Kornernte in Steinzeittagen
 
ZEITRAUM DER RUNE
 
Wenn Sommerwinde durch‘s Kornfeld wehen,
Getreidewellen auf- und niedergehen,
dann schaute der Bauer darüber hin,
und der Herrgott stand ihm tief im Sinn.
 
Gewiss ist es so, wie die Alten sagen:
Im Gewitter rasselt auf rasendem Wagen
mit wildem, wirbelndem Böckegespann
Herr‘ Donar bei Sturm und Donner heran.
 
Und wenn er schüttelt sein Bartgelock’
da fährt der Funke, ein springender Bock,
ein Rammbock mit glühendem Hörnerkopf
und flammenzuckendem Zottelzopf.
 
Doch wie der grollende Herr auch wettert,
sein bockender Blitz die Trolle zerschmettert,
so ist der Gott auch der große Beleber, -
aller Fruchtbarkeiten gewaltiger Geber.
 
Er steht in des Jahres Morgenstunde
als Himmelbock in der Sternenrunde.
Als Julbock bringt er die Weihnachtsgaben,
an denen sich nordische Kinder laben.
Er ist der Faselbock, der Leben erweckt,
dass wieder und wieder zum Licht sich reckt.
 
Solche Bilder hat wohl der Bauer gekannt,
wenn er so sinnend am Fruchtfeld stand.
Wie doch der Wind die Büschel verdreht,
ob der göttliche Geist durch die Halme geht
Der gute Geistbock, ein hilfreicher braver,
er reifet das Korn, den Roggen, den Hafer.
 
Der Haberbock, den der Volksmund kennt,
der beim Windessäuseln im Hafer rennt,
ist erschaffender göttlicher Wachstumsgeist,
den der Bauer Genote und Freund-Gott heißt.
 
Bocksopfer, welches dem Donar galt, -
gleicht die Gabe doch göttlicher Heilsgestalt, -
mit goldenen Hörnern, festlich geschmückt,
hat zur Kornerntezeit aller Herzen entzückt.
 
Germanen der Bronzezeit
 
Das Getreide glastet im goldenen Glanz,
nun lädt es die scharfen Sicheln zum Tanz.
Schwer hängen Halme um Halme die Ähren,
da darf sich der Schnitter Fleiß bewähren.
Vom Ackerrain blicken aus braunen Krumen,
wie Kinderaugen, die blauen Blumen.
Aus Äckern erwächst den Enkeln das Brot,
auf den Feldern finden die Väter den Tod.
Und überall dort, wo ein Vater fiel,
da wachsen der blutigen Rosen so viel.
Den Mohn hat, wie rote Tropfen im Feld,
der Herrgott über die Gräber gestellt.
Nach Reife ringt jedes rechte Leben,
zur Spitze sputet sich sprossendes Streben.
Jede Vollendung mag sich verschwenden,
gesättigte Reife will sich beenden.
Leben ohne Opfer ist ohne Sinn,
Leben gibt sich als Opfer für Leben hin !
Nach jedem Erlöschen wird es hell,
aus jedem Verrinnen erwacht ein Quell;
aus jedem Fall strebt ein Auferstehen,
das Junge wächst aus altem Vergehen.
Gibt sich Leben hin zum Wiedererwachen,
schwingt auch im Sterben ein Kinderlachen.
 
Die Ernte ist auf, - die Sensen singen,
sie sollen den Segen der Sonne erbringen.
Nach Hause schaukeln die wuchtigen Wagen,
auf denen die goldenen Garben ragen.
Vergessen sind Not, Gefahr und Gebrest,
die Kornernte ist ein einziges Fest.
 
Die Herzen dehnen sich weit im Dank;
kleinliche Klage und zerrender Zank,
sie müssen schweigen, sie werden gemieden,
jetzt herrscht der einende Ernte-Frieden.
 
Der Ernte-Frieden ist Donars Gebot.
Er ist der Schirmherr des „Aranmanoth“.
Die siebzehnte Rune meint ihn, die Acht;
er brachte die wonnige Erntepracht.
 
Im Bewusstsein des Bauern gibt es nur
eine einzige Zeit auf der Jahresuhr,
worin er die „Rune der Wonne“ verstünde.
Das gab dem Geist der Runen die Gründe.
Was der Himmel in Güte gewähren soll,
ist die Zeit an gewaltigen Gaben voll.
 
Zeigte Gottheit sich jeweils im Zeitenbild,
dann glänzte nie breiter ihr goldener Schild;
jetzt wäre sie wahrlich der Wulðuz geworden,
sie tanzte bei herrlichen, vollen Akkorden,
sie häuft‘ ja die Habe zum Jahreshort,
so wäre doch Wucher wie Wohlstand ihr Wort,
welches passen würde zur Erntefrist
und trefflich die siebzehnte Rune ermisst.
 
Wenn WULÞUZ in WONNE und WUCHER wohnt,
zum Kornschnitt steht er im Neuen Mond;
wachsen mag wieder die wonnige Weide,
erneut muss sich füllen das Feld mit Getreide.
 
Drum will es der „Vater der Ernte“ beschwören,
der „Neumond der Fülle“ soll ihm gehören.
Die Kornernte nimmt ihm die goldene Tracht,
so wie der Mond wachse wieder die Pracht.
 
Wohlwollender wirket die Gottheit nie,
das errät auch die Runen-Philosophie.
Der Runenstab zeigt Allvaters Besuch,
das franke, frohe, frei flatternde Tuch.
Die Herren-Standarten, Wimpel und Fahnen
sind Herrschaftszeichen des hohen Ahnen.
 
Der Altvater, Urgott, der „Hohe Ahn“,
gleicht „Gullinkambi“, dem goldroten Hahn.
So wie er im Wipfel des Weltbaumes späht,
er heut‘ noch auf „heiligen“ Türmen steht.
 
Der „Hohe Hahn“ als wähliger Gottesgeist,
wie ein wirkendes Wesen im Korne kreist.
Das fordert, fördert das Wachsen der Ähren,
will sie mit goldroter Reife beschweren.
 
So wurde ein Mahnmal der Gottesmacht,
der Erntehahn, über der Mahd gedacht.
Nach dem letzten Hieb in den Sicheltagen
hat man das Hahnen-Opfer geschlagen.
Mit Bitte und Hoffnung auf weitere Mehrung,
tirmiger Gottheit tief sinnige Ehrung.
 
Ein einziger Busch blieb im Acker zurück,
geweiht dem „unsterblichen“ Ernteglück.
Mit Bändern geschmückt, mit Blumen bekränzt,
von Knechten und Mägden lachend umtanzt,
prangte der bunte „Vergodendelstruss“,
ein Gottesgedenken, ein dankbarer Gruß.
 
Thunar/Tiu, der hehre, beherrschet die Sonne,
bewilligt die Ernte, des Jahres Wonne.
Im Aust-Mond, seiner zierendsten Zeit,
wahrt er den Kalender in Heiligkeit.
 
Da hält er Jahrtausende würdige Wacht.
Wer hätte vom schnöden Kalender gedacht,
dass er so treulich ein Andenken wahrt,
fast ohne Verfälschung der Eigenart:
 
Donar als Donatus, mit seinen Zeichen,
ganz ohne Zweifel, man meinte die Gleichen;
mit Blitzesstrahl- und Sonn‘rad-Symbol
und Hagel-abwehrenden Kräften gleichwohl.
 
Nun erlugte ein neunmalkluger Luchs,
oder war es mehr ein verschlagener Fuchs ?
dass „donatio“ Geschenk und Gabe heißt
und deshalb rein gar nichts auf Donar weist.
 
Bei soviel salbadernder Spinnerei,
da steht uns wohl ein Feixen frei.
Als wäre Thor/Donar, der Ernte-Urheber,
nicht der Beschenker, der gütigste Geber.
 
Die Echtheit der alten Kalendergestalt,
die dem Gedenken an Donar galt,
wird zusätzlich nochmals erwiesen
durch Olaf, den die Schweden priesen.
Den beilbewehrten Thor-Ersatz;
er thront im gleichen Zeitenplatz.
 
Neben  Donar/Thor, dem Himmelskönig,
nur um drei Tage versetzt ein wenig,
steht die andere große Gottesgestalt,
der „Waltende Ase“, verkürzt zu Oswald.
Seine Symbole sind Ring und Raben;
so ist‘s über alle Zweifel erhaben,
dass dies ein Gedenktag des Wodan war,
das macht der Kalender ganz fraglos klar.
 
Die gleiche Run‘zeit ist hier gemeint,
Donar und Wodan, sie walten vereint.
Der Run‘-Meister meinte wohl Donar allein; -
später sollte auch Wodan Erntegott sein.
 
Sein Wort ward bei der Ernte genannt
als „Wud - Waul - Wol - Wodel“ war es bekannt.
Es ist noch nicht gar zu lange dahin,
da verehrten ihn Bauer wie Bäuerin.
 
Es ehrten die Mäher, damit keiner darbe,
„Waulroggen“, „Waulstab“ und „Wodelgarbe“.
Sie zogen die Hüte und sprachen den Reim, -
sie hofften auf Wodan so insgeheim:
 
„Woden, Woden, Woden, du treuer Genoss,
nimm diese Gabe für dich und dein Ross,
sieh nur, sie ist voller Distel und Dorn,
gib uns im nächsten Jahr besser Korn !“
 
 
Die Weihewaffe Donars, der Doppelhammer,
erkieste hier Jubel, dort aber Jammer.
Die Trolle und Joten zermalmt‘ seine Macht,
den Landsassen hat er nur Segen gebracht.
 
Doch der neue Glaube hat Grauses gelehrt,
es wurde der Thunar zum Teufel verkehrt.
Sie stellten den Gott in scheußlichsten Schein,
nannten hämisch ihn „Meister Hämmerlein“.
 
Natürlich galt Donar, als Weltenschmied,
davon sang und klang manch‘ nordisches Lied.
Es schützte sein Hammer die Heimat vor Harm,
die Menschen vertrauten dem mächtigen Arm.
 
Die Unholde hat er nach unten gerungen,
sein Lichtblitz hat Loke, die Lüge, bezwungen.
In Ketten geschlagen liegt nun der Lärmer,
doch flattern noch allerlei finstere Schwärmer.
 
Die fingern mit Feilen, die Fesseln zu lösen,
den Bösen vom bindenden Bann zu entblößen.
Wenn das Leuchten erlahmt, die Nacht sich längt,
ist zu fürchten, dass Loke die Ketten sprengt.
 
Dann soll der schirmende Schmiedegott schalten,
ein paar Schlage tun, dass die Ketten halten.
Und Schmiedegesell‘n in germanischen Gauen,
die treu ihrem Herren und Meister vertrauen,
die woll‘n, dass unlösbar der Lügenleib läge,
klopfen dem Amboss drei kalte Schläge.
 
Was der waltende Vater dort droben erwogen,
hat in Mitgard das Menschenkind nachvollzogen.
Zu den Daten, da man an Donar dachte,
der Altglauben ihm eine Ehrung erbrachte,
diese Zeiten verzerrte man ohne Zagen
nach dem Glaubensumbruch zu „Unglückstagen“.
 
Nun feiert die fröhliche „Sichelhenke“,
setzt euch gemeinsam an lange Bänke,
mit „Wodelbier“ zum Ernteschmaus
klingt die wonnige Ernte aus.