29.08.2022

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GÖTTERGLEICHE FRAUEN

Frauen gibt‘s die sind göttergleich,
unsere Vorfahren dünkten sich reich,
solche göttlichen Frauen zu wissen
und in keiner Sipp' zu vermissen.

Hohe Frauen holdselig zu schätzen,
galt Germanen, nach ihren Gesetzen,
als ein Gebaren von nobelster Art
und so blieb es bin in die Gegenwart.

Tacitus schrieb einst von den Ahnen,
über germanischen Denkens Bahnen:
„Es ehren die Frauen und hören gern
ihre Ratschläge, so tun es die Herrn.“

Was Heiliges ist im Wesen der Frauen,
ihre Kraft, in die Zukunft zu schauen
hat man bewundert, hat man geehrt,
weise Frauen haben Männer belehrt.

Frau Veleda, die germanische Seherin,
ehrten alle Stämme und zogen hin,
sie um ihre Auskünfte zu befragen,
das war in Kaiser Vespasians Tagen.

Kein Volk übertraf diese guten Sitten,
allein bei den Kelten auch so gelitten,
die stammverwandt im Westen saßen
und mit den gleichen Ellen maßen.

Drum woll‘n wir uns‘re Ahnen loben,
sind ja zurecht in der Achtung erhoben.
Wir müssen sie rühmen und lieben
und sind froh -, wir sind so geblieben.

Von Dr. Felix Dahn, „Das Weib im altgermanischen Recht und Leben“ (1881): Die Frage nach der Stellung des Weibes in Recht und Leben der Germanen ist nicht nur eine Einzelfrage neben anderen im Gebiet der germanischen Urgeschichte - sie hat darüber hinaus präjudizielle Bedeutung. Denn die Stellung des Weibes ist ein Maßstab für Nationalcharakter und Kulturgrad: je gemeiner, je dumpfer der Nationalcharakter, desto härter bleibt das Los des Weibes sogar auf ziemlich hoher Kulturstufe - so bei Türken und anderen Orientalen; andererseits legt aber die Noth des Lebens, die Niedrigkeit der Kultur, der noch sehr harte Kampf ums Dasein auch bei edel angelegten Völkern dem Weibe Lasten auf, welche der sonstigen idealen Würdigung des Weibes zu widersprechen scheinen, aber eben unerlässliche Folgen niederer Kultur sind, und erst bei höheren Stufen derselben, namentlich bei vermehrtem Nationalwohlstand, abgenommen werden können den zarten Schultern. Weniger der Nationalcharakter, viel lebhafter der Kulturgrad der Germanen vor ihrer Berührung mit den Römern ist noch immer bestritten. Zumal französische Schriftsteller lieben es, die Germanen bei ihrem Eintritt in die Geschichte etwa auf die Stufe der Rothäute in den Urwäldern Amerika's zu stellen. Eine große Torheit: und wüssten wir auch von Verfassung, Recht und Götterglaube unserer Ahnen zu jener Zeit gar nichts - schon ihre herrliche Sprache allein würde jene geringe Schätzung ihrer Anlagen und ihrer Entwicklungsstufe widerlegen. Allen Respekt vor Dr. Martin Luthers Bibelübersetzung; aber man wird von seinem Vorgänger Wulfila, der zwölf Jahrhunderte früher die heilige Schrift in das Gothische übertrug, sagen müssen, dass seine Aufgabe nicht nur unvergleichlich schwieriger war, sondern dass sie mindestens ebenso geistvoll und vielleicht poesiereicher gelöst wurde." - „Aber um die Vorstellungen der Germanen von ihren Frauen und Mädchen zu erschöpfen, dürfen wir uns nicht blos in ihren irdischen Gehöften umsehen: wir müssen den Blick emporheben nach Walhall: denn wie alle Völker haben auch die Germanen ihre Götter und Göttinnen nach ihrem eigenen Bilde geschaffen; und wie Odin und Thor und Baldur und Freir nur idealisierte germanische Männer und Jünglinge, so sind auch Frigg, Freia, Nanna, Gerda, Sigün germanische Jungfrauen und Frauen, nur wenig idealisiert. Welche Fülle von Schönheit, Anmut, Hoheit, Reine, Treue, Seelenkraft und Herzenstiefe ist aber in jenen Gestalten vereinigt. Und Sage und Geschichte belegen diese Luftspiegelung des Weibes mit zahlreichen Beispielen menschlicher Betätigung. Wie folgerichtig ist es, dass, da das Weib die Zukunft, das nahende Schicksal ahnungsvoller als der Mann erfasst, die da das Schicksal weben und wirken, nicht Männer sind, sondern die ehrwürdigen Nornen (Schicksalsschwestern). Und jene Tapferkeit der germanischen Jungfrau, welche die Waffen nicht fürchtete und oft mit dem Geliebten in Kampf und Tod ging, findet ebenfalls ihren Ausdruck in Walhall: nicht Männer, nicht Herolde sind es, sondern herrliche Mädchen, die Schildjungfrauen Odins, welche die „Walküren“, d. h. die zum Tode bestimmten Helden bezeichnen, und wenn sie gefallen empor tragen zu Walhalls ewigen Freuden, welche sie, Odins Wunschmädchen, ... Höhere Verherrlichung des Weiblichen war germanischer Phantasie nicht denkbar. Gegenüber einer sehr wenig erfreulichen Behandlung des Weibes in der modernsten deutschen Literatur möge der Wunsch verstattet sein, dass die altgermanische Würdigung des Weibes unserem Volke nicht verloren gehe, denn diese bildet - so schließen wir, wie wir begonnen - einen Maßstab für den Charakter des Volkes und die Höhe, zumal aber für die Gesundheit seiner Kultur. Langes, volles, wallendes, gelocktes Haar galt als hohe Zier für Männer wie für Frauen. Die am meisten geschätzte blonde oder auch rote Farbe ward durch beizende Salben gesteigert; im vierten Jahrhundert werden heerende Alamannen an der Mosel gelagert, überfallen, während sie zechen, baden, ihr langes Haar strählen und salben. ... Schwarzes Haar, als volksfremd und finster, als feindlichen Sinn drohend, galt für hässlich. Die Männer trugen das Haar lang, manchmal bis über die Schulter wallend, aber nicht gelockt, was für weibisch angesehen wurde. Bei Schilderung eines schönen Weibes wird nie das lange weiche Haar vergessen.“

Der römische Geschichtsschreiber Cornelius Tacitus (55-120 n.0) schreibt in seiner „Germania“, Kap. 1: „Ich selbst trete deren Meinung bei, die glauben, dass die Völkerschaften Germaniens, ohne je durch eheliche Verbindungen mit anderen Stämmen fremdartige Bestandteile in sich aufgenommen zu haben, ein eigenständiges, reines, nur sich selbst ähnliches Volk geworden sind. Daher ist auch die Körperbeschaffenheit trotz der großen Menschenzahl bei allen die gleiche: blaue Augen mit wildem Ausdruck, rötliches Haar, hochgewachsene und nur für den Angriff starke Leiber. Für Mühsal und Arbeiten haben sie nicht in dem selben Maß Ausdauer, und am wenigsten ertragen sie Durst und Hitze. An Kälte und Hunger haben sie sich infolge Klima oder Boden gewöhnt. Kap. 7, 8, 9 und dann 18, 19, 20: „Die Könige wählen sie aus dem Adel, die Heerführer nach ihrer Tapferkeit aus. Es haben die Könige keine unbeschränkte oder unbegrenzte Macht, auch die Heerführer geben lieber ein gutes Beispiel als ihre Herrschaft auszuüben, wenn es weithin und für alle sichtbar ist, und wenn sie so vor der Schlacht handeln, führen sie aufgrund der Bewunderung. Keiner wird geschlagen oder bestraft, nicht einmal gefesselt, wenn es nicht vom Priester erlaubt wird, so geschieht es in der Schlacht nicht auf Befehl des Heerführers, sondern auf Geheiß des Gottes, von dem sie glauben, dass er ihnen in der Schlacht beisteht. Sie tragen auch einige Bilder und Symbole in den Kampf, die sie aus dem Wald holen; ein besonderer Ansporn für die Tapferkeit ist auch, dass die Reiterei und die Fußtruppen nicht vom Zufall oder von willkürlichen Zusammenrottungen gebildet werden, sondern durch die Familien und die Verwandten; und die Angehörigen stehen ihnen am nächsten, von dort hören sie das Heulen der Frauen und das Wimmern der Kinder. Sie sind für jeden die heiligsten Zeugen und die größten Lobredner: Bei den Müttern und Ehefrauen zeigen sie ihre Wunden; jene fürchten sich auch nicht, die Wunden zu zählen und zu untersuchen, sie bringen den Kämpfern sowohl Speisen als auch Aufmunterung. 8 In der Tradition ist überliefert, dass schon manche wankende Schlachtreihe von den Frauen wieder gesichert wurde, mit der gleich bleibenden Unterstützung, mit dem Entgegenhalten der entblößten Brust, und mit dem Hinweis auf die drohende Gefangenschaft, die ihnen seit langem mit Rücksicht auf ihre Frauen immer unerträglicher erscheint. Man kann sich den Stamm wirksamer verpflichten, wenn man als Geiseln junge Frauen und auch Adlige fordert. Ja, sie glauben sogar, dass in den Frauen etwas Heiliges und Seherisches ist, und sie verschmähen weder deren Ratschlag, noch vernachlässigen sie deren Antworten. Wir haben gesehen, dass die Veleda unter Kaiser Vespasian lange bei vielen als göttliches Wesen galt; aber einst wurden die Aurinia und viele andere verehrt, aber nicht aus Schmeichelei, noch weil sie angeblich zu Göttinnen gemacht wurden. 9 Von den Göttern verehren sie Merkur (Wodin/Odin) am meisten, für den sie nach göttlichem Gesetz an bestimmten Tagen Tiere und Menschen opfern. Herkules und Mars besänftigen sie mit den erlaubten Tieren. Ein Teil der Sueben opfert auch der Isis: Woher der fremde Kult seine Ursachen und seinen Ursprung hat, ist zu wenig bekannt, außer dass das Zeichen, das nach der Art der Liburnerschiffe gestaltet ist, über die Herkunft der Religion Auskunft gibt. Außerdem meinen sie, dass es der Größe der Himmel nicht würdig ist, die Götter in Wänden einzuschließen oder auch nur im entferntesten dem menschlichen Aussehen nachzubilden: Sie weihen die Lichtungen und heiligen Haine und sie rufen mit den Namen der Götter jenes Geheimnisvolle an, das sie in großer Verzückung betrachten. - 18 Gleichwohl sind die Ehen dort streng und keine Seite ihrer Sitten möchte man unbedingter loben. Denn sie sind fast die einzigen unter den unzivilisierten Völkern, die sich mit einer Frau begnügen, ganz wenige ausgenommen, die sich nicht aus Sinnlichkeit, sondern ihres Adels wegen mit sehr vielen Heiratsanträgen umworben sehen. Die Mitgift bringt nicht die Gattin dem Gatten zu, sondern der Gattin der Gatte. Zeugen dabei sind die Eltern und Verwandten; sie prüfen die Geschenke, die weder mit Rücksicht auf weibliche Liebhabereien ausgesucht sind noch um der Neuvermählten zum Schmuck zu dienen, sondern Rinder und ein gezäumtes Pferd und einen Schild samt Frame und Schwert. Auf diese Geschenke hin wird die Gattin in Empfang genommen und bringt ihrerseits selbst auch dem Mann irgendetwas an Waffen zu. Das betrachten sie als stärkstes Band, dies als geheimnisvolle Weihen, darunter verstehen sie die Götter des Ehebundes. Damit die Frau mutige Taten nicht außerhalb ihres Gedankenkreises und sich den Wechselfällen des Krieges enthoben glaubt, wird sie gleich durch die Eingangsfeier des beginnenden Ehestandes daran erinnert, dass sie als Gefährtin der Mühsale und Gefahren eintrete, um im Frieden wie auf dem Schlachtfeld Schicksal und Wagnisse zu teilen. Dies sagt ihr das Joch Ochsen, dies das aufgeschirrte Ross, dies die überreichten Waffen. So habe sie zu leben, so zu sterben; sie empfange, was sie unentweiht und in Ehren auf ihre Kinder bringen, was ihre Schwiegertöchter empfangen und wiederum auf ihre Enkel übergehen solle. In jedem Haus wachsen sie nackt und schmutzig zu diesen Gliedmaßen, diesem Leib heran, den wir bewundern. Jeden nährt die eigene Mutter an der Brust, und sie werden keinen Mägden und Ammen überantwortet. Herr und Knecht lassen sich nicht an der Weichlichkeit der Erziehung unterscheiden: inmitten der selben Haustiere, auf demselben Boden leben sie, bis das Alter die Freigeborenen absondert, die Tapferkeit sie anerkennt. Spät genießen die jungen Männer die Liebe, und deshalb ist ihre Jugendkraft unerschöpft. Auch mit den Jungfrauen beeilt man sich nicht. Gleich ist die Jugendfrische, ähnlich der hohe Wuchs. Gleichartig und in voller Kraft paaren sie sich, und die Kinder spiegeln die Kernhaftigkeit der Eltern wieder. Die Schwesternsöhne sind dem (mütterlichen) Onkel ebenso wert wie dem Vater. Manche halten diese Art von Blutsband für heiliger und enger und fordern, wenn sie sich Geiseln geben lassen, ganz besonders solche, in der Meinung, dass sie den Willen fester und das Haus in größerer Ausdehnung binden. Erben indessen und Nachfolger sind bei jedem seine leiblichen Kinder, eine letztwillige Verfügung gibt es nicht. Sind keine Kinder da, folgen als Erbberechtigte Brüder, Vaterbrüder, Mutterbrüder. Je mehr Blutsverwandte man hat, je größer die Zahl der Verschwägerten ist, desto mehr Achtung genießt man im Alter; Kinderlosigkeit gewährt keine Vorteile.

Der röm. Geschichtsschreiber Tacitus berichtet von Veleda als einer Frau aus dem Stamme der Brukterer, die zur Zeit des Kaisers Vespasian lebte. Sie hatte großen politischen und spirituellen Einfluss auf die freien germanischen Stämme. Sie sagte die Vernichtung des römischen Heeres im Jahr 69/70 voraus. Ihren Wohnsitz hatte sie in einem hohen Turm an der Lippe. Dort wurden ihr Fragen gestellt, die sie durch einen Vertrauten beantwortete. Auch um die Stadt Köln hat sie sich große Verdienste erworben, da sie sich als Schiedsrichterin einbrachte und so die Zerstörung Kölns verhinderte. Als die Römer doch noch Germanien eroberten, wurde Veleda gefangengenommen und nach Rom gebracht. Dort bat Kaiser Vespasian Veleda, auch für ihn als Ratgeberin tätig zu werden. Vespasian unterstütze bis zu seinem überraschenden Tod im Juni 79 Veleda finanziell und auch sein Sohn und Nachfolger Titus achtete ihre Integrität. Veleda starb in den 80er Jahren im südlich von Rom gelegenen Ardea. Eine 1926 gefundene Marmortafel aus Ardea ist das letztes Lebenszeichen der germanischen Seherin.