RUNE DES ODAL
 
 
Rune des Anfangs, der göttlichen Fülle,
der spendenden Vulva kosmische Hülle,
der ersten Schlinge zum Weltengewebe,
dass sich die runische Schöpfung erhebe.
 
Dies‘ Od ist das Ur, das gebärende Tor,
das erste Wort - und nichts ist davor !
Es ist die Idee und der göttliche Plan,
die große Verheißung zum hohen Hinan.
 
Dem Odal entspringen Ing und das Ingen,
sie wollen sich runden zu ewigen Ringen,
über Gefahren unnennbarer Furten,
zu immerwährenden Wiedergeburten.
 
Das Od als die Seele ur-kosmischer Kraft,
die sich die Wesen der Hohen erschafft,
das Ur-Götterpaar des Od und der Frija,
im Odem jedwedem Menschen nah‘.
 
Od-Inge setzen sich ähnelnde Zeichen,
die allzeit den odischen Ahnen gleichen;
es fügen sich Formen nach Sphärenklängen
in allen Raum-Zeit-Zusammenhängen.
 
Und die Odal-Rune sie birgt diesen Code,
sie trägt die Gesetze von Leben und Tod.
Wer sie begreift und sagt aus ihr wahr,
ist ein Meister-Odingi und Erilar.
 
 
ODAL-URSCHLINGE + -RAUTE -
SYMBOLE DER EWIGEN-WIEDERKEHR
 
Die Odal-Rune als 1. Zeichen der rechtsbeginnenden ur-runischen ODING-Systematik meint ein Schlingen-Zeichen wie es in Stein geschlagene rundgeformte Odal-Runen (z.B. Steine von Noleby, Tuna, Stentoften, Vånga / Schweden) beweisen. Im Illerup Ådal (Tal der Illerup Å, einem Fluss) bei Skanderborg, 20 km südwestlich von Aarhus, nahe der jütländischen Ostküste, lag der Zeit zwischen 200-450 n.0 einer von mehreren kleinen Seen mit einer Ausdehnung von 400 × 250 m und einer Tiefe von etwa vier Metern. Dort wurden Opferungen - u.a. Waffenopfer - vorgenommen. Es konnten etwa 1.200 Funde gesichert werden. Die meisten Menschenopfer werden in das 1. Jahrhundert v.0, die Waffen auf 200 n.0 datiert. Auf einem Schildfesselbeschlag aus Silber findet sich die linksläufige Runeninschrift „niþijo tawide“ („[die] Neidische machte“ ?). Der Personennamen „niþijo“ mit „o“-Endung ist im Nordwestgermanischen als Femininum zu verstehen. Die „o“-Rune wurde hier als fast kreisrundes Schlingenzeichen mit kurzen Beinchen geritzt. Eine Lanzenspitze aus Illerup-Årdal trägt die linksläufige Runeninschrift „wagnijo“. Aus urgerm. „u̯aǥna“ (ahd. Wagan) = „Bewegung / Wogen / Wagen“, oder aus angels. „wægan“ = „beunruhigen / plagen / täuschen / fälschen / vereiteln“. Auf einer Speerspitze (ebenso auf zwei weiteren gleicher Begriff !) ist wohl die Speerschärfe als „[die] Täuschende und Plagende“ gemeint. Die späteren anglo-friesischen Runenritzer setzen für „æ“-Laut die „a“-Rune ein. Ebenfalls wurde bei der Inschrift die „o“-Rune als ovales Schlingenzeichen gepunzt.
 
In ihrer kantigen Ausformung wurde sie für den hölzernen Schreibgrund entwickelt, wobei sich symboltheoretische Vertiefungen des gleichen Grundverständnisses ergaben. Die Schlinge ist ein Symbol für den kosmogonischen Uranfang, weil in der mythischen Vorstellung  die Schlinge der erste Ansatz für den Knoten, und jener wieder der Urbeginn für das Weltgewebe bedeutet. Dass das Weltgewebe im innigsten Zusammenhang mit dem Wirken der Urmutter betrachte wurde, versteht sich von selbst, ist doch die Webetechnik zu allen Zeiten eine Frauendomäne gewesen. Die alten Schlingenzeichen der Lebensschlaufe, wie wir sie von der minoischen Kultur kennen, oder die altägyptische Anch-Hieroglyphe, das Lebenszeichen, ebenso Isisblut oder Isisknoten, stehen in enger Verbindung zum Mutterkult. Ebenso kennen wir aus dem deutschen Raum ähnliche Funde von Knotenamuletten, wie das Bieberer-Amulett aus dem reich ausgestatteten Brandgrab aus 1.200-800 v.0. (Offenbach-Bieber). Die altgermanische Runenreihe beginnt also sinnvoll mit einer Schlingen-Hieroglyphe als Symbol für den Uranfang der Dinge, unter der/dem allein ein geistiges Urbild des Kommenden zu verstehen ist. Dadurch ist das Odal-Zeichen auch ein Bild für die weiblich-urmütterliche Ur-Seele und das Ideenmuster der Seelenkräfte schlechthin. Hinreichende Artefakte und sprachgeschichtliche Zeignisse lassen uns sicher sein, dass das germanische Runen-Schlingen-Sinnbild als Zeichen für die Sippen- und Individual-Seele verstanden worden ist. Daraus resultierend natürlich auch für das motivierende, ausrichtende seelisch Ur-Eigene und den Sippenboden in den die Toten hineingelegt werden und aus dem sie in jeder Wiederverkörperung immer erneut emporsteigen.
 
Das Schlingensymbol als Seelenzeichen finden wir schon im altägyptischen und griechischen Symbolfundus. Wie es die Umzeichnung eines attischen Grab-Vasenbildes zeigt, wurde die sich von Leib eines Toten abhebende Seelenkraft - geschaut im „Genius“ bzw. Schutzgeist und Ausdruck seiner Persönlichkeit und Schicksalsbestimmung - als Schlingensymbol verbildlicht (Abb. 3). Ganz ähnlich hat es die römische und germanische Religion verstanden. Mit dem Tod des Menschen erlosch der Genius und erhob sich in die unterschiedlich gedachten Jenseitsvorstellungen.
 
Abb. 2
 
Vom Schlingen-Zeichen zur Vulva-Symbolik bedarf es nur eines kleinen Schrittes, denn die mimische Gleichung beider liegt auf der Hand. Die runde oder ovale Schlingenöffnung lässt sich als Vulva umdeuten. Und die runisch geritzte Eckigform der Rune demonstriert die Raute, welche ebenso wieder ein Vulva-Symbol ist.
 
 
Abb. 3 - Eine attische Lekythos - Antikensammlung Berlin Inventar-Nr. F 2684 -
Umzeichnung nach Hans Winter. Die Lekythen waren griechische Gefäße des 6./5. Jh. v.0 die Duftöle enthielten und als Grabgaben dienten.
 
 
Abb. 4 - Windisch - keltisches Oppidum Uindo („weiß“),
dann röm. Legionslager Vinsonissa / Kanton Aargau / Deutsche Schweiz - Odal-Schlingen-Kapitell und Flechtbandzier-Symbolik von alter Kirche, um 600 n. 0 (Jahrb. SGUF 47, 1958/9, 210, Abb. 49) - https://edoc.unibas.ch/52893/1/20170111154516_587644fc1ccc3.pdf
 
Die zentrale Bedeutung der Odal-Runenschlinge im Korpus der germanischen Runenreligion erweisen die vielen Odal-Schlingenzeichen auf den urreligiösen Zeugnisse der mittelalterlichen Brakteaten (Geleitmünzen / Amulette). Aber auch die frühen christenkirchlichen Missionsbemühungen im südwestdeutsch-alemannischen Raum nutzen die herkömmlichen Heilszeichen, wie das Odal-Runenschlingen-Kapitell einer frühmittelalterlichen Kirche von Windisch (Vinsonissa) in der Nordschweiz erweist (Abb. 4).
  
Symbol-Psychologie und Propaganda-Missbrauch 
 
Im Zusammenhang mit unserem Thema der Sinnzeichen dürften folgende Überlegungen aus der Psychologie recht interessant sein: Sigmund Freud muss an einer Stelle seiner Texte vermutet haben, dass auf Mann und Frau sehr unterschiedliche Formen nachhaltigen Eindruck machen. Der kluge Menschenkenner Dr. Joseph Goebbels begriff das sofort, wie Friedrich Christian Prinz zu Schaumburg-Lippe in seiner Arbeit „Dr. G. -  Ein Portrait des Propagandaministers“ (1964) beschrieb. Ich zitiere S. 153: „‘Sehen Sie, Prinz Schaumburg‘, sagte er nachdenklich, ‘Dieser Jude ist ein äußerst gescheiter Mann‘ […] Er blätterte dann hastig in dem Buch herum und  hielt plötzlich inne, zeigte auf eine bestimmte Stelle und las mir diesen Passus vor Es hieß da unter anderem, daß auf die Masse der Frauen ein Plakat, das irgendwie eine phallische Form benutze, unbedingt starken Eindruck machen würde. Natürlich im Unterbewusstsein. Wolle man hingegen vor allem Männer nachhaltig beeinflussen, so müsse man die Formen weiblicher Geschlechtsorgane in der Propaganda erscheinen lassen. Beides müsse so diskret geschehen, daß lediglich das Unterbewusstsein darauf reagiere und der Mensch sich über seine Reaktion überhaupt nicht klarwürde. Es ist ja hundsgemein, wenn man diese Methodik sieht, sagte Goebbels.‘“ Als ich das las, war mir sofort klar, warum Kanzlerin A. Merkel so oft ihr zunächst unverständliches Rauten-Zeichen „macht“, mit den beiden an den Fingerspitzen zusammengestellten Händen. Sie befindet sich in der Regel in einem reinen Männerkreis ihrer EU-Amtskollegen.  Sie zeigt die geöffnete Vulva, was sämtliche Männer positiv einstimmt. Ihren für das deutsche Volk kostspieligen und auf Dauer tödlichen Flüchtlings-Schmus verkauft sie den Männern mit dem harmlos und deshalb beruhigenden Vulva-Zeichen, während die Mitleidstour bei den diesbezüglich christlich demoralisierten deutschen Durchschnittsweibern ohnehin problemloser ankommt.
 
  
Abb. 5 - Frau A. Merkels Signal
 
 
Abb. 6 - AfD-Landesvorstand Bayern verspottet die Merkel-Raute.
Wohlgemerkt, es geht nicht darum, die Raute in ihrer Bedeutung zu veralbern, vielmehr jenen fadenscheinlichen, unseriösen Gebrauch des Sinnbildes durch eine politisch-dumme, christlich-kommunistisch geprägte Politikerin die dem Land, mit ihrer antidemokratisch-antivölkischen Regierungsweise, größten Schaden zufügte. 
 
Vulva-Symbol: Pforte des Lebens und der Unsterblichkeit
 
Der Kreis oder die Raute wurde als Sonnen- und Augen-Sinnbild und als Symbol des weiblichen Geschlechtsteiles verstanden. Das „Handwörterbuch des Deutschen Aberglaubens“, 1930/31, sagt unter „Gebildbrote“, S. 389 f: „Raute ist das Symbol der Vulva“. Das Rauten-Zeichen kennt schon die alteuropäische Vinca-Kultur bzw. Donau-Kultur in Serbien, Rumänien (Siebenbürgen), Bulgarien, Mazedonien, im östlichen Ungarn und der südlichen Ukraine. Ihre Anfänge reichen bis in die Mitte des 6. Jahrtausends v.0 (um 5.500 v.0.) zurück, manche Quellen geben sogar 8.000 v.0 an. Im Rahmen der Ausgrabungen von Catal Hüyük (um 6.000 v.0) in Anatolien, wird die Raute unverkennbar als Vulva-Symbol gedeutet, womit es den Schoß der Göttin oder den Kosmischen Schoß, das sprossende Leben und Gebären meint. Autor Sigmund Oehrl berichtet in „Die Kunde N. F.“, 60, 2009, S. 89-100, „Bericht über zwei vermutlich mittelalterliche/frühneu-zeitliche rautenförmige Petroglyphen (Vulven) in Waake, Samtgemeinde Radolfshausen, Landkreis Göttingen“ (Abb.7). Auf einem mit Ritzungen versehenen Sandsteinfelsen bei Waake finden sich unter einigen Petroglyphen aus jüngster Zeit auch zwei sehr alte rautenförmige Zeichen. Derartige Ritzungen erscheinen in vielen unterschiedlichen Kulturen von der Vorgeschichte bis in die Frühe Neuzeit. Sehr ähnliche Zeichen tauchen beispielsweise unter den alpinen Felsritzungen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit auf. Sie können als Vulva- oder Kopulations-Symbole interpretiert werden. In einigen Fällen scheint ihre Funktion apotropäisch (abwehrzauberisch) zu sein. Auch runenähnliche Ritzungen und ein „Mühlespiel“ sind auszumachen.
 
Abb. 7 - Zwei Vulven auf Stein von Waake / Göttingen
 
Dem Aspekt des Vulva- also des mütterlichen Uranfang-Sinnzeichen ist bei den Besprechungen der 1. ODING-Hieroglyphe, der Odal-Rune, bislang zu wenig Beachtung geschenkt worden !
 
 
Abb. 8 - „Sheela Nagig” aus dem 12. Jh. n.0
an der Kirche von Kilpeck / Herefordshire / England
 
Über die männliche Faszination, die von der Vulva-Form ausgeht, müssen keine vertiefenden Erörterungen angestellt werden, sie ist jedem triebgesunden Mann - oft genug geradezu schmerzhaft - bewusst. Die emotionelle und mythische Bedeutung des Vulva-Symbols ist weitreichend. Die Pforte der Lust und des Lebens ist im überhöhten religiösen Sinne ebenso Medium und Sinnbild des Ewigen-Lebens. Die Odal-Rune besitzt eine ganz klare Teilhabe an diesem Symbolismus, steht sie doch am Anfang und gleichzeitig am Ende und Neuanfang des ODING-Runenkreises. Aus ihr, der runen-mythischen Vulva, der geistigen Gebärerin der Runen-Botschaft, ergießt sich bei kalendarischer Schau, Jahr für Jahr das Od-Kind, das Od-Ing. Ebenso öffnet sich mit der Odal-Rune, als erstem Zeichen des Runen-Evangeliums, dem studierenden Adepten der Runen-Mund zur Verkündung des Runenwissens.
 
 
Als „Sheela-na-Gig“ / „Síla na Géige“ / „Sheela Na Gig“ werden im irisch-englischen Sprachraum Steinreliefs weiblicher Figuren bezeichnet, die ihre zumeist übertrieben dargestellte Vulva präsentieren. Die seltsame Bezeichnung stammt aus mundartlichen Formen des Irischen; die Bedeutung  ist in etwa „Weib mit Brüsten / Hintern“ -, also weiblichen Sexualsignalen. Die heidnischen Göttinnen der Liebe und der Lust, wie die altägyptische Isis, die vorderasiatische Kybele, die griechische Aphrodite, die römische Venus, die germanische Freia (altnord. Freya) lehrten mehr oder minder deutlich das natürliche Bekenntnis zum menschlichen Triebleben. Die - wie man erwarten dürfte - kirchlicherseits als Sinnbilder heidnischer Verworfenheit zu verachtenden „Sheelas“ fordern mit eindeutiger Geste zur Sinnlichkeit oder gar zur Kopulation auf. Doch der noch stark von heidnischen Traditionen zehrende, offensichtlich weniger sittenstrenge irische Klerus verstand die „Sheelas“ als Glücksbringerinnen. So wurden sie offensichtlich von der uns überlieferten Missionsgeschichte gesehen. Sicher stellen diese Bildnisse den erotischen Teilaspekt der altheidnischen irischen Göttinnen Dana und Brigid dar. Letztlich aber ist der erotisch-sexuelle Aspekt der archaisch urmütterliche. Und die am Anfang der Dinge stehende mythische Urmutter ist die gebärende Größe, welche im Weltwerdeakt die innigsten Bezüge zum Vulva-Symbol aufweist, so dass das weibliche Geschlechtsorgan als Ur-Moment symbolhaft die gesamte Kosmogonie vertreten kann -, wie es uns auch die Odal-Rune vorführt. 
 
Abb. 9 - Vulva-Form der Umrahmung des islamischen Kultsteins
 
Legen wir die vorgenannten Erkenntnisse zugrunde, muss es nicht mehr wundernehmen, dass moslemische  Frauen verzückt zu „ihren“ phallischen Minarett-Türme der Moscheen aufschauen und von ihnen „bei der Stange“ gehalten werden und, dass moslemische Männer ebenso verzückt zu „ihrer“ Kaaba pilgern, dem würfelförmigen Gebäude in Mekka, um die vulvaförmige Silbereinfassung des Schwarzen-Steins zu berühren. Der Schwarze-Stein ist ein meteoritischer Kultstein an der süd-östlichen Ecke der Kaaba welcher während der rituellen Umkreisung es Heiligtums, durch Küssen, Berühren oder Zeigen mit der Hand, ebenso verehrt wird wie die vulvaförmige Umrahmung. Nachdem der Schwarze-Stein im Jahre 683 bei der Belagerung von Mekka von einem Katapultgeschoss getroffen wurde und in drei Stücke zerbrochen war, ließ man ihn mit dieser silbernen Vulva einfassen (Abb. 9). Die alte gleichförmige jedoch goldene Hülle des Kultsteins befindet sich im Topkapi Palast/Museum in Istanbul.
 
 
Abb. 10 - Thrakische Vagina-Kulthöhle von Nenkovo / Bulgarien
 
 
Abb. 11 - Ein Eingang zur Grotte am Externstein-Heiligtum
/ Horn-Bad-Meinberg / Deutschland
 
Welche hohe Bedeutung in Alteuropa die mutterkultische Heilsstätte, die Höhle, besaß, ersieht man in wunderbarer Vollkommenheit in Gestalt der Utroba-Höhle („Schoß / Vulva / Gebärmutter / Mutterleib“), der „Cave Vulva“, im alten Thrakien, dem heutigen Bulgarien. Es ist hier das Gebiet der Rhodopen, einem bewaldeten sog. Rumpfgebirge in Südbulgarien. Der Name stammt noch aus dem Thrakischen und bedeutet „Gebiet des rotbraunen Flusses“. Der um 3.000 Jahre alte Felsentempel in der Nähe des Dorfes Nenkovo (Region Kardjali) war der Erdmutter geweiht und ist deshalb ist im Eingangsbereich nach einer Vagina-Mündung geformt. Die Forschung gibt an, der hiesige Muttergöttinnen- bzw. Fruchtbarkeitskult sei auf das 11./10 Jh. v.0 zu datieren. Erst im Jahr 2001 ist der Tempel entdeckt worden. Es führt ein 22 m langer und 2,5 m breiter Gang in die Tiefe der Höhle hinein. Am Ende der Höhle (1,3 m in der Höhe) befindet sich ein geschnitzter Altar der das Allerheiligste, die Gebärmutter symbolisiert. Über die Wände sickert beständig Wasser herab, um nach außen abzulaufen. In der Mitte des Altars wurde ein kleines Loch eingemeißelt, ca. 10 cm tief und 5 cm breit. Der „Vagina“-Tunnel verläuft in exakter Nord-Süd-Ausrichtung, mit dem Eingang zur Südseite. In der Decke befindet sich eine spezielle Spalte, durch welche für genau um 12 Uhr mittags ein Sonnenstrahl fällt. Man kann beobachten, wie der Strahl innerhalb einiger Minuten allmählich zum Altar hin wandert, dabei intensiver wird und eine phallische Form anzunehmen beginnt. In der Sommerzeit, also den hohen Sonnenlichtständen, ist der Phallus-Strahl nur etwa 2 m lang. Im Winter, dem Februar und Anfang März steht dann die Sonne so niedrig, dass der Strahl sich auf 22 Meter verlängert und durch das Loch rechts neben den Altar fällt. An dieser Stelle verbleibt der solare Phallus leicht zitternd für ein oder zwei Minuten zum höchsten Tageslichtstand. Dieses erstaunliche Phänomen symbolisiert die Befruchtung.
 
Am Mittag, wenn die Sonne ihren höchsten Punkt am Himmel nähert, flutet ihr Licht in die Höhle durch eine besondere Öffnung in der Decke und zeichnet die überraschend lebensechte Darstellung eines Phallus auf den Boden. Indem die Sonne weiter fortschreitet und das Licht schräger über das Höhleninnere geht, verlängert sich der Phallus bis er den Gebärmutter-Altar erreicht. Aber erst in den lichtschwächeren Monaten des Jahres, wenn die Sonne niedrigere Horizontbögen durchmisst, wird der Licht-Phallus lange genug, um den Altar vollends zu erreichen, um die Höhlen-Gebärmutter symbolhaft zu befruchten.
 
 
Der Vagina-Tempel (Abb. 10) von Nenkovo ist ca. nur 56 km vom „Orpheus-Heiligtum“ (Abb. 15) beim Dorf Tatul entfernt, einer Kultstätte die als „Grab des Orpheus“ bezeichnet wird. 3 km von hier liegt das Dorf Nanovitsa (Kreis Kyrsdzhali), unweit der Stadt Kardschali, rund 250 km südöstlich von Sofia. Es handelt sich um ein Arkosolium / Rundbogen-Felsengrab, bestehend aus einer bogenförmig überspannten Nische, in deren Boden sich eine Ausmuldung für den Leichnam befindet. Gleiche Bauweise finden wir beim niedersächsischen Felsengrab vom Externstein bei Horn-Bad-Meinberg. Archäologen haben Beweise für ihre langjährige Vermutung gefunden, dass das Orpheus-Heiligtum vor den ägyptischen Pyramiden erbaut wurde. Bei Ausgrabungen im Heiligtum stießen sie auf eine Schicht aus der Kupfersteinzeit (4.300 bis 2.200 v.0). Dort fanden sie sowohl Kultgegenstände als auch Reste von Gebäuden. Sie beweisen die frühe Entstehung des Tempels im alten Thrakien. „Vor 6.000 Jahren ist an diesem Ort ein Heiligtum entstanden“, bekundet der bulgarische Archäologe Nikolaj Owtscharow. Genutzt wurde die Kultstätte des Orpheus bis zum Beginn des 5. Jh. n. 0, danach traten die Thraker zum Christentum über und ihre Kultur ging unter, da die Traditionen im neuen Glauben abbrachen und das Volksgedächtnis ohne vorhandenes Schrifttum versank. Der Wissenschaftler geht davon aus, dass in diesem Heiligtum im 2. Jahrtausend v.0 auch der mythische Sänger Orpheus verehrt wurde, der im unmittelbaren Zusammenhang mit der Seelenwanderungslehre steht. Das Heiligtum war in der Kupfersteinzeit zunächst zwischen den natürlichen Felsen angelegt. In der Bronzezeit gaben die Menschen den großen Steinen dann bestimmte Formen. Sie meißelten aus dem Stein des Hügels eine Art Pyramidenform, worin das beeindruckendes Grab angelegt wurde. Es wird vermutet, dass es die symbolische Grablege des Orpheus ist. Auf der südlichen Seite des Felsstumpfes gibt es ein zweites Grab mit einer seitlichen Öffnung. Bei rituellen Handlungen soll Wein in die kleinen Kanäle am Rand geflossen sein. Acht große steinerne Treppen führen vom „Grab des Orpheus“ zu einem Thraker-Tempel mit einem Altar in den Felsen. Er ist nur wenige Meter unterhalb des Pyramidenstumpfes angelegt. Der Tempel hat eine fast quadratische Form und ist aus riesigen Steinen gebaut. Er ist in einer Höhe von sechs Metern erhalten. Der gesamte „heilige Berg“ bei Tatul wird von einer Steinmauer geschützt.
 
Streit um die Arkosolien - Rundbogengräber
 
Mit hartnäckiger unbelehrbarer Verbissenheit haben kirchenchristliche Akteure und Autoren die Behauptung vertreten, das Teutoburger Externstein-Heiligtum, mit seinem zugehörigen Grabstein, sei ausschließlich mittelalterlich-christlich zu deuten. Sie legten dar: „Das Arkosolium ist eine typische Bestattungsform der frühen Christen in den römischen Katakomben während des 3. und 4. Jahrhunderts.“ Unbeachtet blieb dabei, dass diese Grabform - wie man glauben machen wollte - keine christliche Erfindung ist, sondern sich an frühere Vorbilder anlehnte bzw. nachahmte -, auch bautechnisch aus statischen Gründen ohnehin sinnvoll erscheint. Sowohl im thrakischen Raum wie auch in Pisidien findet man vorchristliche Rundbogennischengräber. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang derartige Grabmonumente im Ruinenfeld der Oberstadt von Termessos (Abb. 12), sowie ein Arkosolium mit Sargvertiefung aus vorchristlich-römischer Zeit in der Unterstadt von Termessos. Das Bauwerk stammt aus der städtischen Blütezeit, vom 1. Jh. v.0 bis 2. Jh. n.0. Termessos  war eine griechische Siedlung der kriegerischen Solymer (Berg namens Solymos), im bergumkränzten Hochtal, auf 1.000 m Höhe, in der Landschaft Pisidiens, an der Südküste Kleinasiens (heute Türkei). Die hochgelegene Stadt trotze sogar „Alexander dem Großen“ mit Erfolg (333 v.0). Er meinte: „Ich lasse meine Armee nicht vor einem Adlernest dezimieren.“
 
In diesem Zusammenhang ist eine Aufklärung bezüglich der Christianisierung Maltas zu leisten. Die dortigen Arkosolien dürfen nicht - wie bisher geschehen - leichterhand als christlich gedeutet werden. Die kirchenchristlichen Theologen glaubten zu wissen, dass der Apostel Paulus, mit Begleitern, während seiner letzten Reise im Herbst des Jahres 59 vor einer Insel namens Melite (Apostelgeschichte 28,1) Schiffbruch erlitt und auf ihr überwinterte. Es soll eine Insel zwischen Kreta und Sizilien gewesen sein. Seit etwa einem Jahrhundert waren sich die Theologen aller Konfessionen einig, dass es sich um Malta handeln müsse, während man im Mittelalter noch die süddalmatinische Insel Mljet favorisierte. Nun ist es aber dem Wissenschaftler Heinz Warnecke gelungen, den Irrtum aufzuklären. Paulus war nie auf Malta ! Warnecke wies detailliert und schlüssig nach: Paulus strandete auf der westgriechischen Insel Kephallenia. Seine Dissertation „Die tatsächliche Romfahrt des Apostels Paulus“ wurde 1987 als Monographie vom Katholischen Bibelwerk verlegt (Bd. 127 der „Stuttgarter Bibelstudien“). Der Apostel musste damals, bewacht von dem römischen Hauptmann Julius, vom palästinensischen Caesarea nach Rom reisen, um sich vor dem kaiserlichen Gerichtshof gegen die jüdischen Anschuldigungen zu verantworten. In Rom ist er nach seinem Prozess als schuldig befunden und hingerichtet worden. Bis Kreta ist jede Station dieser Seereise einwandfrei zu rekonstruieren. Die Irrfahrt des Paulus und damit das Itinerar-Problem der NT-Exegeten beginnt, als das Schiff Südkreta verlässt, um einen zum Überwintern geeigneten Hafen namens Phoinix zu erreichen. Den Hafen Phoinix, den das Schiff von Kreta aus ansteuern wollte, fand Warnecke an der Südspitze Messeniens, also im Südwesten des Peloponnes. Dort ist tatsächlich ein Hafen dieses Namens durch den antiken Reiseschriftsteller Pausanias für das 1. Jh.  n.0 belegt. Die Malteser wurden von Paulus also nicht zum Christentum bekehrt. Tatsächlich ist Malta, wie die Mehrzahl der römischen Provinzen, nicht in vorkonstantinischer Zeit christianisiert worden, sondern erst während der Mitte des 4. Jahrhunderts. Demnach sind die maltesischen Rundbogengräber (Abb. 13) vor dem 4. Jh. keine christlichen ! In den unterirdischen Grabgewölben von Naxxar-Salina fand man ein eingraviertes sog. Tupfenkreuz und glaubte damit, die Anlage als christlich deuten zu dürfen, doch das Tupfenkreuz kommt bereits in der bronzezeitlich-skandianvischen Felsbilderwelt vor -, wie überhaupt die Kreuzdarstellungen - als uralte vorchristliche Heilszeichen - von der Christenkirche lediglich deshalb ursurpiert worden sind, weil sie als Sonnen-Symbole einen hohen Bekanntheitsgrad besaß. Insbesondere die maltesischen Salina-Gräber mit ihren Spiralornamenten, die in der Tradition der steinzeitlichen maltesischen Spiralranken-Kultur zu stehen scheinen, deuten auf Sonnen-Symbolik hin. Die solaren Doppelspiralen künden die vor-orphische aber gleichlautende Botschaft vom Ewigen-Leben in der Natur, vom immerwährenden Aufgang der einem Untergang folgt.
 
Auch den Hypogäen (unterirdische Kultgewölbe) der hiesigen Steinzeitkultur können keinen anderen sakralen Sinn beigemessen werden. Im Jahre 1899 stieß man beispielsweise in der maltesischen Stadt Paola auf die unterirdische Tempelanlage. In den Höhlen wurden Skelette von rund 7.000 Menschen gefunden. Aus dem tiefen Bauch der Mutter Erde Neugeboren zu werden ist die Hoffnung der Gläubigen der meisten Kultgruppen rund um den Globus. Das Hypogäum von Ħal-Saflieni besteht aus vielen unterirdischer Gängen, Hallen und Nischen und erstreckt sich über drei Ebenen. Die Gänge wurden mit Stein- und Knochengeräten bis zu 10,6 mtief in den weichen Kalkstein getrieben und über etwa 1.300 Jahre allmählich erweitert. Wände und Decken sind teilweise mit ockerfarbenen Malereien, bestehend aus dekorativen, gewundenen Rankenmustern und Scheiben, geschmückt. In dem als Orakelkammer bezeichneten Raum befinden sich Spiralen aus rotem Ocker, die wie ein Pflanzenmuster wirken. Im Raumder das Allerheiligstegenannt wird, befindet sich im Boden eine V-förmige Eintiefung mit einem Verschlusspfropfen, die wahrscheinlich für Trankopfer genutzt wurde. Der wichtigste Fund aus dem Hypogäum ist eine 12,2 cm lange Figur einer liegenden Frauengestalt, sie wird „Schlafende Dame“ genannt. Das Nachlassen der Bautätigtenaller Aktivitäten erfolgte von 2.500 bis 2.000 v.0, mit dem Beginn der Bronzezeit. Die Verehrung der großen Göttin hat in Malta lange Tradition. Im frühen Neolithikum erfuhr sie Verehrung in Kulthöhlen wie Ghar Dalam oder Latnija. „Beispielsweise befand sich bei Tas-Silg im Süden Maltas eine Siedlung aus der matriarchalen Ghar-Dalam-Zeit. Ihr folgte ein megalithischer Tempel in der Tempelzeit, auf den ein phönizischer Astrate-Tempel, gefolgt von einem römischen Juno-Tempel, errichtet wurde. Schließlich wurde das Baptisterium eines frühchristlich-byzantinischen Marienheiligtums in die Hauptapsis des Megalithtempels gebaut.“ Die Namen ändern sich, der Göttinnen-Kult und die damit verknüpfte Seelenwanderungs- und Wiedergeburtshoffnung bleibt.
 
 
Abb. 12 + 13 - Vorchristliche Arkosolien von Termessos +
Naxxar-Salina-Katakomben von Malta
 
Abb. 14 - Tupfenkreuz aus Salina-Katakomben
 
Orpheus-Grab von Tatul und Externstein-Sargkuppel
 
Abb. 15 - Thrakisches Höhenheiligtum bei Tatul / Bulgarien
Abb. 15 a - Arkosolium / Rundbogen-Felsengrab bei Tatul
Abb. 16 - Felsengrab vom Orpheus-Heiligtum bei Tatul
Abb. 17 - Rundbogen- oder Arkosolgrab im Grabfelsen
am Fuße des Externstein-Felsens Nr. 1
 
Orphiker und Seelenwanderungslehre - der Od-Glaube
 
Das „Orpheus-Heiligtum“ von Tatul ruft die Orphiker ins Blickfeld. Das waren religiöse Gruppierungen die sich sicher nachweisbar ab dem 6./5. Jh. v. 0 - wohl aus Thrakien ausgehend - an den thrakisch beeinflussten nördlichen Schwarzmeerküsten, auch im griechischen Süditalien, ausbreiteten. Dabei handelte es sich nicht um eine zentral gelenkte einheitliche Religionsgemeinschaft, mit einer dogmatisch festgelegten Lehre, sondern um eine Vielzahl von selbständigen Gruppen von Gläubigen; den Pythagoreern, den Anhängern des Pythagoras (um 570 - 510 v.0), ganz ähnlich. Gemeinsam war den Orphikern die Berufung auf den Verkünder Orpheus (im 6. Jh. v.0), den bekanntesten Heiler, Sänger und Dichter des Altertums. Orpheus wurde in einer Höhle in Thrazien geboren und er kehrte nach dem Verlust von seiner geliebten Eurydike in diese Höhle zurück. Er ging der Sage nach aus einer Verbindung des nordischen Gottes Apoll mit der Muse Kalliope hervor. Das Leierspiel des mythischen Orpheus berührte die Herzen der Menschen, Tiere, Bäume und Steine. Die Bäume folgten ihm, wenn er spielt und die Tiere verfielen in Schweigen, um besser zuhören zu können (nach den „Metamorphosen“ des Ovid). Orpheus vereinte alle Künste in einer Person, war Astrologe, Arzt und Priester. Er galt seinen Anhängern als Urheber ihrer Lehren und als Schöpfer ihrer wichtigsten Texte. Orpheus stieg zufolge der Sage in die Unterwelt hinab, um im Totenreich seine verstorbene Gattin Eurydike zu finden und sie in die Welt der Lebenden zurückzuführen. Er hielt tatsächlich die Erlaubnis dazu, war demnach der erste Mensch der „von den Toten auferstand“. Doch missglückte der gemeinsame Aufstieg mit der geliebten Frau, nur wegen eines Verhaltensfehlers. Dadurch wurde Orpheus für die Orphiker zu einem Vorbild und Führer, welcher über die Totenwelt Auskunft zu erteilen vermochte und über das gewünschte religiöse Wissen verfügte. Ihr Bestreben war die Vorbereitung auf das von ihnen erwartete Fortleben der Seele nach dem Tod des vergänglichen Leibes. Intensiv beschäftigten sich die Orphiker mit den Lehren zur Entstehung des Kosmos und mit dem Schicksal der Seele nach dem Tod. Sie teilten die herkömmliche Überzeugung, dass es eine Seele gibt, die den Körper belebt und nicht mit ihm stirbt, sondern den Leichnam kraft eigener Energie verlässt. Ihr gemeinsamer Glaubensinhalt war die Vorstellung der Seelenwanderung, welcher besagt, dass die Seele nacheinander in verschiedene Körper eingeht und so eine Vielzahl von Wiederholungen des Lebens erfährt. Es heißt dazu in kompetenen Erörterungen: „Indem die Orphiker der Seele ein eigenständiges Dasein schon vor der Entstehung des Körpers zusprachen, gaben sie die Annahme einer natürlichen Bindung der Seele an einen bestimmten Körper auf. Dadurch erhielt die Seele eine zuvor unbekannte Autonomie. Ihre Verbindung mit einem Körper erschien nicht mehr als Erfordernis ihrer Natur, sondern als bloße Episode in ihrem Dasein. Sie galt nun nicht nur als unsterblich, sondern ihre Existenz wurde auf eine von der vergänglichen Körperwelt gänzlich unabhängige Basis gestellt. Damit wurde ihr eine naturgegebene göttliche oder gottähnliche Beschaffenheit und entsprechende ursprüngliche Freiheit zugeschrieben.“ Durch ihr Erdenleben im Körper kommt die Seele mit Leid und Sterblichkeit in Berührung und macht zwangsläufig entsprechende Erfahrungen. Die leibgebundene Daseinsweise entspricht aus orphischer Sicht nicht der natürlichen Bestimmung der Seele, sondern ist nur ein von den Göttern gewollter vorübergehender Zustand. Daher bezeichneten die Orphiker, wie Platon bezeugt, den Körper als Gefängnis der in ihm eingekerkerten Seele. Nach der Auffassung der Orphiker kann die Seele nach dem Tod des Körpers, den sie bewohnt hat, nicht einfach in ihre jenseitige Heimat zurückkehren, vielmehr muss sie sich erneut mit einem Körper verbinden. So kommt es zum Kreislauf aufeinander folgender Leben und Tode, gemäß der Seelenwanderungslehre. Die Ursache dafür sind Vergehen, die gebüßt werden müssen, was dazu führt, dass die Seele sich gezwungen sieht, im Kreislauf zu verbleiben. Worin die Vergehen genau bestehen, geht aus den wenigen Angaben der Quellen nicht klar hervor. Jedenfalls muss der orphischen Weltanschauung zufolge dieser Zustand nicht ewig dauern. Vielmehr kann die Seele die Körperwelt endgültig verlassen, wenn sie einen bestimmten Erlösungsweg beschreitet. Das Ziel ist ein dauerhaftes glückseliges Dasein in ihrer Heimat, dem Jenseits. Das entspricht ihrer eigentlichen, ursprünglichen Natur, die göttlich oder gottähnlich ist. Die Orphiker glaubten, dass die Seele erlöst werden kann, und vertraten damit ein grundsätzlich optimistisches Weltbild.
 
Wir dürfen uns also die Lehren der Orphiker ganz ähnlich mit denen der jetzt noch geglaubten fernöstlichen vorstellen. Es handelt sich ebenso um den identischen Gedanken der „Ewige Wiederkunft des Gleichen“, als zentrales Hoffnungsgut in Friedrich Nietzsches Philosophie. Ihr zufolge wiederholen sich alle Ereignisse unendlich oft. Dieses zyklische Zeitverständnis ist für Nietzsche die Grundlage höchster Lebensbejahung. Nietzsches diesbezügliche Schilderung wird durch entsprechende Fragmente in seinem Nachlass ebenso bestätigt, wie schon in seiner dichterischen Gestalt des „Zarathustra“, in seinem Werk „Also sprach Zarathustra“.
 
ZUSAMMENFASSUNG
 
Ohne allzu großes Wagnis können wir eine Zusammenschau vornehmen. Nachweisbar war der Seelenwanderungsglauben Bestandteil der keltischen, der germanischen, der orphisch-pythagoreisch-griechischen Religionsströmungen. Der Wiedergeburtsglauben holt automatisch die „Porte des Lebens“, die mütterliche Vulva/Vagina, in den Mittelpunkt religiöser Hoffnungsbetrachtungen. Die Kultstätten solcher Glaubensformen werden Krypten, erdmütterliche Versammlungs- oder Weiheräume von der Art der thrakischen Utroba-Höhle“ (Abb. 10) im heutigen Bulgarien geschätzt haben. Eine urtümlich Kulthöhle besitzt auch das vorchristliche Externstein-Heiligtum in Deutschland (Abb. 11). Auch in der Grotte des Externstein-Felsens, mit ihrem in den Boden eingetieften Kessel, könnten sehr wohl Wiedergeburtsriten vollzogen worden sein. Sensationell erkenntnisweisend aber ist die weitgehende Formengleichheit des nachweisbar altehrwürdigen Rundbogengrabes (Arkosolium) in Thrakien (Abb. 15) und jenem vom Externstein im niedersächsischen Teutoburger Wald (Abb. 17). Auch das einzelliegende Felsengrab im Gesamtarrangement der Tatul-Anlage, fehlt nicht (Abb. 16). Welche Art von Sterbe- und Wiederbelebungs-Zeremonien der alten Thraker, oder möglichweise noch der antiken Orphiker, an dieser Stätte vollzogen wurden, können wir nur vage erahnen. Kirchenchristlicherseits wurde immer argumentiert, dass derartige Gräber allein jüdisch-frühchristlichen Ursprungs wären, was schon vor Entdeckung des Tartul-Grabes als nachweisbar irrig abgewiesen werden konnte -; bereits durch die SSW-NNO-Richtung der Kopfnischengrabmulde im Sargstein. Zu keiner Zeit entsprach diese Grablegerichtung dem christlichen Brauchtum. 
 
Nun, nach dem Fund des Tartul-Grabes erhebt sich die Frage nach der möglichen Erklärung für seine Entsprechung im uralten Weihebezirk des norddeutschen Teutoburger Waldes. Die urstammverwandten blonden Thraker und Germanen verband nicht allein ihr Erscheinungsbild (Haplogruppe „I1“) und die von fremden Beschauern mitgeteilte Wesensart, es sind frühzeitliche Kontakte zwischen den Hyperboreern der Nord- und Ostseeküsten und dem Nordbalkanraum anzunehmen. Wir erfuhren über griechische Autoren von den Gesandtschaften der Nordleute, die den Weihestätten des Apollon nach Delos und Delphi Ehrengeschenke überbrachten. Der berühmte Thraker Spartakus verband in den Jahren 73-71 v.0 sich mit Germanen und Kelten - unter den Führern Crix, Granni und Oenomaus - um die römischen Sklavenketten zu zerreißen und gemeinsam ließen sie die Weltmacht Rom in ihren Grundfesten erzittern. Gab den Versklavten ihr verbindender Unsterblichkeitsglauben den Mut und die Kraft zum Aufstand ? Verband der Glaube an die Wiedergeburt und die Seelenwanderung den keltisch-germanischen Norden und dem thrakischen Süden ? Es muss zum Austausch von mehr als nur Weihegeschenken gekommen sein. Ist das Externstein-Heiligtum nach dem Vorbild vom Orpheus-Grab errichtet worden, oder ist die geistige Befruchtung gar in umgekehrter Richtung verlaufen ? Neue Fragen heischen ihrer Beantwortung, aber bereits die sich erhebenden Fragen bringen uns mit Riesenschritten in Richtung der Urwahrheit voran.