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Erul - Mein Verständnismodell der kimbrischen Runen-Erfindung

Was ich vortrage deckt sich in der Basis mit den Anschauungen der runologischen Schulwissenschaft, nur, dass ich zusätzlich den heutigen Wissensstand und meinen speziellen, hinsichtlich des ODING-Wizzod, über den kein zweiter Mensch verfügt, mit einbringe. Auch Rudolf Simek, in „Lexikon der germ. Mythologie“, 1984, S. 177 weiß von den Herulern oder Erulern: „Früher bezeichnete man die H. als germ. Stamm, heute hat sich die Meinung durchgesetzt, daß es sich um gut organisierte, sehr mobile Kriegerverbände gehandelt haben muß. Schon früh hat man die H. mit dem mindestens neunmal belegten Terminus für ,Runenmeister‘, urnord. erilaR (5./6. Jh) zusammengebracht, der wiederum mit dem Adelstitel altnord. Jarl, angelsächs. eorl (engl. earl) verwandt sein könnte. In einer sehr überzeugenden Theorie hat Höfler [Otto Höfler, „Herkunft und Ausbreitung der Runen“, 1971] die Züge der H. mit der Ausbreitung der Runen in Zusammenhang gebracht, wobei der Helm A von Negau, der den Namen Erul eines german. Centurio in röm. Diensten aus dem 1. oder 2. Jh. n. Chr. trägt, als Bindeglied dient; Angehörige der H. (wie der genannte Centurio Erul) hätten demnach schon zu dieser Zeit nach etrurischen und römischen Vorbildern die Runenschrift geschaffen, deren Kenntnis sich durch die straffe Organisation und große Beweglichkeit der H.-Scharen bald bis Skandinavien ausbreitete, längere Zeit aber als Privileg der Angehörigen des (kultisch an Odin gebundenen?) Kriegerverbandes der H. galt.“

Runologe Prof. Dr. Klaus Düwel, „Runenkunde“, 2008, schreibt S. 12: „Ob erilaʀ mit dem Volksnamen der (H)eruler (urgerm. *erulaz) zu verknüpfen sei, ist umstritten. In erilaʀ liegt kein Stammesname, sondern eine Standesbezeichnung oder ein Titel vor. Es bezeichnet einen vornehmen Mann, der die Runenkunst beherrscht (Runenmeister) und der priesterliche Funktionen ausüben mag.“ Doch einen Hinweis, wer der runenmeisterliche Urvater, also der Runen-Schöpfer gewesen sein könnte, schenkt uns möglicherweise eine alte Weihestätte in der Südsteiermark, in deren Nähe ein Depotfund von 26 Bronzehelmen ans Tageslicht befördert wurde. Die Art der Negauer Helme wurden ursprünglich von den Etruskern entwickelt, sie gehören zur „Variante Vace“ südostalpiner Helme, die ursprünglich in die 2. Hälfte des 5. und ins beginnende 4. Jh. v.0 zu stellen sind, jedoch im alpinen Raum noch lange weiter fabriziert worden und zwar in einigen keltischen Rückzugsgebieten bis ins 2. und 1. Jh. v.0. Ein auf das 2.-1. Jh. v.0 datierter alpiner Helm vom Typ Negau fand sich z.B. in Saulgrub, Lkr. Garmisch-Partenkrichen; er trägt ebenfalls eine knappe Buchstabenritzung. Der unbestrittene Fachspezialist Herr Dr. Markus Egg war so freundlich, mir mitzuteilen (Mai 2013), das jüngste Exemplar aus Idrija bei Baca datiere in das 1. Jh. v.0. Für die Inschriften gilt das Gleiche wie für die Helme, sie wurden gebietsweise weitergetragen als sie schon längst aus der Mode waren. Die von unterschiedlichen Händen vorgenommenen Negauer Helmgravierungen könnten zu Beginn des 1. Jhs. v.0 erfolgt sein. In einem jüngsten fachkundlichen Text heißt es: „Diese Helmform wurde nach dem 1811 in Zenjak, Negau, Slowenien, entdeckten Depot mit insgesamt 26 Helmen benannt. Sie entwickelte sich wohl im Mittelitalien (konkret der Region Picenum) des 6. Jh. v. Chr. aus den Buckelhelmen mit Kehle. Die aktuelle Forschung nimmt an, dass die meisten Negauer Helme jedoch in Etrurien und im Alpenraum hergestellt worden sind, wohin sich der Fertigungsschwerpunkt verlagerte. Diese Helme waren noch nach Jahrhunderten in Gebrauch, nicht nur als Rüstung sondern auch bei zeremoniellen und rituellen Handlungen. Das Depot von Zenjak wurde beispielsweise um die Mitte des 1. Jh. v. Chr. angelegt.“ Die Helme scheinen aus zeremoniellen Gründen am Ort Ženjak-Negau zurückgelassen worden zu sein. Wissenschaftlich weitgehend gesichert scheint heute die Tatsache, dass die Helme in der Zeit zwischen 55-50 v.0 zum Schutz vor Entweihung vergraben wurden, also nur etwa 35 Jahre, bevor die Römer plündernd und mordend in das Territorium eindrangen.

Die aus dem jütländischen Norden auf Siedlungs- und Ackerlandsuche ausgezogenen Kimbern und Teutonen stießen im ostalpenländischen Keltenland erstmalig im Jahre 113 v.0 auf starke römische Truppenverbände, die ihnen den Weitermarsch streitig machen wollten. Die Römer wurden geworfen, was einen Freudentaumel der Sieger hervorgerufen haben muss, so dass einer ihrer Kommandeure den mit einer Dankesformel beschrifteten Helm „Negau B“ in einem nahen keltischen Tempel der Südsteiermark abgelegt haben wird.   

Es sind aber zwei Helme die unsere besondere Aufmerksamkeit erfordern, nämlich „Ženjak-Negau-A und -B“. Auf der Helmkrempe von „Helm B“, welcher Anfang des 1. Jh. v.0 getragen wurde, also zur Zeit der Kimbern-und-Teutonenkriege, findet sich der Text einer rechtsbeginnenden Weiheinschrift einer Dankes- oder Bittformel in einem venetischen oder rätischen Alphabet eingeritzt: „harigastiteiva“ (urgerm. harja-gasti-teiwa). Dazu erklärt Jan de Vries in „Altgerm. Religionsgeschichte“, Bd II., Kap. 380: „Harigastiteiva bedeutet ,dem Gotte Harigast‘“. Welcher das Heer begleitende Gott gemeint ist, bleibt dabei zunächst offen. Doch führt de Vries, nach einigen fachlichen Erwägungen, ergänzend aus: „Odin ist dann wohl auch gemeint mit dem Gotte Harigast, der auf der Ischrift des Negau-Helmes erwähnt wird; es ist wieder nur die Auffassung, daß Wodan-Odin eine verhältnismäßig junge Gottheit gewesen sein soll, die daran hat zweifeln lassen.“ Ich aber lege gerade dar, dass der Wodankult eben zu dieser Zeit seinen Anfang nahm -, und zwar wohl durch den Kimber Erul, dessen Besitzerritung auf Helm „Negau A“ erscheint. Die vier zu unterschiedlichen Zeiten angebrachten linksläufigen Inschriften auf Helm „Negau-A“ stellen andersvölkische, wohl keltische und venetische Namensritzungen der diversen Helmbesitzer dar. Darunter befindet sich der germanische „C[enturio] Erul“, falls das mit kleinem Abstand vorangestellte „c/k“ wirklich „Centurio“ sagen will. Wir hätten also einen germ. Hundertschaftsführer vor uns, der eine röm. Hilfstruppe (Auxiliarkohorte) anführt haben könnte. Wir kennen das Schicksal dieses Soldaten Erul nicht, sicher ist nur, dass auch er im ostalpinen Raum, bei den Norikern, Formen der alpenländischen Schreibschriften kennengelernt haben muss. Er könnte ein Teutone oder Kimmerier/Kimber gewesen sein, der nach den schrecklichen Niederlagen seines Volkes in den Schlachten von Aquae Sextiae (102 v.0) und Vercellae (101 v.0) ins römische Heerwesen eintrat -, in wieweit so etwas willig oder gezwungen geschah, entzieht sich der Kenntnis.

Doch zunächst verweilen wir beim Triumph des Jahres 113 v.0 der Kimbern und Teutonen über die röm. Kohorten und Truppenführer, die vergeblich versucht hatten, sie bei Noreia in eine Falle zu locken. Noreia war eine befestigte, keltische Siedlung und mutmaßliche Hauptstadt von Noricum, leider ist deren genaue Lage noch immer nicht bekannt. Einer der sieghaften Männer legte als Dankgabe für göttliche Errettung vor Niederlage und Schmach und den glücklichen Sieg, seinen Helm „Negau B“, mit der Harigast-Ritzung in einem der dortigen Tempel ab. Es ist gut vorstellbar, dass es der Vater des Erul war, ein gediegener, vielwissender nordländischer Fürst. Prof. Dr. Markus Egg führte während eines Interviews aus: „Ich habe wegen der Verbreitung der Inschriften der späten Negauer Helme vermutet, dass dieser Kultplatz möglicherweise nicht im Umfeld von Negau, sondern irgendwo im italienisch-slowenischen Grenzgebiet gestanden haben könnte.“ Danach zogen die Landsucher nach Westen, nach Gallien, Iberien und wieder Nordgallien weiter. Schließlich trennten sich die beiden Marschsäulen, so dass die Kimbern über den Brennerpass und die Ostalpen an die Etsch gelangten, wo sie erneut ein röm. Heer schlugen und sich über Venetien in die Poebene ergossen. Wieder erbaten sie Siedlungsland gegen Militärdienst, doch sie wurden im heißen Juli 101 geschlagen, nach röm. Angaben 120.000 Männer und Frauen getötet und 60.000 in die Sklaverei gezwungen. Die röm. Historiker machen unterschiedliche Zahlenangaben über die getöteten, überlebenden, gefangenen und geflohenen Germanen und Kelten. So wird bei der Schlacht von Aquae Sextia von 80.000 gefangenen und 3.000 entronnenen Teutonen geschrieben (Orosius, V 16, 9-13).

Wenn ein gedachter 15-jähriger Jungmann im Germanenheer 101 v.0 die Südwanderer-Niederlage von Vercellae erlebte, war er im Jahr 72 v.0 ein 45-jähriger beim Rebellen-Sieg von Mutina (Modena), als Führer einer Hundertschaft, unter der Führung des Thrakers Spartakus. Im disziplinierten Befreiungsheer muss er zu seinem Hauptmann-Diplom gekommen sein, so dass er ein „c / k“ vor seinen Namen setzen mochte, wie wir es im „Helm von Negau A“ vorfinden. Jene röm. Armee, deren Aufgabe die Sicherung der Bergpässe gewesen war, gab diese auf, um Spartakus anzugreifen. Sie wurde im Frühjahr 72 v.0 ebenso bei Mutina vernichtend geschlagen wie auch die Truppen eines zweiten herbeigeeilten Konsuls. Der Weg über die Alpen, zurück nach Norden, war freigekämpft. Aber Spartakus wendete sich zwar, ohne dass wir seine Beweggründe genau wissen, wieder Richtung Süden. Erul wird die Chance genutzt haben, er wird nicht im überschäumenden Siegestaumel des Sklavenheeres mit in den Süden gegen Rom und in den Tod gezogen sein, er wird die Truppe verlassen haben und über die Bergsteige nach Norikum gewandert sein, um das zu tun was ich beschrieben habe.

Er kann von dort, mit keltischen und germanischen Kameraden, die ca. 400 km (Luftlinie) nach Noreia, der Südsteiermark/Slowenien, überwunden haben. Von Mutina führten direkte Wege in die keltischen Berge, über das Etschtal, den Brennerpass zur Donau hin -, oder auch über ca. 250 km zum keltischen Udine und von dort über den Plöckenpass, den alten ostalpenländischen Handelsweg, nach Noricum und darüber in die freie Keltika und Germanika. Zunächst dort, bei der ihm bekannten Weihestätte der Noriker im Bezirk Negau oder dem italienisch-slowenischen Grenzgebiet, hat er seinen Helm „Negau A“ respektvoll abgelegt, dorthin wo bereits der Helm seines Vaters und jene anderer Väter in Ehren ruhten. Für den Vater schon war das Schreiben eine Faszination, was aus Helm „Negau B“ ja klar hervorgeht und sein Sohn Erul wollte das Ahnenvermächtnis, das große Werk der Schaffung einer eigenen germanischen Schrift in den folgenden Jahren verwirklichen. Erul, seine Mitstreiter und Anhänger, die Eruli/Heruli der ersten Jahre, müssen wenige Zeit später im jütländischen Norden angekommen sein und den Runen-Glauben, der eine Ahnen- bzw. Asen-verehrende OD-Religion ist (Glauben an das „OD“ als polares Kosmos-Prinzip), unter den germanischen Gemeinschaften verbreitet haben. Sie siedelten zunächst hauptsächlich im Hinterland der Aalborgbucht zwischen Limfjord und Mariagerfjord, wo noch jetzt die mittelalterlichen Ortsnamen ihren wotanischen Asen-Glauben (Ahnen-Religion) bezeugen: Aså (Asaa), Åstrup-Østrup, Asbækhede, Asferg, Ask, Askildrup, Asklev, Askov, Asløkke, Asp, Assedrup, Assendrup, Asmild Kloster (1179: Asmiald; Asmind), Assentoft, Assing, Åsted, Åstedbro, Astrup, Erslev, Esby, Esbøl, Eskerod, Essig, Estrup, Estrup Gårde, Estvad. Das Zentrum des herulischen „Asenlandes“ ist beim nordjütländischen Nørresundby zu lokalisieren.

Doch zunächst zur politischen Situation im 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung, die sah so aus: Nachdem Kaiser Nero vom Senat als „Feind des Volkes“ erklärt worden war, brachte er sich im Juni 68 selbst um. Es folgte das als röm. „Vierkaiserjahr“ bezeichnete Jahr 69 n.0. Es versuchten mehrere Truppenführer die Macht im Staate zu erlangen, wie Galba, Otho, Vitellius und Vespasian. In der röm. Provinz Niedergermanien („Germania inferior“) sah der germanische Kohortenführer Gaius Iulius Civilis (ca. 25-75 n.0) die Chance für einen Aufstand gegen Rom, dem sich auch viele Gallier anschlossen. Sein germ. Name blieb unbekannt. Er stammte aus einem vornehmen batavischen Geschlecht und war Präfekt einer Auxiliarkohorte. Die fortdauernden Unruhen in Italien nach dem Tod Kaiser Neros und der sich gegenseitig bekämpfenden und beseitigenden Kaiser schienen für einen Befreiungsversuch der unterjochten Stämme am Rhein unter Führung der Bataver, mit Unterstützung rechtsrheinischer Germanen, vielversprechend. Die Seherin Veleda sah einen Erfolg voraus. Veleda war nach Tacitus (Hist.; IV, 61, 65) eine germanische Seherin vom Stamm der Brukterer, die als hochgewachsene Jungfrau beschrieben wird. Von der profanen Umwelt zurückgezogen, wohnte sie in einem Turm unweit der Lippe. Die Seherin kommunizierte in dieser Funktion nur über Verwandte, die die Anfragen und Antworten übermittelten. Munius Lupercus, der Legat der XV. Legion, wurde im Bataveraufstand 69/70 nach der Eroberung des Lagers Vetera bei gefangen genommen. Er wurde von den Eroberern unter Iulius Civilis zur Seherin gesandt, doch wurde er aus unbekannten Gründen unterwegs getötet. Die Brukterer und die Bewohner von Köln, die sich durch die Römer bedroht sahen, verhandelten miteinander, wobei Veleda und Iulius Civilis angerufen wurden. Quintus Petilius Cerialis nahm Kontakt zu den beiden Schiedsrichtern auf, um den Krieg zu beenden. Veleda hatte den Aufstand der Bataver unter Civilis und den Sieg der Bataver vorausgesagt, was ihr nach Tacitus einen großen Prestigezuwachs eingetragen hatte. Möglicherweise sah Tacitus die Seherin in Rom persönlich. Nach der Unterdrückung der batavischen Revolte wurde Veleda im Jahr 77 von den Römern gefangen genommen. Aus einem bei Ardela, unweit Rom, entdeckten Spottepigramm auf Veleda, das in Form eines Orakels abgefasst ist, glaubt man, das Städtchen sei zeitweise Aufenthaltsort der gefangenen Veleda gewesen. Im Jahr 88 wurde Publius Cornelius Tacitus (ca. 58-120), als 30jähriger Prätor (höherer Justizbeamter) auch Priester der Sybillinischen Weissagungsbücher war und die religiöse Funktion eines „Quindecimvir sacris faciundis“ besaß. Stimmt es, dass er 58 n.0 das Licht der Welt erblickte, wäre er im Jahre 70 n.0 erst 12 Jahre alt gewesen, doch wir wissen nicht, ob er einige Jahre früher geboren und wie alt Veleda wurde. Unter Nerva wurde er im Jahr 97 Konsul. Trajan ernannte ihn um 112 n.0 zum Prokonsul der Provinz Asia. Im Jahr 98 erschien die Prosaschrift „De origine et situ germanorum“, die sogenannte „Germania“. Darin berichtet er über die Weissagung bei den Germanen: „Zeichendeutung und Los spielt auch bei den Germanen eine große Rolle. Das Verfahren beim Losen ist einfach. Man schneidet einen Zweig von einem Fruchtbaum in kleine Stücke, ritzt auf jedes gewisse Zeichen ein und wirft sie aufs geradewohl über ein weißes Tuch hin; ist es eine öffentliche Sache, so hebt der Priester, in Privatangelegenheiten der Familienvater unter Gebet und Aufblick zum Himmel drei Späne nach einander auf und gibt sodann aus den eingeschriebenen Zeichen seine Deutung. Sind sie verneinend, so erfolgt an dem laufenden Tage keine zweite Befragung; wenn bejahend, so bedürfen sie immer noch der Bestätigung durch die Auspicien [Vorausschau aufgrund weiterer Zeichen].“ Hat Tacitus das von Veleda selbst erfahren? Aus dem Bericht wäre möglicherweise der Gebrauch des Runen-Systems ableitbar, doch es könnte hier auch die Verwendung runenartiger Begriffszeichen beschrieben worden sein.

Vespasians Sohn Titus beendete den Jüdischen Krieg und Vespasian wurde im Juli 69 in Alexandria von den dortigen Truppen zum Kaiser erhoben, am 22.12.69 vom Senat als Kaiser anerkannt. Ende September 70 n.0 brach der letzte jüdische Widerstand, der vier Jahre lang getobt hatte, in Jerusalem zusammen. Es begannen die Aburteilungen der Rebellen und die Gladiatorenspiele der Sieger. Ob schon der niederländische Bataveraufstand und die Veleda von der neuen Runen-Religion des Erul beeinflusst waren, wissen wir nicht, umso sicherer ist die antijüdische Stimmung dieser Zeit im ganzen Imperium anzunehmen. Wie üblich von Seiten der Sieger wird eine antijüdische Greuelpropaganda von den heimkehrenden Legionären verbreitet und ausgewalzt worden sein. Beispielsweise die Ermordung der jüd. Friedenspartei und des Hohenpriesters Hananias, durch die fanatischen Zeloten, schon bei Kriegsausbruch im Jahre 66, mitsamt den römischen Soldaten, denen man freien Abzug aus Jerusalem versprochen hatte, die aber sämtlich ermordet worden sind.

Zurück zu Erul, der allein nicht gewesen sein wird, zusammen mit kimbrischen und keltischen Kameraden meisterte er das große Abenteuer der langen Wanderung, über die Ostalpen, in die Nordheimat Jütlands zurück. Auf diesem gefahrenvollen Weg, der eine Gruppe von Verschworenen zusammenschweißen kann, unter Eruls Führung, wird der Kern der kimbrisch-herulischen Wodan-Anhänger gediehen sein. Auf ihrem Rückmarsch muss sich Erul mit seinen Getreuen im Odenwald längere Zeit aufgehalten und schon dort seinen neuen Anbetungs-Gott nachhaltig gepriesen haben. Dass der röm. Gott Merkur dem germ. Wodan entspricht, gilt durch eine Vielzahl von Nachweisen als unstrittig, nicht allein wegen des Vergleichs röm. und germ. Wochentagsnamen. Die Anbetung Wotans im Odenwälder Bezirk, durch Germanen die sich Kimbern nannten, bezeugen röm. Grenzposten des 2. bis 3. Jhs., welche sich jeweils versuchten, mit den regionalen Gottheiten ihrer Standorte gut zu stellen, indem sie ihnen Weihesteine widmeten. Vier derartige steinerne Ehrungen des „Kimbern-Gottes“ Wodan-Merkur wurden gefunden. Ihren eigenen Gott Merkur schätzten die Römer sehr wohl, aber die Weihesteinstifter wandten sich speziell an den Merkur der am Standort sesshaften Kimbern, denn der musste als Kraftmacht und Herr der Region über den stärksten Einfluss verfügen -, und das war eben Wodan. In Miltenberg am Main lag ein Kohorten-Kastell zur Sicherung des Limes, der röm. Grenzbefestigung -; es spricht von der Anwesenheit der röm. Besatzungssoldaten von etwa Mitte des 2. bis Mitte des 3. Jhs. Auf dem Gipfel des nahen Greinberges errichteten sie ein Merkur-Heiligtum, zu dem die beiden Weihesteine zu Ehren des „Mercurius Cimbrianus“ gehörten. Beide sind etwa zeitgleich, einer davon wurde 191 n.0 durch einen in römischem Dienst stehenden Reiterhauptmann gestiftet. Um 450 m vom Berggipfel fand man einen primitiv gehauenen, um 5 m langen, nadelförmigen Sandstein mit der ungeschickt geschlagenen Inschrift: „INTER TOUTONOS C A H I“. Unklar ist die Funktion des Steines, der keine Parallelen hat. Der Schriftzug scheint den germ. Stammesnamen der Teutonen zu meinen, das Wort „INTER“ deutet am ehestens auf eine Funktion als Grenzstein hin. Weitere vorhandene Buchstaben erklären sich als angefangene, unvollendete Worte. Der Stein wurde am Fundort gebrochen, bearbeitet, aufgestellt und beschriftet. Doch viel eher ist der Touto-tatis „Vater des Stammes / Volkes“, als väterlicher Führer in Krieg und Frieden, (westindogerm. toutā = Volk) gemeint, wie bei der Inschrift von Bingen: „Mercurius Toutenus“ -; so dass es immer schwieriger wird, den kelt. Teutates vom germ. Wodan zu unterscheiden. Die Bearbeitung des Greinberger Steines entspricht nicht dem Formgefühl und der Tradition eines röm. Handwerkers. Es könnte ein unbeholfener Versuch gewesen sein, einen toutonisch-wodanischen Herrschaftsanspruch über das südliche Maingebiet kundzutun, was eine entsprechende Kultgruppe voraussetzt. Die weiteren Inschriftsteine fand man gegenüber von Heidelberg am Neckar auf dem Heiligenberg, dessen vorderer Gipfel Michaelsberg genannt wird. Auf ihm war ein genordetes Mercurius-Heiligtum errichtet das in christl. Zeit von einer Michaelsbasilika überbaut worden ist. Zu den dortigen archäologischen Funden gehören die Weihesteine für den „Mercurius Cimbrianus“ und „Mercurius Cimbrius“.

Scheint es also gesichert, Römer seien bei ihrem Vordringen in „Germania prima“ bis zum Main-Limes im Odenwald auf Ansiedlungen von wodan-gläubigen nordgermanischen Kimbern gestoßen, die entweder auf ihrem Südmarsch ab 120 v.0 dort hängenblieben, oder den Vernichtungsschlachten der Jahre 102 und 101 v.0 zu entkommen vermochten ? Die zweite Ungewissheit: Ist aufgrund der nachweislichen Wodan-Verehrung, darauf zu schließen, dass es sich um Rückwanderer aus Italien gehandelt hat ? Antwort gibt die Betrachtung der historischen Abläufe. Erul, in Begleitung seiner kimbrisch-teutonischen Mannschaft, müsste vor der Periode der ariovistschen und cäsarischen Kriege Germanien auf seinem Weg nach Skandinavien durchzogen haben. Er wird als charismatischer Glaubensverkünder - unterstützt von seiner Jüngerschar - im kaum besiedelten Odenwald, zunächst einmal eine sichere Bleibe gefunden haben, aber auch auf besonders offenen Ohren und Herzen gestoßen sein. Der Eindruck den die weitgereisten, welterfahrenen Italienfahrer hinterließen, in den dortigen Weilern unerfahrener Landsassen, muss bei den begeisterungsfähigen Jünglingen ein starker und dauerhafter gewesen sein. Die Botschaft vom Asen-Gott, der mehr vermöge als der alte Himmels-Gott, der seinen vertrauensvollen, tapferen Kindern den Sieg über Rom nicht gönnte, begann seine Kreise zu ziehen. Eine geringfügige Gruppe von Teutonen könnte hier zurückgeblieben sein, so dass einer ihrer Nachfahren die Veranlassung verspürte, sich an dem verunglückten „Teutonen-Menhir“ zu versuchen. Naheliegend wäre aber anzunehmen, dass hier in diesen verschwiegen Waldgebieten die Truppe der Rückwanderer durch hinzukommende Versprengte angewachsen ist, sich formierte, um dann weiterzuwandern durch die Gaue der Chatten, Hermunduren, Cherusker, Winiler, Chauken, Altsachsen und Angeln, den Küsten der germanischen Meere zu. Ungefährlich erscheinenden Gästen, die etwas von der Weltweite zu sagen wussten, bot man in Germanien zu allen Zeiten nur allzu gern Schlafplätze und Wegzehrung, hungerte man doch nach Neuigkeiten, die im grauen Alltagsleben für Abwechslung sorgten. So werden Einzelne und einzelne Sippen auch die erulische Wodan-Predigt vernommen, aufgenommen und sie weitergereicht haben, doch nie erfasste der Wodan-Kult ein Volksganzes -, noch viel weniger die Runenschrift, welche Erul zu dieser Zeit wohl schon im Kopfe, doch sicherlich noch nicht voll ausgereift, im Gepäck hatte.

Um sich hinsichtlich der von Rom in Germanien hervorgerufenen Zustände ein Bild machen zu können bedarf es allein eines Blickes in Cäsars Buch „Gallischer Krieg“, die röm. Methode, „Pax Romana“ („Römischer Frieden“) herzustellen, war schlichtweg die Volksausrottung. Nach dieser Vorgehensweise wurden die germanische Provinzen „Germania inferior“ („Niedergermanien“) und „Germania secunda“ („Germania II“) romanisiert. Deshalb ist es naheliegend, davon auszugehen, dass nicht wenige der erulisch-runischen Wissensträger im Zuge der röm. Massentötungen umgekommen sind und die von Anbeginn als ein Geheimnis behandelte wahre Leseweise der Runenreihe in der rechtsbeginnenden Oding-Folge vergessen worden ist und nur die profane Futhark-Folge zu Mitteilungszwecken tradiert wurde.   

Die wichtigste schriftliche Quelle beispielsweise über das verschwunden Volk der gallogerm. Eburonen gibt Caesars „Gallischer Krieg“, wo in Buch 2, 4 zu lesen ist: „...die Kondrusen, Eburonen, Käröser, Pämanen, welche mit einem Namen Germanen heißen...“ und in Buch 5, 24 heißt: „Eine Legion, welche er [Caesar] kürzlich jenseits des Po ausgehoben hatte und fünf Kohorten schickte er in das Gebiet der Eburonen, dessen größter Teil zwischen der Mosa [Maas] und dem Rhein ist; welcher unter der Herrschaft des Ambiorix und Catuvolcus standen.“ In Buch 8, 24, Abschnitt 4 schreibt er: „Er [Caesar] selbst brach auf, um das Gebiet des Ambiorix in eine völlige Wüste zu verwandeln. Nachdem er die Hoffnung aufgegeben hatte, den völlig verängstigten Flüchtling [Ambiorix] in seine Gewalt zu bekommen, hielt er es danach für seine Ehre am angemessensten, dessen Gebiet so vollständig der Bürger, der Gebäude und des Viehs zu berauben, dass Ambiorix, von den Seinen gehasst, wenn das Schicksal einige überleben ließe, wegen des furchtbaren Unglücks nicht mehr zu seinem Stamm heimkehren könnte. Nachdem Caesar in alle Teile des Gebietes von Ambiorix entweder Legionen oder Hilfstruppen abkommandiert und alles durch Massaker, Feuer und Plünderung verwüstet, sowie eine große Anzahl Menschen getötet oder gefangengenommen hatte, sandte er Labienus in das Land der Treverer…“ Im Jahr 53 v.0 war demnach die staatliche Existens der Eburonen zerstört, wozu Caesar im Buch 6, 31 noch ausführt: „Als Catuvolcus, der König der Hälfte der Eburonen, der mit Ambiorix gemeinschaftlich den Plan geschmiedet hatte, vom Alter geschwächt, die Strapazen des Krieges oder der Flucht nicht ertragen konnte, tötete er sich....mit Eibenbaum, von dem es in Gallien und Germanien eine große Menge gibt“ und Cäsar hatte den Zynismus in Buch 5, 28 zu heucheln: „...es war kaum zu glauben, dass der unbekannte und unbedeutende Staat der Eburonen freiwillig das römische Volk mit Krieg zu überziehen gewagt hatte...“ 

Wann der Runenmeister von seiner aufwühlenden Vision ergriffen wurde, die zur runischen Schrifterfindung führte, vermögen wir nicht zweifelsfrei zu ergründen. Gesichert bleibt allein, dass dieser Mann existierte und dass er als Namenspatron anzusehen ist für die späteren Erilari, die Runenmagier, wie ebenso für die beweglichen, kampffrohen Wanderscharen der Eruli/Heruler. Die quirligen, streitbaren Heruli erschienen bald an vielen west- und osteuropäischen Orten. Sie wurden im Jahr 286 wegen deren Einfälle in Gallien erwähnt und herulischen Seeattacken an den spanischen Küsten. Zusammen mit den Goten waren sie gleichermaßen im Osten aktiv, seit dem 3. Jh. am Nordrand des „Schwarzen Meeres“ und dem östlichen Mittelmeer, bis ins 6. Jh. in den Nachrichten belegt. Unter ihrem Führer Odoaker (um 433-493), dem „Od-Erwachten“ stüzten sie den letzten weström. Kaiser und wählten Odoaker zum „König von Italien“. Der oström. Historiker Prokop berichtet in seinen „Historien“ (um 550 erschienen), dass die Heruler sich gespalten hätten und ein Teil nach „Thule“ (Skandinavien) zurückgekehrt seien. Ein anderer aber, in Südungarn verbliebener Teil, erbat einen neuen König von dort. Die Heruler hielten von allen germanischen Völkern oder Kultgruppen am längsten an ihem Glauben fest. Im Jahre 493 kämpften sie für Odoaker in der verlustreichen „Rabenschlacht“, um Ravenna. Im Jahre 508 erlag ihr Reich und ihr König Rudolf (Rodolf, Odulf = Od-Wolf ?) den Langobaden. im Jahr 512 errichteten Reste beim heutigen Belgrad ein vom Ostrom geduldetes kleines Reich. Der oström. Der Gote Jordanes (?-552) veröffentlichte i.J. 551 die „Getica“ („Gotengeschichte“), die im Auftrag von Ostgotenkönig Theoderich dem Großen verfasst wurde. In der „Getica“ erwähnt er die skandinavische Gruppe der „Otingi“ („OT/OD-Anhänger, Gläubige der OD-Religion“). Kaiser Maurikios (539-602) fügte an seinen Namen den Triumphzusatz „Herulicus“ bei, aus dem hervorzugehen scheint, auch er hätte einen Sieg über Heruler-Gruppen errungen. Dann schweigen die Quellen.

Über die Besonderheit der Heruler schreibt der Religionswissenschaftler und Mediävist Karl Helm (1871-1960), in „Altgermanische Religionsgeschichte, Bd. II., die Ostgermanen (1937) S. 45f: „Von den Herulern zeichnen die Quellen ein geradezu abschreckendes Bild eines wilden, jeder Kultur und Gesittung unzugänglichen Volkes. Sie tragen die Farben so dick auf, daß man unschwer erkennt: es ist eine jener Verzerrungen, wie sie in politischen Pamphleten jeder Zeit gegenüber einem unbequemen Gegner üblich sind. Offenbar haben die Heruler an hergebrachter Sitte strenger festgehalten als andere Germanenstämme, auch in der Religion. Sie wählen sich zwar im Jahre 471 den christlichen Skiren Odowakar zum König und einige von ihnen sind gewiß damals Christen gewesen. Aber das Volk als Ganzes blieb heidnisch. Bei der Einnahme von Joviacum in Pannonien im Jahre 480 töten sie den dortigen Presbyter [kirchenchristlicher Agent]. Und jener Teil des Volkes, der im Jahre 512 nach Skandiavien heimkehrte, war auch damals noch heidnisch. Erst Justinian gelang es im Jahre 527, die südlich der Donau wohnenden Heruler zu bestimmen, insgesamt die Taufe anzunehmen. Mit Namen wird einer ihrer Führer Gretes genannt…“

 

Ethischer Aspekt der Runen-Religion


Ich möchte noch eine Erklärung zur ethischen Einordnung der germ. Runenreligion des vermuteten Eruls abgeben und eine vergleichende Beurteilung mit der fremdländischen Christreligion der Mönche und der Kirchen. Die schriftlichen Manifestationen der nordischen Runenreligion hat die konkurrierende Christkirche vernichtet, insbesondere durch Mithilfe des Pfaffenkönigs Ludwig I. der Fromme (778-840), dem Sohn und Nachfolger „Karls des Großen“. Vom überfrommen Ludwig wurde berichtet, dass er mehrere Wagen voll germanischer Texte nach Rom zum Vatikan bringen ließ, also der Vernichtung preisgab. Ein Satz beim Ludwig-Biografen Thegan, „Gesta Hludowici“, Kap. 19, lautet: „Die heidnischen Lieder [Gedichte], die er in seiner Jugend gelernt hatte, verachtete er und wollte sie weder lesen noch hören noch lehren.“ Sein Vater Kaiser-Karl hatte ihnen mehr Ehre angetan, er hat sie sammeln lassen, wie Einhards „Vita Karoli Magni“, Kap. 29 berichtet. Leider ist auch die „Edda“ des isländischen Historikers Snorri Sturluson (1179-1241) keine ergiebige Fundgrube für den gesuchten sakralen Kerngehalt des Runenglaubens, weil der Christ und Amtsinhaber Snorri gar nicht daran interessiert war, ihn durch Beschreibungen zu bewahren. Die burlesken nordischen Götterschwänke, wie sie aus ähnlichen griech.-röm. Erzählungen, einer mehr oder weniger gläubigen Unterschicht, bekannt sind, fanden Eingang die Blätter der „Edda“. An einer einzigen Stelle, nämlich im Hávamál, „Des Hohen Lied“ oder „Sprüche des Hohen“ (im „Codex regius“), finden wir eine Kernaussage. Die ganze Hávamál wird von Gott Wodan-Odin selbst erzählt, so entspricht es der Konzeption. Die Hávamál-Strophen 139-143 beschreiben die Runenfindung des Gottesgeistes und sein daraus resultierendes Wachstum -, höchst bekannt aus der Philosophie Hegels (1770-1831) und seines Begriffs vom „Weltgeist“, als metaphysisches Prinzip der Vernunft in der Geschichte (Georg Wilhelm Friedrich Hegel, „Phänomenologie des Geistes“, 1806/07). Theologisch handelt es sich bei dem Geist-, Seelen- und Arztgott, um die Summe der Ahnenseelen bzw. Geister der verstorbenen Vorfahren, demnach, um die Gesamtheit der ethnischen Arterfahrungen, der Heilige germ. Volksgeist.

139
(1) Ich weiß, dass ich hing am windigen Baum
Neun lange Nächte,
Vom Speer verwundet, dem Odin geweiht,
Mir selber ich selbst,
Am Ast des Baums, dem man nicht ansehen kann
Aus welcher Wurzel er spross.
140
(2) Sie boten mir nicht Brot noch Met-Horn;
Da neigt ich mich nieder
Auf Runen sinnend, lernte sie seufzend:
Endlich fiel ich zur Erde.
141
(3) Hauptlieder neun lernt ich von dem weisen Sohn
Bölthorns, des Vaters Bestlas,
Und trank einen Trunk des teuren Mets
Aus Odhrörir geschöpft.
142
(4) Zu gedeihen begann ich und begann zu denken,
Wuchs und fühlte mich wohl.
Wort aus dem Wort verlieh mir das Wort,
Werk aus dem Werk verlieh mir das Werk.
143
(5) Runen wirst du finden und Ratestäbe,
Sehr starke Stäbe,
Sehr mächtige Stäbe.
Erzredner ersann sie, Götter schufen sie,
Sie ritzte der hehrste der Herrscher.

Bleiben wir arbeitshypothetisch bei Erul als Schöpfer der Runen und mithin der Runenreligion. Mit ihr begann die Ablösung vom alten indogerm. Himmelsgottglauben des Dyaus(pitar), Tius, Zeus, Jupiters. Schon im letzten vorchristlichen Jahrhundert wurde von griech. und röm. Schriftstellern viel über Abnahme der Gottesfurcht, über Unglauben, religiöse Unsicherheit oder Gleichgültigkeit geklagt und die Schuld an dem Religionsverfall den Lehren „wahnwitziger Weisheit“ zugeschrieben, die sich aus den Schulen griechischer Philosophie verbreitet hatten, gemeint sind sicherlich die diversen Mysterienkulte und die Wirkungen der beginnenden Gnosis-Sekten. In der damaligen röm. Literatur gab es Richtungen, die sich vom alten Glauben abwendeten und ihm geradezu feindlich entgegen traten. Der Runenglauben, wie er sich im ODING-Wizzod zu erkennen gibt, ist eine Wodin-Odin-Religion, Gott Tiu-Tyr tritt in eine nachgeordnete Position, also war der Effekt der Runenreligion eine Reformation oder Revolution gegen die althergebrachte Glaubensform. Ich habe als unmittelbare Veranlassung für diese relative Abkehr von Tiu, jene Völkerkatastrophe bezeichnet, in Gestalt der verlorenen Schlachten und die röm. Versklavung der überlebenden Kimbern und Teutonen.

Die Gottheit übt in jeder Religion die nacheifernswürdige Vorbildfunktion für die Gläubigen aus. In der urdeutsch-germanisch-altnordischen Runen-Theosophie ist es die unmissverständliche Aufforderung zur Wissenssuche, zum Willen der Geheimnislösung, modern ausgedrückt, zur Naturwissenschaft, zur Physik, um die Phänomene und Gesetzmäßigkeiten der Natur dem Menschenhirn verständlich zu machen. Was der Gottesgeist vorlebt, ist der typisch deutsche, gedankenreiche „Faustische Mensch“, dem der große Geheimrat J.W. Goethe ein so wunderbares Denkmal, mit seinem „Magister Faust“, geschaffen hat. Auf der Suche nach Welterkenntnis ist Dr. Faust allezeit hin- und hergerissen, zwischen Himmel und Erde, zwischen himmlischen Seligkeiten und irdischer Verdammnis körperlicher Nöte. Das allein ist ein ethischer Affekt, der die Runenreligion dem Christianismus absolut überlegen macht, denn der denk- und urteilsfähige Mensch, der „Homo sapiens“, unterscheidet sich aufgrund dieser Adjektive, „weise“ und „vernünftig“, von den äffischen Wesen verwandter Arten; nichts anderes meint der Zusatzbegriff „sapiens“.

Geradezu diametral dagegen steht die Kernaussage des paulinischen Christismus, welcher nichts anzubieten hat als dumpfen, unvernünftigen „Glaubenszwang“ an etwas Unglaubliches. Die Verheißung jenseitiger Seligkeit bei Gott werden für das ungeprüfte „Glauben“, also Nichtwissenwollen versprochen; dabei werden die Unvernunft und das zum Herdenschafwerden geradezu geheiligt. Noch dazu, dass der Rabbi Schaul bzw. „Heilige Paulus, der den „Messias-Erlöser-Jesu-Christi“-Glauben aufbereitet hat, eine altjüdisch-mystische Dummheit zur Grundlage seiner „Heiden-Mission“ machte, nämlich die Idee des „Sündenbocks“. Er hatte den Einfall, von der Betrachtung seiner mosaischen Religion aus, den sinnlosen Martertod des Jeschua-Jesus am Schandpfahl, als Opfertod zu deuten, welcher mit diesem angeblich freiwilligen Sterbeakt die Menschheitssünden fortnehmen würde. Das ist zwar reiner Unsinn, aber dem altjüdischen Sakraldenken höchst vertraut, weil zum Neujahrsfest symbolisch sämtliche Vergehen, also die ganze „Sündenlast“ des Judenvolkes einem Bock oder Widder auferlegt wurde, welchen die Priester dann in die Wüste jagten, unter der kindischen Vorstellung, dann seien die Verbrechen aus der Welt geräumt. So wenig wie ein geopferter Bock die Sünden/Untaten zu tilgen vermag, so wenig vermag es auch der jüdische Zimmermann (tekton) aus Galiläa, gleichgültig ob in der Antike zuerst einige wenige missionierende Schlitzohren vorgaben, daran zu glauben oder über 500 Millionen heutiger Christen.

Von diesem geradezu irrsinnig missgedeuteten Jesus hat der Saul-Paul nichts gewusst, er ist ihm nie begegnet und den Jesus-Jüngern/Mitläufern „widerstand er ins Angesicht“, wie er es stolz festgehalten hat (Paulusbrief an die Galater). Das heißt, Paul wollte es besser wissen, als die Leute die den Jesus zu Lebezeiten persönlich erfahren hatten, selbst gegenüber dem Stephanus, dem leiblichen Jesus-Bruder, der an der judengesetzlichen Penis-Beschneidung festhalten wollte, trat er als belehrender Besserwisser auf. Einige von diesen Juden-Christen hatten mit Nichtjuden gespeist, was den Juden von ihrem Gesetz verboten war. In diesem Zusammenhang gibt Paulus an: „Als ich aber sah, dass sie nicht richtig handelten nach der Wahrheit des Evangeliums [seines selbst erdachten E. !], sprach ich zu Kephas [Petrus] öffentlich vor allen: Wenn du, der du ein Jude bist, heidnisch lebst und nicht jüdisch, warum zwingst du dann die Heiden, jüdisch zu leben? Wir sind von Geburt Juden und nicht Sünder aus den Heiden….“ Wäre es nicht längst hoch an der Zeit, dass wir Deutsche diesen ganzen abstrusen Wust uns von den Schultern würfen und begännen, uns um eigenen Belange unserer Existenz zu kümmern ?! 

Nicht übersehen dürfen wir auch die Hass- und Mordaufrufe, die in beiden Quellengrundlagen (AT + NT) der Judäochristenheit erschreckend und abschreckend wirken müssten, denn es handelt sich um ernsthafte und wiederholte Todesdrohungen gegen Andersgläubige, die Jehova sowie dem „Jesu-Christ“ von den Autoren der „Heiligen Texte“ in die Münder gelegt worden sind. Wenn sie nicht exakt so gemeint wären, wie sie zu lesen sind, wären sie längst in der Versenkung verschwunden, wie man es mit anderen unliebsamen Texten gern unternommen hat. Beispielsweise ängstigen Jesus-Sätze von der Art wie: „Meinet ihr, dass ich hergekommen bin, Frieden zu bringen auf Erden ? Ich sage: Nein, sondern Zwietracht“ (Lukas 12, 51) - „Doch jene meine Feinde, die nicht wollen, dass ich über sie herrschen sollte, bringet her und erwürgt sie vor mir.“ (Lucas 19, 27) - „So jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, auch dazu sein eigen Leben, der kann nicht mein Jünger sein.“ (14, 26) Die verworren-durchmischte Hass- und Liebespredigt kann nur einem kranken Hirn entsprungen sein. Friedrich Nietzsche (1844-1900) im „Antichrist“: „Unsere Zeit ist wissend … Was ehemals bloß krank war, heute ward es unanständig - es ist unanständig Christ zu sein. Und hier beginnt mein Ekel.“

Der Jude und Christ begegnet seinem Gott, wie im byzantinischen Hofzeremoniell, in unterwürfiger Haltung, gleich einem rechtlosen Knecht der vor seinem Herrn sich beugt und kniet -, der germanische Heide pflegt Umgang mit seinem Wodin in völlig anderer Seelenhaltung,  wie mit dem Freund-Gott, dem „Fulltrui“, denn er ist Geist von seinem Geist.