Copyright Gerhard Hess / Februar/März 2021

1. - Das uralt-urgläubige Kultgrab am Agisterstein
(anthropomorphe u. kopfnischengräber)
 
Die Körperformgrabaushöhlung im Agisterstein-Grabblock ist ein sog. Kopfnischengrab (diese haben eine besondere Ausformung für die Aufnahme des Kopfes) das nach bisherigem Forschungsstand in das 12. und 13. Jh. n.0 datiert wird. Der Inaugural-Dissertation von Tanja Potthoff „Die Godesburg - Archäologie und Baugeschichte einer kurkölnischen Burg“, 2009, entnehme ich auf Seite 37 Angaben zum Thema der Kopfnischengräber: „Anthropomorphe Grabgruben, in der Literatur in der Regel als Kopfnischengräber bezeichnet, lassen sich auf vielen Friedhöfen nachweisen und vom 8./9. bis 12. Jahrhundert datieren“, siehe dazu: Morken: HERRNBRODT 1957, 456. Lürken: PIEPERS 1981, 78-84. Während HERRNBRODT die Gräber von Morken zeitlich auf das 10. Jahrhundert beschränken möchte, merkt HINZ mit Verweis auf die dem spätromanischen Chor der Abteikirche Montmajour bei Arles (Frankreich) zuzuordnenden Gräber an, dass sich diese Grabform chronologisch nicht so eng begrenzen lässt: HINZ 1969, 110. Vgl. PIEPERS 1981, 78-84, der die Grabform allgemein vom 9./10. bis zum 12. Jahrhundert datiert. Für Ostfriesland, wo die Grabform ebenfalls verschiedentlich belegt ist, vgl. BÄRENFÄNGER 1997, 55-57.“ Diese Angaben sind aber der Weisheit  letzter Schluss leider nicht ! Spanischen Angaben zufolge werden die u.a. auch anthropomorphen Felsgräber zeitlich meist zwischen dem 9. und 11. Jh. eingeordnet, allerdings werden sie von dem Geschichtswissenschaftler Alberto del Castillo Troncoso bereits in das 7. Jh. datiert. Sie müssen aber noch bedeutend älter sein, was - wie ich meine - der Verwitterungszustand etliche dieser Gräber zu erweisen scheint. Die Gretchenfrage bei der Beurteilung des Agisterstein-Kultgrabes bezieht sich auf das Alter der Anlage, die von kirchenchristlicher Seite in mehreren Publikationen als christlich und hochmittelalterlich beschrieben wird. Auf diese Schriften muss eigentlich nicht detailliert eingegangen werden, weil sie keinen Altersbeweis für ihre These beizubringen fähig sind. Ihr Argument lautet stereotyp, es handele sich beim Externsteingrab, um eine Nachbildung des Jesusgrabes in Jerusalem. Ein typisches Beispiel für die dreiste Verstiegenheit christlicher Interpreten sind die Ausführungen des römisch-katholischen Theologe und Kunsthistoriker Alois Johannes Fuchs, welcher in seinem Buch „Im Streit um die Externsteine - Ihre Bedeutung als christliche Kultstätte“, 1934, schrieb: „Das Felsengrab an den Externsteinen wurzelt als Bogennischengrab vollkommen in der christlichen Tradition.“ Das ist absolut falsch ! Der Agisterstein-Grabsteinfelsen weist in keinem wesentlichen Detail Gleichheit mit den in Frage kommenden Jesus-Gräbern (Grabeskirche, Golgata, Gartengräber) in Jerusalem auf. Die aufwendigen Gräber in Judäa waren mit Verschlusssteinen versehen, sie besaßen keine anthropomorphen Vertiefungen, sondern bankartige oder wannenartige Ablagen im Vorgrab.
 
Weder die Arkosolien also Rundbogen- noch die Kopfnischengräber des Hochmittelalters sind typisch christliche und kirchenchristliche Grabanlagen, sie beginnen erst - nach heutigem Kenntnisstand - sich bei wenigen Vermögenden aus den privilegierten Schichten nach der fränkischen Eroberung Sachsens einzuführen. Der Gedanke ist zwar überraschend und scheint recht gewagt, aber was spräche dagegen, das Agisterstein-Grab als den für diese Grabform vorbildgebenden Prototypen anzusehen ? Die altheidnische Tempelstätte hat mit Sicherheit, nach ihrem grandiosen, trimphalen Umbau zur christlichen Turmkapelle, Aufsehen erregt und Pilger wie Neugierige von weit her herbeigelockt. Dadurch könnte die bis dahin unbekannte, attraktive Form des Kopfnischengrabes in die damals eng vernetzten Klerikerkreise Europas gelangt sein. Man muss sich die Zeitläufe genau anschauen, um zu verstehen, dass mein vorgetragener Gedanke nicht völlig irreal ist: Im Jahre 776 zwang König Karl einen Teil der frankenfreundlichen Edelinge der Sachsen, mit ihm einen Vertrag zu schließen, danach wurde Sachsen als Reichsmark dem christianisierten Frankenstaat einverleibt. Nach dem Sieg der fränkischen Berufsarmee gegen die Bauernkrieger aus Sachsen mussten sich die Sachsen, unter Androhung von Todesstrafen, allesamt taufen lassen, sie huldigen aber noch lange zu einem großen Teil insgeheim ihren alten Göttern. In den Jahren 841-843 erhoben sich die unteren Stände des Sachsenvolkes im sogenannten „Stellinga-Aufstand“ und verlangten ihre alten heidnischen Rechte und Freiheiten zurück. Daraufhin ist im Jahre 843 das Reich „Karls des Großen“ im Vertrag von Verdun aufgeteilt worden und das Ostfrankenreich entstand, aus dem Deutschland hervorging. Schon der sächsische Verfasser der „Sachsengeschichte“, Widukind von Corvey (um 925-973), bekannte sich in vollem Stolz zum Heldentum seines Sachsenstammes. Der rasche Zerfall des Karolingerreiches, nach Kaiser Karls Tod, brachte schon im Jahre 911 dem Herzog von Sachsen, Otto der Erhabene, das Angebot, das Reich zu leiten und im Mai 919 - unter Zustimmung der Franken und Sachsen - wurde der sächsische Fürst Heinrich (876-936), aus dem Geschlecht der Liudofinger, zum ersten ostfränkisch-sächsischen König Heinrich I. ausgerufen. Die die politischen Reichs- und Kirchenangelegenheiten bestimmenden Oberschichten im Ostfrankenreich waren, trotz ihrer oft allzu groben und machtwilligen Weltlichkeit, christlich ideologisiert, was sie nicht hätte abhalten können, sächsische Vorfahren und Einrichtungen der Altväter zu achten und zu loben. Schamhaft verteufelt wurde die vorchristliche Vorzeit keinesfalls, denn man war stolz auf die Reichsleitung durch die sächsischen Liudolfinger, welche nach der Kaiserkrönung von Otto I. der Große (912-973) und dessen Sieg 955 über die Ungarn in der „Schlacht auf dem Lechfeld“, die gradiose Zeit der Ottonen-Kaiser einläutete, vom Jahr 919 bis 1024 (Otto I., Otto II., Otto III.). Nicht unbeachtet darf auch bleiben, dass es sich bei dem altsächsischen Vornamen Od-Odo-Otto (Urbedeutung: Seele, Stammgut) um keinen biblisch-jüdischen Namen, sondern um einen uralten zentralen Heilsbegriff aus der germanischen Eigenreligion handelt. Doch die große Anzahl von Kopfnischengräbern die wir auf der Iberischen Halbinsel finden, lässt unseren Blick und unser Sinnen über weitere europäische Räume gleiten. Und dazu gibt es eine absolute Berechtigung, denn schon zu megalithischen Zeiten gab es außerordentliche Völkerwanderungen von Haplogruppen, wie z.B. die Besiedelung Asturiens, Kantabrien, Galicien, also Nordwestspaniens, durch Nordmenschen. Dort siedelten auch viele Germanen, Westgoten (seit dem maurischen Sieg im Jahre 711) und von hier aus - einem Hort rein europiden Menschentums - hat sich dieReconquista, die Rückeroberung Iberiens gegen den islamisch-maurisch-afrikanischen Ausgriff erfolgreich vollzogen.   
 
Die anthropomorphen (menschenkörperangepassten) Felsengräber Spaniens und andeswo, der oftmals größeren Begräbnis- und Weihestätten, werden zumeist in feiester Willkürlichkeit als „mittelalterlich“ (9. und 11. Jahrhundert) und „christlich“ definiert, obgleich eine Datierung, beim Fehlen von Grabbeigaben und Knochenresten, unmöglich ist. Offiziell heißt es in der jüngeren Netz-Enzyklopädie: „Trotz diversen Zweifeln an der Chronologie ist heute klar, dass die meisten in der Spätantike und im Mittelalter verwendet wurden.“ Die Nekropole „de Saelices-Castrillo de la reina“ (Burgos) besteht aus etwa dreißig Gräbern, die alle auf derselben felsigen Plattform ausgegraben wurden. Alle Gräber sind mehr oder minder deutlich von Südwesten (Kopflage) mit Blick nach Nordosten ausgerichtet. Sie werden - ohne dass man das ernst nehmen müsste - auf das 9.-11. Jh. geschätzt. Mehrere aus Fels gehauene Kopfnischen-Sarkophage finden sich bei der Nekropole „La Nava“ (südl. Burgos, Spanien), des angeblich 14. Jhs. Die Nekropole von Santiuste (Provinz Palencia, Kastilien-León) ist eine kleine Grabstätte, angeblich des 8. Jhs., bestehend aus fünf in den Sandsteinfelsen gehauenen Gräbern, die erwachsenen Personen entsprechen. Die Gräber sind symmetrisch und haben eine anthropomorphe Form, im Allgemeinen mit einem abgerundeten Kopf, einer Trapzoidbox und abgerundeten Fußenden. In einigen Fällen ist die Spitze mit dem Kopf wie ein Hufeisen geformt. Wie an vielen anderen Orten schien ein Felsvorsprung mit Blick auf das Ciruelos-Tal angemessen, um einen Toten in La Covacha de las Monjasoder de los Moros, einem kleinen Bauerndorf, zu Zeiten von Alfons III. (866-910), zu begraben. An diesem Ort, unter den Mulden und Leisten der Gesteinsmasse befinden sich ein Dutzend Gräber, die das einzige Überbleibsel einer ansonsten spurlos verschwundenen Siedlung sind. Keiner kann überzeugend sagen, wie alt die Gräber wirklich sind. Die Spanier nennen diese alten in den Fels oder aus Felsgestein gehauenen Grabtröge „Tumbas antropomórficas“ oder auch „Tumbas Olèrdolana“ (nach einer Ortschaft bei Barcelona) oder „Tumbas visigoticas“ (Westgoten-Gräber). Die kleine Nekropole, im Volksmund „Tumba del Moro“ genannt, östlich von Segovia (La Cabrera, Madrid) aus westgotischer Zeit, weist zehn Gräber auf, neun einfache und eines mit einem anthropomorphen Profil. Letzteres allein ist direkt aus dem Felsen herausgehauen und fast genau mit dem Kopf nach Norden ausgerichtet. Nach den Funden wurden die Gräber zwischen dem 6. bis 9. Jahrhundert datiert. Sie weisen eine ungefähre Länge von 1,85 Metern auf, eine Breite von 0,48 und eine Tiefe von 0,40 Metern. Darin wurden menschliche Skelettreste gefunden. In den Jahren von 494-506 erfolgt die Eroberung großer Teile der Iberischen Halbinsel durch die Westgoten. In mehreren Schüben wanderten sie in Spanien ein und siedelten sich in Innerspanien an, wie die großen Reihengräberfelder in Segovia, Madrid und Burgos zeigen. Diese Gräber - es sind etliche Kopfnischengräber darunter - lassen eine exaktere Datierung zu. Ich zitiere die Inaugural-Dissertation von Antonel Jepure, „Das westgotenzeitliche Gräberfeld von Madrona (Segovia)“, Textband, Würzburg / Madrid, 2006, wo über die in Madrona vorkommenden Varianten folgende Beurteilung gegeben wird; S. 50f: „Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass etwa eine anthropoide Innengestaltung, d.h. mit Kopfnische und Schulterbereich, für Bestattungen in Madrona sehr geschätzt waren, womit also der Innengrundriß ausschlaggebend für die Sarkophagwahl gewesen sein könnte.“ Der der Arbeit zugrunde liegende Fundstoff stammt aus den rund 660 Bestattungen des Gräberfeldes von Duratón, welches sich auf der kastilischen Hochebene befindet, unweit der Stadt Segovia gelegen. Auf den Seiten 53 bis 55 werden als Kopfnischengräber vorgestellt: Grab 137, 151,154, 198, 226 und weitere abgeschwächte Formen. Auf S. 78 weist der Autor darauf hin, dass Gräber zum Vorschein kamen, die teilweise quer zu ihren benachbarten Gräbern lagen, wobei es sich um es sich um SW-NO-orientierte (wie Agisterstein-Grab) und NO-SW-orientierten Bestattungen handelte. Wir haben hier die gesuchten Gräberform bereits aus dem 5. und 6. Jahrhundert vorliegen. Zumindest bei den in SW-NO-Gräbern Liegenden dürfte es sich um bewusste westgotische Heiden gehandelt haben. Das Ergebnis meiner Untersuchungen ist die Feststellung vom Fehlen einer wissenschaftlichen Monographie über Ursprung und Alter der Kopfnischengräber, wobei beispielsweise der Verwitterungsszustand einzelner Grabsteine geprüft werden müsste. Sind sie möglicherweise auf bedeutend frühere Enstehungszeiten zu datieren ? Sicher ist hingegen jetzt schon, dass diese Grabsteinformung bereits zur Westgotenzeit nachweisbar ist und nicht erst im Hochmittelalter.  
 
 
Westgoten-Zeit-Grab - Zeichnung von Antonel Jepure, Seite 53 - (Modena S. 90)
 
2. - Das uralt-urgläubige Kultgrab am Agisterstein
(Arkosolien - Rundbogengräber)
 
Der Kopfnischencharakter des Agisterstein-Grabbaues ist das eine Beurteilungskriterium, ein zweites ist der Rundbogen der sich über der Gablege spannt und damit ein Arkosolium/Arkosol (lat. arcus „Bogen“, solium „Grab“) hervorruft. Rundbogengräber - ähnlich dem vom Externstein-Grabstein - sind in den Nekropolen mehrerer vorchristlicher bzw. heidnischer Kulturen anzutreffen, und zwar in der maltesischen (Salina), thrakischen (Tatul), helladisch-frühgriechischen (Milet), in der griech.-hellenistischen (Termessos), sowie in der römisch-kaiserzeitlichen (Abrittus/Moesia). Die Arkosolien von Malta sind in der Vergangenheit gern als frühchristliche Beispiele für Rundbogengrabformen vorgezeigt worden, doch das war ein Trugschluss. Heinz Warnecke bewies, dass der sog. „Völkerapostel Paulus“ (Apostelgeschichte 28,1) im Jahre 59 n. 0 nicht auf Malta, vielmehr auf der westgriechischen Insel „Melite“ (Kephallenia) gestrandet ist, das bedeutet, die Insel Malta ist nicht wie die Mehrzahl der römischen Provinzen in vorkonstantinischer Zeit christianisiert worden, sondern erst während der Mitte des 4. Jahrhunderts, in dem keine Katakomben mehr angelegt wurden. Die dortigen Katakomben-Akrosolgräber können keine christlichen Erzeugnisse sein, sie sind urmaltesisch-phönizisch-römischer Natur (s. dazu „Die tatsächliche Romfahrt des Apostels Paulus“, 1987). Die maltesische Siedlung Salina liegt nahe der „St Paul’s Bay“, gehört aber zum „Local Council“ von Naxxar. Die Region von Naxxar war, wie Funde in den Höhlen von Tal-Qattara und Ta’ San Brinkaw und Reste megalithischer Bauten in Tal-Qadi und Qaliet Marku zeigen, bereits in Stein- und Bronzezeit besiedelt. Im Bereich der Stadt finden sich Gräber aus Zeiten der Phönizier und die Katakomben von Salina und Magħtab. Auch die Salina-Gräber weisen die für die Steinzeitkultur Maltas typischen Spiral- und Doppelspiralbilder (z.B. Katakomben von Abbatija) auf, welche - wie im hyperboreischen Norden - den jährlichen Sonnenweg symbolisieren. Diese Gräber mögen eventuell noch in christlicher Zeit genutzt worden sein, doch wurden sie nicht in ihr geschaffen. Auch die Gräber an der „Salina Bay“ werden irrtümlich als „römisch-frühchristlich“ bezeichnet. Wären sie durch frühe Christen gebaut worden, ließen sich christliche Motive finden, das ist nicht der Fall. Damit ist gesichert, dass die Spiralornamente vom maltesischen Salina keinesfalls von Christen herrühren können. Die altgläubige Sonnenjahr- bzw. Zeit-Metapher der Doppelspirale ist nachweisbar ein religiöses megalithisches Leitmotiv von Schottland bis nach Sardinien und Malta. Damit sind die Rundbogennischengräber - die sog. Arkosolien - als eine uralte vorchristliche Bauform wahrscheinlich gemacht.
 
Perperikon
 
 
Perperikon-Sonnen-Heiligtum im Rhodopen-Gebirge - zerstörtes Rundbogen-Grab
 
Sicher können wir hinsichtlich der Einordnung des Agistersteins als Lichtkultstätte sein, wo insbesondere Auferstehung, Höchststand und Niedergang der Sonne beobachtet und dem Brauchtum folgend, gefeiert -, wo ebenso auch, resultierend aus dem Sonnenkult, die ewigen Rätsel des Werdens und Vergehens, sowie das Geheimnis um den Glauben an die menschliche Unsterblichkeit umsonnen wurden. Geradezu elektrisierend verwandt erscheinen uns jene heiligen Orte die sich bei dem norditen Kulturvolk der Thraker am Unterlauf der Donau, an der Schwarzmeerwestküste und im nordbalkanischen Osten des Rhodopen-Gebirges finden lassen. Da ist zum einen der Kultberg „Perperikon“, zum anderen das um 40 km südlich gelegene „Orpheusgrab von Tatul“. Die gefühlte genetische Verwandtschaft zwischen den Menschen des europäischen Nordens und des Nordbalkans ist nachweisbar. Die Y-Haplogruppe I1a ist typisch für Nordeuropa. Wir finden sie in Skandinavien, Dänemark, Norddeutschland und England, ebenso im Unterlauf der Donau und Nordbalkan, dem Thrakergebiet, und bei den blonden Skythen der asiatischen Steppen, auch in den Megalithzentren Nordwestiberiens und von Sardinien. Das Zentrum dieser Haplogruppe muss Doggerland und die norddeutsche Tiefebene gewesen sein. Die Hamburger-/Ahrensburger-Kultur, die Maglemose-, Kungmose- und Ertebölle-Kulturen sind aus gleichem Urraum erwachsen. Das ist eine vereinfachte Darstellung, denn die Rassenbestimmung anhand der Haplogruppen-Definition allein über das männliche Y-Chromosom ist problematisch.
 
Perperikon ist ein jahrtausendealter Kultberg, der schon vor 8.000 Jahren, als steinzeiliches Felsenheiligtum, die Menschen anzog und bei den Thrakern zur felsigen Hauptstadt, mit Festung und Königspalast, gestaltet wurde. Noch heutige Überreste der behauenen Steine stammen aus der Jungsteinzeit und Kupfersteinzeit, also von Ende 6. bis Anfang 5. Jahrtausend v.0. Ein interessanter Fund aus dieser Jungsteinzeitsiedlung ist ein Nephrit-Amulett in Form einer Swastika. Bis in die Bronzezeit wurden auf dem Hügel dem Sonnengott Opfer dargebracht. Eines der dortigen Symbole war der fünfstrahlige Sonnenkreis, dessen Strahlen in einem Flammenkranz enden. Das Fragment eines Keramikgefäßes aus mittlerer Bronzezeit, des 15.-12. Jh. v.0, gibt darüber Auskunft. Ein hakenkreuzförmiges Sonnenzeichen fand sich an einem anderen Gefäß des 18. Jh. v.0, wo sechs menschliche Gestalten, es sind  Männer und Frauen, um die Sonne herum tanzen. Ihre Gliedmaßen sind als Blätter, ihre Köpfe als kleine Sonnen dargestellt. Eine gefundene Steintafel belegt den Austausch zwischen dem östlichen Rhodopen-Gebirge und der bronzezeitlichen kretischen, minoischen Kultur, denn auf der Tafel aus dem 15./14. Jh. vor Ztr. sind Zeichen der sog. Linear-A-Schrift eingeritzt.
 
Sie wurde auf der Insel Kreta zwischen 1850-1400 vor Ztr. verwendet. In der Eisenzeit war es schließlich möglich, den Fels mit Werkzeugen zu bearbeiten und es entstanden die ersten in den Stein gehauenen Nischen und geebneten Opferplätze. Bereits im 12. Jh. v.0 hat man auf dem stattlichen Gipfel (470 m), inmitten berückender Landschaften, ehrende Riten für den Sonnengott vollzogen. Dazu wurde nahezu der gesamte Berg mit Treppen, Mauern, Türmen, Höhlungen, Kanälen und Altären ausgekleidet. Die Anhöhe haben die Gläubigen zum städtischen Zentrum und religiösen Mittelpunkt erkoren; um 1.500 v.0 erbaut und bis zum 14. Jh. v.0 besiedelt. Dann wieder vom 6. bis 5. Jh. v.0. war hier das Palastheiligtum, die befestigte Residenz und Familiengrüfte der thrakischen Herrscher in den Rhodopen. Auf dem Perperikon befand sich das in der Antike berühmte Heiligtum und Orakel des Dionysos. In der letzten Phase erhoben sich dort um 50 Hallen, Treppen und Korridore sowie Wohn- und Wirtschaftsräume. Hier waren Wohnstatt, Herrschersitz und Heiligtum für die Priesterkönige vereint. Einzelne Räume sind bis zu sechs Meter tief in den Fels hineingearbeitet. Man darf von einer thrakischen Akropolis sprechen. Damals gaben sich die Menschen dem Kult des Dionysos hin, der tiefsinnige Erklärungen zur Weltordung gab. Aus ihm war schon um 900-800 v.0 der Orphismus als Philosophie und Glaube hervorgegangen, mit den orphischen Mysterienkultriten an geheimen Orten, die das ewige Leben versprachen. Ein in den Fels gehauener Thron ist getreu dem Sonnenkult der Thraker nach Osten ausgerichtet, um alltäglich die ersten Strahlen der Morgensonne zu empfangen. Und nicht anders als wie am germanischen Agisterstein, wurde hier im Zuge der Christianisierung eine Bischofskanzel gebaut, von der aus die Geistlichen ihre Missionspredigten hielten. Zudem blieb an der höchstgelegenen Stelle des Berges eine aufwendige einschiffige Basilika bis heute erhalten. Nach der orphischen Mythologie war Zagreus, der männliche Natur-Gott, verwandt mit der weiblichen Mutter-Gottheit, deren Begattung die ergänzende Vereinigung himmlischer und irdischer Kräfte versinnbildlichte. Insbesondere sollte das harmonische Gleichgewicht zwischen den fünf chaotischen Elementen der Welt - wie sie die Thraker sahen - bewerkstelligt werden. Neben Erde, Feuer, Wasser und Luft, galt das Pferd als fünftes heiliges, verehrungswürdiges Urwesen. Das den Ariern heilige Ross hat auch an 6. ODING-Runenposition Eingang ins germanische Glaubenskonzept gefunden. Für den Orphismus waren die Ahnen-Könige von zentraler Bedeutung, sie galten als Anthropodemonen, als Unsterbliche, als Untote die des Landes und Volkes Fruchtbarkeit und Wohlstand garantieren können. Mit den vergöttlichten germanischen Asen-Vorfahren wurden die gleichen hohen Hoffnungen verknüpft. Der Höhepunkt des orphischen Rituals galt dem symbolhaften Nachvollzug der mythischen Zerstückelung des Dionysos durch die Titanen und die Kommunion, also den Genuss des Dionysos-Opfers als heilige Speise. Zur Darstellung wurde das Blutopfer eines Stieres, eines Pferdes, einer Ziege und manchmal sogar eines Menschen verwendet. Exakt diese Tiere erscheinen auch auf den mittelalterlichen sakralen Goldbrakteatenbildchen der Germanen, wo das einknickende Reitpferd - der aufgesessenen anthropomorphen Gottheit - mit Stiergehörn und Ziegenbart abgebildet werden konnte. Wir haben keinen Grund erstaunt zu sein, denn der Paulinische Christianismus basiert im Kern auf den gleichen ursprünglich steinzeitlichen Vorstellungen, dass aus einem Gottmenschen-Opfer ein allgemeines Volksheil erwachsen würde.
 
Tatul 
 
Tatul-Sonnen-Heiligtum im Rhodopen-Gebirge - „Rundbogengrab des Orpheus“ - ca. 6.000 Jahre alt
 
Auf dem berühmten steinzeitlichen thrakischen Bergheiligtum Perperikon, im südbulgarischen Rhodopen-Gebrige, gibt es einen wuchtigen Felsblock in den das hineingearbeitet wurde, was man als ein halbzertrümmertes Akosol-Nieschengrab zu erkennen glaubt, ähnlich dem vom deutschen Agisterstein-Externstein. In Vollendung erhalten ist ein solches aber im wohl erhabensten der megalithischen Denkmäler überhaupt, in dem aus zahlreichen Felstreppen und Felsnischen bestehenden thrakische Heiligtum in der Nähe des Dorfes Tatul, ebenfalls im heutigen Südbulgarien, nahe der Gemeinde Momchilgrad. Das eigentliche Heiligtum zeigt sich als ein auf Nordwest-Südost ausgerichteter quadratischer Gesteinsklotz auf einer Felsenkupppe, von der aus ein weiter Blick ins umliegende Land genossen wird. Zwei parallele Sargophage sind hier anzutreffen. Der oberste ist als ein offenes, nicht überdachtes, konisch gestaltetes Felsengrab eingetieft. Darunter liegt die rundbogigen Grablege, in der ein dort Liegender nach Nordwest (ca. 300°) schauen würde, denn rechtsseitig ist eine Einnieschung für den Kopf zu erkennen. Das obere Grab weist, durch seine konische Struktur, in die entgegengesetzte Richtung (ca. 120°). Es wird angenommen, die beiden Gipfelgräber könnten den beiden bedeutendsten Thrakern zugerechnet werden, nämlich Orpheus, dem vergöttlichten Heilbringer und Künder der Seelenwanderungslehre, sowie dem König Rezos, welcher dem Herkommen zufolge im südlichen Teil des Rhodopengebirges regierte und am Trojanischen Krieg auf Seiten der hethitischen Trojaner teilnahm. Der Komplex existiert seit Ende des 5., Anfang 4. Jahrtausends v.0, davon zeugen die im Umfeld gefundenen Tongefäße. Die Felspyramide und die Gruft in ihrer Nähe, wurden im 18.-11. Jahrhundert v.0 aufgebaut. Zu dieser Zeit erlebte das Heiligtum seinen ersten großen Frühling. Ringsum existierte ein Kreis aus Tonaltären, wo Opfergaben dargeboten wurden. Hunderte von Kultgegenstände wurden geborgen, Gegenstände aus Ton und Bronze z.B. Abbildungen des Sonnengottes, Teil einer goldenen Maske, drei Tonräder für Modelle von einem Himmelswagen, die sich auf den Kult um die Sonne beziehen. In dem Felsengrab wurde die Wurzel eines Weinstocks gefunden, deren Alter auf 3.000 Jahre bestimmt werden konnte. Es ist zu vermuten, dass hier einst ein berühmter Thraker-Herrscher bestattet wurde und nach seinem Tod göttliche Verehrung erhielt. Für gewöhnlich wurden die vornehmen Toten der Thraker und Germanen in einem Hügelgrab beigesetzt, Berggipfelbegräbnisse bzw. Steinblockgräber, wie das von Tatul und dem Agisterstein, sind ganz außerordentliche Bauten. Die vor ca. 4.000 v.0 entstandene Anlage ist älter als die ägyptischen Pyramiden, die etwa 2.500 v.0 erbaut wurden. Tatul umfasst ein urgläubiges Felsheiligtum sowie mittelalterliche Festungsreste. Freigelegt wurde eine sehr schöne 10 cm hohe Orpheus-Statuette aus der Römerzeit, die den mythischen Sänger des Ewigen Lebens in aufrechter Haltung verkörpert. Seine linke Hand stützt sich auf eine Lyra, in seiner Rechten hält er ein Zupfplättchen. Auf einer gefundenen röm. Münze ist Orpheus umgeben von Waldgetier abgebildet, eine andere zeigt ihn hoch auf einem Fels. Auf einer dritten ist eine Maid dargestellt, die die Königin Rodopa verkörpert. In ihrer Hand hält sie eine einzigartige einheimische Blume, eine „Haberlea rhodopensis“, die die außergewöhnliche Eigenschaft besitzt, 31 Monate im Scheintod zu verharren, um dann unter geeigneten Bedingungen zu neuem Leben zu erwachen. Der Legende nach soll sie aus dem Blut des Orpheus entsprossen sein. So wie die vielen schon stein- und bronzezeitlichen Ringheiligtümer und der Agisterstein in Deutschland, war auch Tatul eine Sonnenbeobachtungsstätte. Von den hervorragenden astronomischen Kenntnissen der Thraker zeugen die archäoastronomische Untersuchungen des Felsheiligtums. Es wurden zwei Terrassen mit mehreren amphitheatralischen Halbkreisen in den Felsen gehauen, die offensichtlich der Bestimmung des Jahreskreislaufs und der Frühjahrs- und Herbstsonnenwende dienten. Im 13.-12. Jh. v.0 wurde das Heiligtum durch Erdbeben beschädigt. Während der Antike wurde eine massige Steinmauer aus rießigen Blöcken mit der Form eines Parallelepipeds aufgebaut. Während der ersten Jahre nach Ztr. wurde in der Region des Heiligtums erneute Bauaktivität registriert. Das erneute Heiligtum existiert bis zu den Fünfzigern - Sechzigern des 1. Jahrhunderts. Es wird vermutet, dass der hellenistische Tempel und die Gebäude in seiner Nähe schließlich zur Römerzeit in ein befestigtes Landhaus umgebaut wurden. Im Landhaus residierte wohl ein einheimischer Aristokrat. Schon vor der Völkerwanderung, in den Jahren 250-51, drangen Skythen und Goten in den Nordbalkan ein, also nach Moesien und Thracien und das Rhodopen-Gebirge. Ab 257 durchfuhren Goten erstmals den Bosporus und nahmen kleinasiatische Städte ein. Im Frühjahr 268 befanden sich Kriegerscharen der Goten und Heruler auf ihrem Weg nach Makedonien und eine große gotisch-herulische Armada, im Verband mit starken Landstreitkräften, zog gegen Byzanz. Im Verlaufe dieser kriegerischen Turbulenzen wurde das Landgut offenbar in den Jahren 267-269 n.0 niedergebrannt. Nicht uninteressant ist auch ein Blick auf die südwestbulgarische Stadt Saparewa Banja, die in der Antike Germania hieß, mit ältester Schreibweise „Germanea“. So soll die Stätte schon von den Thrakern benannt worden sein. Das Sinnbild von Sapareva banya ist der Geysir, eine Springquelle, die sich in Stadtmitte befindet. Nach der unbelegbaren Meinung einiger Leute könnte deshalb das Wort Germanea in der thrakischen Sprache „Heißwasser” bedeuten. Daraus ergibt sich die vage Annahmen, dass der thrakische Gott der Wärme Germanea hieß. Viel naheliegender wäre die Deutung, dass sich hier schon während der ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung germ. Siedler aus dem Norden niederließen, wie es in Frühzeiten ebenso geschehen sein mag („Dorische Wanderung“, „Seevölkerwanderung“). Germanea wurde im 3. Jh. zu einem der wichtigsten Zentren der röm. Provinz „Inneres Dacia“.
 
Abb. a   b
Abb. a - Der Tatul-Komplex als Google-Weltkarten-Luftaufnahme im ca. gleichalten Ringheiligtum von Goseck.
 
Das Tatul-Arkosolium ist auf etwa den Untergangspunkt der WSW gerichtet.
Abb. b - Grafik vom Tatul-Grabmal nach Luftaufnahme im Gesichtsfeldsonnenkreis der Azimut-Gradeinteilung.
 
Tatul (bulgarisch: Татул), 14 km östlich von Momtschilgrad, liegt auf dem 41. Breitengrad bzw. 41° N, ebenso wie die Hauptstädte Rom, Barcelona und Porto. Es ist auf dem google-Satelitenbild etwas unscharf zu orten, wodurch wir trotzdem in die Lage versetzt werden - bei Kenntnis seiner Baustruktur - seine Gebäudeausrichtungen zu bestimmen. Majestätisch auf dem Gipfel ruhend, inmitten bewaldeter Hügellandschaft, ragt ein ca. 6 m hoher Felsquader empor. Der Arkosol-Grabbogen schaut nach Südwesten, also etwa zum Untergangspunkt der Wintersonnenwende, dem in Form von einer Vielzahl von Stieropfern, deren Gehörne man fand, im mittelneolithischen Sonnenringheiligtum Goseck (Sachsen-Anhalt) die meiste Aufmerksamkeit geschenkt worden ist. Errichtet wurde es vor etwa 6.900. Dem Sonnenuntergangsraum im Südwesten schenkten die alten priesterlichen Himmelsweisen also eine erhöhte Beachtung, in Mitteldeutschland wie im Nordbalkangebiet. Denn der siechen, schwachen Wintersonne sollte auf ihrem Abwärtsgang in die westlichen Totengefilde frische Opferblutkraft zugeführt werden, damit sie ihre Auferstehung erleben könne. Zum Bergheiligtum von Tatul führen acht steinerne Treppen empor. Auf der Gipfelkuppel ist ein leicht konisches Grab von 1,70 m Länge in den Fels gehauen, dessen Kopfteil im Nordwesten liegt, mit Blick des Toten nach Südosten. Ein Abflussloch in der Mitte des oberen Sargopharges findet seinen Ablauf hinter der Akrosolwölbungsschale des vorderen Grabes, möglicherweise, um das sich in der Grabwanne sammelnde Regenwasser abzulassen; andere Betrachter munkeln von einer Opferblutrinne. Doch einen Opferstier wird man kaum dort oben hintransportiert haben, obschon eine dortige Plattform für gewisse Riten ausreichend Platz anbieten könnte. In den Stein gemeißelte Treppenstufen führen zur „Opferplatte“ hinauf. Handelt es sich dabei tatsächlich um das „Grab des Orpheus“, dann schaute der Darinliegende jedenfalls nach Südosten, zum Aufgangsort der kraftarmen Wintersonne. Unterhalb dieses Gipfelgrabes, von der zu den Füßen schmaler werdenden Form, wie man sie als angebliche Christengräber, zumindest vom 7. bis 12. Jahrhundert, in Menge findet, liegt das attraktive Rundbogengrab. Es gleicht dem Rundbogengrab des deutschen Agisterteins sogar darin, dass beide Kopfnischen, wenn auch von unterschiedlicher Form, auf der rechten Seite sind. Die exakten Vermessungen der Anlage sind mir bisher noch nicht gelungen, doch einige Erkenntnisse dürfen jetzt schon als sicher gelten, nämlich: 1.) Die Fels-Sargopharge sind keine mittelalterlich-christliche Erfindung. Sie könnten sogar von den Goten in Tatul gedanklich aufgegriffen und von ihnen nach Spanien als Idealkonzept mitgebracht worden sein, wo wir so viele davon finden. 2.) Das steinzeitliche Rundbogengrab von Tatul beweist das Alter des Rundbogengrab-Typus, so dass auch das Rundbogengrab des Agistersteins durchaus steinzeitlich sein könnte.