DIE HUNDS-TAGE
 
Wenn die hundligen Tage brennen und sengen,
die Lüfte mit giftigen Gasen zu mengen,
unter Dürre die Wiesen und Weiden darben,
im gärenden Gluthauch die Gräser erstarben,

in der Hitze Hardt wie Heide schmauchen,
sehrende Seuchen die Herden umhauchen,
über schwelende Sennen die Schwaden weh'n,
seichte Wasser in stinkenden Tümpeln steh'n,

aus den Sümpfen Fäulnis und Fieber steigen,
im Farnkraut die Fiedeln der Kobolde geigen,
die Halme des Bösen die Häupter erheben,
der Lolch, das Tollkraut zur Blüte streben,

die Nacht erfüllt ist von neckenden Stimmen,
und unsteter Lichter grünlichem Glimmen;
wenn Raupen sich ringeln, Würmer sich winden,
Schaben und Schänder zum Fraße hinfinden.

Wenn Läuselegionen am Lattich sich laben,
den Garten gar garstige Gästen durchgraben,
wenn gute Gewächse pfleglicher Pflanzen,
die Milben, Motten und Maden umtanzen,

scheußliche Schädlinge schwärmen und schaffen,
die Frucht allen Fleißes an sich zu raffen -,
dann herrscht des Hundes barsches Gebot,
der Sirius sendet die Hochsommer-Not !

Dann ist selbst das Feuer faulig und fad’,
weil es keine Kraft mehr zum atmen hat -;
vom Hausherd hebt es sich matt und müde,
schwach schnauft es aus dem Schlot der Schmiede.

Es flattert so träge um Töpfe und Tiegel,
ein greisenhaft kraftloses Flammengeflügel.
Zu dieser Zeit -, der Mond ist verschunden,
jetzt wird das Licht von neuem gefunden !

Jetzt soll auch das Feuer erneut erwachen,
ein jungfrisches Feuer woll’n wir entfachen.
Die alten Flammen, von Freveln beschmutzt,
sind erschöpft, verbracht, sind abgenutzt.

Wären sie just wieder wie ein Kind so rein,
sie würden wohl bessere Diener uns sein.
Soll rasch aus der Not doch ein Neues werden,
erstickt alle Gluten auf Essen, auf Herden,

In Tempeln, auf Türmen, in Halle und Haus
löscht die blinden, blassen Brände nun aus !

 
NEUFEUER bzw. NOTFEUER-REIBUNG
 
Im heiligen Hain, auf reinem Rasen,
woll’n wir das frische Feuer erblasen.
Der Parawari, des Weihetums Hüter,
Ganerbe unserer gelobtesten Güter -;

der wissende Weise, der fähige Vater,
der rische Reime- und Runen-Errater,
er hebt den Blick, um Stille zu bieten,
denn Ruhe herrscht bei den heiligen Riten.

Er hebt die Hand zum herrlichen Nagel,
auf hoher Stange, dem züchtigen Zagel.
Nun treten die Jünglinge beide heran,
Zwillingsbrüder aus stolzem Stamm.

Drillstricke die sie in Händen führen,
sollen die Glut aus dem Holze schüren.
Aus dem Erdengrund ragt der Eichenpfal,
in des Balkens Mitte, des Bohrers Mal.

Ein Stab wird hinein- und hindurchgeführt,
als Brennwinde weifend herumgeführt -;
die Feuerschnüre fliegen und fauchen,
das haspelnde Holz beginnet zu rauchen.

Den drillenden Brüdern perlt der Schweiß,
da springt das erste Flämmlein leis’.
Der Parawari mit versunknem Geraun’,
harrt im verklärten, tiefsinnigen Schau’n.

Seinen hellen Augen ist alles kund,
sie sehen der Gottheit geheimen Grund -;
er streicht seine grauen Zöpfe zurück,
greift nach dem Harz und dem Zundelstück;

beugt sich mit sorgender, bergender Hand,
dann hat er gebunden den neuen Brand.
Der schiere Schein ist unschuldig rein,
er wird das Land aus den Nöten befrei’n.

Ein breiter Holzstoß ist rasch entzündet,
des Notfeuers Nutzen von neuem begründet.
Keime und Krankheiten möge es fressen,
holt Glamme und Glut auf heimige Essen.

Treibt eure Tiere dreimal zusammen,
durch ausgebreitete, niedere Flammen;
reinigt räuchernd mit brennendem Scheit,
die Häuser, die Ställe, die Felder weit.

So werden wir sicher Siechtum und Seuchen,
des hohen Sommers Sorgen verscheuchen !
 
PS: Unsere Vorfahren löschten um diese Jahreszeit die alten Feuer und drehten die neuen sog. Notfeuer (Nutzenfeuer). -- Als Hundstage werden umgangssprachlich in Deutschland die heißen Sommertage, vom 23. Juli bis zum 23. August, bezeichnet. Im altdeutschen zweitausendjährigen Runen-Jahrweiser steht nun die Notrune ( naudiz) über der Zeit.
 
Bild von André Pohle