ZEITRAUM DER RUNE
 
  
 „Disarblot“ von August Malmström
 
Das achtundzwanzigste Runen-Haus,
ein Geheimnis äugt zu den Fenstern hinaus.
Die Zahlen verraten, was sich hier birgt,
wer in diesem Hause wohnt und wirkt:
vier-endig die Erde, vier-phasig der Mond,
ein Geschwisterpaar in der Rune thront.
Nie hat man es anders geschaut und gekannt,
die Mond- und Erdmütter schienen verwandt.
Die Vier meint Mond- wie Mutterkraft,
die Gewalt, welche irdische Wesen erschafft.
 
Wenn sich vier Elemente zusammenweben,
erwirken die Ur-Sachen stoffliches Leben.
Was die Mond-Macht fest in den Händen hält,
ist dies stoffliche Leben unserer Welt.
Mit einer Hand mag sie fördern und geben,
mit der anderen aber dämpfen und nehmen.
Ihr Auge schaut nieder, so mildtätig-glau,
sie sendet den Gärten erquickenden Tau.
Alle Wasser obliegen doch ihrer Hut,
sie saugt die Ebben und peitscht die Flut.
Sie lässt das Feuchte fallen und steigen,
sie zwingt die Körper in ihren Reigen.
Vier Säfte durchrinnen Adern und Zellen,
die Mondkraft lässt sie versiegen und quellen.
Und auch jener „besondere“ Lebenssaft
unterwirft sich des Mondes Meisterschaft.
Die setzt das Maß, sie bestimmt die Zeit,
sie regelt der Weiber „Pünktlichkeit“.
Die Achtundzwanzig, - des Mondes Zahl,
es währen die Wechsel nach seiner Wahl.
Er ordnet die Wochen nach seinen Gesetzen,
Jahrtausende wagten es nicht zu verletzen.
Er geht vier-gesichtig im Siebener-Schritt.
so zieht er die Wochen und Monate mit.
 
Achtundzwanzig mal dreizehn ergibt beinah‘
unser richtiges, rundes Sonnenjahr.
War schon nordischen Gruppen zur Bronzezeit
eine solche Zeitwährung Jahresgeleit ?
Der Mond braucht fast achtundzwanzig Tage,
dann weilt er in gleicher Sternenlage.
Er ist der Grund für die Ehrung der Sieben,
hat er doch das Wochenmaß vorgeschrieben.
Die Planetengötter hat man dazugesellt,
nach Wandelsternen ist keine Woche erstellt.
Die Vier und Sieben gehör‘n seiner Regel,
sie steh‘n auf des Weltenbaumeisters Pegel.
In achtundzwanzig Tagen wandert er rund,
erwacht von den Toten und wird gesund.
Um neuerlich magernd, leidend zu sterben,
für Kreislaufgesetze des Lebens zu werben.
Macht er es nicht vor, im Körperkleid,
dieser Magier der Unvergänglichkeit ?
Er gebiert sich selbst nach jedem Vergehen,
nur so mag sein ewiges Leben bestehen.
In des Schlafes Ruhe ist Kraft zu gewinnen,
aus Totenrast steiget das neue Beginnen.
 
Der wandelnde Wandler, der Wiederkehrer,
der hehre, heilige Hoffnungsgewährer,
er hebt sich hervor aus Grabesschlucht,
er fördert sich selbst, - ist Mutter und Frucht;
er gebieret sich und hilft beim Gebären,
der Vollmond mag die Geburten vermehren.
Doch sendet er seine sehrenden Strahlen,
die Unsterne über das Leben malen,
dann erwirkt seine widrige, böse Glut
ein garendes Mondkalb, die Spottgeburt.
Dann wächst kein erwachendes Kind herfür,
dann ballt sich ein missliches Todesgeschwür.
 
So vermag er zu schaden sowie zu schützen,
vernichten kann er und aber auch nützen.
Drum ist es vonnöten, ihn recht zu erkennen,
ihn lobend mit all seinen Namen zu nennen.
Wer möchte der Mondmacht die Ehre erzeigen,
achtundzwanzig Titel heißt sie ihr eigen.
Wer will sie mit Zauberwerken beschwören,
kennt er denn die Stätten, die ihr gehören ?
Er muss die Orte wissen, wo sie verweilt,
wenn ihr Körper rund um den Himmel eilt.
In hohen Sternhäusern pflegt sie zu wohnen,
in den achtundzwanzig Mondstationen.
„Mond“ kommt von „me“, das Maß, der Messer,
kein Zeitzeiger erschien in Urzeiten besser.
Das Produkt der Zeitzahlen Vier und Sieben
hat er sich selbst auf den Leib geschrieben.
Danach pendeln kleine und große Perioden
auf himmlischen Wiesen und irdischem Boden.
Achtundzwanzig, das Zeit-, Mond-, Mutter-Mal,
birgt als Kern, als Seele, die nämliche Zahl.
Die mütterliche Sieben liegt doch zugrunde,
achtundzwanzig gebiert sie aus eigenem Munde.
Dies ist Summe der Sieben mit selbigem Sinn,
der gebärende Anfang zeigt sich darin.
 
Aus dem achtundzwanzigsten Runen-Haus
äugt das Geheimnis der Mütter heraus.
Der Mond geht silbern über den Giebel,
mit Lichtfäden webet er Freuden und Übel,
er spinnet die Zeit und der Zeiten Geschick,
er knotet darein die Not und das Glück.
Oder sind‘s die Mütter, die Mondfäden halten,
die am Welten-Webstuhl das Schicksal walten ?
Diese Rune vereint das Gebärende,
das Ewige - Weibliche - Währende;
sie spricht von Quellen lebendigen Strebens,
sie spricht von der Auferstehung des Lebens.
 
Leben ersteht aus Lichtgeistes Samen,
unwichtig sind die verschiedenen Namen;
er ist nicht die Sonne, - kein glühender Ball,
seine Funkenkräfte sind all -überall.
Aber sein Wesen, für menschliche Augen -
die allein für Welten der Körper taugen -
ist nur zu begreifen in brennenden Sonnen,
dort scheinen die Lebenskeime gesponnen,
die der Lichtgeist hinab zu den Müttern trägt
und behutsam in deren Sorgfalt legt.
 
Das ahnten die Weisen der Frühzeit schon:
Der Mond ist nur eine Zwischenstation.
Zwar galt er als Sitz der seligen Geister,
der Sonnengeist aber ist letztlicher Meister.
Im Mond werden Lichtsamen vorbereitet
und schließlich zur Erde weitergeleitet.
Ist dann einmal die irdische Fahrt beendet,
zum Mond werden selige Seelen gesendet.
Dort wollen willige Lichtgeister-Scharen
ihre Läuterungen vom Körper erfahren.
Und werden am End‘ als gereinigte Funken
vom sonnigen Urgeist zurückgetrunken.
 
So steht immer die Sonne dem Monde voran,
galten sie doch als ein Urzeit-Gespann,
und keinerlei Widersprüche klaffen,
die Sonne galt vor dem Monde geschaffen.
So besingt die Urzeit der „Seherin Gesicht“:
 
„Die Sonne wusst‘ ihre Wohnung noch nicht.“
Und dann erst sagt dieser eddische Sang:
„Der Mond kannte weder Macht noch Gang.“
 
Auch der die Runen zur Reihe schrieb,
achtete dieses Welt -Entstehungsprinzip.
 
Die Runen-Zahl kann uns Erklärung geben,
sie weist auf „Mond - Mutter Ewiges Leben“.
Zwar fugt sich die Runen-Benennung darein,
doch das will ein mächt‘ges Mirakel sein.
Das Runen-Geheimnis, es mochte verhehlen,
das will sich selbst die Adepten erwählen
Die Schar der Profanen auf off‘nen Gassen,
die sollten das Heil nicht betatschen, befassen.
Was da unter die „Viel-zu-vielen“ fällt,
ist bald abgegriffen, verzerrt und entstellt
So lasst uns die Heilige Lehre beschützen,
wahrhaftigen Gottsuchern wird es nur nützen.
Die Erwählten aber, trotz aller Gefahren,
die fanden die Wahrheit nach tausend Jahren
Doch wen Gott mit Erblindung schlagen mag,
stunde mitten im Licht und sieht keinen Tag
 
So vielschichtig, wie diese Runen-Erkennung,
ist gerade auch ihre Kenning-Benennung.
Wie loben die Runen die launische Luna.
Lauch - Lache - Lein oder „lauka - lagu - lina“.
All diese Begriffe blieben erhalten,
so fehlen wir nicht im Verstehen der Alten.
Wie die Formeln mit Leben zu füllen sind,
das ähnelt den Schritten durch‘s Labyrinth.
Wer Mond-Mythenbilder begreifen versucht,
hat oft schon solches Beginnen verflucht.
Ist der Mond doch wahrhaft ein Schaukler,
ein Schelmenkopf und ein Gaukler.
Die Mondin ist wahrlich ein Wankel-Weib,
will necken und narren zum Zeitvertreib.
Zumindest im Spiegel der Literatur
scheint unentwirrbar des Mondes Spur.
Trägt nicht jede Göttin lunare Aspekte ?!
Sind Weisheits-Götter ja Mondlicht-Erweckte !
 
Ist uns sein mildes Bild nicht vertraut ?
Hat‘s uns vor ihm nicht auch schon gegraut ?
Sein Leuchten mag uns entrücken, erlösen.
Blinzelt er nicht, wie das Auge des Bösen ?!
Was plätscherte nur durch Singen und Sagen,
wo liegt ernsthafte Antwort auf tiefe Fragen ?
Der Runengeist gab uns das „rote Band“,
nun gleitet es führend durch unsere Hand:
 
Die Rune LAUCH birgt zwiefache Deutung,
der Lebens-Schlange unendliche Häutung,
des Lebens-Krautes Unsterblichkeitswaffen,
die unlöschbar fortlebend nimmer erschlaffen.
Das Runenwort „lauka“ heißt „Lebenskraut“,
von „lagu“, der „Lauge des Lebens“, betaut.
Lauka meint „allium“, die Gesundungspflanze.
Lauka meint „Kraut“, das Heilkräuter-Ganze,
die hilfreichen Kräuter, ganz allgemein,
all das soll Bedeutung der Rune sein.
Zuletzt laufen drei Begriffe zusammen,
die dem einzigen-einen Gedanken entstammen.
Dieser Grundgedanke heißt „Ewiges Leben“,
die Gleichnisse wollen ein Bild davon geben.
 
Die „Ewige Lohe“ - des Mondes Licht,
das leuchtend auflebt und wieder erlischt
und wieder und wieder auf‘s Neue brennt,
das Geheimnis der ewigen Wiederkehr kennt,
es ringt sich im runischen Bilderreigen,
mag sich in manchen Umschreibungen zeigen
und weist doch allein auf das Eine hin:
auf den nunmehr erwachenden Lebenssinn !
 
Dem Gilgamesch wurde das Wissen vertraut,
auf des Wassers Grunde wächst Lebenskraut.
Er tauchte hinab, - er hob es an‘s Licht,
doch vom Fluche des Todes genas er nicht.
Die listige Schlange hatt‘ es verschlungen,
so ist die Unsterblichkeitssuche verklungen.
 
Dieses Epos zeigt schon die Bildelemente,
von denen der Mythos sich nimmer trennte:
Leib- Leben- Lache- Lauch und Linn wie Lint
lagern sämtlich im Lebens-Labyrinth.
Ist doch die Schlange, der Lindwurm, der liegt,
der sich um Jungfrau und Schätze biegt.
Wer die Jungfrau, die Lebensmutter, besitzt
und die wahren Schätze der Erde nützt,
der hält Lebenswasser und -kraut in Händen,
dem wird verjüngende „Häutung“ nicht enden.
Wird uns alte Logik doch wieder vertraut,
„lagu - lauka“, - gesundes Wasser und Kraut,
giftfreie Mitwelt, - natürliche Nahrung,-
so lautet die ewige neue Erfahrung,
sind nützlich und nötig der Daseinserhaltung,
sind unverzichtbar zur Lebensentfaltung !
 
Die Rune heißt LAGU, das Wasser, das tauge,
Tau, Regen, die Lache, die Lebens-Lauge.
Die Taufe, die Tunke aus himmlischem Sitz,
aus Wolken heraus schlägt Wasser der Blitz.
 
Lebendige, Fruchtbarkeit bringende Wasser,
so sagte sich nicht nur der Runen-Verfasser,
fallen segnend herab aus er Himmels-Traufe;
die Rune ist Sinnbild der Jahres-Taufe.
Denn sie steht am Eingang, - am Jahres-Tor,
das Feuer der Höhe schlägt LAGU hervor.
Ganz deutlich zeigt das Gewitter-Geschehen:
„Wasser“ muss hinter dem „Feuer“ stehen.
 
Der MOND galt selbst als Mächtiger, Nasser;
die Mondin als Mutter der Meere und Wasser.
Ist nicht gefüllt wie ein schwangerer Bauch
der Vollmond vom „Wasser des Lebens“ auch ?!
Einer Schale gleicht er - so ward es gelehrt;
einer Schale, welche sich füllet und leert,
einer großen Lache, einem „lake“, einem See
Er zeigt sich als Urgrund der trauten Idee,
die Kindlein zu finden in Bächen und Bronnen;
aus dem Brunnen der Urd wird Leben gewonnen
Aus Wassergruben, aus Weihern und Teichen
soll der Od-bero, Seelen-Bringer, sie reichen.
Wohl muss es Störchen und Schwänen gelingen,
die Seelen aus Seen den Müttern zubringen.
Wie kommt‘s, dass der Vogel die Seelen erkennt.
Sind doch Wasser und Sümpfe sein Element!
Er gründelt im Feuchten, ist weiß und fein;
er kann die Ungebor‘nen „befrei‘n“.
 
Der Mond ist Weltmutters Hochsitz und Sessel,
ist ihr Seelen-See und ihr Kinder-Kessel,
ist wahrer Gral, aus dem Lebenskraft quillt,
sich ewig erneuernd mit Leben füllt.
Das Mondlicht fließt aus dem Lebens-Gral,
mit dem Mond-Tau fahren die Seelen zu Tal.
Denn nach Welt-, Werde- und Wandel-Gesetzen
muss der Mond Hauch-Feuer-Seelen benetzen
Nur so geht das Leben in Leiber hinein,
nur so belebt sich der Erden Gebein
So hat man gedacht, - hat man‘s ersonnen,
dass im Mondkessel Feuer zu Wasser geronnen,
dass aus „Seelen-Licht“ „lichte Feuchte“ ward,
denn Seelen sind letztlich von solcher Art.
Aus leuchtender LUNE läuft Lebens-Laf,
so lautet der Sinn, der die „L“-Rune traf !
Beim „Urdabronnen“, - an heiligsten Stätten,
im Monde hausen die Mütter, die Metten,
die den Menschen redliches Maß zumessen,
dies ward nur im „messenden Monde“ besessen.
Schicksaismütter schöpfen Menschengeschick,
aus der Urd-Quelle heben sie Unheil und Glück.
Sie übergießen Menschen mit Segen und Fluch,
so sagte uns nicht nur das Märchenbuch:
Frau Hohe im Brunnen ist gram oder hold,
sie strafet mit Pech oder lohnet mit Gold.
Gach fällt das Geschick über Menschen herein,
so müssen die Feen auch „Gachschepfen“ sein.
Der Geschöpfe Geschick wird also geschöpft,
sämtliches Sein scheint vom Monde geschröpft.
Der maßgebende, magische Schicksaismeister,
ein rühriger Wanderer, - ein weitestgereister,
der über die Länder und Meere fährt,
in sternigen Ruhen zur Rast einkehrt,
sich schwer mit Weisheit der Seelen belädt,
der Glanzsterne Runen am Himmel errät,
er gleicht der Welt-Mutter, dem Welten-Vater,
der trefflichste, tiefeste, rascheste Rater.
Im Mond ward die Quelle der Weisheit geglaubt,
in ihm liegt ein Quellenhaupt - „Mimirs Haupt“.
Vielmeinender Mahner, der Mimir, der Mond,
den 0din mit „lina und lauka“ geschont,
den er mit Zauber und Kräutern durchtränkte,
den er unsterblich der Ewigkeit schenkte.
Der Brunnen Mimirs, die Quelle der Quellen,
mag raunend die Rätsel und Runen erhellen.
Alle Erdquellen wispern nach seiner Weise,
dem Urquell im Monde zu Lob und zu Preise
Wer Mimirs Murmeln im Monde verstand,
der versteht alle Wasser im weiten Land.
 
Ein See liegt im Mond der seligen Seelen,
ein Born will vom Wissen der Welten erzahlen,
ein Wasser wallt unter Wurzeln hervor,
aus ihm schöpfen Nornen das Schicksal empor.
Zwei Schwäne kreisen auf schimmerndem Spiegel,
die Seelen geleiten zwei leuchtende Flügel.
Der Mythos meint doch des Mondes Quelle,
die eine, die ebbende - flutende Welle.
Im Monde umwachen die Mutter das Werden,
so wie im Himmel, so ist es auf Erden.
 
So wie Nornen den Born des Lebens umsteh‘n,
sie ordnend den Dienst am Gedeihen verseh‘n,
wie sie am wabernden Brunnen walten,
wie sie mit brodelnder Schöpfung schalten,
so steh‘n auf Erden die ehrwürd‘gen Frauen
an schäumenden Töpfen, das Leben zu brauen
Mit Leintuch gewischtem Mondtau im Sud,
mit Lina und Lauka und Erdenblut.
So musste sich Wasser des Lebens wohl runden,
so reifen die Tränklein zum raschen Gesunden,
wenn weise Frauen im Walletopf rühren,
unter Runen-Geraune den Löffel fuhren,
so folgen sie Mondes-Vorbild und -Fessel,
der Mond ist mächtigster Lebenstank-Kessel.
 
Die Rune meint LAUKA das heilende Kraut,
alles gute Gewächs der irdischen Braut.
In jeglichem jungen, beginnenden Jahr
wiederholt sich, was einstens in Urzeiten war,
in der gleichen Reihenfolge des Werdens,
und es endet in gleicher Folge des Sterbens.
Die Zeitstrecken laufen, ob Tag, Jahr, Äon,
nach der einmal gesetzten Ur-Proportion.
Wie sang doch die eddische Völuspa
von der Genesis, die zu Anfang geschah:
 
„Als die Urzeiten aus den Urgründen zogen,
war nicht Sand noch See noch kalte Wogen,
die Erde war nicht, kein Himmel, kein Maß,
nur gähnender Grund und nirgends Gras.
Da lud göttliche Leistung die Lande empor
und festete Grund für den fruchtbaren Flor.
Der mächtige Mitgarten wurde gemacht;
die Sonne erschien in strahlender Pracht.
Der Wuchswille spürte den wärmenden Hauch,
da spross aus dem Boden der grünende Lauch.“
 
Von der Zeit, die der Vater der Runen sah,
bis zum Liede der Edda, der „Völuspa“,
vergingen gewisslich an tausend Jahre,
trotzdem erhielt sich das Alte, das Wahre:
Nach Werdung der Sonne erwuchs das Kraut,
so hat es germanischer Mythos geschaut.
 
Die Rune heißt LINA, das Leinen-Gewebe
Jenen Stoff, den Mutter und Mond uns gebe,
jenes Mondlicht -Gewebe leichtester Leiber,
den wirken am Webstuhl vielwissende Weiber.
Der Mond, der große Spinnrocken des Lebens,
er selbst ist Meister des Knüpfens und Webens.
Er fängt und er fasst das „Fasergut“
und führt es hinein in die Lebensflut.
Es fädelt die Mondfrau die Seelen-Faden,
sie faltet darein die Freuden und Schaden.
Im Mond sitzt die mächtige Spinnerin,
sie webt den Tod und den Lebensgewinn
Sie webt mit schwarzen und weißen Garnen,
in strafender Strenge und mildem Erbarmen.
 
Sie ist die Mutter der Mutter und Maiden,
sie kann die Faden verknoten - zerschneiden,
sie kann das Werg auf dem Wocken vergolden,
sie kann mit Sarg und mit Sorgen besolden.
Rührigen schenkt sie ein Rädlein zum Spinnen,
ihre Schützlinge wirken das weißeste Linnen.
Wess‘ Rädlein schnurret in kräftiger Ruh‘,
dem spinnet die Mondfrau ein Kindlein zu.
In Lein-Windeln wird es gewickelt, gewunden,
in Lein-Wat wird es erwachsen, gesunden,
im Leinenhemd wird der Leichnam liegen,
das Leilach wird seinen Leib umschmiegen.
Wieder haspelt die Mutter die Seele zurück,
aus dem Lebens-Gewebe ein Fadenstuck,
nach Hause zurück auf den Himmels-Karfunkel,
der Nachthimmels-Königin leuchtende Kunkel.
 
Auf Mondstrahlen gleiten die Seelen-Seile
wie Schlängelein, Lintlein, in stetiger Eile.
Sie winden sich auf, und sie wandern hinab,
hinein in die Wiegen - hinauf aus dem Grab.
So fahren über die schimmernden Schienen
wie lichte Leinen, die Seelen-„linen“.
Durch die „lina“, das „leinerne“ Seelen-„Band“,
sind Leiber verbunden mit Lichtmutters Hand
und verwandt, verwoben, nach ihrem Gesetz,
im lebendigen „lin“, dem Lebens-„Netz“.
 
Der Lebens- und Mondmutter helfen die Disen,
Nornen und Fylgjen - sie seien gepriesen
und all die Schicksals- und Seelengeister,
sie sahen im Mond ihren magischen Meister.
Die Weltmutter hält ihre Spindel in Händen,
den Seins-/Seelenfaden vermag sie zu spenden.
Ihre Töchter und Mitschwestern stehen bereit,
sie wirken am surrenden Webstuhl der Zeit,
und sämtliche Mütter der Mitgard-Welt
besorgen, nur dies: dass sich Leben erhält,
dass des Lebens Gewebe niemals zerreißt,
dass der Lebens-Faden, die -Leine, kreist;
auf der guten, alten, der Ewigen Bahn,
zwischen Spindel und Schere, nach Mutters Plan.
Nach FRIJAS, der Erd- und Mondmutter, Willen
soll sich der Faden ja strecken und drillen.
Sie, die das Dasein zuteilend bemisst,
heißt auch URDA, weil sie von Ur-Dasein ist,
weil sie das Ur-teil des Schicksals erteilt,
weil als WURD sie in allen Zeiten weilt
Drei Arbeiten schafft sie in einem Geschäft,
fest halt ihre Hand ihrer Werkzeuge Heft
Die Lebens-Leine spinnt ihre Lebens-Spindel,
dem vieltausendgesichtigen Welten-Kindel.
Das Lebens-Laken webt sie am Webegestell
mit Kette und Schuss, so sicher und schnell.
Und schließlich muss ihre Schere schneiden,-
zum Lebenskreislauf gehört auch das Scheiden
 
So gilt LEIN und Leben im Mythos verbunden,
mit Mond und mit Mutter mag er sich runden.
Drum ist Lein, ist Flachs eine „Frauenpflanze“,
zum „Frauentag“ drehten sich Frauen im Tanze,
damit der Flachs wachse, - das Lebenskraut,
haben Frauen ihm frei ihre Fuse geschaut.
Denn Fud und Flachs, die Fruchtbarkeitszeichen,
woll‘n sich als „Lebensbeförderer“ gleichen.
 
Es säte die Bäuerin mit eigener Hand
Leinsaat in kultischer Nacktheit ins Land,
unter sogenannten „schändlichen“ Worten,
wohl wechselten Sprüche bei Zeiten und Orten.
Der Fruchtbarkeitskult ist nicht zu verkennen,
drum wollen wir einen Flachsspruch benennen:
 
„Ich seh jetzunder meinen Lein
In das gedünckte Land hinein
Und wünsch’, dass er nicht eher blüh’,
Bis dass er mir reicht an die Knie.
Krieg auch nicht ein einzige Knott,
biß er mir geht biß an die Fott.“
 
Die Lune, das Leben, der Leib, der Lein
wollen fruchtbarkeitszaubernde Einheit sein.
 
Es war „LEIN UND LAUCH“ in der alten Zeit
ein Formelbegriff für die Fruchtbarkeit,
ein Segenswort für das Wachsen, Gedeihen;
mit ihm vollzog man die kultischen Weihen.
Wie sprach doch die nordische Bäuerin
zur Familien-Andacht im Fruchtbarkeits-Sinn:
 
„Heilig bist du, Völsi, du Zeugungs-Symbol,
gern ehren wir dich, der Werdung zum Wohl;
in Leinen gebettet, mit Lauchen erhalten,
so magst du unsterblich in Ewigkeit walten !“
 
Ein Rossstößel war das Objekt der Verehrung,
das Ross war ja Sinnbild der Allverehrung.
„Lina - Lauka“ heißt: „dauerndes Gedeihen,
stetes Wachstum möge uns Segen verleihen.“
So will sich der Sinn dieser Rune erhellen,
so muss er sich eng dem Monde gesellen;
denn mit Lein und Lauch wurde konserviert,
erhalten, bewahrt und weitergeführt.
Mit Luna - Lein - Lauch hat Leben Bestand,
der Mond ist der fruchtbare Ewigkeits-Garant.
 
Der Flachs oder Lein ist ein Frauenzeichen,
Lauch wollten Frauen zur Heilpflege reichen.
Mit Leinen und Lauchen lässt sich gut leimen
und dem Zauber der Luna, dem leisen, geheimen.
Lässt sich nicht leimen, lässt sich doch lindern,
mit Lauge und Leinen Verletzungen mindern.
Wasser, Tuch und Kraut gehören zum Heilen,
dabei wollen wissende Weiber verweilen.
Ist denn Heilzauber ohne den Mond zu denken;
nur Mütter vermögen Genesung zu schenken.
Die Mühen der Mütter, - der Mondin Macht,
haben vereint die Erlösung von Leiden gebracht.
 
Aus Lache - Lein - Lauch ist Lune gelungen;
was arische Ahnen zur Urzeit gesungen,-
wir müssen das meldende Mal nicht missen.
Von heiligen Schriften gehütetes Wissen,
es ist zu begreifen, es ist zu ergründen,
was Veda, Avesta und Runen verkünden,
was die „älteste Edda“ im ODING-Kreis
vom Witz und vom Weistum der Alten weiß.
Das haben brahmanische Dichter gedacht:
 
„Der Mond ist zur Masse zusammengebracht
aus Wasser und Pflanzen.“ - (Lauge und Lauch,
als Gleichnis im indo-germanischen Brauch !)
„Er ist Förderer und König der Pflanzen,
höchste Erscheinung im pflanzlichen Ganzen,
Weiser der Wasser, - der Feuchtigkeit Vater,
geheimer Regent und Brahmanen-Berater.
Er ist vornehmste Pflanze und Pflanzensaft,
ist flüssigen Samens Befruchtungskraft,
ist der kochende Kessel mit Kräuter-Tee,
ist der Seelen-Sitz und der Seelen-See.“
 
Er ist Gottes Speichel, geschlürft - gespien,
zum Verjüngungstranke vergoren, gediehen,
im köstlichen Kreislauf genommen - gegeben;
so ringt sich das hohe und niedere Leben.
Der Lebenssaft perlt aus dem Lebens-Pott,
abwärts zur Erde, - aufwärts zu Gott.
Trinkt Walvater Wodan die Mond-Wanne leer,
wird die Gottheit der seligen Seelen schwer.
Wenn des Vollmondes Manen-Menge verrinnt,
geht Seelen-Macht, Lebenskraft in den Wind.
Vom Wind in die Wolken, in trächtige Tropfen,
irdische Pflanzen zu pflegen, zu pfropfen;
durch Tau und durch Regen Säfte zu senden,
die in Kraut, Tier und Mensch sich vollenden.
Ob Pflanzenseim, Met, ob Milch oder Blut,
es ist gleiches, geliehenes göttliches Gut.
Allvater, der es der Welt verliehen,
hat sein Selbst in die Seelen-Schale gespien.
Und er zieht sein Eigen einst wieder zurück;
in der Wiederkehr waltet das Welten-Geschick.
 
An der Kufe küret der göttliche Küfer,
der Wode, der Seelen-Wäger und -Prüfer.
Im Kumpf kauert KVASIR, im Kräuter-Kübel,
herniedergetragen vom himmlischen Hügel.
Alivater, der eifernde, äugende Aar,
er brachte den Rauschtrank zum Opferaltar.
Dies Sakrament, er setzte es ein,
er rät uns, göttlich Berauschte zu sein.
Der „Odrörir“ - „Ohrörir“ – Seelen-Erreger,
verjüngender Rührer - Berauscher - Beweger.
Der „Kvasir“, der Quickborn, die Lebens-Quelle,
die weihende, weise, gewonnene Welle,
der Schürer - Treiber - Dränger - Entfacher,
„Kvasir - Kveikir“ heißt „der Lebendigmacher“.
Wer hat die Flamme zu zünden vermocht ?
Der „Kveikr“, der „feuererweckende Docht“
Wer hat die Maische zum Gären gebracht ?
Die „Kveikur“, der „Hefe“ belebende Macht.
Ihr wird das Gischten und Gaschen gelingen,
sie wird die Garung, die Garung vollbringen.
 
Gepresst ist das Kraut, es perlte der Seim,
es mischten sich Wasser und Honig darein
Nun reifet der Rauschtrank, der magische Met,
der treffliche Göttertrank „Totlos“ entsteht
Lichttropfen der Lune, aus Lache und Lauch,
Macht-Met der Manen im Mondmagen auch.
Beim Opfer-Trunk kostet man „Kvasirs Blut“,
den süßen, den segnenden „Soma“-Sud.
 
Und am Opferplatz, in der Opferrunde,
weilen im Weihtum zur weislichen Stunde
Vayu/Wode, der allesdurchwatende Wind,
ihm sei der all-erste Anteil bestimmt.
Der zweite Somaschluck sonder Säumen
soll zur Andacht des Indra/Donar schäumen.
Es hebt und es senkt sich der Opfergesang,
die Schöpfung schlingt sich um Yin und Yang.
Unter Agnis und Somas Schirmherrschaft,
beim Opfer-Feuer und Opfer-Saft,
wird die gottes-gedeihliche Handlung gelingen,
das Bitt-Bluot die brausenden Bäche erbringen:
Der „Pflanzen-Regen“, nun möge er fallen,
die Wasser des Jahres, nun mögen sie wallen.
 
Der Mond-Ochse äugt auf die Opfer-Esse,
vier Priester umschreiten die Soma-Presse.
Mit himmlischem Samen ist Soma verbunden,
als Mondlicht muss er den Manen munden.
Gleich wie ihn die irdischen Söhne ehren,
durch seinen Genuss ihre Kräfte vermehren,
durch ihn die Gewalt ihres Geistes stärken,
zu jenseitig hohen Wegen und Werken,
so werden die Seelen vom Soma satt,
die der Vollmond gefasst und gespeichert hat.
Jetzt sollen die Steine die Stengel stoßen,
der göttlichen Tropfen. Gluten erglosen,
frisch fällt aus Fasern das flüssige Feuer,
„Milchsegen des Mondes“, machtvoll und teuer.
Das sei Himmelsregionen Anreiz und Ruf,
wie des Priesters Pressung den Soma erschuf.
So soll es fürder im Frühling werden,
aus Höhen gieße sich Heil in die Erden.
Wie sie den Trank in vier Richtungen tragen,
wie sie den Soma durch Siebe schlagen,-
so wie die Spende die Seihe durchrinnt,
so neige sich Nässe vom Himmelsgefild‘,
so riesele nützlicher, nährender Regen;
gib „König Soma“ den Jahressegen !
 
SOMA ist König der Pflanzen und Wasser,
feuchter Strukturen Former, Verfasser.
Soma ist Same vorn himmlischen Stier,
der Himmelskuh köstliches Milch-Elixier.
In jeglichem Tropfen wird Soma verstanden,
im zartesten Gräslein ist er vorhanden.
Jede Knospe und Blüte sind Somas Haus,
aus Opferkesseln perlt Soma heraus.
Wo Feuchtigkeit fehlt, strebt Leben vergebens;
Soma ist Mond und der Meister des Lebens.
Die Iraner haben ihn Haoma genannt,
als Kvasir war er Germanen bekannt.
Eine Mythenverbindung muß sicher bestehen;
die „Lauch“-Rune wäre nicht zu verstehen
ohne das Studium aryanischer Lehren,
man muss schon Avesta und Veda beehren.
Babylonier nannten den Mond „Gott Frucht“.
Noch früher Ideen spätwährende Zucht,
die Alchimie im buntschillernden Glanze,
erklärte den Mond als die „Himmels-Pflanze“.
 
Wasser und Kraut, so lehrt Menschenerfahrung,
sind Grundbausteine von jeglicher Nahrung.
Die Gute Schöpfung, der sie entstammen,
stellte die Wasser und Pflanzen zusammen,
vermischte sie innig zu ihrem Schutz,
dem sengenden, brennenden Bösen zum Trutz.
Der Regen führt Wasser- wie Pflanzen-Fracht,
in den Gathas wird ihrer gemeinsam gedacht,
als Formel für Heilsein, gesunde Bewahrung,
für Ewiges Leben und einfach für Nahrung
Ohne Nahrung lässt sich kein Leben denken,
Wasser und Kraut können Leben schenken.
Und auch die Seelen suchen sich Speise,
das „Wasser des Lebens“ auf eigene Weise,
„Pflanzen-Wasser“ von all-feinster Art,
das die „Schale des Lebens“ am Himmel bewahrt.
Was im Monde als Soma/Haoma und Kvasir-Met
den Toten als Trunk zur Verfugung steht,
sind „Lache und Lauch“ von lauterstem Licht,
so rautet der heiligen Schriften Bericht.
 
Das vierte Geheimnis im ODING-Kreis
von der Welten-Werdung zu wispeln weiß.
In vierter Stufe gab göttliches Sein
sich selbst zur Schöpfung des Mondes ein.
Das Avesta beschreibt den Entstehungsschritt:
(Der runische Geist, hier schwingt er mit!)
„Der Gute Geist brachte den Weißen Stier,
und er brachte zu dessen Hilfe herfür,
zu Mondes Hilfe,- die Wasser und Pflanzen.“
Die Rune erklärt ihn im Wirkungs-Ganzen.
 
Doch wie hat der Meister den Mond verstanden,
jener Künder in keltisch-germanischen Landen?
Was sah er im Monde: „die Mane“, „Frau Mon“,
weiblich gewichtet nach Art und Funktion?
Oder sah er ihn so, als „König Soma“,
die lebenserhaltende Weltfeuchte „Haoma“ ?
Offenbarte sich ihm die Osiris-Gestalt,
der wohltätigen Wasser Herrschergewalt
Hat er den Zaub‘rer als Zwitter gedacht,
galt ihm androgyn des Mondes Macht.
 
Gleichwie, - er hielt dies göttliche Wesen
doch augenscheinlich fur auserlesen.
Es erschien ihm der höchsten Wurden wert,
er hat ihm den Stab der Herrscher verehrt
Das Krummstab-Symbol der Macht und Kraft
für des Mondes magische Meisterschaft.
Hier hebt sich keine Verständnis-Hürde,
auch Osiris trug ja die Krummstab-Würde.
„Herrschen“ heißt dies Hieroglyphenzeichen,
doch wir müssen nicht nach Ägypten weichen,
die Bedeutung des Krummstabes aufzuhellen,
den fasst man im Fundgut in vielen Fällen
und auf Abbildungen, die so manches verrieten,
aus alteuropäischen Großstein-Gebieten.
 
Ein steinzeitlich strotzendes Totenhaus.
kündet das Krummstab-Geheimnis hinaus
Der ganze Bildstein, - so wird geglaubt,
zeigt der „Dolmengöttin“ erhabenes Haupt.
Sechsundfünfzig Krummstäbe füllen das Feld,
ein Mond-Mal ist mitten hineingestellt.
Vier Reihen von 27 und 29 Stäben
den siderisch - synodischen Monat ergäben.
Die Summe sechsundfünfzig war zu erwählen,
mit ihr ist der Kreislauf des Mondes zu zählen.
Hier im „Tempel der Toten“ macht das nur Sinn
als Symbol für Erweckung und Lebensgewinn.
 
Wie ein Schwesterlein, - so die Rune daneben,
auch sie spricht vom Mond, vom Ewigen Leben.
Was dieses bretonische Totenbau birgt,
auch im Ur-Sinn der Rune west und wirkt.
So reimte wohl gar nicht der Runen-Druide
Sinnbild und Sinn in der Runen-Schmiede,
richtiger ist, dass seit viertausend Jahren
die Würdigen dieses Wissen erfahren.
Dies Großstein-Ganggrab, - ein geistiger Dom;
die Rune floss aus firnem Gedankenstrom.
 
Lang lebten die Völker im lieben Geleise,
für bleibendes Brauchtum gibt es Beweise.
Von der hehren Herrin über Himmel und Halm,
der Mutter von Meer und Mond und Malm,
von der Göttin der Großsteingräber-Erbauer
im Dämmer der ungestörtesten Dauer
zur Göttin Nertha der Nordsee-Germanen,
zur Frigga, zur Frija unserer Ahnen,
verlauft jene findbar - verfolgbare Spur
von eigenem Urkult und Eigen-Kultur.
In diesem Rahmen muss die Rune sich renken;
bei ihrer Deutung ist dies zu bedenken:
 
Im Kult um Heilkraut und Lebenskraut
verfuhren vornehmlich die Frauen vertraut
Von keltisch-germanischen Mütter-Matronen
sie säßen hienieden oder dort droben
verlangte das Volk zu lenken, zu lindern,
Wunden zu leimen und Leiden zu mindern.
Massig die Macht der Mutter - der Mutter,
und mitten im Kraftfeld, im Wirkungsgitter,
da flossen des Ewigen Lebens Fluten,
dort war des Mondes Macht zu vermuten,
da kringele Kraut gegen Krankheit und Not;
die Mittel der Mütter besiegten den Tod!
Sie leisteten Leben im liebenden Streben,
durch Lagu und Lauka Genesung zu geben,
Gesundung von Siechtum und Todes-Sein,
durch Lina und Lauka und Lunen-Schein.
 
Galt die Mondin als Model der Lebensmagie,
michelige Meisterin des Lebens war sie,
die den lebenerzeugenden Zauber besaß,-
die Mutterleiber atmen nach ihrem Maß.
Sie treibt Safte hinaus und nach innenwärts
wie ein wanderndes, pulsendes Weltenherz.
Jedes weibliche Wesen schien ihr Organ,
vom gebarenden Ganzen ein gültiges Gran.
Jede menschliche Mutter, - der Mondin Magd,
die sich ohne Ermüdung um Mehrung plagt
Mondwirken ward wesenhaft weiblich verstanden,
und die vierte Rune, - so wie wir sie fanden,
zeigt mit Zeichen-Begriff und Zeichen-Zahl
Der Runen-Witz weist hier ein weibliches Mal.
 
Die Mondgewalt zaubert aus Grund und Grab
neues Leben hervor mit dem Zauberstab.
Dies ziemliche Zepter gereicht ihr zur Zier,
der Krummstab ist Lebensmutters Panier.
Wie die große Regentin im geistigen Raum -
mit dem Seelen-Sinnbild am Himmelssaum,
so zeigten sich gerad‘so auf irdischen Auen
der Weltmutter fähige, waltende Frauen,
ihre dienenden, dankenden Priesterinnen,
gewandet in weißes, in leuchtendes Linnen.
Sie trugen ihr Amt mit Anspruch und Bürde
und in Händen den weihenden Stab ihrer Würde;
walkürenhaft hoch mit wallendem Haar,
alldurchdringenden Augen, so ahnungsklar.
Sie sagten wahr, und sie walteten weise
zu irdischem Wohl und zu himmlischem Preise.
 
Welch wahrhaft schöne, schimmernde Schar,
wir flüstern die Namen und fühlen sie nah:
Albruna, Veleda, Ganna, Jettha, Thiota.
Zu deren Heil wär‘ es gar besser zu beten
als zu jenen Bekehrten, den „heilig“ Verdrehten.
 
Einige wenige Namen nur blieben erhalten,
die wahrten das Wissen vom weiblichen Walten.
Vielwissende Frauen gab‘s viele im Land,
sie blieben als „Weiße Frauen“ bekannt.
Sie rieten das Recht und sie tadelten Trug,
sie führten das Volk mit fraulichem Fug.
Die Volksmütter mahnten auf Thron und Turm
bei Frieden und Freude, in Streit und Sturm.
Sie errieten die Runen im ragenden Reigen
und geritzte Runen auf Zauber-Zweigen.
Sie übten die Sudkunst mit sorglichen Händen,
aus Sprudeltöpfen die Saelde zu spenden.
Manch‘ Süchtiger, Siecher um Segnungen bat,
selbst Recken reisten um redlichen Rat.
Jene Weissagerinnen, die Wölven, die Walen,
die den lichten Lebenszauber befahlen,
den rischen, den roten „zoubar“ des Blutes,
die geheime Gewinnung des gültigsten Gutes,
dreier dienlicher Dinge bedurften sie,
dass den Disen, den Duesses der Zauber gedieh,
und keine Valantin die Fugung versperrte
Galster-Gefäß, -Geraune und Galster-Gerte.
Mit Zauber-Topf und -spruch und Zauber-Stab
und der Galster-Gewalt, die die Gottheit gab,
führten sie klüglich im Frieden und Kriege,
so sotten sie Suntnisse, Saelde und Siege.
 
Sie hegten die Heimat vor Hader und Harm,
sie umgarnten die Gaue mit Galster-Garn.
Sie spannten und spreizten ein Zaubergewebe
von Herz zu Herze, in heimlicher Schwebe.
Zwischen Hirnen und Händen im weiten Land
war der Eintracht Spinnengeweppe gespannt,
gemeinsamen Sinnes, - gemeinsamer Sitte,
und die milden Mütter in mächtiger Mitte.
 
Sie weihten der Welten wonnige Weiden
dem Heimatvölkchen der Hügel, der Heiden.
Sie weihten das Wohl der Lebenden und Toten,
sie wussten das Wispeln der weisenden Boten,
sie wussten der heimlichen Winke zu warten,
jenseitiger Zeichen vielfältigste Arten:
des Falken Flug und des Schuhus Schrei,
das Schmauchen des Rauches am Opfer-Lei.
Der Fladen und Flecken Fasern und Falten,
des garenden Gutes Gaukel-Gestalten,
des Galster-Topfes Getriebe, Getrifte,
durch Loh und um Lei die listlichen Lüfte,
das rätische Raunen der rührigen Quelle,
das Wispern und Wabeln der wissenden Welle,
des Machtmondes misslicher Mummenkranz,
im moorigen Moosgrund der Munkeltanz,
der licht reinen Rosse rätliches Regen,
ihr Scharren, Schnauben, Stampfen und Stegen.
 
Sie wussten die Runen zu würfeln, zu werfen,
im seligen Suchen die Sinne zu schärfen,
im ratklugen Rinen zu ramen, zu reifen,
Stäbe des Schicksals ergreifend begreifen,
die Los-Orakel zu leisten, zu lesen,
zu loten, zu liezen, zu wicken, zu wesen.
 
Sie wussten den wütenden Wettern zu wehren,
der mästenden Nässe Menge zu mehren,
den Regen zu reizen aus himmlischen Risten,
mit „Lagu und Lauka“ und huldreichen Listen.
Der mich‘ligen Munt-Mütter Minne und Munst,
der wissenden Weiber gedeihliche Gunst,
ihr lohnend‘ und strafend‘ Gebaren, Gehaben,
und göttlicher Mutter vermittelte Gaben
erwirkten zum Wohle das waltende Wetter,
erschlugen den Schädling mit Hagel -Geschmetter,
erwählten der Witt‘rung Wechseln und Währen,
der Winde, der Wolken gewaltiges Gären,
des Jahrganges Regel vom Lenz bis zur Rüste
in Gauen und Marken in Bergland und Küste.
 
Der wirkfrohen Frauen Wahrmal und Wehr,
ihr Zepter-Zein, die Spindel, der Speer;
der Wikhersen, Witsches allwichtigste Waffen,
Werke des Wohles zu wikhen, zu schaffen;
der Walküren waltiger Webebaum,
die Rute zur Reise durch Zeit und Raum;
der Hakenstab, Krokstaf aus Erdmutters Hügel
zum Zauberritt mit verhängtem Zügel;
der Walridersken Wichmar, das Wikhe-Ross,
Krummstecken, Krücke, der Reide-Genoss;
die Dehse, auf denen die Disen, die Dasen,
zur Dannefahrt rittlings rucken und rasen;
die gache Gabel, der Galster-Leffel,
Lüppelaf-Leitel in Schüssel und Scheffel;
das Buchenstäbchen, der Spähdisen Stolz,
das losende, liezende Loterholz;
der Kunsthfruwen kundiger Kündestab,
der die Geister galstert aus Gruft und Grab;
der worbelt, der weiset im Zouber-Zirkel,
der Wäger, Warner, der Walter, der Wirkel;
der weihende Wedel, der Bilwis-Besen,
das wadelnde, wimmelnde, wikhende Wesen;
der Wuchskraft wuchernder Segens-Sproß,
das wirsend wirkende Hecsen-Geschoß;
die Widengisel der Wetterweiber,
der trübende, triefende Schauertreiber;
die wepfende, werbende Wepelrot,
die barlich dem Bitter die Buhle bot;
die Wunsciligerta, der Gambantein,
die Wünschelgerte, das Glücksstäblein;
der Zaber-Zaunpfahl der Tunrida,
der Hagazussa, der Toblarska;
die Wikherode, die Wonderzeige,
der wilden Frau Hasel jährige Zweige,
die in nur einem Sommer erzeugten,
die zur zeitigen Stunde eräugten,
die in zünftiger Weise erwählten,
die schweigend geschnitten, geschälten;
die rischen Ruten, die Wunschgut-Weiser,
die rührigen, rätigen Ritzel-Reiser;
quickende Queckholder-, Reckholderstecken,
frühtig die fruchtige Fülle zu wecken;
die Lebensruten, die Birkenmaien,
die Lust am Leben den Leibern verleihen,
die Fuen und Fitzeln in Faselnächten,
Müdigkeit, Mindern und Magern zu ächten.
 
Das waren der Mütter hochmögende Mittel,
treulich getragen zur Tat und im Titel;
zur Galster-Handlung in Händen gehalten,
um Hagel und Hader und Harm zu gestalten;
zur Wikhe-Waltung wohlzüchtig geschwungen,
beschwörend umworben, umsaget, umsungen,
umraunt und berufen nach liezigen Lehren,
um Hilfe, Behagen und Huld zu gewähren.
Was immer die Völven, die Walen, auch wiesen,
es blieb ihre Pflege - gelobet, gepriesen
mit Völr und Walu unwendbar verbunden,
ihr Galstar an Gal und Gerte gebunden.
Es hielt die Galara in hütender Hand
die Galsterara - den Galster-Gand.
Es galmte so gellend, so galsterlich
die Wizaga weisend am Weihetisch.
 
Der Spakona Spagandr spähte das Kommen,
erkannte die Zukunft zu Nutzen und Frommen.
Der Seidkona Stab, - ihre Sprüche, ihr Sinn,
sie führten das Volk zu Gedeih und Gewinn;
die Heidr, die Holde, sie hielt hohe Heit,
die heilige Hegxe in heidnischer Zeit.
Sie fügte die Frommen wohl fest und voll,
die Freisler und Frevler gar taub und toll.
So hielt ihren Treuen die Thrude die Stange
vor Tuster-Tücke, dem Anschlag der Schlange,
vor Tiefel und Tröllen und trugreichen Twergen
wusste der Trotha, der Truthe, zu bergen.
 
Die Seherin suchte und sang ihren Segen,
ihr Wiszod stand über Wegen und Stegen;
ihr Weihetum, Weistum, ihr Wikhetum,
ihre ruchbare Rouche, ihr ragender Ruhm
gerann wohl zum runischen Rätsel-Hort,
denn Weiberwitz wachte ob Schrift und Wort.
Der vierte Run‘stab, dies firdige Zeichen,
der Haagdissen Hakenstab sollte er gleichen.
Die nordische Göttermär mocht‘ es erhalten,
mit dem Zauberstab wusste die Göttin zu walten.
 
Der „Gridarvölr“, der Stab der „Grid“,
er schützte vor Schaden vom Unheilsschmied.
Dem Himmelsgott half er den Hader besteh‘n,
die Erdmutter selbst hatt‘ ihn damit verseh‘n.
Was galten die „Riesinnen“ Grid oder Gerda ?
Grid war die Mutter des Odinsohns Widar.
„Griðr“ heißt die „Heimtreue-Friedliche“‚
wir kamen der „Mar-grit“ hinter die Schliche.
„Grete“, der Gottmutter Gleichnis-Begriff,
zu Margaretha verfälscht mit mengendem Kniff;
bei Snorri nur noch als „Riesin“ vermerkt,
dann als „Schwarze Greet“ einseitig verterkt,
hat die Mythengestalt doch dies überbracht:
Des Gambanteins ward mit der Göttin gedacht.
 
Selbst männlichster Stab ist Mutters Geschenk,
das strotzendst behängteste „Wehrgehenk“,
- und sollte es Knab’ oder König gehören -
das Weltweib zum Mutter-Sein zu beschwören.
 
Der Sohn rief zur Mutter ins Grabhügel-Haus:
„Reiche mir Krummstab und Handschuh heraus.“
Der Zauberzweig hilft, die Welt zu durchstreifen,
die Handschuhe helfen sie sicher „begreifen“.
Erzschwere Einsicht ins Gleichnis gefasst,
zu „Götterschwänken“ und Märlein verblasst.
 
Jede Rune im Ring ist Kalender-Zeichen;
mit jetzigem Stab muss die Jul-Spanne weichen
Die Vorfrühlings-Feiern fahren herauf,
die „Faselzeit“ nimmt ihren fördernden Lauf,
noch in Winters Mitte, im Jahr-Morgengrauen,
Fruchtbarkeitsfeste, geführt von den Frauen.
Vorbei nun die Flaute, - Licht ist zu fassen,
so sagten und sangen im Lande die Sassen;
die Menschen maßen des Tages Vermehrung
„Heil sei der Lichtkraft, Dank und Verehrung“
Sie tastet sich vor an des Frühlings Tor,
sie lockt schon die ersten Halme hervor,
schon flattert sie flügge ins fruhe Jahr,
das Lichtküken bläht sich zum Sonnen-Aar.
Noch zieht er zögernd, der zarte Befreier,
schlummert das Land unter schneeigem Schleier,
doch die ersten Boten bringen nun Kunde
Bald heilet die Helligkeit Winter und Wunde,
heilt sie dunkles Geschwür an des Jahres Leib
und die wunde Erdflur - das „wonnige Weib“.
 
Die Sonne wird steigen, Siechtum zu stillen,
die Sehnsucht der Saaten wird sich erfüllen,
Licht wird das lechzende Land übergießen,
Stengel und Stiele sprossen und sprießen.
Die Segensmacht wird die Eissturme stauen,
sie fordert hervor die fördernden Frauen,
die weiblichen Wachstums-Wesen der Welten;
in sämtlichen Zonen, Zellen und Zelten
heben sich huschende Hände zum Helfen,
emsige Erdbräutlein - eilende Elfen.
Die dienlichen Disen bewirken Gedeihen,
das Leben aus Grüften und Gräbern befreien:
„Heraus, heraus und hinauf ins Licht !“
So lautet‘s, was lockend die Dise spricht.
 
So rieselt ein Raunen durch frostige Räume,
dass kein frischer Keim das Kommen versäume,
so wispern die Weiblein, die liebenden, leisen,
den Wurzel-Wichten erweckende Weisen.
Trotz dräuender Trolle barsche Gewalten,
vollzieht sich das große, geheime Gestalten;
verschlossen in Mutters schützendem Schoß
wächst Wille zum Wagnis und Wachstum groß.
 
Im bergenden Bauche, in schützender Scholle,
in hütender Huld der holden Frau Holle,
dem göttlichen Gleichnis - besänftigend sacht
unter Mutters Mantel vermehrt sich die Macht.
Da rüsten sich reifend lichthungrige Riegen,
da wappnet sich Wachstumswille zum Siegen.
Und ohne die Mutter wird nichts gelingen,
Weib-Wissen wird das Gebären vollbringen.
Und ohne die Mutter gibt‘s kein Erwachen,
Weib-Wissen wird jene Flammen entfachen;
das Ringeln, das Recken, das lohende Ranken,
gedeihlicher Drang ist den Disen zu danken,-
das gierig-gärende, gischtende Grün
und das blanke, bleckende, brennende Blüh‘n.
Der „Großen Dise“ mit dienenden Disen
waren im Festkreis zwei Feiern gewiesen:
Im Herbst und im Frühjahr - im Februar -
scheint jeweils ein „DISABLOT“ wahrnehmbar.
Ein Zeitpunkt, - so die Rune raunt Wahres,
lag im zweiten Vollmond-Zustand des Jahres.
Im Musterjahr, dem vollkommenen, rechten,
sollt‘ sich das Fest in den Festkreis flechten
auf Februars Anfang - nach heutiger Zeit
drei Hell-Nächte harrten dafür bereit,
wenn im Vollglanz der hohe „Winter-Mond“
als erhabenes Gleichnis am Himmel thront‘.
 
Ein Vollmond-Bluot für die Disen zu spenden,
den fürstlichen Frauen ein Opfer zu senden,
das galt zu friedvollem Nutzen und Frommen,
als weisliches, wohles, Weihe-Willkommen;
die Wizagas wallten mit würdigem Schritt,
und des Volkes Frauen, sie feierten mit.
Ein Begrüßungsfest, ein Bitten, ein Beten;
schädlichen Schatten - rechtens geschmähten -
ein Verdammungswort, ein verwerfender Fluch,
um der Finsternis Fall ein frommes Gesuch.
Wie Mondes Ränder zur Fülle sich runden,
so möge das Licht des Lebens gesunden.
So wie das Mondlicht nun langsam erlischt,
die Mondin ihr Gleichnis vom Sterben spricht,
so vergehe des Winters grämliches Grauen;
das Eis und der Ernst, nun sollen sie tauen !
 
Vom Februar-Frauenfest raunen die Runen:
Der Mond und die Mutter, Maiden und Muhmen
wirken verwoben. - Wer wissend erwäge,
dem klären sich Kultes Kern und Gepräge.
Das Ereignis entspricht, wie wir es ersehen,
den Nächten gedeihlicher Nymphen und Feen,
dem deutbaren Frühlingsopfer der Disen,
wie es wohl nordische Nachrichten wiesen.
Da nutzten die Nächte die Priesterinnen
bei Luna und Lagu im leuchtenden Linnen.
Das Volk, das zu Fest und Versammlung ging,
traf sich zum Markttag und „DISATHING“.
Dies Herkommen hat sich beharrlich erhalten,
es konnte bis heut‘ den Kalender gestalten.
 
Als die „keltische Vesta“ ward sie verehrt,
die hilfreiche Heilkunst hat sie gelehrt.
Sie war die Herrin der Flammen und Quellen,
den Trägern des Lebens - rastlosen, schnellen,
der gedeihlichen Schöpfung gute Gesandten;
die Feuer, die Wasser sind ihre Trabanten.
So webt sie die Werdung mit Wohl und Weh‘,
so ist sie der „Faselzeit“ fürstliche Fee.
So wallt sie mitsamt ihren wähligen Geistern,
werkfroh, des Frühlings Erwachen zu meistern.
Hell äugt sie umher, die Strahlende, Reine,
es steigt ihre Kraft mit steigendem Scheine.
Die Sonne siegt, - so siegt auch das Leben,
verstrickt sind doch beider geheiligtes Streben.
Sie nannten die Strahlende „Sulevia“, „Sul“,
verschiedene Namen, - ein einziger Stuhl !
Ist der Verständnis-Grat so zu erklimmen,
von „Sul“ her der „Solmonath“ zu bestimmen?
Doch gesichert gilt fur den Februar,
dass er Heimstatt der fruchtbaren Göttin war.
 
Dies sagen gerad‘so germanische Sagen
und Sitten und Satzungen, die wir befragen.
Zur Patronin des Monats im hohen Norden
ist die gute „Goa“ - „Goi“ - „Gyja“ geworden,
des „Frostriesen Thorri“ Frau oder Tochter
Galt der als Gemiedener oder Gemochter,
Eiskönig Thorn scheint Gott Thorrs letzter Rest,
warum gälte ihm sonst ein Begrüßungsfest
Auch die GOA begrüßten isländische Frauen,
nur mäßig bekleidet im Morgengrauen
Sie hupften um‘s Gehöft beim ersten Schein,
und sie luden am Hoftor „Frau Goa“ herein.
Man begrüßte sie festlich im warmen Haus,
Nachbarinnen hielten gemeinsamen Schmaus
 
Was bedeutet „Goa“ ob „Boden“, ob „Gau“,
dem Sinne nach ist es die „Frühlings-Frau“,
die Jungfrau, die Kore, die Proserpina,
die bei Pluto zum Winter gefangen war
Nun kehrt sie zur Oberwelt endlich zurück,
und die Welt erlebt wieder ihr Frühlingsglück.
Dies uralte Gleichnis liegt doch zugrunde,
denn wir kennen von Goa die Sagenkunde
Sie ward geraubt, - ins Gebirge entführt,
doch von ihren Brüdern gesucht und erspürt.
Zur Wiederkehr-Feier, so war es gedacht,
ward das „Goiblot“, ein Opfer für Goa, erbracht.
Es hatte sie „Rolfr i bergi“ geraubt,
er war wohl der Wolf, der Schandrotte Haupt.
Zur Bergesgruft hatte er Goa gezerrt,
in Felsens Tiefen das Leben gesperrt;
zur Braut die „Goa-Gerda-Frija“ begehrt,
ein Mythos, der immerdar wiederkehrt.
 
Ist die „Frau“ eine Vorfrühlings-Allegorie,
dann trauen wir treulich der Theorie,
„Goa“ durch „gu - gwên - giwên“ mitzuerklären,
das wird unser Wissen weithin vermehren.
So lässt sich tief‘res Verständnis trimmen,
der Wortstamm bestätigt das starke Stimmen.
 
Als „WEIBERMOND“ ist dieser Monat bekannt,
„verheirateter Frauen Monat“ benannt.
„Die Frauen regieren den Februar“,
sie genießen gewährte Vorrechte gar.
Die Männerwelt trifft Verbot und Verweis,
frei feiern die Frauen im fröhlichen Kreis,
mit schäumender Labung, Liedern und Lachen,
mit Vorwurf und Urteil und ernstesten Sachen.
Junge Mädchen veranstalten „Jungferntänze“,
sie küren den Burschen „Körbe“ wie „Kränze“.
Auf zweitem Monatstag liegt noch und lag
der „WEIBER-FESTTAG“, der „FRAUENTAG“.
Zu der Zeit, die geziemend eingerichtet,
hat sich der Disen-Dienst nurmehr verdichtet
zur weih‘vollen Waschung und Lichterweihe,
mit runischem Sinn in Riege und Reihe.
„Der lieben Frauen Lichtweih‘ und Reinigung“
heißt das Fest dieser herrlichen Huldigung.
Der ehrwürd‘ge Beda, der wusste noch Namen,
die einst er vernommen vom Hörensagen.
Altgläubige Meinung musste ihm mangeln,
doch sagt‘ er von seinen Ahnen, den Angeln:
„Sie nannten den Februar SOLMONATH
nach den Opferkuchen“, altheiliger Art.
Den „Monat der Kuchen“, wie Beda ihn kannte,
der sein Herkommen bis auf‘s Heute hinspannte,
dessen Brauchtum jetzt noch behaglich blieb,
ist uns durch die leck‘ren Gebäcke so lieb
Das „Kult mahl“ der Matzen, die jedermann mag,
zum „Schmalzigen-“, „Schmutzigen Donnerstag“,
da soll das „geweihte Geschmause“ gipfeln
mit Küchli, Kräppeln, Krapfen und Kipfeln.
 
„SOLMONATH“ sei dieser Zeitspanne Namen,
errät man des Wortes Wurzel und Rahmen ?
Sicher ist nur: „sol“ stammt nicht von Sonne,
man kennt der Erklärungen kluge Kolonne.
 
Auch Rom hielt ein Februar-Frauenfest
mit Riten zur Reinigung von allem Gebrest,
um Weiberglück, - Fruchtbarkeit allerwegen,
um leichte Entbindung und Kindersegen;
unter „Juno Lucinas“ Schirmherrschaft,
gab sie doch zum Leben und Lieben die Kraft.
Als „Göttin der Geburten“, als „Bona Dea“,
als „Juno Februalis“, als germanische Frea,
war sie das Wahrbild erwachender Erde,
des wachsendes Jahres waltendes Werde.
 
Was den Römern die „Juno Lucina“ war,
galt den Galliern die Göttin „Brigantia“
„Brigit“ - „Britta“, die Erhabene, Helle,
umschimmert des Februars Eingangsschwelle.
Man nannte ihn selbst den „BRIGIDEMOND“,
weil ihr Wirken in seiner Ganzheit wohnt.
Des höchsten Himmelsherrn heiliges Kind,
allen klugen Künsten gar wohlgesinnt;
tüchtige Tochter Gott „Dagdas“, „des Guten“,
als Mutter des Lebens wohl zu vermuten.
 
Dann ist auch „Goa“ die „Offene - Tauende“,
der sich breitende Himmel, der blauende,
der wächst, sich weitet, hinauf sich dehnt,
den sicheren Sieg der Sonne ersehnt,
die Erdkraft, die Boden-Aufbrechende,
die nachtschwarzen Schollen durchstechende,
die springende, sprießende, schwellende,
die quickende, quallende, quellende.
So ist Frau Goas Gemüt und Gesicht,
wenn sich Frau Erda dem Frühling verspricht.
 
Aus gemeinsamem Urglauben übriggeblieben,
Frau Goa im Norden, „Frau Sporkel“ im Süden.
Die Sporkele beherrschte in deutschen Gauen
das Februar-Wetter mit all ihren Frauen.
„Die Spörkelsen, hat sieben Kittel an,
d‘raus schüttelt sie ihre Winde alsdann.“
Und wen sie gestaltet und wen sie bewohnt,
das ist der „Sporkel“, der „Sprockelmond“.
Erklärt sich sein Name durch „spör“ und „sper“,
meint er die „Harte“, „Rauhe“ so ungefähr?
Ist er doch besser von „sprock“ abzuleiten,
so passt dies wohl ziemlich zu seinen Zeiten.
„Sprock“ ist mit „spricka, springen“ verwandt,
dann wär‘ dieser Monat der Frauen benannt
nach der springenden, berstenden Winterdecke,
dem quellenden Lenz uns‘rer Jahresstrecke.
Beginnt doch Segen nun sichtbar zu fließen,
steigt doch das Sprengen, Spreizen und Sprießen.
Ob Süd oder Nord, - in germanischen Landen
waren ahnhche Monatsmutter vorhanden.
Zumindest ist eines unstrittig klar:
Die Frauen regieren den Februar !
Sie regieren ihn nach altgläub‘gem Gebot,
sie feierten einstmals ihr Disenbluot.
 
DISEN-FEIER
 
Flimmender Nachthimmel - Sternengefunkel,
Lichtfäden triefen aus silberner Kunkel,
vom tirmigsten Orte im timmrigen Dom
ergießt sich der Allmutter milchiger Strom.
Im fernesten Süd, am Erdscheibenrand,
der flatt‘rige, flirrende Fackelbrand -;
geziemend die Zeit -, nun tut es not,
die Frauen dienen das Disenbluot.
 
Sie schöpfen den Mondtau mit Linnen ein,
vom Rasen rund um den Opferstein.
Die Wala am Kessel -, die wissende, frohe,
umlitzet, umleuchtet von zuckender Lohe.
Feurige Flocken durchzittern das Schweigen,
weiße Gestalten wiegen im Reigen -,
unwirklich sacht, so ein Nebel zieht,
steigt leise ihr Lied,
aus urfirnen Worten und Weisen gewoben,
das Leben, die Linge, die Labe zu loben:
 
Es wallet der Sud,
die heilende Flut,
der segnende Saft,
die küstige Kraft -,
was soll da hinein ?
Der Mutter Gebein
und Lein und Lauch und Lunenschein !
 
Am hilligen Lei,
den Bohrer dabei,
da weigen, weben, weifen die Drei,
die eisgrauen Muhmen malmen den Stein,
sie mehren die Mulde, sie mahlen so fein,
und kreisend - ein eilender Elbenkranz,
so treten die munteren Maiden den Tanz.
 
Leichtfüß‘ger Leiber biegsames Lüpfen,
wallender Leinwat Wecheln und Wipfen,
zabelnde Zöpfe -, flatternde Flechten;
die Frauen am Feuer im Raunen und Rechten,
im rührigen, rätigen, ramenden Ruochen,
die Saelde zu suchen,
die Frume zu finden,
Bosheit, Brast und Gebrechen zu binden.
 
Die Galara mit ehernem Gürtelband,
die Galstergerte in hagerer Hand,
sie reckt sich empor im rankenden Schwingen,
rügende, rickende Runen zu singen,
der ruchlosen Rotte, den garstigen Grimmen,
soll die doch sehrender Gluthauch beglimmen !
Die Bilwise sendet den bannenden Strahl
auf Trolle und Tuster hinab ins Tal.
 
Hinter ihr hocken die Hagsen und harren,
die Stillen, Gestrengen, die Starken, die Starren,
die wislichen Weiber, die machtvollen Mütter,
Walttruden über Gewölk und Gewitter,
Herrinnen auch über Heiter und Helle,
Weiserinnen für Wind und für Welle.
 
Die Erste ist das Hagelwib,
die Andere rührt das Regensieb,
die Dritte sorgt für Sonnenschein,
für schieres Licht und Seligsein.
 
So walten sie rund,
mit mahnendem Mund,
im ewigen Ring,
in jeglichem Ding,
im Welken und Wagen,
Klingen und Klagen,
Versprechen, Verneinen,
Schimen und Scheinen,
im Weigern und Werben,
im Steigern und Sterben.
 
Es walzen die Wendel, die Wirbel,
es dreh‘n sich allzeitige Zirbel.
Ein Leich ist das Leben von Leid und Lust,
ein Lied in Mitgard und Menschenbrust.
Durchwaltet doch Weihtum wie Wüstenei
die mehrende -, mindernde Melodei,
die die Weltlunge lenkt,
die sich hebet und senkt,
die die Sterne umtreibt,
die Seelen beleibt,
die Leiber entseelt
und neu wieder Lichtgeist mit Urstoff vermählt.
 
So mischt sich zusammen,
aus Flut und aus Flammen
und Wille und Wort,
am zeitrechten Ort,
sogleich oder bald,
die gewünschte Gestalt.
 
Viermal den Braupott beschwörend umschritten,
der Belwitten Barme und Bat zu erbitten,
der Hollen Hilfe und Heil zu erhalten,
die Jahreswitterung jetzt zu gestalten -,
zu weihen, zu wikhen, zu hägsen, zu hecken,
wucherhaft wuchswohles Wetter zu wecken.
 
Und noch ist vonnöten,
beim Bieten und Böten,
den rechten Runstab zu ritzen, zu röten.
Und dann im Nu
dies muss dazu:
Birkenwasser, Bilsenkraut,
Alfenwurz und Addernhaut,
Friggemantel, Feuermolch,
Tollkraut, Schierling, Taumellolch,
Eidechsleber, Elstermilz,
Flomen, Flachs und Fliegenpilz.
Alraunstrunk und Asensegen
werden jeglich‘ Werk bewegen !
 
Gebraut ist die Brühe,
die Miete der Mühe,
nun Bluot für die Bräutlein des Feldes erblühe.
Noch krümmen sich Krumen kärgelich krank,
der Erdmutter schöpft man den ersten Schank.
Vielnamige Nertha, die alle ernährt,
Dir sei die all‘erste Ehre gewährt.
Sie bringen den Becher, sie loben die Labe,
sie gießen der Göttin die gischende Gabe.
Da rinnet des Lafes litzender Lauf,
des Steines Grübchen, sie greifen ihn auf;
in Närtlein und Näpflein schimmert das Nass,
der Mutter mit all‘ ihren Mägden zupass,
den Alfen und Elfen, den Disen und Dasen,
den Wirkerinnen in Wäldern und Wasen,
sie mögen geneigt sein, sich naschend zu nähren,
vom Zaubersafte geziemend zu zehren.
 
Die hochweise Hagdis, die Wala des Hages,
sie ruft ihre Frau‘n zum Genuss des Ertrages:
„Heran nun, heran, den Rauschtrank gerafft,
in Erdmutters Blut waltet Geistvaters Kraft !“
 
Die Schöpfkelle kreist zwischen Kessel und Kar,
das Kar bringt es Kehlen und Körpern dar.
Das reißt an den Riegeln, durchzittert die Zellen,
das wettert und wirbelt in weckenden Wellen.
Es trendeln die Truden im tumelnden Träumen,
Leibfesseln fallen im flüchtigen Fleugen.
Dem Blutstrom, der pochend die Adern blunst,
entfahren die Fylgjen zur göttlichen Gunst.
 
Frei segeln die Seelen,
im Wissen und Wähnen,
zu Giebel und Gipfel,
der Welteibe Wipfel,
im schwerlosen Schweben,
im leiblosen Streben,
die Geistwelt beschauend,
der Allmacht vertrauend,
im ranghöchsten Sinnen
das Heil zu gewinnen.
 
Allein die Galara der Gilde, der Gaffel,
steht sie doch auf steilester Stufe und Staffel,
sie wünscht weder Wisswag noch Wurzsud noch Wein,
sie lugt ohne Hilfe zum Heben hinein -,
die gute Gudja, die griese, die greise,
sie hält sich gerüstet zur letztlichen Reise.
Sie weiß alle Wege,
sie stieg alle Stege,
sie führt‘ ihre Frauen in füglicher Pflege,
sie hütet‘ den Herd, die Glamme, die Glut,
sie hielt ihre Heime in huldiger Huht.
Dass aber auch fürderhin Fülle entstehe,
hebt sie die offenen Hände zur Höhe,
ihr barlicher, bittender Bluotgesang
erklingt wie murmelnder Quellenklang:
 
„logna-loho-liothothkar,
lebin-luit-gelimida,
louh-lin-louga-listi-laba,
luft-lant-lagu-luitfrouwa,
lachanarra-lachenunga.
lüppe-Iuppe-lupperie,
lib-libheili-urlosi !“
 
Waltige wikhende Worte der Weihe
richten die Stäbe des Schicksals zur Reihe,
ordnen des Odals Orlog vor Ort,
fügen das freisliche Fatum hinfort.
Weift doch am Wirtel der Wurt auch die Wala,
die Forasaga,
Toblarska, Esaga, Parawara.
 
Nun greift sie zur Spindel am Schoubengurt,
geschlagen in Bande sei Sehrung und Surt !
Sie lockert, sie löst die gewickelte Leine,
beschworene Schöpfung des Segens, erscheine !
Sie faltet den Faden, sie schlägt das Geschlinge,
der Galsterknoten, die Knüpfung gelinge !
Sie schnürt in die Schlaufen die Worte, den Willen,
so muss sich unfehlbar die Fügung erfüllen.
Unlösbar genestelt das Werk dieser Nacht,
nun wirke und weihe, du Disenmacht !