Zier-Dekor-Abrollung der Gesichtsflasche von Gierstädt-Kleinfahner/Gotha,
mit 7 Doppelaxt-Zeichen (2. ODING-Himmelsvater-Rune)
 
Stichbandkeramische vorrunische Zeichen in Thüringen
 
„Vor fast einer Million Jahren lebten Menschen im Südwesten des Kontinents, in Nordspanien. Der älteste Nachweis aus Mitteleuropa ist der über eine halbe Million Jahre alte Unterkiefer von Mauer bei Heidelberg. Mit größter Wahrscheinlichkeit reicht auch die früheste Besiedlung Innerthüringens weit über 500.000 Jahre zurück, jedoch fehlen hierfür eindeutige Belege. Der früheste Nachweis datiert vor ca. 370.000 Jahren und ist damit auch der nach Mauer nächst älteste direkte Menschennachweis in Deutschland. An der nördlichen Peripherie des Thüringer Beckens liegt die Fundstelle Bilzingsleben, Lkr. Sömmerda, mit Resten von Homo erectus bzw. einer Ante-Neandertalerform, seines Lagerplatzes und seiner Jagdbeute. Diese bestand aus Nashörnern, Elefanten und verschiedenen kleineren Tierarten, welche zur damaligen Warmzeit die in unserer Region ausgebildete Waldsavanne bevölkerten. Die Überreste großer Raubtiere, wie z. B. der Löwe, sind sicherlich nicht als Jagdbeute, sondern aufgrund anderer Prozesse abgelagert worden. Eine kleine Anzahl von Fundstellen in Thüringen füllt den großen Zeitraum zwischen ca. 370.000 Jahren und ca. 15.000 Jahren vor heute. In diese Zeit fallen die ersten bekannten Funde aus dem südlichen Thüringer Becken und der engeren Umgebung von Erfurt, vor allem der Gegend nördlich der Landeshauptstadt. So stammt ein mittelpaläolithischer Schaber aus den eeminterglazialen Travertinen von Burgtonna und ein frühweichselzeitliches Keilmesser aus Kieselschiefer liegt als Oberflächenfund von Rohrborn südöstlich von Sömmerda vor. Nur etwa 20 km vom Stadtzentrum Erfurts entfernt, liegen die bekannten mittelpaläolithischen Travertin-Fundstellen im Stadtgebiet von Weimar. Lediglich die Funde aus der Ilsenhöhle unter der Burg Ranis, Saale-Orla-Kreis, etwa 50 km südöstlich belegen die Besiedlung der Großregion durch späte Neandertaler und frühe, anatomisch moderne Menschen. Ebenfalls lediglich in der Großregion wird mit den Fundstellen von Bilzingsleben-Simsensee im Norden und Gera-Zoitzberg im Osten auch die Zeit vor und um die Maximalausdehnung des Inlandeisschildes der Weichselkaltzeit erfasst. Schließlich finden sich zwei Fundstellen aus der ausgehenden Weichselkaltzeit wieder nahe Erfurt. Vor allem der Fundplatz bei Wandersleben, Lkr. Gotha, zeigt durch die spezifischen Merkmale der Geräte, Klingen und Abschläge seine Zugehörigkeit zum Magdalénien…“
 
Der Wissenschaftler Mario Küßner schreibt: „Die Besiedlung von Erfurt und Umgebung in den verschiedenen steinzeitlichen Epochen hat einen ganz unterschiedlichen Niederschlag im Bodenarchiv hinter-lassen. Dies ist vor allem auf die geographischen Gegebenheiten, besonders die oft bewegte Oberfläche mit teils starker Erosion zurückzuführen. Die Landschaft ist in das zentrale Thüringer Becken, die Erfurter Mulde als südlich vorgelagerte Beckenlandschaft, einige kleinere Höhenzüge, von denen die Fahnersche Höhe die bedeutsamste ist, und das Vorland des Thüringer Waldes im Süden gegliedert. Wichtigster Fluss ist die Gera, die aus dem Thüringer Wald kommend nach Norden fließt und schließlich am Nordrand des betrachteten Gebietes in die Unstrut mündet. Die naturräumlichen Gegebenheiten schwankten im Verlauf des Pleistozäns stark, im Zuge der Elstervereisung war ein großer Teil der betrachteten Landschaft von einem Inlandeisschild überdeckt, während die Warmzeit-Optima um einige Grad wärmere Durchschnittstemperaturen aufwiesen. Erst mit dem Beginn des Holozäns vor etwa 11.650 Jahren verstetigt sich, abgesehen von Schwankungen geringeren Ausmaßes, das Klima und darauf direkt folgend auch der übrige Naturraum bis heute.“ Im Erfurter Gebiet gibt es aussagestarke Fundorte der älteren Linienbandkeramik mit noch breiten Bändern, S-Spiralen etc. gut zu fassen, z. B. auf Fundstellen in Gispersleben und Stotternheim. Ein Unikat ist hier die Gesichtsflasche von Kleinfahner, Lkr. Gotha, die auch insgesamt nur wenige Parallelen im mitteldeutschen Frühneolithikum hat. Das absichtlich zerstörte Gefäß lag im Grab einer hochschwangeren bzw. unter der Geburt verstorbenen Frau. Unterhalb des Randes der kugeligen Flasche ist eine Gesichtsdarstellung angebracht, den übrigen Gefäßkörper zieren kreuzförmig verlaufende Bänder und Winkel- bzw. Spiralornamente. Das Grab enthielt außerdem ein Stück Roteisenerz (zur Farbgewinnung) und einen Spondylusanhänger. Die weitere Entwicklung der Linienbandkeramik bis etwa zum Ende des 6. vorchristlichen Jahrtausends verläuft in der Erfurter Region bruchlos, es zeichnet sich eine eigenständige Siedlungskammer in der Erfurter Mulde und ihren Randgebieten ab. Auf die ältere folgen die mittlere und jüngere Linienbandkeramik, in deren Verzierungsschatz vor allem das immer häufigere Vorkommen von eingestochenen Motiven und die aufgelegten plastischen Leisten auffallen. Es kommt zu einer Verarmung der Gefäßtypen und -verzierungen, die gleichzeitig, verglichen mit den Nachbarregionen, ein konservatives Element enthalten. Auch dies ist ein Indiz für die Regionalisierung unter Beibehaltung überregionaler Austauschsysteme. Etwa 5.000/4.900 v. Chr. ist ein Wechsel in der Verzierung der Gefäßkeramik zur ausschließlichen Nutzung von eingestochenen Verzierungen und eine verfeinerte Herstellungstechnologie zu beobachten. Nach neuen Forschungen vor allem in Sachsen ist dies eher als graduelle Veränderung, denn als abrupter Wechsel zu begreifen. Da die Definition archäologischer Kultur noch immer sehr stark durch die verwendete Keramik als wichtiges Identifikationsmerkmal geprägt ist, wird im Gegensatz zur linienbandkeramischen Kultur oder Linienbandkeramik jetzt von der stichbandkeramischen Kultur oder Stichbandkeramik gesprochen. Nach den vorliegenden archäologischen Zeugnissen stellt dieser Übergang aber weder eine wirtschaftliche noch politische oder tiefgreifende ideelle Zäsur dar. Die Langhäuser werden schrittweise zu Typen mit konvexen Langseiten und Jochpfostenreihen nahe der Außenwände weiterentwickelt. Die Vorteile in der Schaffung größerer, zusammenhängend nutzbarer Räume liegen auf der Hand. Die früheste Stichbandkeramik kommt gerade im Kleinfahner, Lkr. Gotha - Gesichtsflasche aus einer linienbandkeramischen Bestattung.
 
Vorrunische Zeichen auf der Gesichtsflasche ?
 
 
Stichbandkeramische Flasche mit Gesichtsdarstellung
und vorrunischen Zeichen von Gierstädt-Kleinfahner - 4.900/4.500 v.0
 
Die Stichbandkeramik ist eine jungsteinzeitliche archäologische Kultur in Mitteleuropa. Sie folgte auf die Kultur der Linienbandkeramik und datiert zwischen 4.900 und 4.500 v.0. - Zur Frage, ob es sich bei den Zeichen auf der Gesichtsflasche von Kleinfahner um Sinnzeichen handeln könnte, teilt ein freundlicher Wissenschaftler vom „Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie zu Weimar“ mit: „Leider kann ich Ihnen auf diese Fragen keine befriedigende Antwort geben. Ich persönlich glaube nicht, dass die Doppelaxt- und Sanduhrmotive in Richtung auf frühe Sinnzeichen zu deuten sind. Sicher haben die Verzierungen des frühen Neolithikums in Mitteldeutschland etwas mit der Vorstellungswelt der Menschen zu tun; dass einzelne Zeichen entsprechend zu deuten sind, erschließt sich m.E. erst rund 2.000 Jahre später." (z.B. Waldtraut Schrickel, „Zur Ornamentik der neolithischen Tontrommeln Mitteldeutschlands“, in: „Wiss. Zeitschr. der F.-Schiller-Universität“, 5, 1955/56, gesellsch. u. sprachwiss. Reihe 4/5) - Siehe auch: „Ausgrabungen und Funde“, Bd. 36, Akademie-Verlag,  1991, Heft 5 - Linienbandkeramisches Grab mit Gesichtsflasche, Kleinfahner, Lkr. Erfurt. - Als „Glockenbecherleute“ werden mit Bogen bewehrte endneolithische Invasoren bezeichnet, die aus Nordafrika kommend, Süd-, West- und Mitteleuropa (im Osten bis nach Ungarn) ab 2.600 v.0 aufsuchen, etwa bis 2.200 v.0 andauern und lediglich auf der englischen Insel bis ca. 1.800 v.0 weiterbestehen. Sie stellen in diesen Regionen eine Gruppe am Übergang von der Jungsteinzeit zur Bronzezeit dar. Auf ihren glockenbecherförmigen Tonwaren finden sich auffallend oft die „Doppelaxt“-Zeichen  als Schmuckform.
 
Ich habe Herrn Dr. Diethard Walter vom Mus. Weimar sehr zu danken für seine Informationen über das Objekt. „Bei der Abbildung handelt es sich um eine Flasche mit Gesichtsdarstellung von Kleinfahner; Sie finden die entsprechenden Angaben über beiliegende Links:“
 
 
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Kumpfe der ältesten Linienbandkeramik aus Langenbach-Niederhummel / Lkr. Freising/Oberbayern,
nahe der Isar - 5.400/5.300 v.0
 
Ebenso finden sich in den süddeutschen Gebieten stichbandkeramische Flaschen mit Gesichtsabbildungen. Siehe dazu Heiner Schwarzber: „Die überraschende Auffindung mehrerer einschlägiger Siedlungen der ältesten Phase der Linearbandkeramik im räumlich begrenzten, von Lösszonen entlang der Flüsse geprägten Gebiet zwischen Isar und Amper, am Übergang zum tertiären Hügelland, führte schließlich auch zu überregionalen bzw. internationalen Forschungsvorhaben.“ Siehe dazu Heiner Schwarzberg „Eine Flasche mit Gesichtsmotiv der ältesten Linearbandkeramik aus Niederhummel, Lkr. Freising“ in „Sonderdruck aus „Bayerische Vorgeschichtsblätter“, 79, 2014 - Dass es sich bei den hier gezeigten Darstellungen auf den keramischen Beifunden um sinnlos-spielerische Zierformen handeln hönnte, ist kaum anzunehmen. Immer wieder erscheinen Spiralformen, bis in die Bronzezeit hinein, wo sie dann eindeutig solaren Vorstellungsmustern zugeordnet werden können. Aus dem linienbandkeramischen Brunnen von Schkeuditz-Altscherbitz / Kr. Nordsachsen wurde ein Gefäß geborgen, mit Intarsien-Verzierungen aus Rindenstreifen und Pech; Zeitstellung: 4.100 v.0. Auf ihm sind Spiralmuster und Algiz-Runen-förmige Sinnzeichen aufgebracht. Die gleichen gespiegelten Hakenzeichen, wie sie der Kumpf aus Niederhummel zeigt (siehe Abb. Kumpf re.), finden sich auf der „Kalender-Trommel von Hornsömmern“ der spätneolithischen Walternienburg-Bernburger Kultur (3.200 bis 2.800 v.0). Das Krummstab-Zeichen des möglicherweise Hirtenstabes ist auf dem großen Kultstein vom jungsteinzeitlichen bretonischen Megalithgrab von Locmariaquer vielfach abgebildet (4.300 v.0). Er ist als hethitischer Herrscherstab bekannt, auch bei Assyrern hatte er seine Gültigkeit, ebenso bei Etruskern und Römern als Augurstab, bis hin zum christlichen Bischofsstab. Wir müssen davon ausgehen, dass schon die frühesten Bandkeramiker einen Symbolzeichenfundus besaßen.