Abb. 1 - Kopfnischen-Sarkophage von Heysham
 
SONNENHIRSCH u. LABYRINTH
 
Die gallo-germanische Kultstätte von Heysham
 
Ein „Hogback“ ist ein wikingerzeitlicher zumeist heidnischer Grabstein des 10./12. Jahrhunderts, in der Regel mit eingemeißelten Ornamenten oder figürlichen Bildern geschmückt, der die Form eines „Schweinerückens“ besitzt, nach der er seinen Namen erhielt. Wir kennen solche Steine aus Nordengland, Northumberland, Schottland, ein Exemplar in Irland, Wales und Nordjütland/Dänemark (Kim). Sie scheinen grobvisuell den Wikingerhäusern nachempfunden. Einige Steine haben an beiden Enden, also den Giebelseiten, eine große Bärenplastik als Abschluss und sind mit Odalknoten, Totenschiffen, mythischen Tiersymbolen wie Schlangen, Hirschen, Sonnenwölfen verziert.
 
Der „Hogback von Heysham“, einem Küstenort in der Nähe von Lancaster im englischen Norden, stand zunächst auf dem Friedhof von „St Peter's Church“, später wurde er ín den Kirchenraum versetzt. Der Stein stand über dem Grab eines vornehmen Wikingers des 10. Jahrhundert. Der Platz muss ein zumindest angelsächsisches heidnisch kultisches Zentrum gewesen sein, denn in Heysham befindet sich ebenso die Stätten eines in den Fels geschnittenen vorrömischen Labyrinths, sowie die auf einer Landzunge, nur 10 m von der Kirche entfernt, die in den Sandstein gehauenen Felsengräber, die sog. „Rock-Cut tombs“, die als „Ancient Monument“, also antik bzw. uralt eingestuft werden. Es gibt zwei Gruppen von Felsengräbern, eine Reihe besteht aus sechs vertikalen Aushöhlungen, zwei mit geraden und vier mit körperförmigen Seiten, zwei weitere Felsengräber liegen in der Nähe. Die Gräber sind zum Blick der Toten nach Osten zum Sonnenaufgang ausgerichtet. Bedeutsam ist, dass die dortigen Kopfnischengräber demjenigen vom Sargstein des Externsteins gleichen (Abb. 1).
 
Die Zeichnungen von W. G. Collingwood
 
Abb. 2 - Hogback von Heysham - Seite A
 
Die folgenden beiden Darstellungen stammen von dem Engländer W. G. Collingwood (1854 - 1932), aus dem Werk „The Elder or Poetic Edda; commonly known as Sæmund's Edda, Edited and translated with introduction and notes by Olive Bray”, 1908, S. 276. - Hogback - Seite A - Beide Seiten des Grabsteines sind mit Inschriften mittels lateinischen Buchstaben in Runencharakter versehen. Beide Seiten zeigen ausschließlich heidnische Motive. Seite A zeigt den das Himmelsgewölbe stützenden Welterhalter. Er wird in der Sockel-Inschrift folgendermaßen benannt: „Es kommt aus der Höhe zur großen Versammlung der mächtige Herrscher der alles anordnet“. Zu seiner Rechten ist der Weltenbaum zu erkennen, auf dessen Zweigen das Eichhorn Ratatosk hockt. Für den Adler und den Falken ließ die Bildaufteilung keinen Platz im Wipfel, weshalb der Künstler sie an den Fuß der Eibe/Esche Yggdrasils platzierte. Sicher ist jedenfalls, dass der Weltenbaum gemeint ist, aber auch hier - wie in sprachwissenschftlicher Realität - bleibt die Entscheidung schwer, ob eine Esche oder Eibe gemeint sein könne, obgleich der Stamm eher auf eine Eibe hinweisen wird. Ganz in der Ecke daneben fährt der typische Flügeldrache, als Sinnbild des Bösen, in seine Tiefen hinab. Linksseitig der zentralen Gottesgestalt ist ein Ross, in ehrerbietenden Haltung zu sehen. Weiter dann, zur Ecke hin, trollt sich der Sonnenwolf, auch ein Sinnbild der gottfernen Sonnengegnerschaft.    
 
Abb. 3 - Hogback von Heysham - Seite B
 
Hogback - Seite B - Die Sockelinschrift lautet „Ragnarök“, also „Schicksal der Götter“ bzw. Weltuntergang im Rhythmus ewiger Wiederkehr. Die erscheinenden Gestalten sind namentlich kenntlich gemacht. Im linken oberen Bildfeld zeigen sich die drei Nornen, rechts daneben der Bösewicht Loki in seiner Wolfsgestalt und der Feuerriese Surt. Rechts oben am Bildrand die Midgardschlange, welche den darunter befindlichen Hammergott Thor bedroht.  Vor ihm steht Odin, er wird vom Fenriswolf angefallen. Die linke Bildhälfte führt ganz links den Fruchtbarkeitsgott Frey und daneben den Himmelsgott Tyr vor, welcher vom Wolf Garm attackiert wird. Das zentrale Bildmotiv wird vom Motiv des Sonnenhirschen bestimmt, der ebenfalls von zwei ihn jagenden Wölfen gejagt wird. Letzteres Bildzeugnis ist hoch bedeutsam, kommt das Motiv doch wiederholt auf heidnischen oder synkretistisch-frühchristlichen Bildwerken vor, wie z.B. auf dem Fußschemelchem (4. Jh.) von Wremen (Museum Bederkesa / Cuxhaven - Matthias Schön, „Der Thron aus der Marsch“, 1995) Und auf dem dänischen mittelalterlichen Taufstein von Ørbæk, wo ein Hirsch, mit Kreuz auf dem Rücken, von zwei Hunden/Wölfen verfolgt wird. Es ist auf Taufsteinsockel der Kirche von Ørbæk zu sehen (Fig. 96 in M. Mackeprang, „Danmarks middelalderlige Døbefonte“, 1941).
 
Der Reale Bildbestand des Hogback von Heysham
 
Abb. 4 - Hogback - Seite A 
 
 
Abb. 5 a + b - Hogback - Seite B
Abb. 6 - Germanischer Fußschemel aus Bootsgrab von Wremen
 
Der tatsächliche Bildbefund des Hogback ist leider weniger überzeugend (Abb. 4 bis 5 b). Was sicher bleibt ist das Motiv aus der germanischen Mythologie vom durch die Schandrotte der hündischen Lichtfeinde verfolgten Sonnenhirsch. Im spätheidnischen bzw. synkretistischen Sonnenlied, dem isländischen „Solarliod“, heißt es in Strophe 55: „Den Sonnenhirsch sah ich von Süden kommen - Von Zwei‘n am Zaum geleitet - Die Hörner hob er zum Himmel.“ (siehe unten, volle Länge „Solarliod“) - Zum Vergleich (Abb. 6) der verfolgte Sonnenhirsch auf der Unterseite des Fußschemelchens aus dem „Fallward“-Fund des Bootsgrabes von Wremen. Dendrochronologische Datierung: „bald nach 421“. Die Schnitzbild zeigt einen Hirsch mit mächtigem Geweih, den von hinten ein Wolf mit weit aufgerissenem Maul anspringt.
 
 
Abb. 7 a + b - Küste bei Heyshan - Im Vordergrund die Stelle der Labyrinth-Gravur
 
Die Kultstätte des Patrick -, einer Fruchtbarkeits-Gottheit
 
Aus den archäologischen Funden wird geschlossen, dass sich in Heysham gelgräber befanden, das Fundgelände ist regional als „The Barrows“ (Die Hügelgräber) bekannt. Schon für das Neolithikum ist hier eine Besiedlung nachweisbar, durch Artefakte wie Steinbeile und Steinhämmer, die im Museum von Lancaster aufbewahrt werden. 1995 entdeckte man auf den Küstenfelsplatten nahe der Kopfnischengräber bzw. der Ruinen der „Sankt Patrick-Kapelle“ (etwa 11. Jh.) die Gravur eines Labyrinths. Die Labyrinth-Felsritzungen und entsprechenden großen gewendelten Steinlegungen finden sich bereits aus der nordischen Bronzezeit. Sie dienten ganz unverkennbar den altgläubigen rituellen Sonnentänze, die zu den Sommersonnenwenden im Freien veranstaltet wurden. Die Landzunge muss schon ein altkeltischer heiliger Ort gewesen sein, der nach Ankuft der Sachsen und Jüten (4./6. Jh.) sich zu einem germanischen Kultplatz gestaltete. 
 
St. Patrick soll ein irischer Bekehrer und Bischof gewesen sein, der möglichweiser im 5. Jahrhunert lebte, dessen Daten im Dunkeln liegen, sein Gedenktag aber am 17. März gefeiert wird.  Weil der „St. Patrick’s Day“ in die alte frühjährliche Faselzeit fällt, bzw. die „Fastenzeit“, ist den Iren an diesem bunten Volksfest eine Fastenpause erlaubt. Grün ist zu dieser Feier die vorherrschende Farbe der feiernden Iren in aller Welt. In Dublin malen sich die Menschen dreiblättrige Kleeblätter („Shamrock“) auf ihre Gesichter. Überliefert sei, dass sich Patrick mit keltischen Druiden auseinanderzusetzen hatte und auf viele Widerstände gegen seine neuen Glaubenspredigten stieß. Mit Sicherheit hat der „Heilige“ eine altkeltische Fruchtbarkeitsgottheit adaptiert, worauf sein frühjährliches Festdatum, seine Farbe „Grün“ und der Kleeblatt-Dreispross verbürgen. Eine der kelt. Fruchtbarkeitsgötter war Sucellus, der als bärtiger Mann dargestellt wurde, oftmals mit Lorbeerkrone, einmal mit abgeschnittenen Früchten im Schurz dargestellt. Er ist Gott der Wälder und der Fruchtbarkeit. - Angeblich zum Osterfest im Jahre 433 soll Patrick auf einem weit ins Land sichtbaren Kulthügel beim heutigen Slane, wo die Könige herrschten, ein Feuer entzündet haben, um den Sieg seines neuen Glaubens über die Finsternis zu demonstrieren. Sein Jubeltag im März, dem  Zeitraum der einstigen Frühjahrsgleiche, wo das Sonnenlicht über die Winterfinsternis siegt, weist aber auf die altheidnischen Bezüge seiner ursprünglichen Funktion als Licht- und Fruchtbarkeitsbringer zusätzlich hin.
 
DIE FELSEN-KOPFNISCHEN-GRABGRUBEN
 
Die in den Felsen gehauenen Gräber bei der „St.-Patrick-Kapelle“ von Heysham, nahe der „St.-Peter-Kirche“ werden auf das 11. Jh. datiert. Der Legende nach hätte die irische Mythengestalt „Sankt Patrick“ dort eine Kapelle begründet, die aber erst 300 Jahre nach seinem Tod erbaut worden sei. Dass es sich bei den in Fels gehauenen Gräbern (Abb. 1) um keine regulären Grablegungen hochgestellter Personen handeln kann, ist anzunehmen. Sie müssen einem zunächst noch unbekannten rituellen altgläubigen oder frühchristlichen Kultus gedient haben. Sie dürfen nicht in eine Reihe mit den gemauerten oder beweglichen Sarkophagen gestellt werden. Einige Kopfnischen-Sarkophage im Umfeld von Kirchenbauten kommen in Deutschland vor, wie Benediktbeuern (10./11. Jh.) und aus dem Kreuzgang des Klosters Regensburg-St. Emmeran (8. Jh.), auch in Westhälfte des Langhauses St. Vitalis I.II. zu Esslingen, wurde ein Sandsteinsarkophag mit Kopfmulde gefunden. (Literatur: „Heilig nach Plan ? Sarkophagbestattungen des 7.-10. Jahrhunderts in Süddeutschland“, in: N. Krohn/S. Ristow (Hrsg.), „Wechsel der Religionen - Religionen des Wechsels“, „Stud. Spätantike u. Frühmittelalter“, 4) Wer darauf achtet, findet sie, die Kopfnischengräber, beispielsweise in der Krypta der Abtei des alten deutschen Maursmünster (franz. Marmoutier) im Nord-Elsass -; auch auf dem Gelände der Stiftskirche von Zabern (franz. Saverene - Notre Dame de la Native‘) stehen die Kopfnischensarkophage (Abb. 11). Es ist anzunehmen, dass derartige steinerne Grabkisten, aus römischen Traditionen, auch aus dem englischen Mittelalter bekannt sind. Doch die Kopfnischen-Felsengrabmulden sind etwas völlig anderes. Wie erwähnt, findet sich solch eine Grablege im Sargstein vom Externstein bei Horn-Bad-Meinberg. Ach auf dem Odilienberg bei Straßburg im Elsass, der keltischen und dann alemannischen kultischen Höhenfeste sind neun Grabgruben z.T. mit Kopfnischen in den Felsen gemeißelt (Abb. 12). Auch bei „San Lourenzo“ (Galicien / Nordwestspanien) im Bereich des Río Mao, der ein Zufluss des Río Sil ist, wurden, möglicherweise im 8./12. Jh., Bestattungen an den Talhängen vorgenommen. Erst im Jahre 2010 sind über 20 Grabstätten entdeckt worden, sie gelten als einer der bedeutendsten Funde dieser Art in Galicien. Die einzelnen Sarkophage mit Kopfnischen wurden direkt in den Granit gemeißelt (Abb. 8)
 
Abb. 8 - Steingrabgruben von St. Laurenzo / Galicien
Abb. 9 - San Lourenzo de Barxacoba / Galicien
Abb. 11 - Bei Stiftskirche Zabern (franz. Saverne) / Nord-Elsass
Abb. 12 - Kopfnischengrab auf Odilienberg mit Blick auf Rheinebene
 
Megalithisch-keltisch-germanisches Galicien im spanischen Nordwesten
 
Galicien ist eine autonome Region im Nordwesten Spaniens, deren Name auf die keltischen Gallaeker zurückgeht, einem kelto-iberischen Volk, das mindestens seit dem 7. Jh. diese Region besiedelte. Prägend für das Land sind hohe Bergketten, die Galicien vom Rest Spaniens abschotten. Bis heute hielt sich das nordische Gepräge der Bevölkerung. Erste Megalithanlagen wurden hier ab 4.000 v. 0 errichtet. Etwa 5.000 Grabhügel, die meist im Zentrum liegende Dolmen bedecken, sind zu finden. In später Bronzezeit bzw. Eisenzeit (1.000 / 400 v. 0) entstanden befestigte Siedlungen, zumeist an geschützten Hanglagen oder auf Hügeln.
 
Die Römer kamen erstmals um 135 v. 0 nach Galicien. Die Konsolidierung der römischen Macht erfolgte durch Julius Cäsar im Jahre 60 v. 0, Galicien wurde zur röm. Provinz. Schließlich ließen sich in Galicien im Jahr 409 die germanischen Sueben nieder und gründeten 411 unter König Hermerich das „Königreich der Sueben“. Im 6. Jh. werden die Runconen genannt. Dem ersten König Ermerich folgen die Könige Rechila, Rechiar und Miro, der 583 auf einem erfolglosen Feldzug gegen den Westgotenkönig Leovigild. Letzterer annektierte das innerlich gespaltene Suebenreich. Audeca war der letzte suebische König. Das Land wurde zu einer gotischen Provinz gemacht, der Kronschatz geraubt. Die einheimische Aristokratie bestand wohl weiter, denn noch Rekkard II. wurde „rex Gothorum atque Sueuorum“ genannt. Der Nordwesten der iberischen Halbinsel blieb fast bis zum Ende der westgotischen Herrschaft heidnisch. Die kirchliche Organisation scheint erst gegen Ende des 6. Jh. entstanden zu sein. Die Christianisierung der Sueben begannen erst die toleranten „Priscillianer“, die es unterließen, altgläubige Bräuche auszurotten. Priscillian und seine Anhänger nahmen Frauen gleichberechtigt auf - wie bei den späteren Katharern - und wiesen damit die damals bereits dominante päpstliche Kirchenlehre zurück, welche die Frauen, unter dem dümmlichen Verweis auf die leicht zu „verführende“ Eva - den frauenfeindlichen Lehre des „Hl. Paulus“ folgend - für schwach und den Männern deshalb als untergeordnet predigte. Das starke keltische und germanische Volkselement ließ - seiner nordischen Tradition folgend - eine christliche Frauendiskriminierung nicht zu. 561 und 572 fanden in Braga Konzile statt, die heidnische Praktiken verdammten; aber noch am Ende des 7. Jhs. bejammerte „Valerius von Bierzo“ deren Vorhandensein. Die im Jahr 711 beginnende maurische Eroberung der Iberischen Halbinsel hatte auf Galicien nur geringen Einfluss, außer den üblichen maurischen Raubzügen.
 
Abb. 13 - El Laberinto de Mogor, um 2000 v.0 / Pontevedra
Abb. 14 - Hirsch mit Labyrinth / Campo Lameiro /Pontevedra / Galicien
Abb 15 - Tourón Pontecaldelas / Pontevedra
 
Pontevedra ist eine Stadt in Galicien am Atlantischen Ozean, südwestlich vorgelagert liegt die Morraza-Halbinsel. Hier finden sich - wie im europäischen Norden - die etwa 5.000 Mámoa bzw. Mamoa, wie die megalithischen Großsteingräbern, im spanischen Volksmund und der archäologischen Fachsprache heißen. In der mittleren Bronzezeit geschah im Raum Pontevedra ein großangelegter Zinnabbau. Die hier gefundenen Felsbilder gehören einer älteren und einer jüngeren Besiedelungsschicht an, wobei die nachmegalithische noch klarer von der nordischen „Hirschkultur“ geprägt ist. Ein älterer Stil, gekennzeichnet durch Rollen, Bänder, Kreise, Labyrinthe, findet seine Entsprechung im vorkeltischen Irland. Der jüngeren Schicht verleiht der Hirsch, die Hinde, das Gepräge. Die Verbindungsfäden führen zur Felsbilderwelt des alpinen Val Camonica mit ihrer Fülle von Hirschbildern und ebenso in die skandinavischen Felsbildregionen des schwedischen Bohuslän, wo die Hirschbilder eindeutig mit Sonnensymbolen in Beziehung stehen. (siehe dazu auch Franz Altheim, „Römische Religionsgeschichte - Die Grundlagen und Grundbegriffe I“, 1956, S. 23ff) In Schweden ist die größte Konzentration von älteren begehbaren Labyrinthen anzutreffen, so wird dort auch ihr eigentlicher Ursprung anzunehmen sein. Im spanischen Volksmund heißen die Labyrinth-Felsritzungen „Mogor“. Es ist eines der am meisten vorkommenden Motive in Galicien. Östlich Pontevedra, Richtung Fentáns (Cotobade), liegt die Felsbildregion „Chan da Lagoa“, mit Labyrinthen und Hirschen. Auch die Felsritzung von „Chan do Lagoa“ zeigt den Hirsch am Eingang zum Sonnen-Labyrinth. Die zentrischen Kreise, Spiralen, Radkreuze, Näpfchen-Steine und überhaupt das gesamte Gepräge der hiesigen Felsbilderwelt mutet an wie die „Hellristningar“ Schwedens. Manche Motive, wie das der „gestilten Kreisornamente“, gleichen exakt den schwedischen. Die riesigen zentrischen Kreisbilder, die vom „Monte Teton Ecoparque Arqueolóxio“ und „Monte de Correxins“ sind beeindruckend.
 
ZUSAMMENFASSUNG + ERKLÄRUNG
Die atlantisch-westeuropäische Großsteingräber- oder Megalithkultur der Jungsteinzeit, bis in die Bronzezeit hineinreichend, mit ihren deutlich zusammen gehörenden Hinterlassenschaften, zeugen für ihre gemeinsame geistig-religiöse Ausrichtung. Ihr Ursprungsimpuls könnte von nordfranzösischen Regionen der Bretagne, oder von Irland, oder von südskandinavischen und norddeutschen Zentren der Nord- und Ostseeküsten, ausgegangen sein. Ihre Hinterlassenschaften sind die Hünengräber, Steintische, Ganggräber, Steinkisten, Spitzsteine, Steinkreise, Steinalleen und Steinbildgravuren. Da sich solche frühen Kulturen ganz natürlich von klimatisch unwirtlicheren in die begünstigteren entwickeln, und nicht umgekehrt, muss es sich unbedingt um Ausstrahlungen des  westeuropäischen Nordens gehandelt haben. Denn zu Fuß und per Schiff wandernde Menschen sind die missionierenden Träger und Verkünder von neuen Gedanken. Sie zog es immer in wärmere Klimagebiete und nicht in den raueren Norden. Vornehmlich an den ins Meer hineinreichenden atlantischen Halbinseln und Landzungen fasste die Megalithkultur Fuß. Eines der megalithischen Zentren waren die Küsten rund um die „Irische See“, mit ihrer darin liegenden „Isle of Man“, und die Küste der nordenglischen „Morecambe Bay“ mit dem Städtchen Heysham, wo die Labyrinth-Ritzung, die neolithischen Steinbeile und schließlich auch der wikingerzeitliche Hogback gefunden wurde, den ich eingangs besprochen habe. Auch im nordwestspanischen Galicien fanden die Megalithiker einen ihrer Hauptstützpunkte. Die dortigen steinzeitlichen und bronzezeitlichen Felsritzungen im Raum von Pontevedra erscheinen mit jenen aus Südwestschweden urverwandt. Die Spiral-, Mehrfachkreis-, Radkreuz-,  Sonnenhirsch- und Labyrinth-Sinnbilder erzählen vom altgläubigen Sonnenkult der Megalithiker und Bronzezeit-Menschen. Für sie war der Hirsch - der bekrönte, stolze, mächtige Herr des Waldes - ein solares Leitmotiv. Bis in die Zeit der germanischen Völkerwanderungen zu Beginn des Mittelalters, und darüber bis zur Wikingerzeit, hat das Hirsch-Symbol seine Bedeutung nicht verloren, wie wir den erwähnten Funden entnehmen dürfen. Er galt als Synonym für das „Gute Licht“, das von den Finsternismächten in Gestalt der „Sonnenwölfe“ bedrängt und gejagt wird. Selbst das Kirchenchristentum hat sich diese eingängige Metapher nicht entgegen lassen und fabrizierte seine Legendchen vom „Christus-Hirschlein“ und von „Weißen Hirschen mit dem Kreuz auf dem Haupt“. 
 
Der solare Hirsch, unmittelbar in der Nähe von Labyrinth-Ritzungen, will den Sinn des verschlungenen Wendelganges verdeutlichen, nämlich den Weg der jährlichen Sonne zum Weltberggipfel im höchsten Norden und wieder zurück ins südliche Sonnengrab. Die Sonne, der Hirsch, ist der ursprüngliche Wendelganggeher. Die alten Gläubigen schritten im Nachvollzug des göttlichen Heilsweges - gewiss zum Sonnenhöchststand um die Sommersonnenwende - den rituellen Gang. Bis ins Hochmittelalter sind diese Bräuche noch bekannt gewesen, wie u.a. die nordfranzösische Kathedrale „Notre-Dame von Chartres“ hinlänglich beweist, die 1024 fertiggestellt wurde. Sie gilt als das Urbild der hochgotischen Kathedralen. Ganz selbstverständlich ist sie auf dem Grund einer heidnischen Vorgängerkultanlage aufgeführt. Das älteste Gemäuer in der Kirche ist der keltische Brunnen in der Krypta. Der Bau ist in südwestlich-nordöstlicher Richtung angelegt, wie die vorchristlichen Kultanlagen, nicht in der für christliche Kirchen üblichen West-Ost-Richtung. Jeweils am Tag der Sommersonnenwende im Juni fällt beim Sonnenhöchststand durch ein kleines Loch im Fenster „Saint-Apollinaire“, der Westmauer des Querschiffs, ein Lichtstrahl auf einen Messingknopf, der im Boden des westlichen Seitenschiffs des Südquerschiffs eingelassen ist. Im Boden ist ein Labyrinth eingelassen (von um 1200), das größte in einer französischen Kirche. Es weist den Durchmesser von etwa 12,5 Meter auf und eine Weglänge von 261,55 Metern. Die einst in der Mitte angebrachte Metallplatte, Theseus und den Minotaurus darstellend, ist verschwunden. Diesem Baukonzept liegt eindeutig das altheidnische Verständnis von der Ausrichtung nach dem höchsten jährlichen Lichtstand zugrunde.
 
Kopfnischengräber, ob in Fels geschlagen, aus Platten oder gemauert, sollen typisch für das 11. und 12. Jahrhundert ein. Das trifft wohl zu, doch wo nahm die Sitte ihren Anfang ? Einige Kopfnischengrabanlagen im Fels sind beispielsweise auf dem Quedlinburger Münzenberg bzw. Schlossberg gefunden worden. Der Blick des Toten ist immer nach Osten, der aufgehenden Sonne entgegen gerichtet.Es heißt, dass während des 10. bis 13. Jahrhunderts sich in ganz Mitteleuropa wohlhabende Personen in solchen Steinsärgen bestatten ließen. Große Steinplatten oder einfache Holzplanken sollen die Gräber überdeckt haben. Die Kopfnischengräber vom nordenglischen Hersham sind wenig verwittert, auch sie sollen aus dem 12. Jh. stammen. In Avià (Provinz Barcelona / Spanien) wurde in einem der Kopfnischen-Steinkistengräber des frühmittelalterlichen Friedhofes, eine Goldmünze des Westgotenherrschers Egica (reg. 687–702) gefunden. Am Ort Harsefeld, im niedersächsischen Landkreis Stade, findet sich die Grablege von Angehörigen des norddeutschen Hochadels, wie jene der Udonen. Graf Heinrich II. gründete anstelle der Burg ein Stift und bestimmte die Stiftskirche als Be­gräbnisstätte für seine Familie. Die Bauzeit dürfte in die zweite Hälfte des 10. Jh. fallen. Bei der archäologischen Untersuchung fanden 23 Grabgruben die dem früh- und hochmittelalterlichen Bele­gungshorizont zugehören. Die Grabbauweise: Es wurden nur an­thropomorphe Erdgräber festgestellt, also Gräber deren Kopfenden ni­schenförmig ausgestaltet sind. Etwa im gleichen Zeithorizont - 9./11. Jh. - vermuten spanische Archäologen ihre galicischen Kopfnischengräber in den Felsen von z.B. „San Vítor de Barxacoba“. Uralt verwittert muten die in den Fels geschlagenen Kopfnischengräber auf dem Odilien-Berg beim elsässischen Straßburg an, sie werden als „Merowinger-Gräber“ bezeichnet, also aus dem 5. bis Mitte 8. Jh. herrührend. Der Verwitterungsrad ist natürlich auch von der Härte des jeweiligen Gesteinsmaterials abhängig. Auf dem Odilien-Berg und in der Region finden sich zahlreiche keltische Zeugnisse. Die Erhebung von 763 Metern, der „Heilige Berg des Elsass“ genannt, erlaubt einen herrlichen Blick über die alemannische Oberrheinebene. Die Römer nannten den Ort „Altitona“, die merovingischen Franken „die Hohenburg“. Die dortige „Heidenmauer“, eine über 10 km lange, teilweise bis zu 3 m hohe Steinmauer, bestehend aus um die 300.000 wuchtigen Blöcken, schlingt sich rund um den höchsten Teil des Gipfels, errichtet - wie man heute meint - etwa 600-700 n.0. Eine spirituelle Frau namens Odilia, Tochter des heidnisch-fränkischen Herzogs Eticho (alte Form wohl Oticho) soll hier einen Frauenkonvent gegründet haben, sie ging als Äbtissin des hiesigen Frauenklosters in die Geschichte ein und zur „Schutzpatronin des Elsass“ erklärt. Da wir heute wissen, mit welcher Freizügigkeit die Kirchenführungen im Mittelalter Heilgenlegenden erfanden, um den Gläubigen die zunächst nicht vorhandenen aber gewünschten Traditionen vorzutäuschen, ist anzunehmen, dass auch die „Heilige Odilie“ - wie sie die katholische Kirche vorstellt - nie gelebt hat. Odilie, oder ihre Vorläuferin, war mit großer Sicherheit eine der Mütter des alteuropäischen Volksglaubens, die sich hinter dem Namen Odilie verbergen. Der Odilien-Berg war einer der Frauenberge Alteuropas, auf denen seit Ende der Altsteinzeit das mütterliche Dreigestirn wirkte, das im gesamten Rheinland so viele Fundzeugnisse belegen. Das ehemalige Kloster „Truttenhaussen“ liegt ganz unten am Odilien-Berg in der Ebene, bei der Gemeinde „Heiligenstein“. Es soll „zu Ehren der Mutter Gottes“ von der Autorin und Äbtissin Herradis errichtet worden sein. Die Klosterbenennung leitet sich ab von „Thrud“ germ. bzw. altnord. „Thróttr / Thruðr“ („Kraft“), dem Namen der Tochter des Donnergottes und einer Walküre. (Johann Andres Silbermann, „Beschreibung von Hohenburg oder dem St. Odilien-Berg, samt umliegender Gegend“ (die Kupfer von Weiß), Straßburg, 1781)
 
Weltuntergangsvisionen und Kopfnischengräber
 
Dass die Welt in gewissen kosmischen Rhythmen ihr Ende und Wiedererneuerung fände, ist uralte Vorstellung innerhalb vieler Religionsgemeinschaften. Auch die jüdische Sekte der Essener bzw. Frühchristen glaubten an eine Art „letztes Gefecht“ mit einhergehendem Untergang des vordem Bestehenden. Darauf wird in ihren Texten ausdrücklich hingewiesen. So heißt es, als dramatischer Ausspruch des jüd. Reformers Jeshua-Jesus in Matthäus 16,27-28: „Wahrlich, ich sage euch: Es stehen einige hier, die werden den Tod nicht schmecken, bis sie sehen das Reich Gottes kommen mit Kraft.“ Der Weltuntergang käme danach noch zu Lebzeiten der ersten Jesu-Anhänger. Weitere jüd. Weltuntergangsvisionen schlossen sich an, der Jude Flavius Josephus (37 bis um 100) schrieb darüber in seinen Werken „Jüdische Altertümer“ und „Geschichte des jüd. Krieges“. Auch der jüd. „Bar-Kochba-Aufstand“ (132-135) ging mit Endzeiterwartungen einher. Nach vieler Völker auch jüd. apokalyptischer Weltsicht zerfällt die Zeit in die Periode gegenwärtiger immer schlechter werdenden Zeit und jene der kommenden guten Weltzeit, die germ. „Völuspa“ berichtet darüber. Im jüd. Denken hat der jetzige Aion eine bestimmte Dauer, so dass das Ende berechnet werden könnte. Das jetzige Zeitalter sei in der „Gewalt des Bösen und der Sünde“. Licht und Finsternis - wie die Gnosis lehrte - stehen einander im Streit gegenüber. Die Götter und die Unholde, im Judäochristentum Gott und Satan, häufig in Gestalt eines Flügeldrachens ins Bild gebracht, treten auf zum endscheidenden „letzten Kampf“. Er endet mit dem Untergang und Neuwerdung oder mit dem Sieg der guten Gottheit, die Toten stehen auf, die bösen werden gerichtet und der neue Aion bricht an. Man erwartet die Erneuerung in kosmischen Ausmaßen, einen neuen Himmel und eine neue Erde, eine ungetrübte Gemeinschaft der Menschen mit Gott und untereinander. Als Träger der Heilszeit tritt der Messias auf, der jüdisch streng national, nicht transzendent universal, verstanden wurde. Im Germanischen kommt die Zeit Baldurs, des Milden, gütigen -, einer Lichtinkarnation Wodins. In „Völuspa“, Vers 60, heißt es: „Da werden unbesät die Äcker tragen - Alles Böse bessert sich - Baldur kehrt wieder …“
 
Nach 1.000 Jahren christlicher Zeitrechnung glaubten nicht wenige strenggläubige Menschen den Prophezeiungen vom Weltuntergang und meinten, er stünde unmittelbar bevor, der Satan würde von seinen Ketten befreit. Nicht wenige Pfaffen werden es gepredigt haben -, eine Massenhysterie enormen Ausmaßes wurde mancherorts heraufbeschworen. Papst Sylvester II. verkündete, dass um Mitternacht des 31.12.999 die Zeitenwende mit Untergang der Bösen anbrechen würde. Als der Weltuntergang nicht eintrat erklärte der ansonsten nicht ungebildete alte Narr, alleine seine Gebete würden das Ende verhindert haben. Beispielsweise auch der burgundische Benediktiner-Mönch Rodulfus Glaber (985-1047) interpretierte schreckliche Vorkommnisse als endzeitliche Anzeichen eines bevorstehenden Weltunterganges für das Jahr 1033. Für das Jahr 1186 verkündete der Astronom Johannes von Toledo den Untergang. Wieder ließen sich die religiös Enthusiasmierten zur Hysterie verleiten. Im Deutschland grub man Unterstände gegen die erwarteten Stürme. Der Kaiser von Byzanz ließ die Fenster seines Palastes vermauern und der Erzbischof von Canterbury ordnete ein dreitägiges Fasten an, um Britannien auf das „Jüngste Gericht“ vorzubereiten. Absolut sekundär ist es, wann die eine oder andere Christensekte ihr Jahr anfangen ließ, ob am 1. Januar, im März oder September, diese Jahrhunderte waren durch die mönchischen, besonders der benediktinischen, Aufgeregtheiten derart sensibilisiert, dass viele Gottsucher und Büßer glaubten, sich auf das Ende vorbereiten zu müssen. Besonders, da doch in der „Offenbarung des Johannes“ (16,15) der Satz steht: „Siehe, ich komme wie ein Dieb. Selig ist, der da wacht und hält seine Kleider, dass er nicht bloß wandle und man nicht seine Schande sehe.“ Wann die Welt untergeht, wusste man nie genau, man wollte vorbereitet sein. Und da, wenn die Apokalypse über die Welt kommt, die Toten auferstehen werden, wollte man auch als erwachender Leichnam möglichst früh die Herrlichkeit Gottes - der wie das tägliche Licht aus dem Osten heraufzöge - wahrnehmen, erkennen, um sich ihm entgegeneilend aufzumachen, um ihm seine gläubige Treue zu bekunden. Denn beim dann anbrechenden „Jüngsten Gericht“ sollen die einen, die Weltmenschen, der „ewigen Verdammnis“ anheimfallen, die Gläubigen aber zur „ewigen Seligkeit“ erhöht werden. Diese Vorstellungen - gespeist aus altheidnischen Erzählungen und aktuellen christlich-hysterischen Predigten - bestimmten christgläubige, vermögende Menschen in den Zeiten vom etwa 9. bis 11. Jahrhundert Kopfnischengräber vorzuziehen. Mit einer kissenartigen Unterstützung im Nacken wurde der Kopf des Leichnams, in östlicher Blickrichtung angehoben und gehalten, damit ein frühestmögliches Gewahren des kommenden persönlichen Heiles ermöglicht würde. Dass man möglichst an altherkömmlichen christianisierten Kultplätzen, in Kirchenböden, nahe dem Altar, die Verklärung erleben wollte, versteht sich von selbst.    
 
Die Felsen-Kopfnischengräber
 
Vor der Ausrufung des Christentums zur Staatsreligion am 27.02.380 war der Mithraskult in Europa weit verbreitet und prägte die führenden Kreise in Verwaltung und Militär mit seinen Mysterien und Hoffnungsvorstellungen. Allein in nächster Umgebung von Frankfurt am Main grub man über 40 Mithräen aus. 341 verbot Constantius etliche heidnischen Kulte, 356 wurden ihre Weihestätten geschlossen und die Ausübung des Kultes unter Todesstrafe verboten. „Wie das Christentum glaubte auch der Mithrasgläubige an eine unsterbliche Seele und an eine Auferstehung des Fleisches. Wie das Christentum berief dich der Mithraskult auf eine Offenbarung und erwartete ein jüngstes Gericht. Mithras war aber wie Osiris, Dionysos und Herakles eine mythische Gestalt. In der Antike kannte man eine ganze Reihe von Göttern, die nach ihrem Tod wieder auferstanden sind !“ (Hans Gabler, „Placebo Religion“, 2013) Auch der germanische gute Gott Baldur überwindet den Tod und kehrt zurück. Ob Lichtgott Mithras, ob Sol Invictus („unbesiegter Sonnengott“), ihre Anhänger glaubten an die Auferstehung der Toten und Wiederkehr Mithras zur endgültigen Überwindung des Bösen in der Welt. Wenn das Ende der Welt kommt, so dachten sie, schließen sich die Mithras-Gläubigen den Geistern des Lichts an und werden gerettet, die, die anderen Lehren gefolgt sind, landen zusammen mit Satan-Ahriman und den gefallenen Engeln in der Hölle. Alle diese Gedanken hat der Kirchenchristianismus nur durch seine erbarmungslose Gewaltherrschaft unterdrückt, doch auslöschen konnte er sie nicht. Sie lebten fort in hunderten synkretistischer Formen der antipäpstlichen und antirömischen sog. „Ketzereien“. Die „Felsgeburt“ des Mithras“ war ein Bestanteil der Mithraseligion, aus dem Felsen erfolgte das immer wiederkehrende Erwachen dessen, dem der Gläubigen nachzueifern hatten, in den sieben Graden, bis ihrer Vollendung. Derart könnten die Felsenkopfnischengräber zu erklären sein. 
 
ABSCHLUSSBETRACHTUNG
 
Meine Ausgangsüberlegungen machten sich fest an dem nordenglischen Küstenort Heysham mit seinen Fundzeugnissen schon aus der Steinzeit, seinen einstigen Hügelgräbern, seiner Labyrinth-Ritzung, seinem wikingerzeitlichen „Hogback“, seinen Kopfnischengräbern und seinen Ruinen der „Sankt Patrick-Kapelle“, des 11. Jh.. Wir haben also einen uralten keltischen, germanischen, schließlich frühchristlichen Kultplatz vor uns. Der nordgermanische „Hogback von Heysham“ führt uns in seinem Bildfundus den altreligiösen Sonnenhirsch vor Augen -, ein Leitmotiv der nordeurasischen „Hirschkultur“, einer Bezeichnung von Franz Altheim. Die bronzezeitlichen Felsbilderwelten, von den Küsten Skandinaviens bis zu jenen Galiciens in Nordwestspanien, demonstrieren den Sonnenhirsch im Verein mit Sonnensinnbildern und dem Sonnenweg-Symbol des Labyrinths. In diesen Bildern drückt sich die schon urzeitliche Heilserwartung des Menschen aus, nach Rückkehr des „Guten Lichtes“ und darüber hinaus, nach einem Friedensreich des Heiles, das immer nur mit den Begriffen des Sonnensegens gedacht werden kann. Der Christianismus hat diese Heilserwartung historisiert und mit der Person eines jüdischen Reformers verknüpft. Es hofft auf die künstlich und willkürlich solarisierte Gestalt „des Herrn“, der in Nachahmung auch als „Kreuzhirsch-Christus“ in die fromme Legende Eingang fand. Der Nordmensch sieht das jährliche Sonnenheil, wie es sich von Süden nach Norden hinauf spriralt, weswegen es im nordischen Sonnengedicht, dem „Sólarljóð“, in Strophe 55 heißt: „Den Sonnenhirsch sah ich von Süden kommen“. Folgerichtig unterscheiden sich die Grablegungen norddeutscher Gräberfelder durch Anlagen mit Süd-Nord-Richtung, aus der Zeit von vor der Zwangschristianisierung im 8. Jh., von den späteren, den christianisieren, mit West-Ost-Richtung. Für den mediterranen Bewohner und Orientalen geht die Sonne alltäglich im Osten auf, ohne dass sie die starke nordische Sehnsucht nach Licht und Wärme nachzuempfinden vermögen. Auch der orientalische Christanismus ging ganz in der Idee des „Ex oriente lux“ auf, dem vielmeinenden Schlagwort: „Aus dem Osten (kommt) das Licht“. Die Kopfnischengräber des 9.-11. Jhs. bekunden es, die Christfrommen erhofften den Aufgang des erlösenden „Sonnenhirsch-Christi“ von Osten herannahen -; früh wollten sie ihn sehen, und nach ihrer „Auferstehung von den Toten“, ihm zueilen. Wir sehen, seit Jahrtausenden hat sich im archaischen Grundmuster des Sonnenglaubens kaum etwas geändert, lediglich die Ausdeutungsmodelle variierten. 
 
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Der folgende hymnische Sonnen-Ruf stammt aus einer Mithras-Liturgie, die von Albrecht Dieterich im „Pariser Zauberpapyros“ entdeckt und übersetzt wurde. Das Ritual entstammt wohl dem 2. nachchristlichen Jahrhundert und ist um das Jahr 300 verfasst worden:
 
Sonnenruf
 
„Herr, sei gegrüßt ! 
O überstarke Weltenkraft ! 
O urgewaltiger Weltenherr !-
Erhabener unter allen Göttern !
HELIOS !
Herr des Himmels
Und der Erden !
Der Götter Gott !
Gewaltig ist Dein Geisteshauch !
 Gewaltig ist Deine Geistesmacht !
HERR !
Wenn es Dir gefällig ist,
So melde mich dem Allerhöchsten,
Der auch Dich geschaffen und gezeugt,
Denn ich, ein Sterblicher, ein Erdenmensch,
Den eine Erdenmutter zeugte
aus ird’scher Samenbildekraft:
Von neuem heut’ aus Dir geboren,
Aus ungezählten Scharen
Berufen zur Unsterblichkeit:
In dieser Weihestunde
Nach Gottes Ratschluss,
Der da von Güte überströmt,
Anbeten will ich Dich und preisen
Aus aller Kraft, die Menschen eigen ist.“
 
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Sólarljóð ist der Titel eines altnordischen, wohl um 1200 entstandenen, anonym religiösen Gedichts von 82 Strophen. Es stellt die Belehrungen eines Toten an seinen Sohn dar, in Form von Gleichnissen, guten Ratschlägen und dem exemplarischen Lebenslauf des Vaters. Dann werden die Qualen eines Sünders beschrieben sowie die Freuden der Gerechten im Jenseits -; der Schluss stellt die Bitte um Erlösung dar. In einigen Versen spielt der Dichter auf das eddische Hávámál an, ebenso wie auf Gedanken der Völuspá und anderer Edda-Lieder.
 
„Solarliod“- Sonnenlied
 
[1] Gut und Leben raubte lang allen Lebenden
Jener grimme Greis:
Über die Wegscheide, die er bewachte,
Konnte keiner lebend kommen.
[2] Einsam immer saß er und aß,
Lud nie den Mann zum Mahl,
Bis müd und matt und unvermögend
Jetzt ein Gast die Gasse gegangen kam.
[3] Des Tranks bedürftig beteuerte sich der Fremdling
Und heißen Hunger zu haben;
Mit verzagtem Herzen zeigt er Vertrauen
Zu dem übel gearteten.
[4] Trank und Speise spendet er dem Müden
Gern aus ganzem Herzen,
Gedachte Gottes und gab dem Bedürftigen,
Weil er sich verworfen wusste.
[5] Auf stand jener mit üblem Vorsatz;
Nicht bedurfte der Wandrer der Wohltat.
Die Sünde schwoll: im Schlaf ermordet er,
Wie weis er war, den Reuigen.
[6] Den Gott im Himmel um Hilfe flehte der
Als er verwundet erwachte;
Aber der andere nahm seine Sünden auf sich,
Der ihn schuldlos erschlug.
[7] Heilige Engel schwebten vom Himmel hernieder
Und bargen seine Seele:
Ein lauteres Leben lebt sie ewig
Bei Gott dem Allgütigen.
[8] Besitz und Gesundheit sind keinem sicher,
Wie gut es ihm ergehe.
Oft verderbt uns, woran wir am wenigsten dachten;
Niemand setzt sich selbst sein Schicksal.
[9] Nicht versahen sich's Säwaldi und Unnar,
Daß ihr Glück so bald zerbräche;
Doch mussten sie nackt, da nichts ihnen blieb,
Wie Wölfe fliehen zum Walde.
[10] Zum Fall hat viele die Liebe geführt;
Viel Schmerzen schufen die Frauen:
Mein befleckte manche, die der mächtige Gott
Doch so schön geschaffen.
[11] Schwertbrüder waren Swafudr und Swarthedin,
Mochten nicht ohn‘ einander sein.
Eines Weibes wegen wurden sie sich feind:
Die stand ihnen zum Sturz bestimmt.
[12] Alles vergaßen sie über dem Glanz der Schönen,
Scherz und schöne Tage,
Sie schlugen alles sich aus dem Sinn
Bis auf der Lieben lichten Leib.
[13] Da wurden ihnen düster die dunkeln Nächte,
Sie schliefen den süßen Schlaf nicht mehr.
Aus diesem Harme erwuchs der Hass
Zwischen Bundesbrüdern.
[14] Allzu oft wird Unenthaltsamkeit
Grimmig vergolten,
Den Holmgang gingen sie um das holde Weib
Und lagen beid‘ im Blute.
[15] Übermutes soll sich keiner vermessen:
Des ward ich wohl gewahr,
Denn abgefallen sind allermeist
Von Gott, die sich ihm ergaben.
[16] Reich und mächtig waren Rädey und Webogi,
Lustig zu leben allein bedacht;
Von Feuer zu Feuer nun sieht man sie fahren,
Die schnöden Geschwüre zu bähen.
[17] Sie hofften nur auf sich und dachten sich hoch
Über alle Sterblichen;
Aber den Lauf wies ihrem Lose
Anders der Allmächtige.
[18] Sie lebten nach Lust und Laune dahin
Und sparten im Spiele das Gold nicht:
Das büßen nun beide, da sie bettelnd wechseln
Zwischen Frost und Feuer.
[19] Dem Abgünstigen traue nicht allzuviel
Wie süß er redt‘ und raune.
Heuchl‘ ihm Freundschaft: fremden Trug
Lassen wir weislich uns warnen.
[20] So erging es Sörli dem guten,
Als er sich in Wigolfs Gewalt gab:
Er traut ihm treulich; doch jener trog ihn,
Der seinen Bruder erschlagen.
[21] Er gewährt ihnen Frieden als war es von Herzen;
Man verhieß ihm Gold dagegen.
Sie schienen versöhnt beim süßen Met;
Noch kam der Falsch nicht zum Vorschein.
[22] Aber darauf am andern Tag
Als sie Rygiartal erritten,
Mit Schwertern erschlugen sie den Schuldlosen
Und ließen sein Leben schwinden.
[23] Die Hülle trugen sie auf heimlichen Wegen
Und bargen im Brunnen die Stücken.
Sie wollten es hehlen: der Herr aber sah's,
Der heilige, Himmel hernieder.
[24] Die Seele lud er, der süße Gott,
In seine Freuden zu fahren;
Doch mag er wohl säumig die Mordgesellen
Ihres langen Leids erledigen.
[25] Die Disen bitte, die Bräute des Himmels,
Dir holdes Herz zu hegen:
Deinen Wünschen werden sie in kommenden Wochen
Alles zu Liebe lenken.
[26] Das Werk des Unmuts, das auf dir lastet,
Büße nicht Böses häufend,
Liebestat versöhne den Schwerverletzten:
Das, sagt man, frommt der Seele.
[27] Um Gnadengaben flehe zu Gott,
Dem mächtigen, der uns Menschen schuf
Übels viel befährt der Mann,
Der seinen Vater versäumt.
[28] Mit brünstigem Fleh‘n erbitte dir
Wes du dich bedürftig dünkst.
Wer nichts erbittet dem bietet man nichts:
Wer ersinnt des Schweigenden Schäden ?
[29] Spät komme ich gefahren, frühe beschieden
Vor des Fürsten Türe.
Da erhoff ich, was mir verheißen ist:
Kost erlangt wer verlangt.
[30] Die Sünden sind schuld, dass wir trauernd scheiden
Aus dieser Welt des Wehs.
Niemand fürchte sich, der nichts verbrach:
Ein reines Herz errettet.
[31] Wolfsgestalt gewinnen alle,
Die wandelbaren Sinnes sind.
Das erfährt wohl jeder, der fahren soll
Über feuriger Flammen Glut.
[32] Freundlichen Rat und weise geflocht‘nen
Sagt ich dir siebenfach:
Vernimm ihn wohl und vergiss ihn nie,
Er ist wohl wert zu wissen.
[33] Erst will ich dir sagen wie selig ich war
In dieser Welt des Wehs.
Das ist das andre: dass alle Menschen
Wider Willen Leichen werden.
[34] Wollust und Stolz betrügt die Sterblichen,
Dass sie nach Schätzen schielen.
Zu langem Leide wird das lichte Gold;
Manchen betören Taler.
[35] Munter meist erschien ich den Menschen,
Denn wenig wusst‘ ich voraus:
Die zeitliche Welt hat wollustreich
Der Schöpfer geschaffen.
[36] Mit Neigen saß ich und nickte lange;
Doch groß war die Lust zu leben.
Aber des Waltenden Willen entschied,
Zum Tode führen Wege viel.
[37] Die Tage der Krankheit fühlt ich unsanft
Mir um die Hüfte geheftet;
Zerreißen wollt ich sie; aber sie waren stärker:
Leichter geht sich's lose.
[38] Allein wusst‘ ich, wie überall
Mir die Schmerzen schwollen.
Heim luden mich der Hölle Töchter
Graun‘voll alle Abend.
[39] Die Sonne sah ich, das schöne Tag‘sgestirn,
Sinken in die Welt des Schreiens,
Und der Hölle Gitter hört ich mir zur Linken
Schaurig erschallen.
[40] Die Sonne sah ich blutrot scheinen,
Wie ich von der Welt mich wandte;
Doch heller schien sie mir und herrlicher
Als ich sie noch je gesehen.
[41] Die Sonne sah ich, sie war so schön,
Als sah ich Gott den Schöpfer selbst.
Ich neigte der herrlichen heut zum letzten Mal
In dieser Welt des Wehs.
[42] Die Sonne sah ich, so war ihr Glanz,
Dass sonst mir nichts bewusst mehr war.
Die Höllenflüsse hallten zur Linken mir
Gemischt mit manches Menschen Blut.
[43] Die Sonne sah ich bebenden Angesichts,
Der Schrecken voll und Schmerzen,
Denn mein Herz, das hart bedrängte,
Zerging in Angst und Ohnmacht.
[44] Die Sonne sah ich noch selten verzagter;
Ich war der Welt schier halb entwandt;
Die Zunge stand mir starr im Munde,
So fühlt‘ ich sie von Frost erfasst.
[45] Die Sonne sollt ich nicht wiedersehn
Nach jenem trüben Tage;
Der blaue Himmel verbarg sich mir,
In Schmerzen entschwand die Besinnung.
[46] Der Stern der Hoffnung (die Seele) in der Stunde der Neugeburt
Entflog der bangen Brust.
Er schwang sich hoch empor und setzte sich nirgends,
Dass er zur Ruhe kommen konnte.
[47] Aber am ängstlichsten war mir die eine Nacht,
Wo ich starr lag auf dem Stroh:
Da verstand ich erst ganz das göttliche Wort:
Vom Staube stammen die Sterblichen.
[48] Das wiss' und erwäge der waltende Gott,
Der die Welt und den Himmel wirkte,
Wie einsam wir beim Abschied bleiben,
Zählten wir gleich der Freunde viel.
[49] Seiner Taten Frucht empfängt ein jeder:
Selig wer da wohl gewirkt!
Ich schatzentblößter kam auf ein Bett
Von schierem Sande zu liegen.
[50] Der Haut zu pflegen vergisst man der Pflicht:
Dies dünkt das erste Bedürfnis;
Doch mir verleidete sich die Lauge solchen Bads
Über alle Maßen.
[51] Auf der Nornen Stuhl saß ich neun Tage,
Ward dann auf den Hengst gehoben.
Schauerlich schien die Sonne der Riesin
Aus Nacht und Nebel nieder.
[52] Innen und außen wähnt ich alle sieben
Unterwelten zu durchwandern:
Auf und nieder sucht ich ängstlich den Weg,
Der leidlicher zu wandern wäre.
[53] Nun ist zu sagen, was ich zuerst ersah,
Als ich zu den Qualorten kam:
Versengte Vögel, die Seelen waren,
Flogen wie Fliegen umher.
[54] Von Westen drangen die Drachen des Wahns
Und bedeckten die glühenden Gassen.
Sie schlugen die Schwingen als sollte der Himmel
Bersten und die Erde.
[55] Den Sonnenhirsch sah ich von Süden kommen
Von Zwei‘n am Zaum geleitet;
Auf dem Felde standen seine Füße,
Die Hörner hob er zum Himmel.
[56] Von Norden ritten der Nüchternheit Söhne;
Ihrer sieben sah ich.
Volle Hörner hoben sie des herrlichen Mets
Aus des guten Gottes Brunnen.
[57] Der Wind schwieg, die Wasser stockten:
Da hört‘ ich kläglichen Klang.
Aus allen Kräften eifrige Weiber
Mahlten den Müll zum Mahl.
[58] Triefende Steine sah ich die traurigen Weiber
Übel handhaben;
Blutige Herzen hingen von ihren Brüsten
Zu langem Leide nieder.
[59] Viel Männer sah ich matt von Wunden
Auf den glühenden Gassen.
Ihr Angesicht dauchte mich immerdar
Rot von rauchendem Blut.
[60] Viele sah ich der Erde befohlen
Ohne das letzte Geleit;
Heidnische Sterne umstanden ihr Haupt
Von Todesstäben getroffen.
[61] Manche sah ich da, die der Missgunst sich
Um anderer Glück ergeben,
Blut‘ge Runen standen auf ihrer Brust
Vermerkt des meinethalb.
[62] Manchen sah ich da, der weglos musste
In der Öde traurig irren.
Der Lohn wird dem, der dieser Welt
Eitelkeit sich äffen lässt.
[63] Männer sah ich da, die manches Stück
Von andrer Gut sich angeeignet;
In Scharen gingen sie zu Schatzliebs Burg
Und schleppten Bürden von Blei.
[64] Männer sah ich da, die manchen hatten
Entleibt dem Gut zuliebe;
Die Brust durchbohrten den Bösewichtern
Grimme Giftdrachen.
[65] Männer sah ich da, die es missen wollten,
Die heiligen Tage zu halten;
Ihre Hände waren an heiße Steine
Notfest genagelt.
[66] Männer sah ich da, die mehr als billig
Der Hochmut höhnte.
Ihr Gewand war wunderbar
Übergossen mit Blut.
[67] Männer sah ich da, die manch Wort hatten
Auf andre Leute gelogen:
Ihren Häuptern hackten die Höllenraben
Eifrig die Augen aus.
[68] Alle Schrecken mag einer nicht wissen,
Die die Höllenkinder quälen.
Süße Sünden werden schwer gebüßt;
Hochmut kommt vor dem Fall.
[69] Männer sah ich da, die manchen Schatz
Gott zuliebe gegeben:
Himmlische Kerzen über ihren Häuptern
Brannten lichterloh.
[70] Männer sah ich da, die großmütig
Den Armen geholfen hatten:
Heilige Bücher lasen die Himmlischen
Über ihren Häuptern.
[71] Männer sah ich da, die sich gemartert
Hatten viel mit Fasten.
Ihnen neigten die Engel Gottes:
Das ist süße Seligkeit.
[72] Männer sah ich da, die ihrer Mutter
Das Mahl zum Mund geführt.
In Himmelsstrahlen standen ihnen
Die Betten gebreitet.
[73] Himmlische Mädchen wuschen ihnen
Die Seele rein von Sünden,
Die freiwillig mit keuschem Fasten
Sich manchen Tag gemartert.
[74] Himmlische Wagen sah ich zum Himmel fahren
Empor die göttlichen Gassen.
Männer lenkten sie, die unter Mörderhand
Ledig sanken aller Schuld.
[75] Allmächtiger Vater, gleichmächtiger Sohn,
Heiliger Geist des Himmels,
Dich bitt ich, nimm die du erschaffen hast
Uns aus dem Elend alle.
[76] Beugwör und Listwör sitzen vor des Hirten Tor
Auf dem Orgelstuhl,
Flüssiges Eisen entfließt ihren Nasen;
So weckten sie Hass und Wut.
[77] Frigg, Odins Frau, fährt auf der Erde Schiff
Zu der Wollust Wonne,
Ihre Segel senkt sie spät,
Die an harten Tauen hangen.
[78] Erbe, dein Vater allein verhalf dir
Mit Solkatlis Söhnen
Zu des Hirschen Horn, das aus dem Hügel nahm
Der weise Wigdwalin.
[79] Das sind die Runen, die da ritzten
Niörds Töchter neun,
Radwör die älteste und Kreppwör die jüngste,
Mit ihrer Schwestern sieben.
[80] Welche Gewalttaten wirkten nicht
Swafund Swaflogi !
Blut weckten sie, Wunden sogen sie
Tödliche, bitterböse.
[81] Dieses Lied, das ich dich lehrte,
Sollst du vor dem Volke singen:
Das Sonnenlied wird selten wohl
Den Leuten zu lügen scheinen.
[82] Hier lass‘ uns scheiden; am schönen Tag
Finden wir uns wieder.
Gebe Gott den Begrab‘nen Ruhe
Und verleihe den Lebenden Frieden.
[83] Tröstliche Lehre ward dir im Traum gesungen
Und Wahrheit ward dir enthüllt.
Von allen Lebenden war niemand so gelehrt,
Dass er das Sonnenlied singen hörte.