DER REGENBOGEN

Die Muttergöttin zog durchs Land,
im weiten, grünen Ur-Revier -,
sie segnete mit milder Hand,
Feld, Wald, die Menschen wie Getier.

Und alles schien ihr gut geraten,
in wunderbarer Harmonie,
es wucherten des Lebens Saaten
und auch die Gottesschau gedieh.

Die Menschen ehrten gute Mächte,
die Mutter Erd’ und Vater Himmel,
sie achteten die Gottes-Rechte
und freuten sich am Weltgewimmel.

Raum war genug für alle Wesen,
man lebte frei und mied den Streit,
die Weisen wollen in den Sternen lesen,
in dieser guten alten Friedenszeit.

Die Große Mutter sah die Wonne,
wie Eines sich in’s Andre fügte,
das Schöpfungswerk von Erd’ und Sonne,
im trauten Kreis sich selbst genügte.

Dem wollt’ sie eine Krone spenden,
ein farbenfrohes Ehren-Licht,
drum ließ sie wachsen aus den Händen,
des Regenbogens Angesicht.

Darin vereint sind alle Weltenfarben,
sinnbildlich einig, eng vertraut.
Drum denkt, es sollte keiner darben,
wenn ihr den Regenbogen schaut.

Doch jeder schön an seinem Orte,
wie’s Gottes Regenbogen lehrt,
zeigt ja Natur vortrefflicher als Worte,
wie sich die Welt im besten Sinne mehrt.


Bild des russischen Malers Boris Olshansky