02.11.2022

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Seit vielen Jahren benutze ich den Gottesbegriff WODIN für unseren germanisch-deutschen Geist-Seelengott Wodan-Odin. Manche meiner Leser hielten das für so eine Art Marotte. Nun stieß ich auf den 1962 entdeckten Fund des schwedischen bzw. protogermanischen Runensteins von Strängnäs, welcher exakt diese Lautfolge aufweist. Man liest dazu u.a.:

Der Strängnäs-Stein (schwedisch: Strängnässtenen) oder die Runeninschrift Sö Fv2011;307 (ehemals Sö ALLHSÖDERM;77) ist ein Stein, der mit Runen beschriftet ist, die in Proto-Nordisch mit dem Ur-Futhark-Alphabet geschrieben sind. Es wurde 1962 entdeckt, als in einem Haus in der Klostergatan 4 in Strängnäs, Schweden, ein Ofen abgerissen wurde. Der Stein ist aus jotnischem Sandstein und misst 21 Zentimeter (8,3 Zoll ) in der Länge, 13 Zentimeter (5,1 Zoll ) in der Breite und 7,5 Zentimeter (3,0 Zoll ) in der Dicke.

Die rechtsbeginnende (linksläufige) Inschrift besteht aus nur zwei Wörtern, die beide im Studium der germanischen Sprachen bemerkenswert sind - Erilaʀ und Wodinʀ - die einen so mythischen Charakter haben, dass die Echtheit des Steins oft in Frage gestellt wurde. Das erste Wort wird mit dem der Heruls, einem germanischen Stamm mit traditioneller Heimat in Skandinavien, und mit dem Titel Jarl und seiner angelsächsischen Form Earl verglichen. Das zweite Wort ist eine späte proto-nordische und ansonsten unbezeugte Form von Odin, einer Gottheit in der germanischen Mythologie.

Trotz des internationalen Interesses prominenter Wissenschaftler auf diesem Gebiet dauerte es 49 Jahre, bis der Stein von Runologen offiziell beschrieben wurde. Eine Studie aus dem Jahr 2011 stellt fest, dass die schlechte Dokumentation der Entdeckung der Inschrift Unsicherheit über ihre Authentizität schafft, aber vier unabhängige geologische und technische Analysen belegen, dass es sich neben sprachlicher und runologischer Unterstützung um eine authentische proto-nordische Inschrift handelt.

Das erste Wort wird mit dem der Heruls, einem germanischen Stamm mit traditioneller Heimat in Skandinavien, und mit dem Titel Jarl und seiner angelsächsischen Form Earl verglichen. Das zweite Wort ist eine späte proto-nordische und ansonsten unbezeugte Form von Odin, einer Gottheit in der germanischen Mythologie.

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Wodinʀ

Das proto-nordische Morphem *wōð - (von PIE *wāt -), ist der Ursprung des EIGENEN u-Stamms óðr, der als Adjektiv mit der Bedeutung „wütend", „wild" und „besessen" und als Substantiv im Sinne verwendet wird „Geist", „Gedanke", „Poesie" und „Gedicht", und zu diesem Morphem gehört auch der Name des nordischen Gottes Óðinn. Das germanische Morphem *wōð - hat verschiedene Ableitungen, die mit n-Suffixen gebildet werden, dh das Suffix - ana - in Óðinn und die Variante - ina - im mittelenglischen Wednesdei (mit i- Umlauten ō gt; ē). Historisch gesehen würde wodinʀ ein relativ spätes Stadium des Proto-Nordischen mit Synkope des letzten Vokals darstellen, um mit der Inschrift hAriwolafʀ auf dem Stentoften Runenstein und hAerAmAlAusʀ auf dem Björketorp Runenstein zu vergleichen. Die PN *wōðu – findet sich im männlichen Vornamen Wōðurīðaʀ in der Dativform wodurid (mit i-Stamm-Ableitung) auf dem Tune-Stein und mit dem Präfix un- in unwodi͡ʀ auf der Gårdlösa- Fibel, was „nicht toben“ bedeuten würde. Der Grund, warum der nordische Gott in der altisländischen Literatur sowohl Óðinn als auch Óðr genannt wurde, liegt möglicherweise daran, dass Óðr eine ältere Version des Gottes darstellt. Die theonym Óðinn ist unattested in runestone Inschriften mit dem Ur-Oding-Futhark, scheint aber in Form Wodan auf der Nordendorf I Fibel aus der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts, und auf dem Ribe Schädelfragment von c. 725. Wodinʀ in der Inschrift kann eine Formation mit dem Suffix - na - (PIE - no -) sein, dh - ana -, - na - oder - ína -, und bei all diesen drei alternativen Varianten kann die Synkopierung zur Form wodinʀ führen. Die Verwendung eines langen Vokals vor dem letzten Suffix kann dazu gedient haben, die Ableitung von der Wurzel *wōðuz zu distanzieren. Im Protogermanischen diente das Suffix - na - dazu, Adjektive zu bilden, die Zustand und Art bezeichneten. Später entwickelte sich die Bedeutung „von einer bestimmten Art" zu „Neigung" und „Talent", wie ON heppinn („Glück") von happ („Glück"). Folglich ist es möglich, dass der Mann, der die Inschrift verfasste, sich selbst den „Eril mit der Begabung zum (göttlichen?) Besitz“ (ON øðinn) nannte. Dies kann mit anderen Wörtern verglichen werden, die von øð - abgeleitet sind, wie øðifullr („verrückt") und øðimaðr („Mann mit Temperament").

Die Fachautoren Andreas Rau und Robert Nedoma schreiben dazu in „Eine Herstellerinschrift in Zierrunen auf einem Holzschaft aus dem Moor von Nyda“, S. 73 (DIE SPRACHE, 50,1 (2012/2013), 63–82): Die Autoren deuten wodinz (= Wōdinr) m. allerdings als einen Personennamen (Gustavson / Swantesson 2011, 310) - ist aber wirklich mit Polysemie Theonym vs. Anthroponym (‘Nachbenennungsname’ oder Beiname ‘Wütender, Besessener o.ä.’) zu rechnen? Gustavson / Swantesson bringen jedenfalls keine weiteren Belege für eine derartige, aus pragmalinguistischer (genauer: pragmaonomastischer) Sicht ziemlich extravagante Personennamenwahl aus heidnischer Zeit bei; soweit ich sehe, fehlt es auch tatsächlich an Evidenz für derlei Ambiguitäten. Freilich bleibt die Funktion der Inschrift von Strängnäs, in Sonderheit die Beziehung von Runenmeister und Gott, auch aufgrund der Unvollständigkeit des runenepigraphischen Textes offen. – Zur Etymologie des Odin-Namens (urgerm. *Wōdu-na-z → *Wōdanaz → urn. *Wōdinaz, aisl. Óðinn) s. vor allem Schaffner 2002, 185 ff. (mit Lit.)

Zum Fundort

Strängnäs (deutsch Stregnes) ist eine Stadt in der schwedischen Provinz Södermanlands län und der historischen Provinz Södermanland. Sie ist Hauptort der gleichnamigen Gemeinde. Etwa um das Jahr 1080 kam der „Heilige Eskil" in den Ort und versuchte, ein heidnisches Opferfest zu verhindern. Daraufhin wurde er von den empörten Einheimischen gesteinigt. Auf dem ehemaligen Opferplatz liegt heute der Dom zu Strängnäs. Im Jahre 1120 wurde Strängnäs als Stringines zum ersten Mal als Bischofssitz erwähnt. 1275 wurde sie Strengines geschrieben. Die Nachsilbe -näs (Nase) bezieht sich auf die Landzunge, die in den Mälaren hineinreicht und auf der sich die ältesten Teile der Stadt befinden. Etwa um 1280 entstand die erste Kirche aus Stein. Ungefähr 20 Jahre zuvor hatte sich ein Dominikanerkloster im Zentrum des Ortes eingenistet. Im Jahre 1336 erhielt Strängnäs die Stadtrechte.