Abb. 1a/b
 
GOTT FRO
 
Gott Fro, der Herr, macht Herzen froh,
in jeder Herrlichkeit lebt Fro.
Er war der Herrlichkeit Symbol,
der Traurigkeiten Gegen-Pol.
 
In ganz unchristlich froher Zeit,
war er der Herr der Herrlichkeit.
Die Fruchtbarkeit beherrscht er ganz,
drum ist sein Attribut der Schwanz.
 
Darum auch ist sein Wappentier,
der zeugungsfrohe Sonnen-Stier.
Und dazu der Befruchtungsstreber,
„Gullinburst“, der Sonnen-Eber.
 
Für alles Wachsen und Gedeihen,
in Liebesdingen auch von Zweien,
bei Pflanzen, Tier und Frau und Mann
rief man den Fro als Helfer an.
 
Der Weltberg ist sein Kegelhut
auf dem der Ball der Sonne ruht.
Was immer sprießt -, hinab, hinauf,
der Sonnen-Herr lenkt den Verlauf.
 
Wuchskraft kommt aus seinem Wirken,
in wahrhaft allen Weltbezirken,
darum trägt er, so wie man sieht,
zum langen Bart sein langes Glied.
 
Und dünkt Dir das anstößig fremd,
dann bist Du christlich arg verklemmt !
 
 
Am Grabmal des Ostgotenkönigs Theoderich (456-526) zu Ravenna / Italien wurde von einem germanischen Baukünstler die altgläubige Sonnen-Symbolik als Rundfries angebracht. Es handelt sich um ein mehrfach belegtes Sinnbild, welches auch der Sonnen-Fruchtbarkeits-Gott Fro/Freyr als Kegelmütze trägt. Ein Fries-Segment, umfasst jeweils 9 Sonnenzeichen, denn 9 (3x3) ist die germ. Sonnenzahl. Auch im Runen-ODING steht an 9. Stelle Sowilo, die Sonnen-Rune .
 
 
Oberkante der Relieffibel aus Gummersmark, Ostseeland / Dänemark aus 400-600 n.0 (Nationalmus. Kopenhagen / Raum 19) -- 21 gleiche Sonnensymbole wie im Fries des Theoderich-Grabmales zu Ravenna.
 
Die altnordische Namensform Freyr (ahd. frô, älter frôjo, frouwo, gotisch frauja, ae. frēa), stammt von einer gemeingermanischen Wurzel Fraujaz / Frauwaz „Herr“. Freyr ist identisch mit Yngvi oder Yngvi-Freyr, der im zehnten Kapitel der Ynglingasaga als Ahnherr der schwedischen Könige erscheint und im elften Kapitel als Vater Fjölnirs genannt wird. In den Merseburger Zaubersprüchen wird er als Gott „Fol“ bezeichnet. Eine kleine Statue des Freyr fand sich im schwedischen Rällinge (Abb. 1 a/b). Eber und Pferd sind dem Freyr geheiligte Tiere. Gullinborsti (altnord. „der mit den goldenen Borsten“) heißt der Eber des Freyr. Ihm wurde das Eberopfer für Erntesegen dargebracht. Er herrschte über Regen und Sonnenschein und wachte als Fruchtbarkeitsgott über das Wachstum.
Saxo Grammaticus schreibt, dass der dänische Sagenkönig Hadingus dem Gott Frø ein Sühneopfer darbrachte (Saxo I, 8, 12). Dieser wird als identisch mit Freyr angesehen. Adam von Bremen berichtet vom Tempel in Uppsala, der dem Fruchtbarkeitsgott Fricco geweiht war - einem weiteren Namen für Freyr (Adam IV, 24). Die Ynglinga-Saga berichtet, dass der fróðafriðr („Froði-Frieden“) während der Herrschaft des mythischen Königs Froði in Dänemark zu anhaltenden guten Ernten geführt habe. Deshalb wird Froði in der Forschung mit Freyr gleichgesetzt. Das ist auch etymologisch plausibel, da froda im Altschweden „Üppigkeit, Fruchtbarkeit“ bedeutet. Auch die belegten Darstellungen Freyrs mit einem riesigen Phallus passt dazu.
 
Abb. 2   3 4 
 
Einige Funktionen des germ. Erntegottes Fro/Freyr übernahm der katholische Ersatzgott bzw. „Heilige“ namens Jakobus, dessen Fest man auf den Beginn er Kornernte legte. Der 25. Juli ist im Westen seit dem 8. Jh. als „Jakobstag“ (St. Jakob, Jakobus, Jakobi), d. h. als Festtag für Jakobus den Älteren, Bruder des Christagenten Johannes, nachweisbar. Ein christlicher Jakobs-Namenstag ist auch der 3. Mai, dem altgläubigen Balder-Tag. Jakobi als Beginn des Getreideschnitts drückt sich im deutschen Bauernspruch aus: „Jakobi - schneid' obi !“ Wie deutlich der Jakob als Ersatzspieler des Gottes Fro zu verstehen ist, geht z.B. aus den altheidnischen Reliefs der heute evangelischen Jakobuskirche oder Jakobskirche in der Tübinger Altstadt hervor, die einige im Innenraum eingemauerte Reste aus einem heidnischen Vorläufertempel des Gottes Fro birgt. Dazu gehört der dreiteilige Sonnensegen-Stein (Abb. 2) und das Fro-Relief (Abb. 3 / 4) mit dem riesigen Phallus. Der Bart ist noch als solcher erkennbar, das Gesicht ist zerhackt. Die Hodenpartie ist abgegriffen oder mutwillig verschabt. Um die Konturen besser hervortreten zu lassen, habe ich den Kontrast erhöht (Abb. 4). Unmittelbar vor dem Phallus ist der Abbruchteil einer weiteren zentrischen Sonnenscheibe sichtbar, die im Urzustand wahrscheinlich von der rechten Hand umfasst wurde, während die linke (übergroße Segenshand) den Herrscherstab hält. Die Gestalt ist nicht in die tunikaartigen Gewänder der orientalisch-römischen christlichen „Heiligen“ gekleidet, sondern in die typisch germanische Gewandung von Umhang und Hosen mit Kurzstiefeln.
 
Lustigerweise wird christlicherseits die Gestalt als ein Pilger („Jabobsweg“), oder als der „heilige Jakobus“ selbst, fehlinterpretiert.