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In den letzten Jahren wurden immer mehr Forscher fündig bei der Ergründung  kalendarischer Zähleinheiten auf frühgeschichtlichen Funden des nordischen Kulturkreises. Die meisterliche bronzezeitliche Himmelsscheibe vom „Mittelberg“ (!) bei Wangen-Nebra an der Unstrut ist bekannt. Dazu gesellen sich die bronzezeitlichen sogenannten Goldhüte mit ihren horizontalen Ornamentbändern haben sich als astronomische Datenbänke luni-solarer Kalendersysteme erwiesen. Zu ihnen gehören der „Goldkegel von Ezelsdorf-Buch“, der „Goldene Hut von Schifferstadt“, der „Cône d'Avanton“ aus Westfrankreich und der „Berliner Goldhut“. Der Fund von Schifferstadt wird beispielsweise auf 1400 bis 1300 v.0 datiert. (Wilfried Menghin, „Der Berliner Goldhut. Macht, Magie und Mathematik in der Bronzezeit“, 2010) Auch die Brandenburger Kalendergefäße aus der Prignitz gehören dazu. Zwei große Bronzeeimer mit Buckeldekor kamen bei Seddin und Herzberg zum Vorschein. Die zunächst allein als Zierreihen begriffenen 1 cm Ø betragenen Buckel erbringen beim Durchzählen des Oberteiles die Mondjahreszahl von 354 und die des Sonnenjahres von 365 Tagen durch 2. und 3. Reihe des Oberteiles mitsamt jenen des Unterteiles. Das genaue Beobachten und Messen von Sonnen- und Mondbewegungen war mithin nichts Außergewöhnliches für die Wissenschaftler der Altzeit. Als Erul daranging, in seiner nordjütländischen Heimat angekommen, im Kreise der Wander- und Glaubensgenossen das ODING-Kultkalender-System auszuklügeln, müssen ihm Berater zur Seite gestanden haben, die ihm einerseits über die Kalendertradition des Nordens Kunde gaben, aber auch über das pythagoräische Zahlendenken Mitteilung zu machen vermochten. Aus dieser erulischen Schule stammt noch ersichtlich der Meisterwurf des südjütländischen goldenen Runenhornes von Rosengaard-Gallehus, um 400 n.0..
 
        Runenzauber-Goldhörner des Hlewagast
 
Abb. 19
 
          
 
Der bisher bedeutendste Belegfund für das erul’sche Runenschriftdenken sind die beiden frühen völkerwande­rungszeitlichen zusammengehö­renden „Goldhörner von Rosengaard“, dem späteren Galle­hus/Galgenhaus (weil hier der Galgenort von Mögeltondern lag), einer klei­nen Ansiedlung im deutsch-däni­schen Grenzbereich (Abb. 19). Das runenlose Horn wurde 1639, das beschädigte unvoll­kommene, so­gen. „Runenhorn“ 1734, etwa an gleicher Stelle, im Be­reich des Landweges von Ribe nach Ton­dern, gefunden. Sie gelang­ten in die königl. Kunst­kammer zu Kopenhagen, aus der sie 1802 von einem gewöhnlichen Dieb gestoh­len und zu kleinen Buddha-Figürchen eingeschmolzen wurden. Ihr Aus­sehen blieb nur deshalb sehr genau überliefert, weil vier zeitgenössische Kupferstiche vor­han­den sind. Der rei­che figürliche Bilderschmuck der Kunstwerke („Sösdala-Stil“) lässt eine zeit­liche Einordnung etwa um das Jahr 400 zu. Das unbeschädigte Goldhorn wog 6 Pfund, war 67,6 cm lang und an der Spitze of­fen, so dass die Kopenhagener Museumswärter darauf zu bla­sen pflegten. Es war indes nicht schwierig, die kleine Öffnung zuzuhalten, um es als Trink­horn zu nutzen (Fas­sungsvermögen 1,3 Liter). Der gepunzte und aufgelötete Bilderschmuck überzog die Hörner vielgestal­tig und ist nur zu ei­nem geringen Teil un­strittig deutbar, weshalb bisher noch keine umfas­sende wider­spruchs­freie Er­klä­rung angeboten werden konnte. Ich will mich auf einige Punkte gesicherter Be­trach­tun­gen beschränken. Das beschädigungsfreie runenlose Kultgerät war so gebaut, dass über den eigentlichen Gold­horn­kern 13 reich verzierte Goldreifen gestreift waren. Auch für das unvollkommene Runen­horn sind im ursprünglichen Zustand 13 Reifen anzunehmen. Beide Hörner maßen im oberen Umfang 30 cm. Auf dieser Stecke sind bei einem der Hörner die Runen der Folge eingraviert: ek hlewagastiR holtijaR horna tawido, was zumeist über­setzt wird: „Ich Ruhmesgast Holtijar [Sohn des Holt, das] Horn an­fer­tigte“ (unter Abb. 19). Es scheint sich um eine schlichte Herstellerinschrift bzw. um das Signum eines Werkmeisters zu han­deln -, allerdings in stabgereimter Form; dreimal erscheint der „h“-Anlaut. Wer Runen deuten will, darf nie vergessen, dass er einen Verrät­se­lungswil­len vor sich hat, dass in der Regel ein mehrschichtiges Geheimnis gelöst wer­den will. Von der weitreichenden Vieldeutigkeit jedes einzelnen Wortes muss ausge­gangen werden. Ich ging über die übliche Übersetzung hinaus. (G. Hess, „Runenrätsel von Rosengaard - Die Goldhörner des Hlewagast-Holtijar“, 1999) Es ist anzu­nehmen, dass sich ein Könner von der Höhe des Holtijar nicht ohne tiefsinnige Begrün­dung in selbstüberhe­bender Manier „Ruhmesgast“ benannt haben wird. Der Begriff gastiR, „Gast“, wurde nach Be­fund diverser Inschriften nicht streng im Sinne von „Fremder“ genutzt, sondern etwa wie „Geselle/Gefährte“ verstanden. Sein Name Holtijar kann „Sohn des Holt“ mei­nen, ebenso auch „Abkömmling/Angehöriger der Holsten“, jener jütländischen Stammesgruppe, die dem Holsten-Gau die Bezeichnung „Holstein“ lieferte. Gera­deso gut ist die Ab­leitung von germ. holta, aisl. holt = Wäldchen, Gehölz vorstellbar, dann wäre sein Haupt­name: „Der vom (heiligen) Holt/Hain“ (Hainpriester). Wenn er sich zusätzlich als Hlewagast bezeichnete, so denke ich dabei eher an got. hlaiw = Grab, an. hlaiwa = Grabhü­gel, also „Grabhügelgast“. Spricht er doch durch das Medium sei­ner herrli­chen Kulthorn­schöpfung als Grabhügelgast, als Jenseitiger zur Nachwelt - auch zu uns. Wer solch ein Werk erschafft, der ist besessen von dem Wunsch, ein Zeugnis sei­nes Den­kens weit über den eige­nen Tod hinaus zu hinterlassen - der erhofft, dass er über Jahrhunderte hinweg als sprechen­der Toter vor le­bendigen Lauschern stehen wird. Da die Heruler Schleswig-Hol­steins, Jütlands und der däni­schen Inseln sprach­lich eine Brücken­stellung zwi­schen den nord-, west- und ost­germanischen Sprachgruppen innehatten, wären mundartliche Übergänge von „æ“ in „ä“ bis ins gotische „ë“ nicht aus­zuschlie­ßen. Genau ist die sprachliche Stellung der Rosengaard‘­schen Runenin­schrift nicht zu bestim­men. Es könnte sich im hle­wagastiR auch eine herulische Form des aisl. Adjektivs hlævi, lit. sleiva-s, idg. kleio = „krummbeinig“, verstecken; er wäre dann der „Krumm-/Kurz­beinige (Ge­selle/Gast)“. Das überrascht und könnte zunächst Unwil­ligkeit her­vorrufen, aber auf dem zweiten Ring des runenlosen Hornes hat sich der Meister selbst - sein herrliches Werk­stück, das gottesdienstliche Wei­he­horn tragend - abgebildet: mit vollem Kinn­bart, der hohen Stirn des alternden Mannes, mit weit über den Rücken wallendem Haar (oder starkem Zopf), mit normalpropor­tioniertem Oberkörper, zu dem das Beinwachstum nicht passen will - sicherlich aufgrund einer Kindheits­er­krankung, wenn nicht ein Erbfehler vorlag (Abb. 19 - Negativfigur) Er war gewiss das was man einen Zwerg nennen würde. Vergleicht man seine Kör­per­höhe mit dem vorgehaltenen Horn, dessen Länge wir ja kennen, dürfte er nicht viel mehr als 1,3 Meter gemessen haben. Der wissensge­waltige, kunstsinnig-schmiedende Zwerg erfuhr wohl eher ein tragi­sches Lebens­ge­schick. Sein Gottsuchertum kann auch eine Art Not­schrei, eine Verzweiflungsbitte an die Schicksalsmächte gewesen sein. Wer gab dem körperli­chen Zwerg und Gei­stes­riesen Holtijar die Menge des Roh­goldes, damit diese Kunsthörner geschaf­fen werden konnten ? In den Jahr­zehnten zuvor war von den Goten her viel Gold aus Beute­gewinnen und Tributzahlungen nach dem Norden geflossen. War Holti­jars Kultgemeinde so reich, oder stand er im Dienst eines mächti­gen Fürsten ? Fragen entfal­ten sich, auf die wir noch keine Antwor­ten wissen. Wenn nach Holtijars Kalkül sein Beiname (hlewagast) auch - oder in erster Linie - der „Ruhm­volle“ bedeuten sollte, so wird sich dieses schwülstige Adjektiv nicht auf seine Person, son­dern auf die Buchstabenanzahl dieses Begriffes bezogen haben. Er setzte diese von ihm selbst geschaffene Worteinheit mit dem hohen Sinngehalt der Zahl 13 in eins. Das mag selt­sam klin­gen - ek­hlewagastiR (ich Hle­wagast) wurde ohne Worttrenner mittels 13 Runen geschrieben. Im altger­mani­schen Schriftden­ken waren die Buchstaben dreige­sichtig: Sie verkör­perten Laut­werte, ebenso Begriffs- und Zahl­werte. Der linksläufige Gesamtzahlen­wert jener 13 Buchsta­ben beträgt 169, das ist 13 x 13. Damit ist die­ser Anfangsteil der Runenhorn-In­schrift als eine Art Herzstück der priesterlichen 13er-Gematrie des Hlewagast-Holtijar zu be­greifen. Die Ge­samtin­schrift besteht aus 13 verschiedenen Runen, geordnet in 13 Silben; der doppelt ge­ritzte hervorgehobene Inschrift­teil beinhaltet 2 x 13 Runen. 13 aufgelötete menschliche Ge­stalten, 13 Vierfüßler und 13 gepunzte Fische zeigt das Runenhorn. Wir wissen seit der Veröffentlichung von Heinz Klingenbergs gran­diosem Buch „Runenschrift - Schriftdenken - Runeninschriften“ (1976), dass dem Schrift­zug, wie auch dem reichhal­tigen ornamentalen Sternchen- und Zacken­schmuck, allein die Aufgabe zugewie­sen war, Zähleinhei­ten beizusteuern, um da­mit das nicht endende Loblied der 13 zu singen. Immer wieder er­schei­nen Zahlen, welche keine an­dere Bedeutung besitzen, als dass es Vielfa­che der 13 sind, sich also durch 13 restlos teilen lassen. Eine typisch rätselrunische Besonderheit liegt beim ersten Buchstaben von tawido, dem „t“, vor, einer Binderune, welche unter dem linken Abstrich einen zweiten aufweist, so dass ein linksgewendetes „a“ mitzulesen ist. Auf sämtlichen Kupfersti­chen ist der zweite Abstrich zu erkennen, besonders deutlich auf der Originalzeichnung von G. Krysing, 1734. Dann handelt es sich also eigent­lich um insgesamt 33 (Quersumme 6) Runen. Das Unglaubli­che ist Realität: Der Zahlenwert die­ser Inschrift, zuzüglich ihrer 16 Trennungspunkte, beträgt 429, also 33 x 13. Das Wort ta­wido transportiert demnach einen weiteren Begriff, nämlich atawido. Darin stecken die No­mina „at(t)a“ d.h. „Vater“ sowie „wido“ d.h. „Wald/Holz/-Baum“; zusammen: „Waldva­ter“. Die Scheibenfibel von Soest führt den Namen „Atano“ vor - und nordi­sche Personennamen „Widuga­stiR“ (Waldgast) sowie „Widu- hu(n)daR“ (Wald­hund / Wolf) sind belegt; in der Lex Salica (Fö. 1568) findet sich ein „Wi­dogast“. Legt man die Prinzipien der vorangestellten Deutung zu­grunde, müsste das neue Wort atawido vor ta­wido eingefügt wer­den, denn sein Anfangsbuchstabe „a“ steht in rechtsläufig zu lesender Langzeile vor dem „t“. Die nur in Gedanken vorhan­dene Runen­zeile würde folglich lauten: ek hle­wagastiR holti­jaR horna atawido tawido - über­setzt: „Ich, Ruhmes­gast Holstensohn [der vom Hain], Horn Waldvater anfer­tigte“ bzw. „Ich, der zwergenhafte Hain-Wart, Waldvater-Horn anfer­tigte“. Dieser Satz klingt be­deutend gefälliger und verständlicher als die bisherige Überset­zung, bei der immer der Ein­druck herrschte, als würde eine echte Satzaussage - über Mitteilung der Hornerschaffung hinaus - fehlen. So be­antwortet sich die Frage, ob uns damit die Bezeichnung des Runen-Goldhornes bekannt ge­macht wurde, fast von selbst: Der Hainpriester schuf das berühmte Horn „Waldvater“. Bekanntlich war es in alter Zeit gern geübter Brauch, den Ge­rätschaften und Waffen, z.B. Schwertern, Individualnamen zu geben. In dem isländ. Märchen von „Thorstein Hofkraft“, lautet eine Stelle: „Da wurden zwei Hörner in den Saal gebracht, kostbare Kleinode, dem Jarl Agde gehörig, die hießen Hwitingar, sie waren zwei Ellen hoch und mit Gold beschlagen.“ Es ist beachtenswert, dass es sich im nordischen Märchen ebenso um ein Paar von Goldhörnern handelt, wie bei den echten Fundstücken. Trotz des zusätz­lichen Wortes - dem wahrscheinlichen Geheimnamen des Rosengaard‘ner Zauberhor­nes - bleibt davon die vorge­stellte Gematrie unberührt, denn gezählt wurden nur die faktisch vorhandenen Buchsta­ben und nicht die dazuzudenkenden­ (Weiteres dazu siehe meine o.a. Kleinschrift)
 
Diese hier vorgestellte Schau der Runen-Langzeile von Rosengaard befähigt zum Basisverständnis germanischer Runen-Gematrie, welche ja eigentlich der Zahl 6 höchste Aufmerksamkeit entgegenbrachte. Schließlich gehören 24 Runen (Quersumme 6) mit 6 Selbstlauten zum Gesamtsystem und die Aufsummierung der 6 (= 21) führt zum Sinnzeichen des Asen-Gottes, der „a“-Rune, auf 21. ODING-Position. Auch Hlewagast-Holtijar huldigte nicht allein der 13 und der Weltall-Zahl 5 (griech. pan = all / pente = fünf), sondern ebenso der anderen, weiterführenden theologischen Kosmos-Zahl, der 6. Führt doch die 5 aus sich heraus zur 6 hin: Die Aufsummierung der 5 ergibt 15 mit Quersumme 6 - ge­radeso wie bei den 33 Runen von Rosengaard mit ihrem Zahlen-Gesamt­wert 429 die Ziffernsummen-Kürzung jeweils 6 er­geben. Dass derartige Techniken von den Grie­chen der Antike geübt wurden, bestätigt ein hervorragender Kenner: „So benutzte man ne­ben der Einsetzung der üblichen Zahlenwerte für die Buchstaben auch die Ziffernsumme, die sich er­gibt, wenn man den Stellenwert der Buchstaben außeracht lässt und die Zahlen 1-24 durch α- ω ausdrückt. ... Wollte das Ergeb­nis nicht genau stimmen, so wurden Buchstaben ausgelas­sen oder hinzugefügt, ja man änderteauch das ganze Wort oder den ganzen Satz.“ (Hans Leisegang, „Die Gnosis“, 5. Aufl., 1985, S. 41) H. Klingenberg geht bei Durchzählung der Runenreihe, also der Zahlenzuteilungen für die germa­nischen Buchstaben, von einem rechtsläufigen FUTHARK-Verständnis aus. Die bisher angegebe­nen 13er Werte wur­den nach linksläufigem ODING-Runenverständnis erzielt. Nach H. Klingen­bergs rechtsläufiger Berechnung erscheint für ekhlewagastiR auch ein 13er Wert, ein schwächeres 11 x 13. Doch sein krönendes Spitzenergebnis 169 (13 x13) wird er­bracht durch Zusammenziehung der Worte holtijaR horna, zu deren Zahlenwerten noch die zwischen ihnen be­findlichen 4 Trennungspunkte hinzuaddiert werden müssen, um das Ge­wünschte zu erreichen. Ein zweites Mal wird das Ergebnis erzielt durch Addition der Anlaut­-Runen aller 13 Silben mit Zuschlagung der 4 Worttrenner. Unbestreitbar gelang es dem Erilar Klingenberg, in einem höchst geistreichen Verfahren, ein rechtsläufig-gematri­sches Regelwerk im Ru­nenschriftzug überzeugend glaub­haft zu machen. Es bleibt festzu­halten, dass die einzige von Holtijar konzipierte - durch Tren­nungspunkte abgeteilte und als solche hervorgehobene - Worteinheit von 13 Runenbuch­sta­ben nach ODING-Zählweise das Optimalergebnis (13 x 13) vorführt. Die von Klingenberg geoffenbarte Mathematizität der Ru­neninschrift von Rosen­gaard zeigt sich in ihrer ganzen Kompliziertheit eigentlich darin, dass die Multiplikatoren der 13 in den vier von ihm vorge­führten Inschriftteilen (mit Zuzäh­lung der Trennungspunkte) immer gleich der Runenanzahl in diesen vier Buchstabengruppen sind (S. 30). Oder anders aus­gedrückt: Sooft die 13 in einer Wortgruppe enthalten ist, so viele Runen besitzt diese Wort­gruppe auch. Das ist so unglaub­lich, dass entweder ein fast un­wahr­scheinlicher Zufall seine Hand im Spiel gehabt haben müsste oder aber der Schöpfer die­ses planvoll durchmathemati­sierten Runenwerkes einen schier übermenschlich anmutenden Intel­lekt einbrachte.
 
Es kommt noch besser: Der gesamte Langvers ist durch Punkte in vier Abschnitte geteilt. Der erste Ab­schnitt zählt 13, der zweite 8, der dritte 5 und der letzte, „tawido“, 6 Runen. Im Gegensatz zu den doppelstrichigen Runen der ersten drei Abschnitte ist „tawido“ einfach geritzt, wes­halb wir seine Runenzahl halbieren und auf den Wert 3 gelangen. Die Inschrift stellt ja einen geschlos­senen Kreis dar - nach „tawido“ folgt wieder das zweibuchtabige „ek“ und dann das Anlaut-„h“ von „hlewagastiR“. Dieses Anfangs-„h“ hob der Werkmeister heraus, indem er bei ihm, im Ge­gen­satz zu den beiden folgenden „h“-Anfängen, den Querbalken nach rechts abfallen ließ. Da­mit ergibt sich eine Zahlenreihe: 13 - 8 - 5 - 3 - 2 - 1. Was Holtijar hier vor­führt - bzw. der kon­geniale Prof. Heinz Klingenberg -, ist die Zahlenfolge des „Golden Schnitts“, der im Altertum bekannt war, in Vergessenheit geriet und erst von dem Italiener Leonardo da Pisa, auch Fibonacci genannt (um 1170 - nach 1240) wiederentdeckt wurde. Er war Rechenmeister in Pisa und gilt als einer der bedeutendsten Mathematiker des Mittelalters. Die Fibonacci-Reihe - man müsste sie von nun an eigentlich Hlewagast- oder Holtijar-Reihe nennen - hat die Eigenschaft, dass sich die folgende Zahl aus der Addition der zwei vorangegangenen Zahlen dieser Reihe ergibt. Über (oder unter) den nach Goldenem Schnitt gegliederten Buchstabengruppen lassen sich nun Sterne - Pen­tagramme - konstruieren, indem das geistige Auge mit den gegebenen Zahlenwer­ten Kreise schlägt und die Schnitt­punkte verbindet (S. 336 ff). Es entsteht eine Folge von Pen­tagrammen (Weltall-Sym­bolen), die ins End­lose führt - sowohl ins menschlich und unter­menschlich Ge­ringe, wie an­derseits ins kosmisch Weite und Göttliche. Nicht umsonst nannte man den „Gol­denen Schnitt“ auch di­vina pro­portio, „göttliche Teilung“ einer Strecke. Ein Hauch der Un­endlichkeit weht uns an, denn in der Holtijar-Reihe weisen die jeweiligen beiden Endwerte im­mer auf den nächst größeren Wert - es gibt immer noch ein Größeres, niemals ein Größtes. Solche sinnvolle Wortreihung zu erklü­geln, welche diesen Buchstaben-Zah­lendom entstehen lässt, muss - ohne Ein­schränkung - als ein geisti­ges Weltwunder bezeich­net werden.
 
Abb. 20 + 21
 
Abb. 20 - Felsbild vom Breitstadfiord, Bardal Nord-Trøndelag (Norwegen)
Abb. 21 - Jahresschema von Ryland Bohuslän (Schweden) - ca. 1500-500 v.0
 
Abb. 21 + 22  
 
Abb. 21 + 22 - Bronzezeitliche Plattenfibeln von Vegetorp (Kareby / schwed. Bohuslän) welche die Jahres-Zeit-Chiffre der Doppelspirale und Sonnenstützen (Irminsulen) zeigt.