich bzw. originär jüdisch-christlich darf diese Zahl also keinesfalls bezeichnet werden 8.)
Diese Untersuchung vermag sicherlich nicht zu entscheiden, ob als einzig richtige eddische Einherierzahl 432.000 oder 614.400 ursprünglich gemeint war. Die erstere würde mit QS 9 auf 9. Rune, dem Sonnenstrahlsymbol (
), hinweisen - die zweite aber mit ihrer letzten QS-Kernzahl 6, erzählt von der 6. Rune, dem kosmischen Lichtross (
). Man sollte von einem Entweder-Oder absehen und ein Sowohl-Als-Auch in Betracht ziehen. Ja, es scheint recht sicher, dass der Edda-Dichter beide Rechenmöglichkeiten erwogen hat und erkannte, dass sie zu sinnvollen Ergebnissen führen.


Schauen wir beide möglichen Rechenwege zusammen und wagen eine mythische Bewertung, dann läge sogar eine gegenseitige Ergänzung im Bereich des Denkbaren. Zum Sonnengeist (
), oder den Sonnengeistern, gehört unbedingt der Lichthengst (
) bzw. seine Vervielfältigung. Erst aus solchem zahlen-, richtiger runenzahlenmythischen Verständnis steigt uns Heutigen visionär das Bild einstmals gedachter Wirklichkeiten in der Seele auf, nämlich das göttlich-schöne Bild eines waffenblitzenden, großen Heeres, bestehend aus sonnenblondhaarigen, himmelsblauäugigen Heroen, reitend auf schimmernden Schimmeln mit feuerflammenden Mähnen. Ein solches Heer von Gottesstreitern würde die Finsternisse in den Boden hineinstampfen, - in den Stoff zurücksenden, woraus sie allein entstanden sind. Fortgefegt würde der thursische Dämon, der dunkle, stumpfe, herzenskalte mammonistische Drachenwurm, mitsamt den flatternden, leichten Lügengeistern und den ideologische Trugnetze webenden schwarzen Kreuzspinnen dieser Erdenwelt. Dass dies die eddische und weit früher eine der ODING'schen Offenbarungen für die Wissenden war, liegt aufgrund des Zahlenbefundes im Bereich realistischer Deutungsmöglichkeiten.


QUELLEN:
1) „Edda, Die Lieder des Codex Regius“, 1983; Hrsg. Gustav Neckel
2) O.S. Reuter, „Das Rätsel der Edda und der arische Urglaube“, 1922, Bd. I, 62ff
3) W. Baetke, „Wörterbuch zur altnord. Prosaliteratur“, 1976, S. 281
Sprachwissenschaftl. Studienbücher, histor. Laut- und Formlehre des Altisländischen, Heidelberg 1951, S. 127+243
H. Gering, „Glossar zu den Liedern der Edda“, 1907, S. 88
4) G. Heß, „ODING-Wizzod Gottesgesetz und Botschaft der Runen“, 1993
5) H. Klingenberg, „Runenschrift – Schriftdenken“, 1973
6) E. Bindet, „Die ägyptischen Pyramiden als Zeugen vergangener Mysterienweisheit“, 1932, S. 30
6) dto., S. 197
7) J. Michell, „Alte Maßsysteme, Löhrbach“ 1979, S. 51ff
8) J. Jamshedji Modi, „The religions ceremonies and custums of the Parses”, Bombay, 1937