„Schri Yantra“ (Nepal 1700) ist ein Symbol indischer Tantra-Tradition für die Schiwa-Schakti-Einheit. „Schiwa“(„Gnädiger / Glückverheißender“) gilt als die Manifestation des Höchsten und „Shakti“ (Sanskrit „Kraft“) als weibliche Urkraft des Universums. Das Symbol stellt das All dar, mit den ineinander wirkenden Kräften des Makro- und Mikrokosmos (Kosmos + Mensch), in der immerwährenden Entfaltung, dem Sein und dem Wiederzurückströmen. Die Mannus-Rune, als 5. Zeichen im ODING-Kreis, spricht eine sinnverwandte Sprache.
 
 
WELTSEELENLIEBE
 
Was der Ahnengeist besessen,
langhin ist es schon vergessen,
schön, wenn nur ein Anteil bliebe,
von der einstigen Gottesliebe.
 
Im Ur-Anfang war nur das OD,
es kannte nicht Beginn noch Tod.
Polar war es von Anbeginn,
Lao-tse hieß es Yang und Yin.
 
Des Kosmos Seele floss daraus,
entfaltet‘ sich zum Geister Strauß,
gedieh zum Ganzen, ohne Fehle,
zu Manus unsterblicher Seele.
 
Ob’s Mannaz, Manes, Minos hieß,
es war der Geist im Paradies -,
in Gänze, völlig unverwundet,
glückselig in sich selbst gerundet.
 
Doch gab es einen Widersacher,
den drachenart‘gen Leid-Entfacher,
den wollte Manu niederringen,
den Finsterling in Fesseln zwingen.
 
Manu wuchs und wurd‘ zum All,
jedwedes Ding sein Wiederhall.
Grundstoffe wurden und Metalle,
die Wandelstern‘ und Götter alle.
 
Und da geschah der große Riss,
der Ur-Anlass blieb ungewiss,
des Manu Hoheit ließ sich beugen,
um Erden-Vielfalt zu erzeugen.
 
Mannus zerfiel in Frau und Mann,
der Herzen Sehnsuchtslauf begann,
um sich im Urzeit-Glück zu finden,
zahllose Formen neu zu gründen.
 
Weltenseelenkraft befeuert Zwei,
daraus erwacht der Zukunft Drei.
Von Asker - Embla -, bis zum Tier,
es weben Líf und Lífthrasir.
 
All-Vater Tiu thront im Himmel -
Tages-Glanz und Stern-Gewimmel -
der Licht-Gott hat die Welt erhellt,
die Raum-Zeit ist ihm unterstellt.
 
Nerða-Freija - Kraft der Erde,
Mutterschoß des Sein und Werde,
gebiert der Leiber Lebensfunken,
sinnen-froh und werde-trunken.
 
Wenn immerzu im Liebesfrieden
Teil-Seelen finden sich hienieden,
sind es die Frieda und der Frieder,
im Heile ihrer Ganzheit wieder.
 
So ist die Lieb‘ ein Sichergänzen,
in wonniglichen Werde-Tänzen,
ein Hochspiralen zu den Sphären,
die urgöttliches Glück gewähren.
 
Urmensch Mannus - Zwillings-Mythos
 
Über indogermanische Urreligionsformen unterrichten eine Reihe von Texten aus alter Zeit. Um so eine Art desgemeinsamen Nenners in Teilbereichen zu rekonstruieren, müssen wir den Versuch wagen, diese Aussagen zusammenschauen. Sehr komplex und schwer durchschaubar ist der Mythos vom „Urmenschen“. Im Altarioindischen heißt er „Manu“ (Sanskrit „Mensch / Menschheit) und gilt als Stammvater aller Menschen. Das Wort kommt aus der indogerm. Verbalwurzel „men-“ (denken, überlegen, ermahnen) zusammen und bezeichnet so den vernunftbegabten Menschen. Auch das altnord. Wort „Máni“ („Mond“) für den Mondgott ist so abzuleiten. „Munin“ ist einer der beiden mythischen Raben Wodins und bedeutet etwa so viel wie „Erinnerung“. Im lat. Religion gelten die Geister der Toten als „Manen“, auch als „di manes“ („Gute Götter“), ebenso wie die germ. „Asen“ die guten Götter aus den Ahnenseelen sind. Den immer wiederkehrenden Neuanfängen nach Katastrophen trägt die ind. Mythologie Rechnung, indem sie von vierzehn (Quersumme 5) verschiedene „Manus“ spricht, die jeweils am Anfang einer neuen Menschheit stehen. Manu gilt als mythischer Verfasser des indischen Gesetzbuches „Manusmriti“. „Manu Vaivasvata“ gilt als erster Herrscher der Menschen, sein Bruder „Yama“ als Herrscher über die Toten. Dieser „Yama“ entspricht dem germanischen „Ymir“, dem menschengestaltigen sog. Urriesen, aus dem die Götter ihre kosmische Schöpfung anfertigten. Sein Schädeldach wurde zum Himmel, seine Augen zu Sonne und Mond usw.. Der germ. „Mannaz / Mannus“ ist ebenfalls ein Wort für „Mensch / Menschheit“, er gilt im germ. Mythos ebenfalls als Stammvater seines Volkes. Sein lineares Runen-Sinnbild des „Mannus-Stabes“ verdeutlicht die weiblich-männliche Doppelhaftigkeit der Menschheit. Er steht im ODING-FUÞARK-System an 5. Stelle. Im iranischen „Avesta“ gilt „Monus“ als der erste Mensch, bei den Phrygiern war es „Manes“. Auch soll es einen altägyptischen Pharao „Menes“ gegeben haben, der als Begründer der altägyptischen Kultur gilt und zuweilen als „erster Reichseiniger“ bezeichnet wurde.
 
Vom Minos und seinem Labyrinth
 
Der altkretische König „Minos“ wird von dem altgriechischen Dichter Homer als Sohn des Zeus und der Europa und als Achäer bezeichnet, gehört also als Mythengestalt zu den griechischen Mykeniern und nicht zu den vorgriechischen Minoern. Nach der griech. Sage ließ der kretische König „Minos“ für seinen ungeheuerlichen stier-menschlichen Bastardsohn „Minotaurus“ das berühmte Labyrinth erbauen. Ihm wurden athenische Jünglinge und Jungfrauen zum Fraße vorgeworfen. Erst Theseus beendete diesen Opferritus, indem er selbst mitfuhr und den „Minotauros“ tötete. In dieser Legende spiegelt sich das altarische Herkommen, zu bestimmten Zeiten Stieropferfeste für die Sonne abzuhalten, wie sie im ca. 7.000 Jahre alten Wintersonnwendheiligtum von Goseck bei Naumburg (Sachsen-Anhalt) nachweisbar sind. Das Labyrinth versinnbildlichte zunächst nichts anderes als den jährlichen spiraligen Sonnenweg, den der Sonnen-Stier zu gehen hatte. Um ihn dafür zu stärken, hielt man rituelle Stieropfer ab. Stier-, Ross- und Menschenopfer waren unter gewissen Aspekten austauschbar. Dem geheiligten Sonnenstier konnten also Jünglingsopfer gespendet werden, die in späteren Zeitläuften als verwerflich galten und automatisch den „Minotauros“ als Untier erscheinen lassen mussten.
 
Ur-Mensch
 
Die altpersische Religion lehrt im „Avesta“ vom „Angra Manyu / Ahreman“ („Arger Geist / Angst machender Geist“) und dem „Sponta Manyu“ („Guter Geist“), welcher mit der Vatergottheit „Ahura Mazda“ („weise Herr“ / „Herr der Weisheit“) deckungsgleich ist. Die beiden werden als die „Zwillinge“ dargestellt, welche alles Gute und Böse erschaffen haben. Auch stehen den sechs guten Geistern ebenso viele böse gegenüber. Der Kampf zwischen Gut und Böse währt mehrere Perioden, an deren Ende ein Weltgericht stattfindet das die Bösen bestrafen und die Guten belohnen wird. Schließlich wird der böse Geist überwunden sein und ein neues, ewiges Reich des Guten Gottes wird aufgehen. Diese Vorstellungen müssen zum arischen Urglauben gehören, denn die Mythen der Iraner, Arioinder und Germanen erzählen gleichermaßen davon. Einer von den 6 bösen Geistern ist die „böse Gesinnung“, ein anderer die „Lüge“, deren Name im „Zendavesta“ als „Drudsch“, in den arioind. Veden als „Druh“ vorkommt und dem deutschen „Trug“ entspricht.
 
 
Aus entwicklungsgeschichtlicher Sicht gesehen, gibt es Vormenschenformen seit um die sechs Millionen Jahren. Sie glichen äffischen Wesen verschiedener Arten, besaßen kräftige Schnauzen, kein Kinn und keine Stirn. Ungewiss ist, wie es zur Abstammungslinie kam, aus der sich der vernunftbegabe Mensch entwickelte, der Zweig des „Homo sapiens“. Vor ein bis zwei Millionen Jahren erscheinen die Werkzeuge dieses Typus, des „Homo erectus“, immer verfeinerter. Er begann das Feuermachen zu beherrschen. Auch der „Neandertaler“ verfügte bereist über Steinwerkzeuge und Waffen, musste dann vor ca. 30.000 Jahren dem „Homo sapiens“ Platz machen. Mit ihm fängt die eigentliche Menschheitsgeschichte an. Der in seiner Anlage von Anbeginn als vorhanden anzunehmende und sich zum Erhabenen entwickelnde Geist des Urmenschen ist im arischen Ur-Kult mystifiziert worden, als schöpferische Ur-Seele. Aus ihrer Substanz sei die reale geistige und materielle Erfahrungswelt des Menschen gefertigt worden. Aus dem bipolaren bzw. zwittrigen Urmenschen wurde im Mythus die Welt. Die Menschheit besteht aus weiblichen und männlichen Ausformungen, ist also androgyn, wie im Mythos der Urgeistmensch „Mannus“, oder „Manu“, oder „Menes“ usw.. Ebenso ist der germ. Urgott „Tuisto“ („Zweifacher“) einzuschätzen, von dem Tacitus in der „Germania“ berichtet. Der „Tuisto“ ist Vater des menschenerzeugenden „Mannus“, also nur die ältere Form. Der Mythos spielt, er wandert, er verändert sich, vergisst Anteile, nimmt Neues auf und kreist trotzdem weiterhin um seine Zentralthemen. Auch der germ. menschengestaltige „Ymir“ („Zwilling / Zwitter“), der altindische „Yama“, der altpersische „Yima“ sind gleiche Ur-Ideenbilder. Im Germanischen ist es der dreigestaltige Urgeistgott „Wodin-Wili-Weih“ (altnord. Odin, Vili und = Seele - Wille - Weihe) der aus „Ymirs“ Körperteilen die Welt baut. Auch im seelisch-moralischen Sinne ist der Urmensch wie der Jetztmensch ein Zwitter, er ist hin- und hergezerrt zwischen Gutem Geist und Bösem Sinn. Der „Hohe Mensch“, mit dem der „Urmensch“ im Zoroasterglauben der Parsen gleichgesetzt wird, kämpft einen schier endlosen Kampf gegen die „Bösen Geister“, gegen seine niederen Gelüste und weltlich-materiellen Versuchungen. Schließlich kann der „Gute Sinn“ im „Urmenschen“ sogar als der erhoffte „Erlöser“ des Menschentums auftreten, was als lehrreicher, treffsicherer, ja anspornender Symbolismus zu verstehen wäre. 
 
Weltseelenliebe
 
Aus seiner geistigen wie aus der körperlichen Zwiespältigkeit heraus vermag das Ideenbild des Urmenschen nichts anderes als ein Zwiespältiges zu gebären, eben den in Frau und Mann geschiedenen Körpermenschen. Erst durch die Geschlechtertrennung wird die Variationsbreite unterschiedlichster Individuen ermöglicht. Die Ur-Idee vom „Homo sapiens“ war eine Einheit, in ihrer geschlechtsspezifischen Ausformung wird die Idee zur materiellen Wirklichkeit. Im ario-indischen Mythos zeugt und gebiert der in Weibliches und Männliches gespaltene Urmensch alle paarige Wesen der Erde, wird also zum Stammelternpaar selbst der Tiere. Der Zustand urweltlich-geistiger Vollkommenheit in einem androgynen Körper, wird als praktisch sehnsuchtsloser Glückszustand gedeutet, und damit auch die immerwährende Suche nach geschlechtlicher Vereinigung des jetzigen Weltmenschen erklärt.  
 
Die Spaltungswesen aus der Abkunft des „Mannus“ werden in der nordischen „Edda“ benannt mit „Ask und Embla“ („Esche und Ulme“) sowie „Lif und Lifðrasir“ („Leben und Lebenstreber“), wobei „Lif“ die Frau als die das Leben Tragende und Schenkende zu verstehen ist und „Lifðrasir“ der ihr - dem Leben - nachstrebende Mann. Wenn „Lif und Lifðrasir“ im Liebesakt aufeinander zu und ineinander eingehen, sollten sie sich unter dem Vorstellungs- und Suggestivbild der „Mannus-Rune“   verbinden. Die germanische Menschheits-Rune wird zum Mandala für Liebende, das bedeutet: absolute komplementäre Gleichwertigkeiten vollziehen einen möglichst langandauernden Selbstaufgabe-, Fremdverständnis- und Durchdringungsprozess. Er kann allein ohne jegliche Gewaltsamkeit angedacht werden ! Ein Ineinander-Aufgehen ist anzustreben, unter dem Bewusstseinsversuch der „Guten Weltschöpfung“ -; das wäre unter der Maßgabe einer „Weltseelenliebe“ zu vollziehen.
 
 
 
Holzschnitt aus „Rosarium philosophorum” (Rosengarten der Weisen), 1550, Autor unbekannt, Frankfurt. Beschreibung eines zehnstufigen Weges zur Bereitung des „Steins der Weisen“. C.G. Jung erklärte die psychologische Deutung dieses inneren Weges in „Die Psychologie der Übertragung“, 1946 - Von der Antike bis in die mittelalterliche Alchemie tradierten sich die altreligiösen Vorstellungen und Gleichnisbilder vom Weltelternpaar der großen komplementären Gegensätze die sich in jedem Menschenpaar verleiblicht spiegeln.
 
MANNUS-LIEBE - TANTRA-EKSTASE
 
Tantra ist ein indischer Kult, dessen früheste Texte - es sind buddhistische - aus etwa dem 6. Jahrhundert n.0 stammen. Tantra will Aktivitäten anregen und psychosomatische Kräfte freisetzen, in Gestalt von Meditationen, von Opfern, Yogaübungen und Liebesvereinigungen der Geschlechter. Tantra will Hilfen anbieten, wie wir zu den Wurzeln unseres Ichs zurückfinden. Tanta lehrt keinen Urtriebsverzicht, im Gegenteil, es sagt viel eher: „Töte Dein Fleisch nicht ab, treibe Dein Bedürfnis zur höchstmöglichen Entfaltung und nutze es als Treibsatz zur Erleuchtung.“ Möglichst umfassend sollen Energien des Körpers, aller Sinne und des Verstandes erweckt werden. Diese Grundauffassung entspricht dem europäischen Denken, wodurch Tantra durchaus guten Gewissens auch praktizierenden Runen-Jüngern und insbesondere Odingis empfohlen werden kann.
 
Um es auf den Punkt zu bringen und das visionäre Ziel der tantrischen Liebe sofort zu bezeichnen: Es wird eine kosmische  Wollust der feinsten erhabensten Form angestrebt. Das Ur-Es, der Ur-Grund des Seins, die Monas, das Brahman, das OD kann noch nicht konkret sexuell gedacht werden, erst die beginnenden Äußerungsformen seiner Weltwerdung - welche die religiösen Mythen verwandter Kulturen ähnlich beschreiben - kommen diesbezüglich in Betracht. Das männliche Prinzip der universellen Schöpfung gilt dann als „Keim des Seins“, der als Anstoßgeber winzig klein erscheint, gegenüber dem ungeheuer gewaltigen Schöpfungswerk des weiblichen Prinzips. Das männliche Prinzip wird im Tantrismus Schiwa genannt und durch das erigierte männliche Glied dargestellt, dem Lingam. Das weibliche Prinzip heißt Schakti und wird verdeutlicht durch das Yoni-Vulva-Symbol. Der Mensch lebt in der von ihr ausgebreiteten Welt, weshalb der Tantrike ihr die größere Verehrung entgegen bringt.
 
Analogien
 
Hält man rekonstruierend die bruchstückhaften Überlieferungen der germanischen und der indischen Kosmologien - im Hauptbezug zum Schri-Yantra - vergleichend nebeneinander, so ergibt sich im Kern folgender Schemavergleich:
 
1.) Monade - Ur-Energie / der Ur-Samen:  ind. Brahman - germ. OD (Ur-Seele / Ur-Weltgeist)
2.) Das Ur-Es definiert sich dual-androgyn indem der komplementäre Weltgegensatz in Erscheinung tritt: ind. Yima, Manu - germ./iran. Ymir, Tuisto, Mannus (iran. Weltseele)
3.) Spaltung in die kosmogonischen Weltgegensätze: (Makrokosmisch) ind. Schiwa-Schakti - germ. Nerða-Tiu /Freia-Tiu - (Mikrokosmisch): Embla-Asker (iran. Maschya-Maschyana), Lif-Lifdrasil
4.) Gebärender Energie Wirkkraft ist am Schöpfungswerk - Genesis 
 
Tantrischer Erleuchtungsweg
 
Der Tantra-Kult will die Ureinheit der Geschlechter darlegen, indem er den Geschlechter-Spaltungsprozess aus dem Brahman-Ur-OD zurückvollzieht. Der angestrebte Erleuchtungszustand soll dem Tantriken die Wahrheiten über den Ursprung der Dinge und der Menschen klar erkennen lassen. Der erste Schritt ist die Auflösung der Zeit für den Adepten. Für den Blick in den Zusammenfall von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sollen die tantrischen Diagramme ermöglichen, wie die des „Schri-Yantra“ (Abb. 1). Es heißt in einem Fachtext: „Das Meditieren über sie soll den Geist antreiben, rückwärts zu schauen, den Schöpfungsakt umzukehren und fest auf den andauernden Prozess des Hervorbringens zu blicken. Das Schlüsselwort dafür ist im Sanskrit ,Paravritti‘, das ,umwenden und  aufwärts bewegen‘ bedeutet.“ Das Hauptsymbol des Tantra ist Minne, ist „Minnewut“ (ahd. „wollüstige Beseelung“), also sexualzentrisches Engagement. Der kosmologische Akt ununterbrochener Schöpfung wird durch die Formen des Liebenstriebes im Tanz dre Sinne ausgedrückt. Die Grundexistenz der Welt wird im andauernden Erregung- und Geburtszustand der „Yoni“ (Sanskrit „Ursprung / Vulva“), dem weiblichen Sexualzentrum begriffen, die vom Huldigungsbedürfnis des männlichen Samens umtanzt wird, welcher sie in Gestalt des männlichen Teiles, des „Lingam“ (Sanskrit „Sinnbild / Penis“), geradezu umschwärmt. Der Ursamen hat nach tantrischer Sicht den Lebens-Gral oder Füllhorn der Yoni hervorgebracht. Er ist als Urseelensymbol - also als das „Ur-Od“ - zu verstehen. Im Schri-Yantra wird es als zentraler weißer Punkt - dem Ur-Punkt der Anstoßenergie - wiedergegeben. Die Hervorbringung der komplementären männlichen und weiblichen Kräfte finden bildhaften Ausdruck in den weißen und roten Dreiecken die sich im ind. Denken vertikal ineinander schieben (germ. Mannus-Rune demonstriert horizontales Ineinanderaufgehen). Sämtliche im Zeitenfluss geschehenen Werdungen scheinen zugleich zu existieren, wenn die Rückwärtsschau sie zu einem Bild zusammenzieht.
 
Der gleichen oder nah verwandten Idee vom Schöpfung-Akt liegt die vom Runen-Schöpfer gewählte Linienform der Menschheits- bzw. Mannus-Hieroglyphe zugrunde. Der sexuelle Erschaffungsprozess, zu dem das Menschenpaar befähigt ist, wird im Tantrismus durch diverse Symbolismen verbildlicht, die „Yantra“ (Sanskrit „Werkzeug / Hilfe“) genannt werden. Die Mannus-Rune ist ebenso ein Yantra wie das Schri-Yantra (Sanskrit Shri „heilig / Wohlstand“). Im vorgetragenen Sinne ist jeder einzelne der 24 Runen-Stäbe ein Yantra, das Ideenmuster und Bewusstseinsebenen hervorrufen, oder gleich den Radiowellen-Antennen bestimmte Assoziationen einfangen soll. Tantra konzentriert seine Aufmerksamkeit und seine Meditation auf das Weibliche, denn ihm begegnet der Weltmensch ununterbrochen in allen Verwirklichungen und Erscheinungen der Zeit, während der besamende Anstoß ein selbst kaum in Erscheinung tretender Impulsgeber ist. Jede Frau scheint die schöne Göttin, die große Gebärende, widerzuspiegeln -, die Göttin selbst manifestiert sich in jeder fruchtbaren Frau. Daher spielen die Frauen, als Trägerinnen der Schöpfungsenergie, im Tantrismus die Hauptrolle. Damit die Werde-Mutter ihre Schöpfungsprozesse gestalten kann, bedarf es der tantrischen Einsicht vom unabdingbaren Opfer des Sterbemuss ! Jeder Krieg, Krankheiten, Hungersnöte gehören zum Zwang schrecklicher Realitäten aus dem Gesetz der Göttin, die der Tantrike zu begreifen hat. So zeigt im diesbezüglich passenden Sinnbild die Weltmutter, in ganzheitlicher Betrachtung, auch ihre dunkle Seite -; die schwarze „Kali“ der Inder ebenso wie die schwarz-weiße „Hel“ der Germanen. Niemand kann ein erfolgreicher Tantrike und Erilar (Runen-Gode) sein, der nicht dieser Erkenntnis ins Gesicht gesehen und sich das Bild der wahren Göttinnen-Natur einverleibt hat. Die Große Mutter gebiert und verschlingt -, die Yoni-Vulva ist das Maul das die Welt und die Zeit hervorspeit und wieder einsaugt.
 
Das Bild des Schri Yanta gilt als symbolische Repräsentation des Göttlichen und stellt den Einweihungsweg des tantrischen Adepten dar, also das Muster-Bild der tantrischen Wegweisung. In seinem Mittelpunkt wird Schiwa über dem hl. Berg Meru als Mittelpunkt des Universums gedacht. Alternativ gilt aus germ. Schau Gott Tiu im Kopf der Irminsul-Weltachse unter dem Zenit als Mittelpunkt des Alls. Die vom OD-Tiu-Mittelpunkt ausgehenden 5 Dreiecke werden der weiblichen Kraft (Schakti / OD-Freia) zugeordnet (bei Abb. 1 linke Seite). Die 4 dagegen stehenden Dreiecke symbolisieren die männlichen Kräfte des Schiwa. Die 9 „Tschakras“ - so werden sie in den alten Texten genannt - bilden das „Glückliche Paar“, wie es die Mannus-Rune ebenso verdeutlicht. Mit den 5 Schakti-Tschakras werden die 5 Ur-Elemente versinnbildlicht: Erde, Luft, Feuer, Wasser, Äther. Durch das Zusammenwirken mit den 4 Schiwa-Tschakras entsteht der ganze Kosmos. So werden die sich ergänzenden Gegensätze als „unzertrennliches Paar“ und die „Ureltern alles Seins“, des Werdens und Vergehens geschildert. Außen herum kreist der sechzehn-bättrigen Lotos und weitere Symbolismen auf die nicht eingegangen werden muss. Jedenfalls handelt es sich bei der Schri-Yanta-Übung um einen neunteiligen Stufenweg. Durch Überschneidungen ergeben sich 43 kleine Dreiecke, welche in der Quersumme zunächst zur Göttinnen-Zahl 7 führt. Zusammen ergeben sich 129 Enden, diese fallen in ihrer Quersumme wieder zur 3 der „Trimurti“ (Sanskrit „Drei Formen“) bzw. Trinität der Gottheit zusammen, ebenso wie der runische OD-Begriff den Zahlenwert 3 erbringt (o = 1 + d = 2). Wer über dem Schri Yantra meditiert, durchmisst die gesamte Schöpfung und sucht das, was jenseits der Schöpfung ist.
 
Da Tantra-Philosophie niemals nur theoretisiert, also nie abstrakt sein will, sondern blutvoll lebensnah, wird sie auch in menschlich-erotischen Bildern beschrieben und eben auch gelebt. Schiwa (germ. OD-Tiu) hat Schakti (germ. OD-Freia) als erste Schöpfungsstufe aus seinem Selbst wirkkräftig hervorgebracht. Der Tantrismus hält den verbitternden Weg des Askese für absurd, er lehrt, dass alle Fähigkeiten der Sinne, Gefühle, des Verstandes verstärkt und zu ihrer höchstmöglichen Entfaltung gebracht werden sollen, damit die Fülle der Erinnerungen und Reaktionen des Menschen geweckt würden, um zu der reinen hohen Energieschwingung zurückverwandelt werden können, aus der alles kommt, nämlich bis gin zum vorweltlichen OD, um den urdeutsch-germ. Begriff einzuführen. Eine Gefahr besteht: Die schöpferische Energie darf nicht in sinnloser Zügellosigkeit verschwendet werden, ohne den erstrebten Bewusstseinsstand zu erreichen. In einer gleichwilligen Partnerschaft bei der Frau und Mann das gleiche Selbstschöpfungsziel vor Augen haben, wird eine langanhaltende  zueinandergekehrte Yoga-Stellung möglich. Eine typisch tandrische Vorstellung ist, dass derartige rituelle Vereinigungen am besten gelingen, wenn zunächst weibliche „Kraft-Besitzer“ als wegweisende Lehrerinnen fungieren. Im krassen Kontrast dazu sind alle modernen Religionen des Ostens und Westen patriarchalisch organisiert und ebenso im Spirituellen männerorientiert.
 
Der Akt
 
Die 1. Stufe: Die Identitäten der Liebenden beabsichtigen sich zum vorweltlichen Bewusstsein des androgynen Urmensch-Mannus-Zustands zu verschmelzen und weiter zurück und hinauf bis zum Ich-vergessenen Brahman-Od-Zustand. Das Paar befindet sich zunächst noch im bewussten individualmenschlichen „Lif und Lifdrasil-Zustand“. Die Partner halten ihre Augen geöffnet. Sie erforschen sich in ihrer Andersartigkeit. Sie überdenken ihre harmonischen Rollen der Polarität. Ihre gegenseitige sexuelle Anziehung erinnert daran, dass sie auch als getrennte Partner zusammen gehören. Schaktis Yoni dreht sich rein gedanklich im Reigen der vielfältigsten Schöpfungen, sie ist Lif, das Leben selbst. Der mikrokosmisch verkörperte Schiwa, als Lebenssucher Lifdrasil, beginnt sich als Vielgestaltiger zu empfinden, als eine von Yonis Schöpfungen. Die ergötzliche Yoni der Geliebten, als zentrales Mandala, liegt im Fokus dankbar-zärtlicher, langandauernder Bewunderungen. Schakti-Lif dehnt und räkelt sich, sie ist die bestaunte Tänzerin, deren Wunsch nach Selbsterfahrung zum Tanz für das Gewebe der Welt wird. Schakti gilt als die unübertreffliche Zauberin, als „Maya“ (Sanskrit „Illusion/ Zauberei“), die die schönen Welt-Illusionen webt. Tantra praktizieren - so meint man in Indien - heiße, dass man außerhalb der profanen Gesellschaft lebe, was angesichts der heutigen Niedergangswelt des Westens, mit seinen zutiefst unehrlichen Abschaum-Demokratien, bejaht werden darf.
 
Die 2. Stufe: Die Phase der Trennung wird im Nebel des Vergangenen zurückgelassen, Schakti nähert sich dem Partner. Sie führt ! Sie nimmt das erregte Lingam in sich auf, sie schenkt ihm Heimstätte in schwesterlich-mütterlicher Behutsamkeit. Nach Maßgabe mancher Schulen beginnen die Tantristen ihr Ritual damit, sich in ihrer Vorstellungswelt niederzulassen. Die Adepten sehen sich im Zentrum der Welt -; rundum im Kreis dehnen sich Kontinente und Ozeane, in der Mitte erhebt sich der Weltenberg Meru, um seine Höhe zirkeln die Sterne. Der Tantrike identifiziert sich völlig mit seiner inneren Zentralstütze in Gestalt der Wirbelsäule. Der deutsch-germanische Odinist bzw. Odingi gleicht sich der symbolhaften Weltenstütze „Irminsul“ unter dem Nordstern an. Er konzentriert sich auf seinen untersten Kraftwirbel („Tschakra“) am Ende der Wirbelsäule, in der Gegend des Dammes. Er heizt ihn an, er lässt ihn sprühen und seine Energien („Prana“) ausstrahlen. Dort lagert die Feinschlange „Kundalini“ (Sanskrit „weibliche Schlangenenergie“), die in jedem Menschen die welterschaffende Göttinnen-Kraft verkörpert. Die sexuelle Aktivität, im Verein mit gewissen Muskelübungen, lässt die Kundalini erwachen, sie entwindet sich und beginnt ihren Aufstieg über die weiteren 6 Kraft-Leiterstufen oder Energie-Blüten. Dabei können die verschiedenen „Mandras“ (Sanskrit „Geist / Gedanken - Spruch / Lied / Silbe / Laut = Geistschutz“) genutzt werden, wie „om“, „od“, „aud“, „man-us“, „od-ing“ oder das Summen des „m“. Diese Mantras sind Klangkörper einer spirituellen Kraft, die sich durch wiederholendes Erzeugen im Erlebnisrealen vergegenwärtigen soll. Sie lenken der Geist in die gewollte Richtung und schützen vor dem Abschweifen. Die Augen sind geschlossen. Es können Namen von Gottheiten gesummt, gesprochen, gesungen, geflüstert, oder auch Gedanken in Form ganzer Sätze mit selbstsuggestiver Wirkung ausgesprochen werden. Das heilige ur-arische Sanskrit-Alphabet oder der heilige ur-deutsche ODING-Buchstaben-Ring sind die Behälter die alle Mantras in sich verwahren. Sanskrit-Buchstaben oder Runen-Zeichen werden gedanklich auf sakrale Gegenstände, edle Hölzer, schöne Steine eingegeben. Bilder werden ins Kopfkino eingespeist: die Yoni der Geliebten, die Göttin in Gestalt eines lebenden Mädchens, Blumen, Lotosblüten, Früchte, Räucherwerk. Das wichtigste Geistbild mit Mandra- und Yantra-Funktion ist jenes der Identifikation mit einem Baum, dessen Wurzeln seine Kraft aus dem Erdreich und dessen Blätterwerk gleichzeitig seine Kraft aus dem All einsaugt. Die geschlechtliche Vereinigung zielt auf eine enorme Verlängerung und erreicht den Grad des völligen Ichverlustes, wie er - bildlich ausgemalt - endlich in der Stirn des andromorph geschauten Brahman-OD, vor aller Zeit, vor aller Vereinzelung und Weltwerdung, angenommen werden kann. Einige Tantra-Schulen empfehlen die Vereinigung der Paare während der weiblichen Monats-Blume, da dann die „rote Energie“ auf ihrem Höhepunkt sei. Andere Richtungen meinen, der Orgasmus möge völlig unterbleiben, der Samen solle sich zu einem kraftvoll strahlenden inneren Zustand sublimieren. 
Die 3. Stufe: Die angestrebte hohe Erleuchtung soll in der Ekstase des Moments der körperlichen Saftausschüttung (Ejakulation-Orgasmus) beider Partner erreicht werden. Diese zu steigern, werden zuweilen ausgefeilte Yoga-Praktiken vermittelt. Die Kundalini hat sich schlangengleich über ihre Kraftzentren hochgewunden. Sieben solcher Stationen werden als Hauptenergiezentren des Menschen angesehen und befinden sich nach indischer Lehrmeinung entlang der Wirbelsäule bzw. in der senkrechten Mittelachse des menschlichen Körpers. Die Aussagen der verschiedenen Schulen unterscheiden sich etwas, Hauptsache ist, dass das Gefühl entsteht, als würde Kundalini stufenweise in die Höhe steigen, in der Regel über das „Wurzel- oder Basisschakra“, das „Sakral- oder Sexualschakra“, das „Nabel- oder Solarplexusschakra“, das „Herzschakra“, das „Hals- oder Kehlschakra“, das „Stirnschakra oder Drittes Auge“ bis zum „Kronen- oder Scheitelschakra“. In der Nähe des Gipfels trifft die weibliche Energie auf den männlichen „Samen des Seins“ und flößt ihn sich ein. Dieser Vorgang wird als „Umkehrung der Schöpfung“ aufgefasst. Das ist das Erfahrungsziel. Die Schulen welche eine Samenausschüttung ablehnen, verkünden die Möglichkeit einer geistigen Entladung von weit höherer Intensität. Ich halte die natürliche Drüsenreaktion für den gesünderen Weg, weil künstlich zurückgehaltene Funktionen aus gesamtbiologisch-medizinschen Erwägungen nicht angeraten sein können.
 
Das Ziel jeden Gottsuchers, wie des indischen Yogi, oder des germanischer Erilar, ist die Vereinigung seiner Einzelseele mit der Allseele, also das Aufgehen von „Jiva“ (Sanskrit „Leben / Seele“) bzw. „Atman“ (Sanskrit „Lebenshauch“) in Bahman -; nach germanischen Begrifflichkeiten, der Vereinigung des Menschen-Odems mit dem Gottes-OD. In der tantrischen Liebe versuchen Menschenpaare gemeinsam diesen Aufstieg mittels „Samadhi“ (Sanskrit „Versenkung / Sammlung / Ekstase“) zu erreichen. Jahrelanger, geduldiger Übung, heißt es, muss sich der Yogi-Schüler unterziehen, um die Kundalini-Schlange hinaufzubringen. Manchem gelingt es nie.
 
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Barry Long (1926-2003) war ein spiritueller Liebeslehrer und Autor, der sich selbst als Lehrer des Westens“ bezeichnete. Sein Buch ist empfehlenswert: „Sexuelle Liebe auf göttliche Weise“, 2001. Er unterschied strikt „Sex von Liebe“ und sah den Hauptgrund für das Elend in der Welt darin, dass Mann und Frau vergessen hätten, wie sie einander lieben müssen. Die Gegenüberstellung von „Sex und Liebe“ kann mit den treffsicheren deutschen Begriffen „Wollust und Minne“ verdeutlicht werden. Long bietet einige gute Ansätze auf dem Weg zur tantrischen Liebe. Sein Verdienst ist es jedenfalls, den westlichen Menschen heutige Probleme der Partnerliebe und Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt zu haben. Er schreibt an einer Stelle: „Der ejakulative Orgasmus ist ein Ende, ein emotionales Ende. Liebe hat kein Ende. Wirklich Liebende machen weiter und weiter, bis schließlich - vielleicht Stunden später - der Körper des Mannes auf natürliche und bewusste Weise einen Orgasmus hat, ohne zu ejakulieren, oder das Paar geht auseinander und liebt sich Stunden später weiter, oder am nächsten Tag, und am nächsten und am nächsten, ohne dass der Mann notwendigerweise kommen muss. Der Orgasmus ist ein Teil der körperlichen Liebe, aber er ist wirklich und wahrhaftig unterhalb ihrer Schönheit und ihres Zwecks. Und es wird für beide auf richtige Art geschehen, ohne dass es später emotionale Traumata hervorbringt, wenn die beiden präsent genug sind, um sich nur mit dem Lieben zu befassen. ... Der grundlegende Wandel, der heute im Penis und in der Vagina nötig ist, muss durch den Mann oder die Frau herbeigeführt werden, der/die lernt bewusst zu werden, das heißt in den Vorstufen des Liebesaktes seelisch und spirituell präsent zu bleiben.“ Man kann über Longs Auslassungen diskutieren, sicher ist jedoch, dass er dazu gute Grundlagen beibrachte.