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Die erfundenen Guido-List-Runen, mit Nachbeter John-Gorsleben

Meine ungelöste Frage: Was geht im Kopf von Leuten vor, die irgendwelche Erwartungshaltungen gegenüber neuzeitlich erfundenen Runen-Reihen hegen ?

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Die 16 Stäbe umfassende Runenreihe, auch Jüngeres-Futhark genannt, entwickelte sich aus der 24 stabigen Ur-Runenreihe und war ein Schwundsystem, mit Beginn im 8. Jh., der sich im Norden, durch die massiven Angriffe der katholischen Karolinger, zurückentwickelnden nordischen Geistigkeit. In der 16er Runenreihe erscheinen neue Zeichen, wohl durch christlich-mönchischen Einfluss, wie die H-Rune, die von babylonischen Rollsiegeln bekannt war. Zu diesem kuriosen Runenverbund mogelten Guido List und John Gorsleben noch zwei stibitzte angelsächsische Runen dazu und hatten ihren 18er-Runen-Murks beisammen. 

Rudolf John Gorsleben (geb. als Rudolf John) (1883-1930) war ein ariosophisch ausgerichteter Runen-Mystagoge aus der Unsinns-Schule des Teppich-Designers Friedrich Fischbach (1839-1908) und dessen Jünger Guido List (1848-1919). John Gorsleben war der Meisterschüler von List, der den frei erfundenen List’schen Runen-Quark noch einmal besonders fein durchpassierte. Rudolf John nahm den Namen Gorsleben an, nach dem Ortsteil Gorsleben im thüringischen Kyffhäuserkreis, zu dem er richtig vermutete, dass er sich im geographischen Herzen der germanischen Welt befinde. Allen dreien der genannten Männer, darf man eine treudeutsche Einstellung zuerkennen, doch wie in jeder Wissenschaft, so auch der Runenkunde, kommt es nicht auf Gesinnung, sondern auf das sorgfältige Studium an. Voll heißer Herzen gingen sie daran, etwas Eigendeutsches, also jedenfalls Vorchristliches, finden zu wollen, weil sie klar erkannten, dass die gesamte geistige Umweltprägung letztlich judäo-christlich, mithin undeutsch sei. Wie sehr ein überschäumend-gewaltsames Streben in die Irre führen kann, ersehen wir am hochgelobten Laienforscher Wilhelm Teudt (1860-1942), der den schrecklichen Irrtum in die Welt brachte, der gebogene Todesbaum vom Externstein-Relief wäre die altsächsisch-germanische Irminsul. Warum Todesbaum? Weil der dargestellte orientalisch-semitische Lebensbaum, die ehrenwerte Dattelpalme, dort ohne Gipfelblätter, demnach als impotent und abgestorben bezeichnet wurde. Lediglich zwei Palmblattranken, je eine zur Rechten wie zur Linken, bilden das obere Baumende. Kein blinder Heide, welcher der Teudt’schen Erklärung folgte, machte sich die naheliegenden Gedanken darüber, wie zwei Palmwedel das Himmelsdach tragen könnten. Die Irminsul wurde von den Alten als „All-Säule“ definiert; zwei Palmwedel sind als All-Stützen absolut unbefähigt. Ebensolcher unüberlegter Eilfertigkeiten hat sich die deutsche Ariosophie auch auf dem Sektor der Runen-Erklärungsversuche schuldig gemacht und damit einen Runen-Sumpf erzeugt, in dem mancher Unkluge bis zum heutigen Tage tief drinsteckt.

Die scheinheidnisch-christophile Irrweg-Tradition der Deutschen:

Houston Stewart Chamberlain >> Friedrich Fischbach >> Adolf Joseph Lanz alias Jörg Lanz von Liebenfels >> Rudolf Joseph Lorenz Steiner >> Guido Karl Anton List alias von List >> Rudolf John alias Gorsleben >> Herman Wirth alias Röper-Bosch >> Alfred Ernst Rosenberg >> Karl Maria Wiligut alias Weisthor >> Gustav Frenssen >> Deutsche Christen >> Die Goden. - Wer den Rabbi Joschua-Jesus-Christus seinem Publikum schmackhaft machen will, kann keinen Dauerfrieden in deutsche Herzen bringen, denn wie sagte der ? Ich bin nicht gekommen Frieden zu bingen auf Erden, sondern Zwietracht !“ (Lucas 12:51)

Houston Stewart Chamberlain

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Houston Stewart Chamberlain (1855-1927) war ein englisch-deutscher Schriftsteller und Verfasser zahlreicher populärwissenschaftlicher Werke, wie sein bekanntestes „Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts“ (1899), das zu einem Standardwerk des rassistischen Antisemitismus in Deutschland wurde. Er war der treue Freund des deutschen Volkes. Er sagte einmal, in freier Zitation: „Welch ein wundervolles Volk diese Deutschen und doch haben sie nicht einmal eine eigene Religion !“ Er verfolgte den Gedanken, das judäochristliche Gedankenkonstrukt insofern korrigieren zu sollen, indem er einen „arischen Christus“ propagierte, was sich aber religionswissenschaftlich nicht untermauern lässt. Schon der profunde Kopf Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844-1900) hatte gehofft, mit seinem Werk „Also sprach Zarathustra“, für die starken suchenden Geister den Weg zu einer zukunftsweisenden Religion aufzeigen zu können, doch viel zu anspruchsvoll war seine Vorlage, als dass mehr als nur entrückteste Idealisten ihr hätten folgen können. Adolf Joseph Lanz bzw. Jörg Lanz von Liebenfels (1874-1954), Herausgeber der „Ostara-Hefte“, begründete die sog. Ariosophie als Wissenschaft die zum dt. Urglauben hinführen müsse, im Chamberlain‘schen Sinne eines gereinigten bzw. arisierten Jesuismus. Lanz, der katholische Priester, trat als „Bruder Georg“ in ein Zisterzienserkloster ein, wo der hochbegabte Novize rasch Ansehen als profunder Kenner der Geschichte und des Ordens erwarb. Im Jahre 1900 gründete Lanz einen eigenen religiösen Orden, den „Neutempler-Orden“ oder „Ordo Novi Templi“, der im NS-Staat aufgelöst wurde. Er verfasste das Werk „Weltende und Weltwende“, in dem er eine von ihm angenommene Weltverschwörung darlegte. 1929 erschien sein ariosophisches „Bibliomystikon oder die Geheimbibel der Eingeweihten“. Es gelang ihm nie sich von biblisch-christlichen Prägungen frei zu machen, er versuchte sie lediglich - entsprechend seiner ariosophisch-rasseachtenden Gedankengänge - zu befreien, was ohne unzulässige Gewaltsamkeiten nicht gelingen mochte. Dass die hochreligiösen faustischen Deutschen in einem unbefriedigenden Zustand ohne religiöse eigene Ausrichtung daherdümpelten erkannten und bemängelten viele der tieferblickenden Geister. Der rührige Esoteriker, Publizist und Vortragsredner Rudolf Joseph Lorenz Steiner (1861-1925) begründet die sog. Anthroposophie (angebl. „Wahrheit vom Menschen“), indem er eine eigene Theosophie zusammenstrickte, in welche er alle ihm erreichbaren tauglich scheinenden geistigen Strömungen hinein- und zusammenmischte. Da er, dem Kirchengründer Rabbi Schaul-Paulus folgend, das judäochristliche angebl. „Mysterium von Golgatha“, als Kernstück seines Konstruktes bezeichnete und völlig unmögliche , unwissenschaftliche persönliche Schauungen - wie „sieben Wurzelrassen“, „Erzengel-Legenden“ und verrückte „Atlantis-Datierungen“ propagierte, bleiben seine bizarren Glaubensangebote für einen deutschen Reformer sowieso unannehmbar. Bezeichnend ist sein Buch: „Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des Altertums“. Der ehrenwerte deutschnationale Heimatforscher und Textildesigner Friedrich Fischbach (1839-1908) glaubte im Siegerland den Ursprung der Edda-Religion sowie der deutschen Urreligion zu finden, er schrieb „Ursprung der Buchstaben Gutenbergs - Beitrag zur Runenkunde“, mit dem er eine initiale Fehlzündung auslöste. Ihm folgte der fleißige Wotanist Guido Karl Anton List, alias von List (1848-1919), welcher meinte, eine artgemäße Religion müsse sich zurückfinden zum eigenen deutschen Volksgott Wotan-Odin. Er schrieb u.a. deshalb das Büchlein „Das Geheimnis der Runen“ als Grundlage eines esoterischen runenreligiösen Angebots. Seine Mittel waren für diese Aufgabe unzulänglich, seine Quellenirrtümer mussten ihn letztlich disqualifizieren. Seinen Fußstapfen folgten fehlgeleitete Jünger wie der tapfere Rudolf John Gorsleben (1883-1930) mit „Die Hoch-Zeit der Menschheit“, Friedrich Bernhard Marby (1882-1966) mit „Runen raunen richtig Rat“, auch der völkische Journalist und Publizist Philipp Stauff (1876-1923), u.a. mit „Runenhäuser“. Sie alle gestalteten den Unsinn von den nie existenten 18 Runen liebe- und fantasievoll nochmals aus. Ähnlich wie F. Fischbach suchte auch Franz Wydrinski, alias Franz von Wendrin (1884-1931) das alte Glaubenszentrum mit unsinnigen „Erweisen“ in Büchern wie „Die Entdeckung des Paradieses“ und „Die Entzifferung der Felsbilder von Bohuslän einschließlich der Urkunden über das biblische Paradies“. Pastor Gustav Frenssen (1863-1945) war ein evangelischer Theologe und begnadeter Schriftsteller der mit z.B. „Der Glaube der Nordmark“, zu Herzen gehende Literaturen schuf, die zur religiösen Selbstfindung beitragen sollten, indem er den Chamberlain‘schen arischen Christus verklärte und auf seine Art ein nordisches Neuheidentum propagierte. Der universitäre Religionswissenschaftler Jakob Wilhelm Hauer (1881-1962) versuchte mit fundierten Werken wie „Deutsche Gottschau“ die Koordinaten eines deutschen Urglaubens abzustecken. Er vermochte das Runen-Rätsel ebensowenig zu lösen wie Herman Wirth (1885-1981), welcher antrat, mit weitausholenden Erörterungen, wie „Der Aufgang der Menschheit“ und „Die heilige Urschrift der Menschheit“, die urnordeuropäische Religion aufzuzeigen und hoffte wiederbeleben zu können. Aber seine Arbeiten kranken an eklatanten Fehldeutungen, bis hin zu eindeutigen Quellenfälschungen. Mathilde Spieß, verheiratete Ludendorff (1877-1966) war eine Ärztin, Lehrerin, Philosophin und überaus schöpferische Schriftstellerin, Autorin des „Triumph des Unsterblichkeitswillens“, die die Bewegung der „Deutschen Gotterkenntnis“ gründete. Sie schuf ein philosophisch-psychotherapeutisches Lehrgebäude das einem anspruchsvollen Publikum zwar ein Zuhause anbieten kann, doch zu dessen Intellektualität Zugangsmöglichkeiten für die breite Masse ebenso zu fehlen scheinen, wie die Wurzeln aus traditioneller Volksfrömmigkeit. Sie, in Übereinstimmung mit ihrem Ehemann dem Weltkriegs I. General Erich Ludendorff, lehnten die NS-Volksbewegung Adolf Hitlers - nach dem gemeinsamen Marsch des Generals und des NS-Führers auf die Münchener Feldherrenhalle, strikt ab. Des Ehepaares schriftstellerisches Lebenswerk bleibt geradezu gigantisch als zeitlose Informationsquelle von Bedeutung. Im NS-Staat gehörte die Suche nach deutscheigenen Geistesgrundlagen gewissermaßen zum Parteiprogramm, obschon Adolf Hitler dabei abseits stand und allein aus innenpolitischen Gründen die religiöse Zerrissenheit des Volkes gern überwunden gesehen hätte. Die treibenden Kräfte waren andere, so Alfred Rosenberg und Heinrich Himmler, der Reichsführer-SS. Er vertraute diesbezüglich anfangs Karl Maria Wiligut (1866-1946) alias Weisthor, ein Okkultist und im Weltkrieg I. mehrfach ausgezeichneter tapferer Oberst der österreich-ungarischen Armee, der gestützt und getrieben von eigener Intuition, Schriften wie „Seyfrieds Runen“ und Gedichte für die „Widar-Hefte“ hervorbrachte, aber eigentlich nur aus Guido List’schen Ergüssen schöpfte. Als sich seine Scharlatanerie und sein Alkoholmissbrauch entlarvten, fiel er in Ungnade und er musste die „Schutzstaffel“ verlassen. Im Dienste Himmlers stand zeitweise auch Otto Wilhelm Rahn (1904-1939) der sich für den Gralsmythos begeisterte und glaubte, seine Forschungen bezüglich der mittelalterlichen Ketzerbewegungen, der Katharer und Albigenser, könnten seiner Gralssuche förderlich sein. Seine mancherseits absolut überschätzen Bemühen blieben ohne Erfolg. Sein im 12. Jh. durch den Dichter Wolfram von Eschenbach, in dessen Versroman „Parzival“, hervorgerufenen Irrtum, der Gral sei ein Edelstein und kein Gefäß, ließen Rahn nach etwas suchen das es nie gegeben hat. Seine Recherche „Kreuzzug gegen den Gral, die Geschichte der Albigenser“ konnte er bei der Suche nach der deutsch-germanischen Urreligion keinen Schritt weiterhelfen. Auch der vielwissende Deutschbalte Alfred Ernst Rosenberg (1892-1946) ließ sich von der Schule des Engländers Chamberlain beeinflussen und versuchte dementsprechend eine „Religion des Blutes“ zu entwickeln, wobei er sich stark auf seine Vor- und Frühgeschichtsforschungen stützte. Auf Seite 76 seines Wekes versteigt er sich dazu, den hassschäumenden, innerlich zerrissenen Stänkerer, „die missbrauchte, große Persönlichkeit Jesu“ zu glorifizieren. Er hatte die bolschewistische Revolution in Moskau selbst miterlebt, wurde wohl deshalb ein engagierter Gegner der geplanten marxistischen Weltrevolution, auch der Rassenvermischung und, ebenso wie der Wiener G. List, bekennender Antijudaist. In seinem falschen religiösen Weltbild verklärte er den christlichen Kunstgott Jesus zur „Verkörperung der nordischen Rassenseele“. Das wird allein durch Manipulation einer unredlichen Verzerrung ins Positive möglich, bei welcher alle dämonischen, hassvollen Züge des Jesus - von der Verfluchung des Feigenbaumes bis zur Verfluchung ganzer Städte und fürchterlichster Drohungen und Schmähungen - ausgeblendet werden. Rosenbergs wichtigstes und beachtlichstes Buch ist „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“. Rosenberg wurde im NS-Staat Reichsleiter und Chef-Ideologe des Dritten Reichs. Da die Chamberlain-Schule als erwiesenermaßen irrig gelten muss, ist auch jedes ihre Folgeerzeugnisse abzulehnen.

Dass die auf imperialistische Absichten zurückgehenden Religionsformen, wie der paulinische Christianismus eine ist, letztlich abgetan und überwunden werden müssen, wobei sie zudem noch als wesensfremde Produkte des Orients, unter oft blutigen Exzessen körperlicher und seelischer Vergewaltigungsorgien, herangebracht wurden, wird kein therapeutischer Purist und kein hilfswilliger Psychotherapeut anzweifeln und verneinen wollen. Das schreckliche Bibel-Buch ruft auf 1.000 Seiten zu Gewalttaten gegen Personen und andere Völker auf, nicht nur deshalb müsste es als Religionsschrift angeprangert, abgelehnt und eines besseren Tages verboten werden. Das internationalistische Projekt des jesuischen Paulismus kann keine Daueroption einer seelengesunden Volksreligion sein, das hat eine fast zweitausendjährige Katastrophen-Historie bewiesen. Die legitime Suche nach Alternativen hat die unterschiedlichsten Blüten, aber auch Giftpflanzen, hervorgelockt. Ein quellenechtes Evangelium war nicht darunter, so sehr sich auch in der Vergangenheit die forschenden Geister darum bemühten. Diese ausweglos erscheinende Situation änderte sich schlagartig mit der Entdeckung der urgermanischen Kodifizierung einer in sich geschlossenen Theosophie, nämlich der runischen ODING-Lehre. Damit ist der erstrebte Gipfel der einstmals Ariosophie genannten deutschgläubigen Vision erreicht. Diese neue und quellenechte Ariosophie ist keine Fortsetzung der alten überwundenen, sie ist in allen ihren Bezügen gewissermaßen jungfräulich, also ohne Erbbelastung durch die Fehlgänge der alten Ariosophien ! Mit der sich offenbarenden OD-Religion haben sich die generationenlangen vergeblichen Anstrengungen auf das Schönste erfüllt und den Abschluss der Quellensuche eingeläutet. Die Ausschöpfung der Quelle hat begonnen.

Das Märchen vom arischen Rabbi Jeschua-Jesus

Über Herkunft und äußeres Erscheinungsbild des Rabbi Jeschua-Jesus ist viel spekuliert worden. H. Steward Chamberlain (1855-1927) und seine Nachfolger vertraten die These von einem „arischen Jesus“ aufgrund der vielen scheinbaren Gegensätzlich­keiten zwischen Judenheit und Christen­tum. Sie durchschauten und werte­ten dabei nur ungenügend die vordergründig wider­sprüchlich anmutende Zerrissenheit der antiken jüdischen Religions­landschaft bei gleich­zeitig einmütig-fanatischen Bekennt­nissen der zerstrittenen Juden­sek­ten zu den al­ten Verheißungen, basierend auf dem selbstgefälligen Auserwähltheits­dün­kel sowie zum ge­mein­samen Patriarchen Moses und dem von ihm propagierten all­jüdi­schen Stammes­gott Jahwe. Die Chamberlain-Schule ging davon aus, die Mutter Jesu sei ein Mädchen hethitisch-indogermanischer Blutlinien aus Dan im Norden des „Hei­den­gaues“ Galiläa ge­wesen, die von einem römischen Soldaten na­mens Pan­dera­/Panthera geschwängert wor­den sei. Die Be­weisführung ist jedoch unzuläng­lich. Für eine solche Abstammung der Maria fehlt jede konkrete Nachricht, aber ihre Notzüchti­gung von ei­nem Offizier der Besatzungsarmee ist durchaus glaubhaft. Ein „arisches“ Aus­se­hen dürfte Jesus trotzdem kaum besessen ha­ben. Der römische Beamte Lentulus (nach antiken Quellen ein überge­ordneter Beamter des Pilatus) beschrieb ihn mit üppi­gen braunen Haaren, vollem Bart und einer Körper­länge von fünfzehneinhalb Fäusten - et­was weniger als 1,50 Meter. Vermittelte er also das Bild eines eifernden, streitlustigen Zwerges ? Nach Joh. 8,33 u. 8,41 u. 8,48 ent­gegneten ihm die Juden während eines Wortge­fechtes: „Wir sind Abrahams Samen“, „Wir sind nicht aus Ehe­bruch/Hurerei hervor­gegangen“, „Ist es nicht so, dass du ein Sa­maritaner bist und den Dämon in dir hast ?“ - also: „Wir sind reine Juden, und nicht wie du ein Mischblütiger, der aus Ehe­bruch her­vorgegangen ist.“ Nach dem Gesagten hielten die Juden Jesus für einen, an dessen Ge­burt ein Makel haf­tet. Un­verblümt: Sie bezeich­neten ihn als einen samaritani­schen Ba­stard - als einen, des­sen Va­ter unbekannt und des­sen Mutter samaritanische „Hei­din/Nichtjüdin“ sei. Die Samarita­ner waren Nachkom­men der vom assyrischen Herr­scher Salmanassar angesie­delten Nichtjuden aus Babel, Kutha, Awa, Hamath und Se­pharwaim. Dass Rabbi Jesus einen semitisch-babylonischen, zen­tral­meso­potamischen Ras­seeinschlag besaß, darf dieser abfäl­ligen Be­merkung seiner Diskus­sionsgegner ent­nommen werden. Damit wäre auch je­ner für einen Juden der damali­gen Zeit ungehörig-vertraute Umgang mit dem samari­tischen Weib zu erklären (Joh. 4,9). Er verkündete ihr, der reli­giöse Ge­gen­satz zwi­schen Sama­ria und Judäa werde schwinden (4,23). Schien er glau­ben zu wollen, von einer samari­tanischen Mutter und einem jüdi­schen Vater abzustam­men ? Der Vor­wurf, Jesus sei ein samaritanisches Hurenkind, wur­de, dem Evangelienbe­richt (Joh. 8,41) zu­folge, von Ju­den im Tempel, also im un­mittel­baren Angesicht ihres Gottes er­hoben. Kein frommer Jude würde solche herabset­zen­den Äußerungen ausge­sprochen haben, hätte er sie nicht für wohlbegründet halten dür­fen.

Prof. Friedrich Fischbach

Friedrich Fischbach (1839-1908) war der Sohn des Friedensrichters, Heimat- und Sagenforschers Peter Joseph Fischbach. Er wurde beruflich ein Musterzeichner und Mustermacher im textilverarbeitenden Gewerbe, darüber hinaus Autor von Artikeln und Büchern zur Textilkunst und -geschichte, Kunsthistoriker und Lehrer an Kunstgewerbeschulen. Außerdem veröffentlichte er Beiträge zur germ. Mythologie und war Librettist von Märchenopern. Nach der Ausbildung ging er nach Wien und begann zunächst eine zeichnerische Tätigkeit im Tapeten- und Dekorationsgeschäft. Nebenbei besuchte er ab 1863 Vorlesungen des Kunsthistorikers R. Eitelberger an der Uni-Wien. Er schrieb Feuilletons in der „Wiener Zeitung“ über Tapetendekoration und betätigte sich in einer Kommission in Bezug auf Sammlungen des 1864 gegründeten „Österreichischen Museums für Kunst und Industrie“. Von 1865 bis 1870 betrieb er neben dieser musealen Tätigkeit eine Werkstätte, die unter Anlehnung an historischen Muster und Zeugnisse lebendiger Hausindustrien, Vorlagen für Tapeten und Heimtextilien von Industrie und Kunstgewerbe entwickelte. 1873 war er in der deutschen Abteilung der Kunstgewerbe der „Wiener Weltausstellung“ prominent vertreten. Eine Krankheit seiner Ehefrau, die er 1868 geheiratet hatte, veranlasste ihn 1870, Wien zu verlassen und kurzzeitig eine Stelle im niedersächsischen Einbeck anzutreten. Im Herbst 1870 übernahm er die Stelle eines Lehrers für Ornamentik an der „Königlich Preußischen Zeichenakademie“ in Hanau. Ab 1889 lebte er in Wiesbaden, wo er im Alter von 69 Jahren starb. Eine Reihe seiner Publikationen zeigen seine Interessengebiete auf: „Ursprung der Buchstaben Gutenbergs. Beitrag zur Runenkunde“ Mainz 1900, „Orientalische Bunt-Stickerei-Vorlagen“ (um 1900), „Mythologische Wanderungen durch Asgart und Mittgart. Das goldene Buch der Germanen. 2 Bd. (1902), „Die schönsten Lieder der Edda, mit Erläuterungen als Volks- und Schulbuch“ (1903), „Siegfrieda. Christentum und Heidentum“ (1903), „Die Weltesche Yggdrasil - Beiträge zur Mythologie“ (1906), „Siegfrieda. Altgermanische Walpurgisfeier und Einführung der Inquisition“ (1907). Fischbach war Vorstands- und Ehrenmitglied des Wiesbadener „Vereins für nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung“. Er wurde Ehrenmitglied der „Guido-von-List-Gesellschaft“. Wikipedia: „Als solcher ist er den esoterischen Ariosophen und der völkischen Bewegung zuzurechnen.“

Ich zitiere aus dem mir vorliegenden Buch, wie Fischbach zu seinen Deutungs-Irrtümern gelangte. In seinem Büchlein „Asgart und Mittgart (zwischen der Sieg und der Wupper) und Die schönsten Lider der Edda“ (Wiesbaden, 1902) wird er deutlich, S. 4f: „Ich muss es als Glück ansehen, einen neuen, nicht durch alte Lehrmeinungen beeinflussten Weg eingeschlagen zu haben. Mein Studium als Ornamentist hatte mich fünfzehn Jahre hindurch zur Erforschung der alten Mythen des Feuer- und Lichtcultus geführt, denn in diesen wurzeln die ältesten Ornamente als Abwehrzeichen gegen Dämonen. Diese Studien ergaben ganz neue Resultate, da die Verbreitung der ältesten Ornamente vielfach das Dunkel der prähistorischen Völkerbeziehungen erhellt. Wie die Mythen Grundlage der Cultur sind, betreffen sie den Kern der damaligen Anschauungen und enthüllen uns die Volksseele, während geschichtliche Dokumente die äußere Schale der oft zufälligen Ereignisse bezeichnen. Die älteste Religion der Arier ist der Feuer-Cultus. Das Studium desselben war bisher vernachlässigt. … Näheres ersehe man aus den Tabellen in meinem Hefte ,Der Ursprung der Buchstaben Gutenbergs‘ (Festschrift 1900). Die ältesten Runen sind abgekürzte Feuer-Symbole. Als solche waren sie Abwehr- und Heils-Zeichen und wurden durch die Phönizier und Griechen schließlich Buchstaben. Alle diese Studien ergaben eine neue Grundlage zur Erläuterung der dunkelsten Stellen der Edda.“

Fischbach war ein von einem dazumal weit verbreiteten romantischen Deutschtum getragener Forscher, der auch lange Jahre in Wiesbaden tätig war. Mit seiner schmalen Schrift „Ursprung der Buchstaben Gutenbergs“, 1900, legte er den Grundstein zur Fehlentwicklung der esoterischen Runen-Literatur in Deutschland. Sein eigentliches Arbeitsthema waren weltweit untersuchte Webmuster und die Herstellung von Maschinen die für deren Produktion geeignet waren. Er verglich antike Schriftzeichen mit den Runenformen, um deren hieroglyphische Ursprünge herauszufinden. Hierbei ging er bewusst einseitig vor, indem er bemüht war, jedes der von ihm gedeuteten Runenzeichen aus dem von ihm überbetonten altpersischen Feuerkult zu verstehen, was zwangsläufig zu Abseitigkeiten führen musste. Seine erste Abbildung ist ein großes linksläufiges Hakenkreuz, welches er - wie jedes andere Zeichen und Webmuster seiner Collektionen - als ein Symbol des Feuerkultes ansah. Er machte jene Fehler (S. 11 ff), die der mit ihm bekannt gewordene junge Guido List aufgriff und popularisierte. Trotz völlig anderslautenden Quellen, die Fischbach bekannt waren, erklärte er die fehu-/Rindvieh-Rune (Bilder.png) - die eindeutig das gehörnte Vieh bezeichnet (siehe Galeriegrab von Züschen) - als Feuersymbol und die thurisaz- / Titanen-Rune (Bilder_2.png) als Hammerzeichen des Gottes Thor, und bei der isaz-/Eis-Rune (I) brachte er den Ich-Begriff ins Gedankenspiel. Auch verband er die Runen schon mit der eddischen Hávamál (S. 18) und mit den Spielkartensymbolen (S. 21). Wer Fischbachs Ausführungen aufmerksam liest, und erkennen muss, dass ihm die wesentlichsten Quellen nicht fremd waren, er aber trotzdem skurrile Schlüsse zog und Widersinniges zusammenreimte, den beschleicht ein ungutes Gefühl mit der Fragestellung, ob dieser Mann ein bewusster Eulenspiegel und Schelm gewesen sein könnte ?

Nein, er war es offenbar nicht, aber er konnte keinen Trennungsstrich ziehen zwischen Realität und Vision. Wie fantasiebefeuert Friedrich Fischbach war, ersieht man auch anhand seines schon genannten Büchleins „Asgart und Mittgart und die schönsten Lieder der Edda“, 1902, worin er die These ausbreitet, das eigentliche Land der Edda habe an der Sieg und im Bergischen gelegen, dort also, wo er seine Jugend verbracht und sein Vater Amtsrichter gewesen war. Er schreibt (S.109): „Ist der Beweis erbracht, dass der Garten der Mitte, das Eden der Germanen zwischen der Eifel und dem Berger Land auf dem rechten Rheinufer lag, und ist ferner dort das Land der griechischen Hyperboreer, so ist die Frage naheliegend, ob dort nicht ebenfalls das Eden, das verlorene Paradies der Semiten anzunehmen ist.“ Gehts noch ulkiger ?!

Auf Seite 5 betont Fischbach seine Feuerkultmanie: „Die ältesten Runen sind abgekürzte Feuersymbole. Als solche waren sie Abwehr- und Heilszeichen und wurden durch die Phönizier und Griechen schließlich Buchstaben.“ Unter dem Begriff Runen verstand er wahllos alle alten Schriftzeichen. Obwohl seit 1874 der ernsthafte dänische Runenforscher Ludvig Wimmer (1839-1920) darauf hingewiesen hatte, das 16er Futhark sei das jüngere System, beharrte Fischbach auf dem überholten Standpunkt (S. 8f), es handele sich dabei um das Ur-Futhark. Ein Ideentransfer Fischbach'scher Unsinnigkeiten zu Guido List ist unabweisbar festzustellen und als tragisch zu bezeichnen. Was Fischbach aus einer Laune möglicherweise spielerisch versuchsweise hinwarf, daraus machte List ein törichtes Gedankengebäude. Auch im Hinblick auf die deutsch-heidnische Irminsul-Palmbaum-Narretei war Fischbach federführend. Er stellte bereits in Wort und Bild den Lebensbaum der Assyrer (das war die Dattelpalme) vor, bezeichnete ihn leichtfertig als Feuerkultsymbol und rückte ihn in die Nähe der germanisch-eddischen Weltesche/Welteibe Yggdrasil.

Guido List

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Die Fantasie-Runen des Herrn List - Keine Zahl stimmt mit Runen-Semantik überein.

Guido List (1848-1919) darf als energischer, bienenfleißiger, kerndeutsch-romantischer Wotanist gelten. Nachdem er in seiner Geburtsstadt Wien den Betrieb des 1877 verstorbenen Vaters („Teppichfabrikant“, „Currentwarenhändler für Zubehör für Sattler und Riemer“) übernommen hatte, bezeichnete er sich ebenfalls als „Currentwarenhändler“. Während seiner Geschäfte lernte er den Designer orientalischer Teppichmuster Friedrich Fischbach kennen, der im Wiener Museum eine Ausstellung für internationale Teppichmuster-Motive eingerichtet hatte. Fischbach war als Gestalter von Teppichmustern auch mit Sinnzeichenkunde beschäftigt, auch mit Runen, über die er gern dozierte. Von ihm ließ sich der junge List befeuern und auf einen völlig falschen Weg freiester Fantasie führen. Als erfolgreicher völkischer Schriftsteller machte sich List einen Namen. Er leitete von 1868 bis 1870 die kleine Privatbühne „Walhalla“. 1871 wurde er Sekretär des „Österreichischen Alpenvereins“. Es heißt, bald nach dem Tod des Vaters 1877 schied Guido List aus der Firma aus und schlug sich in den folgenden Jahren mit seiner ersten Frau, Helene Förster-Peters unter bescheidenen Verhältnissen als Journalist durch. Einen schönen Erfolg als Autor erlebte er 1888 mit dem Roman „Carnuntum“, in dem er von Heidenzeiten bis zur Gegenwart den Konflikt zwischen der germanischen Urbevölkerung des Wiener Beckens und den römischen Kolonialherren bzw. der römisch-katholischen Kirche zeichnete. Darin entwickelte List eine beachtliche Empathie für die Not und den Kampf der germanischen Seele über die Jahrhunderte einer tatsächlich geschehenen Unterdrückung und Verfolgung. Bei der Schuldsuche stieß er zunehmend auch auf antijüdische Motive. Seine Romane „Jung Diethers Heimkehr“ (1894) und „Pipara“ (1895) wurden in volkstreuen Kreisen begeistert aufgenommen. 1902 erblindete List infolge einer Grauen-Star-Operation für fast ein Jahr. In dieser Zeit wendete er sich verstärkt esoterischen Eingebungen zu. Er konzipierte ohne echte sprachgeschichtliche Kenntnisse zu besitzen, eine „arische Ursprache“ und dann die Deutungen der Runen, sowie anderer Symbole in alten Inschriften. List erhielt seitens der Wiener Honoratioren bedeutenden Rückhalt, was für das suchende Interesse der gebildet Kreise nach deutscheigenen Werten spricht. Der Adel hatte noch eine ungebrochene Bedeutung in der Gesellschaft, nur so ist es zu verstehen, dass List 1907 ein Adelsprädikat anstrebte. Er ließ ein „von“ in das Wiener Adressbuch eintragen, was er damit begründete, er stamme aus altem Adel, aber sein Großvater habe den Titel abgelegt. 1908 gründeten er mit Freunden und Anhängern die „Guido-von-List Gesellschaft“ zur Förderung seiner Arbeiten. Zu den durch diese Gesellschaft geförderten Publikationen gehörten „Das Geheimnis der Runen“ (1908) und „Die Armanenschaft der Ario-Germanen“ (1908). Der anerkennenswert fleißige G. List gründete 1911 den „Hohen Armanen-Orden“ als inneren Zirkel der „List-Gesellschaft“. Nach seinem Tod wurde die Urne in seiner Heimatstadt Wien auf dem Zentralfriedhof in den „Neuen Arkaden“ beigesetzt.

Mit seinem Buch „Das Geheimnis der Runen“, 1908, postulierte er bereits auf S. 1 die Hauptfehleinschätzungen, welche die deutsche esoterische Runenliteratur des ganzen Jahrhunderts nachhaltig in die Irre führte: zum ersten, dass das ältere Buchstabensystem der Germanen 16 Zeichen besessen hätte und zweitens, dass die 18 Lieder-Ankündigungen im eddischen Hávamál (145 - 163) als Beweis zu werten seien für ein noch älteres, 18er Runensystem, welches der Autor, eigener Aussage gemäß, 1902 im Geist erschaute, als er nach Star-Operation mit verbundenen Augen verweilen musste. Es passen die Texte der sog. 18 Edda-Lieder in keinem Falle zu den tradierten Begriffen jener Runen, die Guido List dazustellte. Er sah, dass im jüngeren 16er-Futhark zwei wichtige Zeichen nicht vorhanden sind, derer die deutsche Sprache nicht entbehren kann, nämlich das E und das G. Das E (E.JPG) und G (G.JPG) musste er aus den angelsächsischen, klösterlich-mönchisch beeinflussten Runenreihen entlehnen. Die korrekten beiden ODING-FUÞARK-Runen sehen indes so aus: E (Rune_E.png) und G (Rune_G.png). Mit diesen beiden zu der 16er Runenreihe dazufantasierten Zeichen gelangte List auf seine gewünschte Runenzahl von 18, die es in Wahrheit real nie gegeben hat. Die List-Runen, auch Armanen-Runen geheißen, sind ein total irreales Konstrukt aus dem Hirn eines fantasiereichen, neuzeitlichen Erfinders und haben nicht das geringste mit der altgermanischen Runen-Tradition zu tun. Trotzdem verbreitete sich das Konstrukt wegen a) der Geschlossenheit seiner Gesamtkomposition, b) dem Nichtvorhandensein alternativer Runen-Esoterik und c) einer damals breiten Schicht interessierter Laien, die nach gehaltvoll erscheinenden Runen-Deutungen verlangten.

Ein Schlaglicht auf das krude Denkgespinst des G. List zeigt sein Satz in „Die Armanenschaft der Ario-Germanen“, 1. Teil, 1919, S. 94f: „So erging es der im Grunde arischen Bibel ebenfalls und erst in allerneuester Zeit hat uns ein Wiener Forscher, Dr. Jörg Lanz von Liebenfels, die Urtexte der Bibel durch tiefgreifende, wichtige Forschung wieder erschlossen, und ein Berliner, Paul Kurt, in seinem verdienstvollen Buche die Frohnatur auch die Lehre Jesus von Nazareth wieder gereinigt als Armanenlehre klargestellt.“ List meinte das Buch von Paul Kurth „Die Frohnatur vom Schöpfer her; vernichtet durch das Priestertum“ (1911). Und in „Die Armanenschaft der Ario-Germanen“, 2. Teil, 1921, S. 160: „Die Lehren, die Jesus von Nazareth vortrug, basieren ebenfalls auf der Esoterik, wie sie der Armanismus erkennt; sie waren eben die eine und ewige Religion.“ Man fragt sich erstaunt, ob Herrn List möglicherweise die NT-Stellen völlig unbekannt geblieben sein könnten: Lucas 14/25,26 - Matthäus 10/34-36 - Lucas 19/27 - Matthäus 15/13,14 - Matthäus 10/14,15 - Matthäus 13/37-43;49,50 - Matthäus 5/l7 - Johannes 4/22.

Rudolf John Gorsleben

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Hervorgegangen aus den Schulen Guido Lists sowie Lanz von Liebenfels', schrieb Rudolf John Gorsleben (1883-1930) das Werk „Hochzeit der Menschheit“ (1930), als großangelegten Versuch eines germanischen Mysteriums. Seine Beweggründe und Zielgedanken mögen aller Ehren wert sein. Seine Grundlagen und Möglichkeiten aber waren unzureichend. Die Kenntnisse des Autors über sein Arbeitsthema, insbesondere was indogermanische Religionsphänomenologie anbelangt, sind als ungenügend zu beurteilen. So entstand ein Werk aus heißem Herzen, das die phantastischsten geistigen Dschungelblüten hervorbrachte. Unmögliche etymologische Ableitungen, geradezu kindhafte Gleichungen und Nebeneinanderstellungen („Krist und Kristall“) lassen ernsthaft-vorsichtige Forschung vermissen. Krist/Christ leitet sich von der griech. Idee des Gesalbten ab, weil die Herrscher während ihrer Inthronsierung mit hl. Öl bestrichen/gesalbt wurden. Und griech. Kristall bedeutet das Gefrorene. Es bedeutete bei Homer, „Eis“, später dann auch das Eis-Ähnliche, insbesondere den Bergkristall. Der arioind. Erlöser bzw. Seelengottgeist Krishna heißt der Blaue. Christus, Krishna, Kristall nur deshalb als sinnverwandt zusammenzustellen weil der Wortklang ähnlich ist, wie es List und Gorsleben vorplapperten, muss als kindisch und absolut unsinnig abgewiesen werden. Großen Verdienst erwarb sich der überaus tapfere Rudolf John durch seine Edda-Übersetzung; aber leider entbehrt die Edda, bis auf ganz wenige Stellen, der Berichte über heidnisch-theologische Aussagen, weil der Sammler der Texte, Snorri Sturluson (1179-1241), selbst ein christlicher Politiker war. Verlockenden Anklang findet das Werk Gorslebens bis heute bei volkstreuen Menschen schon deswegen, weil es klare und markante Aussagen zur rassebewussten Arterhaltung machte. Das kann aber, egal wie man dazu steht, die Gorsleben'schen Hohlheiten nicht positiv auffüllen.  

Aber die besprochene Runenlehre ist überwiegend irrig und durch neugewonnene Erkenntnisse definitiv überholt. Auf der Fiktion, die List in die Welt setzte, wurde weitergebaut - gewissermaßen an einem Wahnprodukt neue Schnörkel und Zierden angebracht. Kuriose Albernheiten erwuchsen insbesondere durch die sprach- und kulturkreisüberschreitende sinnlose Suche nach Wurzelstämmen von Runen-Anlautsilben. So wurden Begriffe wie Eva, Ehe usw. zur ehwaz- / Ross-Rune gestellt, die mit der biblisch-orientalischen Urmutter Eva aber nicht das Geringste gemein hat (S. 486). John-Gorsleben führte eine Traditionslinie fort, welche das Verständnis um ein arisiertes Christentum, einen indogermanischen Jesus, zu entwickeln versuchte. Wie krank diese Haltung aus seinen Texten hervorblitzt zeigt Seite 174f, wo das gauenhafteste, nach Heidenmord rufende, in Mordfantasien  schwelgende Evangelium, folgendermaßen gelobt wird: „Im Johannesevangelium ist uns alles gesagt, wie es in Wahrheit gemeint ist, in diesem sonnigsten Evangelium, in diesem nordischsten, des blonden (das ist doch auch nur „geschaut“) Jünglings Johannes, des deutschesten, des Hansen, des „Hannes“, wie er selbst im einfältigsten braven Soldaten des Weltkrieges sich wiederfindet, als eine unterste Spiegelung der Nachfolge Christi im Opferwillen und Opfernkönnen.“ Doch der deutsche Männervornahme „Hannes“ kommt nicht unbedingt von dem jüdischen „Johannes“, sondern vom „Hans/Hansele“, als dem Mitglied der deutschen Hansen/Gilden („Gefolge, Schar, Gruppe“). Das Buch strotzt förmlich von Widersinnigkeiten, welche bei folgerichtigem Nachdenken keinen Eingang hätten finden dürfen. Trotzdem ist es als Liebhaberstück einer überschäumenden irrealen Ariosophie für jene Leser geeignet, die es als reine Unterhaltungslektüre einstufen, dazu auch fähig sind, auf kritischer Distanz zu bleiben, die Spreu vom Weizen zu trennen und sich über das lächerliche runenesoterische Niveau des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts informieren möchten.

Eine besonders ignorante List'sche und Gorslebens'sche Kinderei ist es, aus der Is/Eis-Rune (I) eine Ich-Rune zu konstruieren, als könne sich Eis mit dem Ich irgendwie in Verbindung bringen lassen. Das Personalpronomen „ich“ lautete im Germanischen „ek“, was sich im Laufe der Dialektentwicklungen in „ik“ und „ich“ umlautete, beispielsweise bei den Angelsachsen bzw. Engländern - obwohl sie ein „I“ schreiben - sogar lautlich zum „ei“ verschob. Solche typisch englischen Falsch-Pononciationen sind im Altenglischen noch nicht vorhanden, da wurde noch gesprochen wie geschrieben (wie im Deutschen). Die Leute welche noch heute diesen Schwachsinn zu verbreiten versuchen, zeigen damit, dass sie vom germanischen Denken keinen blassen Dunst im Hirn haben. Die Vorstellung von einer Individualseele, also der hervorgehobenen Bedeutung einer Person, war unbekannt. Auch der König, wäre er noch so anerkannt und verehrt gewesen sein, galt lediglich als ein Spross aus einer Sippenseele. Einer altehrwürdigen Sippe zu entstammen, machte seinen Wert aus. Das überbordende Ich, das gepriesene Individuum, wie es heute gepredigt wird, besaß im Weltverständnis keinen Platz. Folglich konnte es auch keinen Eingang ins Runen-System bekommen. Der Mensch an sich, aus dem sich die Stammes- und Volksgemeinschaft addiert, ist durch die Mannus-Rune vertreten (Rune_M.png), aber nicht der Einzelmensch. Und noch einmal: Das menschliche Ich, aus dem Eis-Stab zu konstruieren ist töricht und ungermanisch, denn mit dem Runen-Denken sind wir in der Germania und nicht in der BRD des XXI. Jahrhunderts.