Symbolbild der Sängerin Zora Cock von der Gruppe Blackbriar
 
Haggard - Herr Mannelig
>>Italienische Version von Sängerin Laura Belli<<
 
 
 
Garmarna - Herr Mannelig
>>Schwedisches Original von Sängerin Emma Härdelin<<
 
Tibetréa - Herr Mannelig
>>Gesang vierstimmig<<
 
Herr Mannelig - Kleiner Film
 
Direktor VFX Rafael Selzer - Song Tibetréa
Herr Mannelig: Markus Engelfried - Trollmädchen: Chris Fano
 
HERR MANNELIG
 
Eines frühen Morgens, bevor die Sonne aufging,
bevor die Vögel begannen zu singen,
machte die Schwarzalbin dem schönen Jungen einen Antrag.
Sie sprach mit gespaltener Zunge:

„Herr Mannelig, Herr Mannelig, heiratet Ihr mich,
für das, was ich Euch so gerne gebe ?
Ihr könnt nur ja oder nein sagen,
ob Ihr es tun wollt oder nicht ?

Ich werde Euch die zwölf prächtigen Rösser geben,
die dort im Gehölz grasen.
Noch nie wurde ein Sattel auf sie gelegt,
noch nie hatten sie eine Trense im Maul.

Ich werde Euch die zwölf feinen Mühlen geben,
die zwischen Tillö und Ternö stehen.
Die Mahlsteine wurden aus dem rotesten Kupfer gefertigt
und die Räder sind mit Silber beschlagen.

Ich werde Euch das vergoldete Schwert geben,
das von fünfzehn Goldringen widerhallt.
Und wenn Ihr es im Hader führt,
werdet Ihr das Schlachtfeld erobern.

Ich werde Euch das brandneue Hemd geben,
das schimmernde Schönste, das es zum Tragen gibt.
Es wurde nicht mit Nadel oder Faden genäht,
sondern gewirkt aus weißester Gasterseide.“

„Solche Gaben nähme ich gerne an,
wenn du eine Frau mit gutem Geist wärst.
Aber du bist nun einmal die schlimmste Schwarzalbin,
aus Lokis Brut von Necken und Thursen.“

Die Trollin sprang aus der Tür,
sie heulte und jammerte so laut:
„Hätte ich diesen schönen Jungen bekommen,
wäre ich von meiner Bannung befreit gewesen.“

Herr Mannelig, Herr Mannelig, heiratet Ihr mich,
für das, was ich Euch so gerne gebe ?
Ihr könnt nur ja oder nein sagen,
ob Ihr es tun wollt oder nicht ?
 
Die altschwedische Ballade „Herr Mannelig“ handelt von einer Trollin die den hübschen Herrn Mannelig überreden möchte, sie zu heiraten. Sie würde ihn dafür mit Geschenken überschütten, doch er lehnt ab, weil sie keine Christin sei. Darauf bemerkt sie, bei einer Heirat „wäre sie von ihrer Qual befreit gewesen“, was z. B. heißen könnte, dass sie bei einer Heirat mit einem christlichen Mann eine unsterbliche Seele bekommen hätte. Da es sich bei derartigen Erzeugnissen aus der Volkstradition in aller Regel um späte christenkirchliche Umdichtungen handelt, darf man davon ausgehen, dass im Urtext die Ablehnung der Bewerbung natürlich nicht erfolgt ist weil die Bergtrollin keine Christin ist, vielmehr weil sie zur schwarzalbischen Sippe der Unholden gehört, aus dem Urvater des Bösen, nämlich dem Dämon Loki. Möglicherweise, nein sicherlich meinte der Originaltext das genau Gegenteil ! Wie aus isländischen Texten der Familien-Sagas hervorgeht, ängstige man sich vor den Schaden bringenden dämonischen Seelen verstorbener Christinnen. Der junge Herr Manneling lehnte also einstmals die Bewerbung der Dämonin eben deshalb ab, weil sie dem böswilligen, fremden, romkirchlichen Bibelglauben anhing, der die volksgläubigen Traditionen und Götter mit unsäglichem Hass verfolgte. Bezeichnend ist die Herkunftsangabe des Liedes. Es ist erstmals 1877 gedruckt worden und zwar in einer sogenannten Volksliedersammlung „aus der Kirchspielsgemeinde Lunda“. Lunda in Södermanlands län, Gemeinde Nyköping. Die beiden in der vierten Strophe des Liedes erwähnten Orte Tillö und Ternö liegen im südlichen Södermanland. Der Titel lautet dort „Bergatrollets frieri“ („Bergtrolls Heiratsantrag“). Die Vermutung, dass es andere - eben keine kirchenchristlichen Varianten des Liedes gab, beweist Band 3 der genannten Volksliedersammlung. Sie enthält eine ebenso tendenziöse Form dieses Liedes mit dem Titel „Skogjungfruns frieri“ („Waldjungfraus Heiratsantrag“). Auch hier lehnt Herr Mannelig ab, weil die Waldjungfrau eine Heidin ist. Weitere Varianten dieses Liedes heißen „Herr Magnus och Hafstrollet“ („Herr Magnus und der Meertroll“) sowie „Hertig Magnus och Hafsfrun“ („Herzog Magnus und die Meerjungfrau“). In einer Liedvariante aus Näshulta heißt es statt der „gespaltenen“ also lügenhaften Zunge“: „Hon sjong med så rörande tunga“ (d. h.: „Sie sang mit so rührender Zunge“). In dem Märchen von Hans Christian Andersens „Die kleine Meerjungfrau“ versucht sie durch die Heirat mit dem Prinzen eine unsterbliche Seele zu bekommen, doch ist auch ihr Versuch, das Herz des Prinzen zu gewinnen, zum Scheitern verurteilt. Die vorchristlichen Menschen des Nordens waren von einer unsterblichen Seele überzeugt und sie glaubten an die Wiedergeburt, also an das immerwährende Neuerwachen uralter Seelenkräfte innerhalb ihrer Sippen. Um die zu erwerbende „unsterbliche“ Seele kann es im Urtext nicht gegangen sein, sondern um die lichtalbische Seele, also um die unangekränkelte vorchristliche sonnenstarke Seelenenergie. - Ich habe bei dem hier vorgestellten Liedtext minimale rückkorrigierende Begriffsänderungen vorgenommen, damit dieses nordische Lied von kirchenchristlicher Entstellung befreit würde. Der Balladenzug „Erlösung durch Liebe“, dass durch das „Ja“ zur Heirat ein Bann des/der Verfluchten aufgehoben sei, ist ein immer wiederkehrendes Motiv in Märchen und Legenden. Abgesehen davon, dass ganz natürlich nur die Liebe des Menschen den Mensch zu erlösen fähig ist - sei es die Geschlechter- oder die Freundesliebe - werden in der Mannelig-Ballade die Glaubensgegensätze der Missionszeiten thematisiert. Eine Christin, die „kristelig qvinna“, musste im Gemeinwesen einer nichtchristlichen Siedlung aus altgläubiger Sicht einer nachbarschaftsfeindlichen, misswilligen Dämonin gleichen. Nach den Glaubensüberzeugungen des Einzelnen war und ist die Auffassung von „Heil-und-Unheil“ austauschbar. Die Erlösung einer gebannten bzw. verführten Christenseele kann durch die Liebe eines Heiden ebenso erfolgen, wie es umgekehrt dem bekanntgewordenen kirchenchristlichen Mannelig-Modus entspricht. (Gerhard Hess)