Runen-Uhr-Versuche von Dr. Kurt Kibbert
 
KURT‘s RUNEN-UHR
 
Kurt Kibbert war ein Runen-Fex,
kaum einer kam ihm gleich,
allein Professor Klingenberg,
war mehr noch wissensreich.
 
Den Klingenberg studierten wir,
der galt uns ehrenwert,
kein anderer hat den Runen-Geist
so hoch wie er gelehrt.
 
Der Kurt erdacht ‘ne Runen-Uhr,
wie’s Herman Wirth getan,
nur stellte er die Weltbaum-Rune
ganz oben in den Plan.
 
„Das kann nicht funktionieren“,
hab‘ ich den Kurt gemahnt,
„der Jahres-Rune Teilungsbild,
wär‘ besser dort verplant.
 
Doch müssen wir es kontern,
so wird ein Schuh daraus,
das Futhark ist ein Links-System,
das ist Prinzip des Bau’s !“
 
Kurt schaute mich verwundert an:
„Du warst mein Schüler zwar,
doch Du hast das gefunden,
was ich gesucht, fürwahr !
 
Dann fandest Du das Schlüsselwort,
die Lösung „ODING“ heißt,
die jetzt der Runen-Wissenschaft
den Weg der Zukunft weist.“
 
Der Berliner Dr. Kurt Kibbert studierte Mathematik und Vor- und Frühgeschichte unter Prof. Dr. Michael Müller-Karpe an der Uni.-Frankfurt. Neben einer Reihe von Kleinschriften sind seine beiden arbeitsintensiven Werke: „Die Äxte und Beile im mittleren Westdeutschland“, Bd. I + II, 1984. Kurt Kibbert war im Umweltschutz aktiv und pflegte seiner Passion Runenkunde. Kurt verehrte seinen runologischen Übervater Prof. Dr. Heinz Klingenberg, den genialen germanistischen und skandinavistischen Mediävisten und Runologen, welcher u.a. die Werke schrieb: „Runenschrift, Schriftdenken, Runeninschriften“, 1973, „Edda, Sammlung und Dichtung“, 1974 und Heidnisches Altertum und nordisches Mittelalter - Strukturbildende Perspektiven des Snorri Sturluson“, 1999. Kurt Kibbert war überzeugt, dass der Reihenfolge des gemeingerm. „Futhark“ eine artspezifische Aussage innewohnen müsse. Mein Freund Kurt steckte mich mit seinen Feuereifer an, danach zu suchen. Als ich dann die Lösung der linksläufigen, also rechtsbeginnenden Runenlesung namens „ODING“ erkannt hatte, konnte es Kurt kaum fassen, dass ich als sein Schüler das gefunden hatte, wonach er als ein Meister der Runologie, fast ein Leben lang nachgedacht hatte. Trotzdem war er überaus glücklich, dass er diese Lösung noch kurz vor seinem Tod erfahren durfte und dass er, mittels seiner nimmermüden Erklärungen mir gegenüber, dazu einen Großteil beigetragen hatte. Er war ein guter Deutscher -, Ehre seinem Andenken !
 
RUNENENTSCHLÜSSELUNG
 
Der ODING-Logos
(griech. kosmogonischer Logos: „Ausspruch Gottes / Weltvernunft“)
 von Kopf/Sinn ( = Od) bis Fuß/Hintern ( = Fuð)
 
Die germanischen ODING-Buchstabenreihe ist ein Werk aus der hellenistischen Buchstabenmystik, die älter ist, aber mit der antichristlichen Gnostik ans helle Tageslicht trat. Die Gnosis ist älter als der Christianismus und beginnt nicht erst mit dem Auftreten des Jesus. Die Ophianer und Kainiten, von denen Origenes sprach, haben mit dem Christentum nichts zu tun, und der Erzgnostiker Simon von Gitta trat gleichzeitig mit Jesus auf. „Der Gnostizismus scheint seinem Ursprung und seinem Wesen nach, nicht nur außerhalb des Christentums zu stehen, sondern ihm auch zeitlich vorauszugehen.“ (S. 335) „Eine allgemeine Tendenz zeichnet jeden Gnostizismus aus: sein mehr oder weniger stark ausgeprägter Antijudaismus.“ (Henri-Charles Puech, „Das Problem des Gnostizismus“, in „Gnosis und Gnostizismus“, 1975, S. 316) In der Gnosis waren die Frauen mit wesentlich mehr Rechten ausgestattet als in der katholischen Kirche. Darüber machten die romchristl. Kirchenväter ihre diffamierenden Glossen. Die römische Christengemeinde des 2. Jahrhunderts - in dem ihre Glaubensgrundlagen entwickelt wurden - war ersichtlich eine reine Männergruppierung, die sich streng an die Vorschriften des Paulus hielt, dass Frauen in der Gemeinde zu schweigen haben sollen. In der Gnosis wirkten Frauen als Lehrerinnen, z.B. Philumene als Lehrmeisterin des Apelles (Tert.anim 36,2). Sie wirkten als Sektenstifterinnen wie Marcellina (Ir.haer I25,6) und es wird ihnen quasi göttliche Verehrung zuteil. Frauen schlossen sich gnostischen Lehrern an und lebten mit ihnen, wie es die Magdalena tat, die Gefährtin des Jesus. Auch der Jesusbruder Jakobus hatte eine Vertraute namens Mariamne, der er seine Offenbarungen anvertraute (1 Apok.Jk NHC V3; 540,23 ff). Paulus allein brachte die Frauenfeindlichkeit in die christl. Ursekte hinein.
 
Einer der gnostischen Erkenntnislehrer war Markos, der zur Zeit Tertullians (ca. 152-220 n.0) lebte. Er setze, wie es heißt, das valentinianische System in Zahlenspekulationen und Buchstabenmystik (Gematrie) um, wie sie in der hellenistischen Welt seit den Pythagoreern in Gebrauch war. Bei der Zahlensymbolik werden Zahlen durch Buchstaben ausgedrückt und die Symbolik durch den Zahlenwert der Buchstaben. Die 24 Buchstaben waren für die Griechen zugleich Zahlzeichen, das war eine griechische Erfindung, die im 8. Jh. v.0 von Milet ausging. In einem kunstvollen System bezeichneten die Buchstaben auch die Musiknoten, die Pythagoreer verwendeten sie zur Bezeichnung der 24 Aulostöne (Aulos = Blasinstrument). Jeder Ton und damit jedes Wort waren in Zahl und Buchstaben zu erklären. So hieß das Weltverständnisprinzip: Alles ist Zahl ! „In der Zahl  hatte man jetzt einen Schlüssel, der alle Türen zu öffnen verhieß. Sie war das Wesentlichste am Kosmos, vielleicht das Wesentlichste überhaupt, das Symbol der Vernunft.“ (Franz Dornseiff, „Das Alphabet in Mystik und Magie“, 1925, S. 13) Auch wegen dieser Buchstaben-Zahlen-Magie wurde die Lehre des Markos als Häresie abgetan.
 
Die Welt sei gleich einer mathematischen Formel zu verstehen, war der Gedankengang dieser Gnosis, womit ihr Versuch der Naturerkenntnis eine wissenschaftliche war. „Diese wissenschaftliche Grunddenkweise besaß die Gnosis im Gegensatz zur widerwissenschaftlichen Denkweise der Kirchen, die im Fundamente phantastische, fabelhafte und rohe, dann auch direkt absurde und widersprechende Auffassungen zu idealisieren gesucht hat.“ (E.H. Schmitt, „Die Gnosis“, Bd. 1, 1903, S. 498) „Die Gnosis ist […] keine Träumerei, keine Phantasmagorie von Potenzen, die der Kontrolle der geistigen Erfahrungen ermangeln. Es ist vielmehr die lichteste Selbstanschauung, die klarste, nüchternste Selbstbesinnung, wenn die Gnosis das Nichtseiende nicht kindisch unkritisch als absolut Verschwindendes außerhalb des Bewusstseins und Seins, als das Ärmste und Elendeste, sondern vielmehr seine Wahrheit im höchsten Pleroma, in der vollendetsten Fülle: nicht unterhalb, sondern über allem Sein und über jedem Bewusstsein, gewissermaßen als Überseiendes und Überbewusstes [..] versteht. […] Die Gnosis schwingt sich so mit Basilides, wie wir sehen, über Sein und Bewusstsein, über die Idealwelt des Platon hinaus, denn diese haftet noch immer am Seienden als dem Unmittelbaren und will nur das ,wahrhaft‘ Seiende darstellen“ (E.H. Schmitt, S. 381ff) Des Valentinus (um 100-160 n.0) Anhängerschaft war um 170 n. 0 bis nach Lyon (Südfrankreich) nachweisbar. Der Kirchenlehrer Irenäus von Lyon (um 135-202) sah in Markos einen Vorläufer des Antichristen im Gefolge des Simon Magus. Markos berief sich, ebenso wie sein Lehrer Kolarbasos, auf die alte Vorstellung, dass zwischen den Buchstaben Alpha und Omega (modern: „zwischen A und Z“) die ganze Fülle der Wahrheit liege. Tertullian berichtete: „ein gewisser Marcos und Colarbasus, die eine neue Häresie aus dem Alphabet der Griechen ersonnen […] stritten nämlich ab, dass die Wahrheit ohne jeden Buchstaben gewonnen werden könnte, im Gegenteil sei vielmehr die ganze Fülle und Vollkommenheit der Wahrheit in jene Buchstaben hineingelegt. Schon die griech. Buchstaben umfassten - wie die Runen - 24 Buchstaben, die in 3 Achtergruppen geteilt wurden.
 
Das anonyme Traktat „Vom Mysterium der Buchstaben“, aus Mitte 6. Jh., ist ein erhellendes frühchristliches Dokument zur Geschichte der Gematrie. Bezugnehmend und gleichzeitig in Abgrenzung von jüdischen Traditionen zu den hebräischen Buchstaben, versuchte der Verfasser eine christliche Interpretation des griechischen Alphabets - vom Alpha bis zum Omega - zu entwickeln. Hervorragend erklärt es Cordula Bandt in ihrem Werk: „Vom Mysterium der Buchstaben“, 2007. Wer den Geist der Runen begreifen will, muss nur in ähnlicher Weise den Weg des christlich-gnostischen Autors wiederholen, indem er das Buchstabenverständnis nun nicht aus der Bibel, sondern aus der nordisch gallogermanischen Mythologie zu deuten sich bemüht. Dann begreift er den Weg und das Werk des germanischen Weisheitslehrers und Religionsgründers des Wodin-Glaubens, denn der setzte anstelle von Christos den Wodan/Wodin.
 
In fachmännischer Darlegung heißt es: Einleitend erklärt der antike Autor, dass er beim Studium der „Johannesapokalypse“ durch den dreimal wiederholten Ausspruch „Ich bin das Alpha und das Omega“ auf das Mysterium des griechischen Alphabets aufmerksam geworden wäre. Durch intensives Gebet um Erleuchtung bezüglich des Sinnes dieses Satzes habe er eine Offenbarung über die geheimen Botschaften der Buchstaben empfangen, die er nun an seine Leser weitergeben wolle. Zunächst reduziert er das griech. Alphabet nach dem Vorbild des hebräischen Alphabets auf 22 Buchstaben. Diese erklärt er zum Bild von 22 Schöpfungswerken im biblischen Schöpfungsbericht und, diesen entsprechend, zum Bild von 22 „Werken“ Christi, d. h. von 22 Ereignissen in der christlichen Heilsgeschichte, von der „Verkündung  Mariae“ bis zur „Auferstehung“ und „Zweiten Wiederkunft“. Die Entsprechung zwischen Schöpfungsgeschichte, Christi Erdenleben und dem Alphabet arbeitet der Autor in den anschließenden Kapiteln weiter aus, indem er die Formen der griech. Buchstaben auslegt als Darstellung teils der Schöpfungsgeschichte teils der christlichen Heilsgeschichte. Beispielsweise deutet er den Buchstaben Delta als Bild für Himmel und Erde den Buchstaben Chi hinwieder als Bild für die Verbreitung der vier Evangelien in die vier Himmelsrichtungen. Dann trägt er seine Version einer Geschichte des Alphabets vor. Dabei verflicht er Motive aus griechischem Mythos und hebräischer Bibel sowie anderen jüdischen und heidnischen Schriften miteinander. Nach seiner Darstellung wurde zuerst der Generation Henochs durch göttliche Eingebung das hebräische Alphabet vermittelt. Dessen Kenntnis ging jedoch durch die Verwirrung der Sprachen beim Turmbau zu Babel verloren. Doch vom „Finger Gottes“ wurden nun die griechischen Buchstaben in eine steinerne Tafel eingeschrieben. Diese geriet nach der Sintflut der Schar um Kadmos (frühgriechisch-mykenisch-achaiischer König von Theben) in die Hände, was dazu führte, dass die Buchstaben zuerst in Phönikien und Palästina Verbreitung fanden. Den griech. Buchstabenformen weist der Autor die hebräischen Buchstabennamen zu, da es sich seiner Meinung nach um die ursprünglichen Namen handelt. Eben diese hebräischen Buchstabennamen übersetzt er ins Griechische und deutet sie als Lobpreis auf Jesus Christus. Daran schließt ein langer Exkurs über das Episemon (das griechische Zahlzeichen für 6) und dessen Pendant Waw (sechster Buchstabe des hebräischen Alphabets und hebräisches Zahlzeichen für 6) an. Auch in diesen erkennt der Autor Hinweise auf Jesus Christus. Die letzten Kapitel des Traktats vertiefen bereits Angesprochenes und behandeln Themen von allgemeinerer Natur. So betrachtet der Autor ausführlich die Geschichte der Menschheit, deren Ablauf er einerseits in der Abfolge von Vokalen und Nichtvokalen im griechischen Alphabet, andererseits in der Struktur des biblischen Schöpfungsberichts wiederfindet. Ein langes Kapitel widmet er der Christologie, insbesondere der Zwei-Naturen-Lehre, wie sie auf dem Konzil von Chalcedon als Bestandteil des christlichen Glaubensbekenntnisses festgelegt wurde. Den Abschluss des Werkes bilden Spekulationen über den biblischen Namen Adam. Alle die Gewaltsamkeiten, die der christophile Autor unternahm, um das ursprünglich griechisch-pythagoreische Urkonzept mit den frühchristlichen Gedanken zu verknüpfen, entfielen für den Schöpfer der Runen, der lediglich nach griechischer Vorlage seine gallogermanische Runensystematik erstellte, um damit - nicht Christos und nicht Jesus - vielmehr seinen indogerm.-arischen Windgott Vayu, in Gestalt des Erlösergottes Wodin, im Mittelpunkt seiner neuen Glaubenslehre verkündete. Damit erweist sich der runische ODING-Glauben allerdeutlichst als eine sehr frühe, gewaltsam unterdrückte Alternative zum Christianismus, wobei die Frage, welche Form die ältere ist, zunächst unbeantwortet bleiben muss. Dazu habe ich bereits in meinem Buch „ODING-Wizzod“, 1993, spekulative Überlegungen angestellt. Da die hellenistische Gnosis aber älter ist als die christlich-gnostischen Spielarten, aus der die aggresssivere römische Kirchenorganisation als Sieger hervorhing, und die pythagoreeische Buchstaben-Mystik nochmals älter ist, so dürfte die runische ODING-Religion deutlich vor Beginn christlicher Verkündungsaktivitäten anzunehmen sein.  
 
Valentinus (um 100-160 n.0) Anhängerschaft war um 170 n. 0 bis nach Lyon nachweisbar. Der Kirchenlehrer Irenäus von Lyon (um 135-202) sah in Markos einen Vorläufer des Antichristen im Gefolge des Simon Magus. Markos berief sich, ebenso wie sein Lehrer Kolarbasos, auf die alte Vorstellung, dass zwischen den griech. Buchstaben Alpha und Omega (modern: „zwischen A und Z“) die ganze Fülle der Wahrheit liege. Tertullian berichtete: „ein gewisser Marcos und Colarbasus, die eine neue Häresie aus dem Alphabet der Griechen ersonnen […] stritten nämlich ab, dass die Wahrheit ohne jeden Buchstaben gewonnen werden könnte, im Gegenteil sei vielmehr die ganze Fülle und Vollkommenheit der Wahrheit in jene Buchstaben hineingelegt. Wie Tertullian angibt, hatten die Markosier mit ihren sog. „häretischen“ Buchstaben-Zahlen-Gleichnissen schon 170 n.0 im südöstlichen Gallien Fuß gefasst, und zwar im späteren bzw. frühmittelalterlichen Königreich Burgund (ab 534), mit der altkeltischen Stadt Lugdunum (Lyon) des Sonnengottes. Die „Ägypter“ (keine ethnische, nur Geburtsort-Bezeichnung) Kolobasus und Valentinus, die ebengleiches wie Markos vertraten, sollen während der Synode von Pergamum (anatolische Hafenstadt) unter einem Bischof Theodoret, um 150, als Häretiker verurteilt worden sein. Deren Schulen gingen auf den alexandrinischen Gnostiker Basilides (ca. 85-145) zurück, welcher viele umfangreiche, geistvolle Werke schuf, von 130 bis 140 bedeutend wurde und von seinen Gegnern als „Herrscher der Irrlehrer“ geschmäht wurde. Er versuchte - in typisch hellenistischer Tradition - eine Zusammenschau der gesamten damaligen religiösen Strömungen - von „sittlichem Ernst und eindrucksvoller Geschlossenheit“ - zu unterbreiten. Da er persische und neuplatonische Gedanken einarbeitete, muss er die pythagoreische Zahlenmystik mitthematisiert haben. Basilides war der Auffassung, „Im Pan, im Ganzen, im All liegen die Urformen allen Werdens des Einfachsten und Höchsten. Und sie liegen hier vor als Strahlen, […] als feine Wellen der Allbetätigung. (E.H. Schmitt, S. 388) Er ging von der Existenz der beiden Prinzipien Licht und Finsternis (Yin und Yang) aus. „Als diese einander gewahr wurden, wendete sich das Licht ab, das Dunkel jedoch gewann die Herrschaft über die Reflexe des Lichtes, Farben und Schatten; so konnte diese unsere unvollkommene Welt entstehen.“ Dieser Dualismus, der im runischen ODING-Gefüge als Polarität des 21-igers und 22-igers verarbeitet ist, hat sein Vorbild in der alteranischen Ahura-Mazda-Ahriman-Kosmologie, die den Dualismus zwischen Geist (21 = 3) und Materie (22 = 4), Seele und Leib umreißt. Laut röm. Kirchenlehrer Irenäus emanierten zuerst aus der obersten Gottheit, dem „ungewordenen Vater“ (2. Rune = „Tag“-Vater), sieben göttliche Kräfte (Runen von 2 bis 9). Sie umfassen das erste Geisterreich. Von diesem sind 364 weitere Geisterreiche, jedes zu sieben „Äonen“, hervorgegangen. Die gesamten Geisterreiche werden zusammengefasst in dem Geheimwort „Abraxas / Abrasax“, das den Zahlenwert 365 (QS 14 = 5) trägt, also - wie das ODING - den Jahreskalender vertritt. Da die 5 sich zur 15 mit QA 6 addieren lässt, wird die 6 zur Zahl kosmischer Vollkommenheit, wie es  die 24 griechischen und germanischen Buchstabenanzahlen demonstrieren. Die sieben Äonen des untersten Himmelskreises wurden als die Weltschöpfer angesehen. Jene ursprüngliche Mischung des Göttlichen mit materiellen Elementen und dadurch auch des Bösen war eine Folge dieser Schöpfung und die klärende Scheidung dieser Elemente voneinander wird als Aufgabe der Erlösung betrachtet. Genau diese Konzeption spiegelt sich im ODING-Wizzod („Runen-Evangelium“) und in der tradierten germ. Religion, mit ihren im Luftreich fortlebenden Seelen der Verstorbenen, die geschieden sind in Lichtelfen (ljósálfar) und Dunkelelfen (dokkálfar, svartálfar). Darum sandte der „ungewordene Vater“ () seinen Erstgeborenen, den Nous (griech: „Geist / Intellekt“) aus, der sich - gemäß christlicher Gnosis - mit Jesus, dem vollkommensten Menschen, vereinigte. Die Gottesgestalt der Gnosis ist kein rachedürstender Bibel-Gott.
 
Laut Kirchenvater Irenäus von Lyon vertrat Basilides die Lehre, dass nicht der gedachte vollkommene Lichtmensch (hier Jesus) hingerichtet wurde, sondern ein anderer, der ihm ähnlich sah bzw. seine Gestalt angenommen hatte (steht auch im Koran, Sure 4,157), möglicherweise sei das Simon von Cyrene gewesen (Doketismus). Der reine Geistkörper des „hohen Gerechten“ sei aber ins Pleroma (griech: „Fülle / Zeit / Ewigkeit“) zurückgekehrt. Dieser ideale Heilbringer ist im ODING-Konzept folgerichtig auf 9. Rune () zu finden. Der sonnenhelle Überkluge bzw. „Neunmalkluge“ ist urspünglich nicht im abwertenden Sinne verstanden worden. Beim Gnostiker Valentinus ist Pleroma das Reich göttlich-geistiger Fülle, Lebendigkeit und die kraftdurchwirkte Seinswelt. Die Anhänger des Basilides vertraten mithin ein synkretistisches tolerantes Religionssystem, in dem auch die stoische Philosophie eine Rolle spiele. In ihrer enthistorisierten symbolistischen Lehre galt die Geschichte um die Gestalt des Jesu nur als ein Scheingeschehen und die Anbetung der Heidengötter wurde nicht verachtet. In unserer von der Finsternis geschaffenen Welt gibt es eigentlich kein völlig sündenfreies Wesen, selbst der menschliche Lichtbringer des „ungenannten Vater“, der vernunftgeleitete Heiland (Nuos) ist nicht frei von Sünde (Irrtum) und muss deshalb mit dem Wasser der Klärung getauft werden. Aus diesem Grunde war für die Basilidianer das „Fest der Taufe des Retters“ die wichtigste jährliche Festlichkeit, etwa um den 6. Januar, wo der tägliche Lichtanstieg der Sonnenbahn wieder erkennbar wird und die artgläubigen Germanen ihr Julfest feierten/feiern.
 
Bei Markos heißt es: „Als der Vater, der über Denken und Sein Erhabene, wollte, dass sein Unaussprechliches geboren, sein Unsichtbares gestaltet werde, öffnete er den Mund und brachte hervor ein Wort, das ihm gleich war, welches, ihm zur Seite stehend, ihm darstellte was er wäre, indem es als Gestaltung des Unsichtbaren erschien… Er sprach das erste Wort seines Namens, das da war Anfang.“ Sollte also, infolge dieser Lehren, bei der germanischen Gnosis das erste Wort „ODING“ lauten ? Man könnte es annehmen. Die höhnischen Romkirchler haben die in Buchstaben-Zahlen-Gleichnissen eingekleideten Lehren des Markos bespöttelt, wozu E.H. Schmitt kommentiert, S. 496: „Worin aber uneingeweihte Mitglieder schon der altevangelischen Kirche, wie Irenäus, nichts sehen konnten als ,Alte-Weiber-Märchen‘, während sie selbst, die Kirchlichen, schon damals denselben seelenmörderischen, furchtbar entsittlichten Buchstabenglauben an unmoralische Märchen zu verkünden begannen, mit welchen noch heute Kirchen und Staaten das Volk systematisch demoralisieren.“
 
Vorstellungen vom Parallelismus zwischen dem All des Makrokosmos und dem menschlichen Mikrokosmos (siehe eddischer Ymir-Mythos: Welt entstand aus menschlichen Riesengliedern) führten zum Bild des „Himmelsmenschen“, dessen einzelnen Körperteile die Sternzeichen sind. Bei Markos wurde daraus eine Göttin, die sich - dem Zodiakus entsprechend - aus 12 Unterteilungen formte, ihr Kopf aus dem ersten und letzten Buchstaben (Alpha+Omega), dann der Hals aus dem zweiten und vorletzten (Beta+Psi) und so fort, über die Schamteile (Eta+Sigma), bis zu den Füßen (My+Ny). Auch diesem Grundgedanken folgte der Runen-Schöpfer, indem er Anfang und Kopf seines Buchstabensystems durch OD (germ. Sinn, Geist, Seele) bezeichnete und die Füße durch FUÞ.
 
Die Pythagoreer waren also Angehörigen einer religiös-philosophischen, auch politisch aktiven Reformbewegung, die Pythagoras von Samos in den zwanziger Jahren des 6. Jhs. v.0 in Süditalien gründete. Sie waren der Überzeugung, dass der Kosmos eine nach bestimmten Zahlenverhältnissen aufgebaute harmonische Einheit bildet, deren einzelne Bestandteile ebenfalls harmonisch strukturiert sind oder, soweit es sich um menschliche Lebensverhältnisse handelt, harmonisch gestaltet werden sollten. Schon die Schüler Platons und Aristoteles hielten platonische Gedanken für pythagoreisch. Auch Frauen sollen in der Bewegung aktiv gewesen sein. In den Quellen wird der Name von Pythagoras’ Gattin Theano genannt. Ihr wurden zahlreiche Aussprüche und Schriften zugeschrieben, die von Tugend und Frömmigkeit handelten, sowie sieben erhaltene Briefe. Bei den Römern stand Pythagoras in hohem Ansehen. Im 1. Jh. v.0 bemühte sich der Gelehrte und Senator Nigidius Figulus (100-45 v.0) um eine Erneuerung des Pythagoreismus. Der Neupythagoreismus erhielt sich bis in die Spätantike. Ihm neigte z.B. der Universalgelehrte Marcus Terentius Varro (116-27 v.0) zu. Der bekannteste Neupythagoreer in röm. Kaiserzeit war Apollonios von Tyra (40-120 n.0) der mit Wundertaten seine Zeitgenossen nachhaltig beeindruckte. Kaiser Caracalla (188-217) verehrte Apollonios kultisch und errichtete ihm ein Heiligtum. Es hat, wie zu erkennen ist, genügend Pflanzstätten gegeben, welche pythagoreische und gnostische Gedanken im röm. Westen wie im röm. Osten zur vorchristlichen Zeit vermittelt haben. Wo der Runen-Schöpfer mit ihnen bekannt wurde bleibt bisher unbekannt. Wie stark und nachhaltig diese Strömungen in den germanischen Norden hineingewirkt haben ist noch dem „Goldhorn von Gallehus“ (Südjütland / Tondern) abzulesen, das der geniale Mathematiker, Kunstschmied und Holsten-Priester Hlewagast erschuf, Anfang des 5. Jhs., anlässlich einer Sonnenfinsternis. Hlewagast muss uns als Pytgagoreer erscheinen, mit seinem pythagoreischen Zahlenhymnus, den er an die Runenzahl 13 richtet, und seiner geheimnisvoll verborgen demonstrierten Hochschätzung des regelmäßigen Fünfecks (sind die Diagonalen eingezeichnet ergeben sie ein Pentagramm), dem Ordens- und Erkennungszeichen des pythagoreischen Bundes.
 
Auch jüdische Denker ließen sich von der griechischen Buchstabenmystik und Wortzahlenrechnung inspirieren, indem sie bemüht waren, aus ihrem 22 Konsonanten umfassenden Alphabet kosmische Bezüge heraus- bzw. hineinzulesen, was Schwierigkeiten verursacht, weswegen zu komplizierten Winkelzügen gegriffen werden muss. In die sperrige Zahl 22 alle gewünschten Erklärungen einzubringen, verursacht schon einiges Kopfzerbrechen. Wie einfach wäre doch das jüd. Gottes-Tetragramm JHWH, mit seinen Buchstabenwerten 10-5-6-5 = 26 (QS = 8), in einen 24er Buchstabenverbund einzuschmiegen, wo ein „Gott der 8“ (hohen Acht), als jener erschiene, welcher 3x vorhanden, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, der ewig Seiende ist. So hat es der Runen-Schöpfer gemacht mit seiner Himmelsgott-Teiwaz-/Tiu-/Tyr-Rune (). Die große Bedeutung die die Pythagoreer der „Tetraktys“ („Vierheit“) beimaßen, deren Aufsummierung die „vollkommene Zehn“ ergibt, ist in der jüdischen „Sephiroth“-Spiegelung wiederzufinden, welche altpersisch-dualistische und griechische Anregungen verarbeite. Die „Zehn“ galt den Griechen als grundlegender Schlüssel der Weltordnung. Deshalb wurde die „Zehn“ auch „heilige Zahl“ genannt. Eine pythagoreische Eidesformel lautete: „Nein [bzw. Ja], bei dem, der unserer Seele die Tetraktys übergeben hat, welche die Quelle und Wurzel der ewig strömenden Natur enthält.“ Auch die Geometrie gliedert sich nach der Vierheit: 1. Punkt, 2. Linie (Länge), 3. Fläche (Breite) und 4. Körperlichkeit (Tiefe). Noch der deutsche Gelehrte Nikolaus von Kues (1401-1464) vertrat in seiner Schrift „De coniecturis“ die Meinung, dass in den Zahlen 1, 2, 3, 4 und ihren Kombinationen alle Harmonie bestehe, wobei er sich als Katholik nicht wagte, auf die heidnisch-pythagoreische Tradition hinzuweisen. Die Welt ist zu scheiden zwischen Gutem und Schlechten, zwischen den jeweils 5 Fingern rechter und linker Hand, was die Pythagoreer ausdrückten in ihrer „Tafel der 10 Gegensatzpaare“ ausdrückten: begrenzt/unbegrenzt, ungerade/gerade, eins/viel, rechts/links, männlich/weiblich, ruhend/bewegt, gerade/krumm, hell/dunkel, gut/schlecht, quadratisch/ungleichseitig. Die jüdischen Bezeichnungen der zehn göttlichen Emanationen (Erscheinungen) werden in den 10 Sephiroth dargelegt, ein Plural des hebrä. WortesSephira, was Ziffer heißt. Erstmals findet sich der Begriff „Sefirot“ im „Sefer Jetzira“ („Buch der Formung“ / „Buch der Schöpfung“), einer kabbalistisch-kosmologischen Abhandlung aus dem 10. Jh. Der germanische Runen-Vater ließ sich nicht weniger von der „Zehnheit“ beeindrucken, er arbeitete sie in sein ODING-Konzept in der Weise ein, dass er die zehnte Rune den Algiz/Alken (Dioskuren / Emanationen Gottes) zuordnete, welche den stärksten Weltgegensatz überhaupt symbolisieren, nämlich Sterblichkeit und Unsterblichkeit. In griech. Mythologie sind das die Halb- und Zwillingsbrüder Kastor und Polydeukes/Pollux, auf Mithras-Kultaltären erscheinen sie als Emanationen Mithras, als die Zwillingsbrüder Cautes und Cautopates. Grundsätzlich ist diese Gegensatz-Idee auch zu finden in altpersischer Religion des Ahura Mazda („Herr der Weisheit“). Seine Zwillingssöhne sind „Sponta-Manju“ („guter Geist“) und „Angra Manju“ („böser Geist“). Im eddisch-germanischen Mythos erscheint, ganz ähnlich, die gute-milde Lichtgestalt „Baldur“ (strahlender Held) neben dem blinden „Hödur“ (verschlagener Kämpfer), der mit der Unterwelt (Loki) im Bunde steht und unfaire Zauberwaffen benutzt. Die germ. göttlichen Alkes-Brüder, in halber Gestalt der eigentlichen Algiz-Hieroglype (), setzte der runische Ur- und Erzmeister in seinem ODING-Kalendarium als 10. Stab auf den 5. Jahresvollmond, zu Mai-Anfang, dem alten Sommerbeginn (). Ihm, im Kalenderkreis exakt gegenüber, als Gegenpart im Winterbeginn, stellte er den unholden Thursen als 22. Stab. Der steht somit im Sterbemonat November, wo ebenso gedanklich der „ungute Jahres-Zwilling“ postiert sein muss (). Das Dioskuren-Motiv findet sich bereits in germ. Bronzezeit, sowohl in Form von Rasiermesser-Gravuren und dem Felsbild von Ryland/Tanum/Bohuslän, wo die Alken-Dioskuren als Jahres-Gegensätze ins Bild gebracht worden sind. (Werner Schwarz, „Germanische Dioskuren“, in „Sonderdruck aus Bonner Nachrichten“, Jb. 167, 1967) Wir begreifen, wie urgermanisch und gleichzeitig pythagoreisch-inspiriert sich das gesamte ODING-System offenbart
 
Ein wesentlicher Gedankengang der sich auf das Alphabet der Griechen stützenden Gnostiker war die kosmogonische Vorstellung, dass alles aus dem „A“ hervorgehen und ins „O“ wieder einmünden müsse -, weil es sich dabei um den ersten und letzten griech. Buchstaben handelt. Das „A“ des Runensystems präsentiert sich im 21. Runenstab namens „Ase“ (Wodin) mit QS 3. Er ist im neuen Runenglauben der Geistgott aus dem alles kommt. Als 21er summiert er sich auf zur Zahl 231 mit QS 6., welche den gesamten Runenkosmos symbolisiert, denn die 24 Stäbe (QS 6) addieren sich zur 300, also 3 der germ. Gottes-Trinität. Denn Wodin ist keine Monas (Einheit), vielmehr spiegelt er sich in drei erhabenen Erscheinungsformen des Wodin-Wili-Weh (Geist-Wille-Weihe). Damit fließt das „A“ - aus dem sich der Kosmos gebiert - wieder in die kosmische 3 zurück, welche mit dem „O“ des ODING-Systems beginnt.
 
 
ASAEL - ASURAS, ASEN ?
 
„Asasel“ ist ursprünglich der Name eines Wüstendämons, dem beim Ritual des jüd. Sühnefestes eine Rolle spielt. Dem „Bock Asasels“ wurden vom Hohepriester die gesamten Sünden des versammelten Volkes auferlegt, anschließend wurde er in die Wüste, zu „Asasel“, also zu ihrem teuflischen Ursprung zurück gejagt. „Asael“ zählte später auch zu den gefallenen Engeln. Laut dem 1. Buch-Hennochlehrte er die Menschen die Metallbearbeitung, den Gebrauch von Waffen, Edelsteinen und Färbemitteln sowie die Kunst des Schminkens, wodurch er zur Verderbnis der Menschen beitrug und - darin ähnlich Prometheus, die Geheimnisse des Himmels den Menschen verriet. Zur Strafe wurde er von dem Engel Raphael gebunden, gesteinigt und in die Finsternis geworfen. Es heißt: „Am Tag des Endgerichts soll er in den Feuerpfuhl geworfen werden ! […] Die ganze Erde war doch durch die von „Asasel“ gelehrten Werke verdorben worden.“ Er galt als erster Bannerträger der Höllenarmeen. Irenäus von Lyon bringt ihn mit dem „Magier Markus“ zusammen (Ir.haer. I 15,6): „Markus, du Götzenbildner und Zeichendeuter, der sich in der Astrologie auskennt und in der Magie ! […] zu denen dich dein Vater, der Satan, jederzeit ausrüstet, sie durch die engelhafte Kraft Asaels zu vollbringen, da er in dir einen Vorläufer im widergöttlichen Frevel hat.“ So schäumte der Ketzer-Jäger Irenäus. Man fragt sich spontan, ob der jüd. Dämon „Asael“ sprach- und inhaltlich abgeleitet ist von den indogerm. (Eraner u. Ario-Inder) hier göttlichen und dort dämonischen „Asuras“ und germ. „Asen“ (den vergöttlichten Ahnenseelen) ?