Copyright Gerhard Hess / Okt. 2013
 
 
DIE LÖSUNG DES ELSTERTREBNITZ-RÄTSELS
 
 
Prof. Dr. Julius Andree (1889-1942), war ein Experte für Urgeschichte an der Universität Halle. Bekannt wurde er durch die damals längst überfällige Ausgrabung an den Externsteinen, welche die „Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe e. V.“ ermöglichte. Es liegt fern, mir ein Urteil über die Qualifikation von J. Andree anzumaßen, ich stolperte allein über zwei klare Unwissenschaftlichkeiten in seiner 1936 veröffentlichten Publikation „Die Externsteine - Eine germanische Kultstätte“, auf Seiten 19 und 53. Auf Seite 53 stellt er unter Abb. 42 das aufgerichtete altorientalische Palmbaum-Kultidol im Externstein-Kreuzabnahmerelief mit folgenden Worten vor: „Die Irminsul von dem Kreuzabnahmerelief am Felsen 1 der Externsteine. Die auf dem Relief gebeugte Irminsul ist wieder aufgerichtet.“ Dass sich Laienforscher vom Schlage Wilhelm Teudts (1860-1942) dazu verstiegen, das betreffende Kultbaumgebilde als die altsächsisch-germanische „All-Säule“ zu bezeichnen, mag angehen, ihnen fehlte die dafür nötige Kenntnis der nahöstlichen Kunstgeschichte, doch dass ein Professor für Urgeschichte in das gleiche Horn der Albernheit blies, ist deprimierend. Mit der Irminsul hat das Externstein-Palmidol keinerlei Gemeinsamkeiten. Entweder fehlte auch dem Professor die Information, oder er ließ sich zu einem damals gewünschten Gefälligkeitsgutachten hinreißen ? Beides müsste ihn gleichermaßen disqualifizieren. Er schreibt auf Seite 1: „Nun sind jetzt durch die 1934 errichtete Externsteinstiftung Arbeiten im Gange, die Externsteine und ihre Umgebung in einer der Überlieferung entsprechenden und der Landschaft angepassten Form zu gestalten und dem deutschen Volke zugänglich zu machen“. Das war zweifellos verdienstvoll und auch an dem heute gefälligen, parkartigen Externstein-Umfeld haben wir unsere Freude, wenn auch der nach 1945 banausenhaft zugeschüttete „Steintisch“ immer noch seiner Wiederfreilegung harrt.
 
Auf Seite 19 genannter Schrift schreibt J. Andree unter Abb. 14: „Türbogen der altenromanischen Kirche zu Trebnitz a. d. Elster. Diese alte, frühchristlich-germanische Darstellung zeigt in der Mitte die Gottheit über einer halbkreisförmigen Nische, zu der Treppen hinaufführen. Die Gottheit wird verehrt von Menschen des neuen Glaubens (rechts mit Kreuz und Taube) wie von Menschen des alten Glaubens (links mit Irminsul und Sonnenrad).“ Es handelt sich um hiesige Abbildung 1. Die linke Figur im Bogenfeld soll also ein Heide mit seinem Irminsul-Idol sein. Wie ein Urgeschichts-Professor eine derart unsinnige, ja blödsinnige Aussage machen kann, ist höchst verwunderlich. Niemals hätte die Kirchenkunst einem Heiden den Heiligenschein zugestanden ! Zudem ist der angebliche Heide derart prunkvoll gekleidet, ganz im Gegensatz zu dem angeblichen Christen, dass auch dieser Umstand aus dem angebotenen Verständnisrahmen fällt. Den gleichen hirnverbrannten Unsinn predigte schon vorher Wilhelm Teuth, beispielsweise in „Germanien“ 1932 und 1933, in letzter der genannten Ausgaben unter dem Titel „Der Heidenstein von Arnau“, ab S. 41: „Wir lernen, 1. dass der Schöpfer dieses Kunstwerkes den Germanengott und Christengott nicht als etwas Verschiedenes, sondern als ein und dieselbe überweltliche, zu verehrende Macht angesehen hat: 2. dass vor diesem einen Gott die maßgebende Ausdrucksformen der beiden Bekenntnisse, das Christenkreuz und die Irminsul (Lilie), als gleichberechtigt aufgerichtet werden duften…“ H.W. Hammerbacher, in „Irminsul und Lebensbaum“, fantasierte dazu 1973 (Bild 23): „Ein Heide (l.) muß der Irminsul abschwören und sich dem Kreuz (r.) unterwerfen.“ Die von  kirchenchristlicher Seite beigebrachten Erklärungsversuche sind nicht weniger absurd: Links stünde Maria [mit markantem orientalischen Damen-Spitzbart] im Sternenmantel als Fürbitterin mit der Lilie als Begütigungsmittel in der Hand und vor ihr der „Baum der Erkenntnis“. Rechts in der Ecke die Taube als Symbol des „hl. Geistes“ bzw. „Friedensgeistes“ und am Kreuz, dem Lebensbaum, „die Frucht, der Gekreuzigte“.Die Erklärungen christlicherseits, ebenso wie die von W. Teuth und J. Andree, sind nicht haltbar. Wir müssen nach besseren Deutungen Ausschau halten.
 
Eine germanisch-heidnische Irminsul in der hochgehaltenen Lilie“ und dem „Lilienbäumchen“, sehen zu wollen, ist unwissenschaftlich. Dass sich das was wir heraldische Lilien zu nennen gewohnt sind, aus dem sakralkünstlerisch gestalteten orientalischen Dattelpalmbaum-Idol entwickelte - bereits im 9./8. Jh. v. 0 (und in einigen Regionen noch bedeutend früher) - ist für jeden Sakalkunstsachverständigen bzw. Orientalisten sicher. Diese sog. Lilien sind in frühchristlicher Zeit nicht selten ohne Scheu abgebildet worden, denn christliche Texte sprachen vom Paradisbaum vor dessen Darstellung man keine Hemmungen verspürte. So z.B. im Fuß­boden­mosaik der römischen Fried­hofskirche von Teurnia/Spittal an der Drau vom Anfang 6. Jh.; auf den persischen Silberfla­schen des 5. Jh. im Museum für Isla­mi­sche Kunst, Berlin (z.B.: Kat. 19+1/79/Nr. 94); auf der Schluss-Seite der Bibel von San Isidoro, Vale­rania, Spanien, 960 n.0; auf dem Kreuz Justins II in der Sakristei von St. Peter, Rom; auf dem Tympanon der Kirche von Haubersbronn; auf der Silber­münze des dt. Kai­sers Heinrich V.; in vielen Tympani mittelalterlicher Kirchen, wie z.B. der von Aue, wo zwei Lilienbäumchen das Kreuz flankieren; auf dem Steinsarg der hl. Re­giswin­dis von um 800 und nicht erst 1227 bei Lauffen/Neckar; im Tympanon am Gnadenportal des Bamberger Do­mes, wo Heinrich II. und seine Frau Kunigunde exakt die gleichen Lilienzepter-Herrschaftsinsi­gnien tragen wie der Elstertrebnitz-„Heide“ - um nur eine kleine Anzahl zu benennen, die aber bereits völlig ausreicht, um die Haltlosigkeit bezeichneter Auffassung von J. Andree und seiner Nachbeter, zu demaskie­ren. Mit germanischem Heidentum ha­ben all die gleich und ähnlich gestalteten, variierenden „Bäumchen“ - die für Irminsulen gehalten werden - nicht das mindeste gemein. Das Lilienzepter galt allerdings - zunehmend im Hochmittelalter, besonders in der Phase des Investiturstreites zwischen Kaiser- und Papsttum - als weltliches Herrschaftssymbol und wurde allein deshalb von fanatischen Papst-Anhängern, den sog. Gregorianern, diskreditiert.
 
 
Elstertrebnitz-Tympanon - Im „Irminsul“-Halter (links im Bild) meint J. Andree einen Heiden erkennen zu können. Ich halte ihn für einen christlichen Kleriker / Bischof, jedenfalls für einen geheiligten Würdenträger und führe dazu im Folgenden einige Abbildungen auch von mittelalterlichen Bischofsbildern vor -, darunter eine kleine Auswahl der in Betracht kommenden Münzprägungen von Bischöfen u. Äbtissinnen, welche sog. Lilien-Zepter halten, in  denen Herr Schröppe Irminsulen erkennen will.
 
 
1.) Bischof Ulrich von Augsburg (Sakramentar Heinrich II. / 11.12. Jh.) - 2. Bischöfliche Krönung Balduins I. (1058-1118), Bild aus: Histoire d'Outremer, 13. Jh - 3.) König von Asturien Alfons III. - („Liber Testamentorum“, frühes 12. Jh.) - 4.) franz. Bischof (Litho. 19. Jh.) trägt gleiches Ziermuster wie im Mantelstoff des „Lilien“-Halters im Elstertrebnitz-Relief - 5.) Heutiger orthodoxer Priester in das hochkragige (griech.) Phelonion gewandet. 6.) Papst Benedikt XVI., 2008, mit Stoffmusterdekor von Kreisen wie auf Mantel des Elstertrebnitz-Klerikers.
 
 
1.) Münzbild von Eberhard II. von Waldburg-Thann 1248-1274 - Bischöfliches Brustbild mit Krumm- und Lilienstab - 2.) Bodensee-Brakteat des Bistums Konstanz, mitrierter Bischofskopf zwischen Krumm- und Lilienstab - 3.) Bodenseebrakteaten, Radolfzell, Münzstätte der Abtei Reichenau - Konrad von Zimmern, 1239-1255 - Über einem Fisch geistliches Brustbild mit Krummstab und einem mit einer Lilie geschmückten Buch -4.) Brakteat Quedlinburg, Abtei Beatrix II. von Winzenburg 1138-1160. Auf Mauerbrüstung sitzende Äbtissin hält Lilie und Buch - 5.) Brakteat Quedlinburg Abtei, Äbtissin sitzt auf Brüstung mit Palmzweig und Lilienzepter. - Nach Meinung von J. Andree und seiner Schüler tragen all diese christlich überfrommen Leute heidnische Irminsulen in den Händen. Im Elstertrebnitz-Bild stehen sich nicht konträr ein Heide und ein Christ gegenüber, vielmehr in vereinter Anbetung ein ärmlich gekleideter Laiengläubiger und ein prachtvoll herausgeputzter kirchlicher Heiliger.
 
LÖSUNG: Die Verständlichmachung des Bogenfeldbildes von Elstertrebnitz liefert am deutlichsten der von mir als 2. Bischofsbild vorgelegten Krönungsakt Balduins I. aus Histoire d'Outremer des 13. Jahrhunderts. Das Lilienzepter wird dem König als kirchlich-sakrale Bestätigung seiner Amtswürde gereicht. So reicht auch der Bischof im ganz klar missionszeitlichen Elstertrebnitz-Tympanon dem biblichen Gottvater symbolhaft die Machtinsignie hin, um damit dem anzusprechenden, bisher heidnischen Kirchenpublikum aufzuzeigen, wer der machtbefugte Herr und Meister zukünftig sein soll. Die Gegenüberstellung von rechts Kreuz und links Lebensbaum war in frühchristlicher Missionszeit ganz normal, sie findet sich mehrfach (z.B. Regiswindis-Sarkophag / Lauffen am Neckar).  Auf der einen Seite das Kreuz, auf der entgegengesetzten Seite der Lebensbaum.
 
 
Damit wies die Kirche auf die Polarität der Welt bzw. allen menschlichen Seins hin: Auf der einen Seite das vergängliche, weltliche Leben mit Prunk, Luxus und Sinnenlust und andererseits das wahre, jenseitige, ewige Leben - zu dem ein jeglicher hinzugelangen vermag - sollte er im Diesseits noch so arm an Hab und Geist gewesen sein - und zwar allein über den Glauben an den „Erlöser am Kreuz“. Auch die beiden Sinnbilder hinter den Männern sind weder unergründbar nach geheimnisvoll. J. Andree deutete das Rad hinter der linken Gestalt als heidnisches Sonnenrad. In dem Vogel hinter der linken Gestalt meinte er eine christliche Taube erkennen zu dürfen. Das Tympanon gehörte ursprünglich zur Elstertrebnitzer St. Martin-Kirche, so dass die naheliegende Deutung jene ist, die mir nach einigen Überlegungen aufging: Der Heilige Martin wird entweder als römischer Reitersoldat dargestellt, während er seinen Mantel teilt, oder er wird als Bischof mit den ikonographischen Attributen Rad oder Gänse abgebildet. So dürften diese beiden Symbole über dem Eingang einer Martins-Kirche nicht überraschen. Eine alberne Kirchenlegende besagt, dass Martin im Jahr 371 in der Stadt Tours von den Einwohnern zum Bischof ernannt werden sollte. Der überaus bescheidene Martin hielt sich aber des Bischofsamtes nicht würdig genug, deshalb versteckte er sich in einem Gänsestall. Die schnatternden Vögel hätten ihn jedoch verraten, so dass er gefunden wurde und das ihm angetragene Amt annehmen musste. Davon würde sich auch der Brauch der „Martinsgans“ ableiten. Zwar ist das ein frommes Märchen, denn bereits dem röm. Gott Mars war die Gans bzw. der tapfere Ganter als Attribut zugeordnet, doch hierin liegt die Erklärung für die Gans hinter dem armen Mann, welcher eine Bekleidung trägt, die eine sich kräuselnde Fellstruktur auftzuweisen scheint. 
 
Die linke Figur im Elstertrebnitz-Bogenfeld, welche als ostsächsischer Heide fehlgedeu­tet wurde, trägt zum christlichen Heiligenschein ein liturgisches Gewand oder einen prunkvollen Herrschermantel. Bei genauer Inaugenscheinnahme des Bildes ist ein mit Kreismustern verzierter und mit prächtiger Bordüre versehener, hochnackenkragiger Umhang erkennbar, ähnlich einem Talar, Manipel, der Mantija (auch planeta / paenula), oder dem orthodox-christlichen Phelonion bzw. der romchristli. Casel, welche ursprünglich den ganzen Körper umhüllte. Es könnte sogar vage auf dem Kopf die Tonsur der Kleriker vermutet werden. In seiner Hand hält der bärtige Mann keines­falls ein Irminsul-Symbol, sondern das bekannte Lilienzep­ter christli­cher Könige, Kaiser, Bischöfe, Äbte und Äbtissinnen, wie es von vielen Bilddo­kumenten her bekannt ist. Dieser Umstand wird recht deutlich auch durch die schon ge­nannte Silbermünze Heinrich V. bewiesen, aber auch durch das Relief der Trep­pen­wange in der Ka­the­drale San Va­lentino, Bitonto (Bari), Italien; Bauzeit 1175-1200. Das bedeutendste Kunstwerk der Kirche ist die Kanzel von Meister Nicolas aus dem Jahr 1229. Vier staufische Herrscher sind in direkter aufsteigender Linie nebeneinander gestellt worden: Friedrich Barbarossa, sein Zepter in der Linken an seinen Sohn Heinrich weiterreichend. Daneben - eine Stufe höher - Friedrich II. und als letztes sein Sohn Konrad IV oder sein Sohn Heinrich VII. Jedenfalls ist es das gleiche Lilienzepter wie wir es vom Elstertrebnitzbild her kennen (s. Abb.).
 
 
Das Urgeheimnis von Trebnitz an der Elster
 
Mit Trebnitz an der Elster, im flachen, breiten Tal der Weißen-Elster gelegen, haben wir eine altgermanische hermundurische bzw. eine Kultstätte der Thuringi vor uns. Der Begriff „Alster“ meint ein Gewässer, in alter Zeit offenbar einen Zufluss, so ist die Alster ein Nebenfluss der Elbe in Süd-Holstein und Hamburg, ebenso ein Zufluss der Diemel in Nordrhein-Westfalen und Hessen und ein Nebenfluss der Itz in Thüringen und Bayer. Ebenso wie „Alster“ gehört die Lautform „Elster“ mit seiner Grundform Al-astra / Al-istra zum indogerm. el-/ol- für fließen / strömen mit der germ. Endung -str. Die „Schwarze Elster“ ist ein Nebenfluss der Saale, während die „Weiße Elster“ ein Nebenfluss der Elbe ist. An ihr liegt die Gemeinde Elster-Trebnitz, südwestlich von Leipzig, nordöstlich von Zeitz, in einer urwüchsigen ostsächsischen Region voller Hinweise und Zeugnisse eines lange dort überlebenden Altheidentums. Elstertrebnitz soll bereits 1039 urkundlich erwähnt worden sein, wo und unter welcher Bezeichnung war nicht zu ergründen. Seit 1290 wird es als Trebnitz bezeichnet, wie üblich, mit unterschiedlichen Schreibweisen. Ein Wort was germ.-altdeutsch aus ags. „trépettan“, traben, treten / tanzen / hüpfen (nhd. Treppe), zu erklären ist. Die Absilbe „nitz“gehört zu einer Form der mittelostgerm. untergegangenen, möglicherweise wandalisch-wendischen Mundarten, die in späteren Sprachentwicklungen (sclavenisch-slawisch) festgehalten wurden. Das Suffix gehört zu ags. „nytt“, ais. „nyt“, ahd. „nuz“, „nuzzi“, nioz“ Nutzen / Nütze (zu nutze machen / Aneignen -; Nießbrauch / Nießnutz), auch zu mhd. „geniez“ Genuss und zu ahd „ginoz“, mhd. „genoz“ Genosse / Gefährte / Teilhaber / Dorfgenosse -; verwandt ist ahd. „(ge)niozan“, mhd. „(ge)niezzen“ genießen, mhd. „niez“ Benutzung / Genuss. Als Genosse bezeichnete man ursprünglich einen Menschen, der die Nutznießung genoss, mit einem anderen zusammen, sein Nutzvieh auf gemeinsamer Weide zu haben. Das End-„t“ und -„z“ sind schwankend, die nordwestgerm. Idiome neigten mehr zum „i“ als zum „u“ im Nutzen-Begriff. So kann die Wortendung „nitz“ als die von einer Dorfgenossenschaft gemeinsam genützte Örtlichkeit begriffen werden, im Sinne von ahd. „gisazi“, nhd. Sitz / Gesäß / Niederlassung der Sassen / Besitzer (Besatzung) von Grund und Boden, wie in „Elsass“ bzw. „El-Sitz“. Wovon die Endung „itz“ zu unterscheiden ist. Die Itz ist ein Nebenfluss des Mains in Thüringen und Oberfranken, die Regnitz einer in Bayern, deren Quellfluss die Pegnitz ist. Ihr Name wird 889 mit Paginza angegeben, 1196 als Begnitz -; in Franken heißt sie auch Bengertz. Itze-hoe zählt zu den ältesten Städten Holsteins, sie wurde im 12. Jh. als „Ekeho“ von Saxo Grammaticus erwähnt; eine Nennung 1196 schrieb sie „de Ezeho“. Beachtenswert ist, wie aus altem Suffix „inza“ ein „nitz“ entstehen konnte, wie auch am Beispiel vom Fluss Wörnitz, dem Nebenfluss der Donau in Bayern, zu ersehen ist, an dem Die Ortschaften Wörnitz, Wörnitzhofen, Wörnitzostheim und Wörnitzstein liegen. Im 11 Jh. ist die Wörnitz als Werinz-a überliefert. Die alte Endung „hô“ in Itzehoe/Itzhoe wird als Anhöhe, als flach erhobenen Landvorsprung vermutet und „eke“, „ete“, „itz“ soll ein mittelniederdeutsches Wort für Weideland sein. Itzehoe meinte, nach dieser Interpretation, ein „Weideland an der Flussbiegung“. Das würde den mitteldeutschen „nitz“- und „itz“-Endungen nicht widersprechen.
 
Zu Elstertrebnitz gehören die Umfeldgemeinden Eulau, Tannewitz, Trautzschen, Greitschütz, Costewitz und Oderwitz. Die Teilgemeinde Eulau ist nicht zu verwechseln mit dem Eulau bei Naumburg, wo eine ganz erstaunliche, ja ergreifende steinzeitliche Familiengrabanlage auf einem 4.400 Jahre alten Gräberfeld freigelegt wurde. Eine junge Mutter mit ihren drei Kindern sind dort beerdigt worden. Ein neugeborenes Mädchen lag vor ihrer Brust, ein zwei Jahre altes Mädchen und ein Junge im Alter von sechs bis acht Jahren hinter ihrem Rücken. Ein weiteres Vierfach-Steinzeitgrab hat man entdeckt, mit Mann, Frau und zweien ihrer Kinder. Eulau liegt nur 23 km vom Mittelberg, dem Fundort der Himmelsscheibe von Wangen-Nebra entfernt. In einem in den Jahren 881/899 entstandenen Zehnt-Verzeichnis des Klosters Hersfeld ist Eulau schon unter der Bezeichnung Ilauua (Lehm-Aue) aufgeführt. Hingegen das Dorf Eula bei Elsterstrebnitz scheint erst 1268 in einer im Urkundenbuch des Hochstiftes Merseburg abgedruckten Urkunde des Markgrafen Dietrich von Landsberg als Ylowe erwähnt worden zu sein. Seine Benennung änderte sich seit 1482 von Ylo über Ilaw und Eylaw zu Eulau. Tannewitz, eine Gründung der Sippe „Tannova“ (Tannen-Aue od. gemischtsprachlich Neu-Tannen) wurde 1350 im Lehnbuch von „Friedrich dem Strengen“ erwähnt. In Hermann Schlegels Aufzeichnungen über Trautschen/Trautzschen wird die „Chronik von Profen“ zitiert, dass 1235 das Patronatsrecht an der Druziner-Kapelle (Trautzschener-) dem Ritter „Arnold von Druzin“ übertragen wurde. Auch Greitschütz/Grutschitcz wurde im Lehnbuch des gestrengen Friedrich erwähnt. Hier hoben die Archäologen eine Prunkaxt der gleichen schnurkeramischen Zeitstellung aus einem größeren Gräberfeld, wie die Familiengräber von Eulau bei Naumburg. Der Ortsname wird abgleitet entweder von Grutschütz, Greschütz, was Buckel / Anhöhe bedeutet, doch ich schlage vor, ihn zu erklären aus mhd. „kriec“ Anstrengung / Bemühen / Streben / Streit / Widerstand / Zwietracht / Kampf. Costewitz wurde 1320 im Historischen Ortsverzeichnis von Sachsen als Kostitz geführt. Ob der Begriff von ahd. „chost“ Rat, ahd. „costunga“ Prüfung / Versuchung, ags. „cost“ Wahl / Möglichkeit / Bedingung abzuleiten ist, bleibt ungewiss. Der zweite Wortteil kommt von ahd. „wizzi“, engl. „wit“, got „witi“ Wissen / Verstand, so dass Costewitz als „Ort der Guten Wahl“ zu verstehen wäre.
 
Ein Dorf des Namens Oderwitz, am 15. Mai 1324 als Odrowitz erwähnt, liegt inmitten des Oberlausitzer Berglandes, im Landkreis Görlitz. Die Vermutung, dass es auf eine slawische Siedlung namens Wudrijecz fußen würde, ist zwar unbelegt, würde aber meine Theorie nicht beeinträchtigen. Die hier ansässigen germ. Sueben sollen sich mit zugezogenen Sorben vermischt haben. Als die Region durch die Markgrafen von Meißen unterworfen und gewaltsam verchristlicht wurde, beharrte das Volk hartnäckig auf seiner angestammten Religion und verjagte die Missionare und Priester, bis Kaiser Heinrich II. im Jahre 1015 aus Staatskalkül eingriff und einen Gewaltfrieden erzwang. Erst zwischen 1050 und 1150 entstanden die ersten Kirchen in diesen heidnischen Rückzugsgebieten. Das andere, sich recht unbedeutend darstellende Oderwitz liegt unmittelbar südlich, keinen ganzen Kilometer von Elstertrebnitz entfernt. Es ist im Jahre 1346 erstmalig im Dresdener Hauptarchiv urkundlich als Odrowitz, später auch als Kleinoderwitz, geführt worden. Eine abweichende Bezeichnung Odirwicz im 14. Jh. wird von Heinz Wiessner genannt („Germania  Sacra - Neue Folge 35,1 - Bistum Naumburg 1 Die Diözese 1“, 1996, S. 552).
 
 
Abb. 1.) - Mühlengraben in Elstertrebnitz - Abb. 2.) Alte Mühle - Abb. 3.) Weiße-Elster-Region
 
In der Örtlichkeit Trebnitz-Oderwitz glaube ich einen germanischen Kultplatz der Od-Gottheit Wodanaz-Wodin-Odin erkannt zu haben, wie ich es mit meiner Ortsnamensuntersuchung der Od-Orte „Woden - Oden - Gottesorte“ wahrscheinlich machen konnte. Bei der Erhellung des Ortsnamens von Oderwitz orientieren wir uns an den vielen auch in west- und nordgermanischen Gauen aufgespürten Od- und Oder-Orten. Da sich der Namensbestandteil „witz“ auf  Wissen / Weistum bezieht, könnte man geneigt sein anzunehmen, im altgläubigen Tempelstandort Oderwitz eine runische Akademie bzw. Gelehrtenschule zu erblicken. Die alten germanischen Heimatgebiete der Gaue um Elster und Pleiße sind unter anderem durch Förderung von „Wiprecht von Groitzsch“ (1050-1124) um 1100 verstärkt neu besiedelt worden. Das war ein zupackender, selbstherrlicher Mann, der es mit der christlichen Religion nicht so genau nahm. Bekannt ist für das Jahr 1084 seine Verbrennung der Jakobskirche im nahen Zeitz, womit er Gegner, die in der Kirche Schutz vor seiner Verfolgung gesucht hatten, zwang, sich ihm in die strafende Hand zu geben. Um den Schein zu wahren, leistete er späterhin einige Sühnehandlungen. An der Seite Heinrichs IV. zog er 1084 gegen den Papst Gregor VII. nach Rom. Die Oderwitzer Gehöfte waren in Form eines Rundweilers (Rundling) kreisförmig um einen zentralen Platz angeordnet, wie sie im Mittelalter nicht selten waren. Es wäre aber in diesem Falle denkbar, die Ortsstruktur sich durch einen vorbestehenden zentralen Kultplatz zu erklären. Dass die religiösen Feierlichkeiten in den alten Kulten mit rituellen Tänzen, Gesängen und Kultspielen gestaltet wurden, ist bereits in den bronzezeitlichen Ritzzeichnungen Skandinaviens zur Darstellung gelangt und vom Laienkirchenvolk im zähen Festhalten bis ins Mittelalter der verchristlichte Ära geübt, aber oftmals zum ausgesprochenen Leidwesen des höheren Klerus scharf gerügt und mit Verboten belegt worden. In seinem Werk „Selbst die Götter tanzen“ (1964), schreibt Th.P. van Baaren auf Seite 31ff unter der Kapitelüberschrift „Religion will Tanz“: „Für den modernen Europäer versteht sich der Zusammenhang zwischen Tanz und Religion keineswegs von selbst; er ist ihm sogar befremdlich. … Eine solche heutzutage im wesentlichen emotional bestimmte negative Einstellung zum Tanz hat ihre tiefsten kulturhistorischen Wurzeln in der Zeit, als sich das Christentum gegen die spätantike Kultur und in den Jahrhunderten der Christianisierung West- und Nordeuropas gegen heidnische Einflüsse durchsetzen musste. … Dieser Austausch zwischen Göttern und Menschen findet seine geordnete Form im Kultus, im Ritual. Im Ritual tritt der Mensch  in Beziehung zu den Göttern und Geistern und den vergöttlichten Ahnen. Auf diesem Wege integriert sich der Mensch in den als heilig erfahren Kosmos und restituiert zugleich die ebenfalls heilige Urzeit. Ein Ritual besteht aus Worten und Bewegungen, und seine Bewegungen können zum Tanz werden, so wie die Klänge zu Poesie und Musik werden können.“ Trebnitz hat in seinem Namen den Tanz-Kultplatzcharakter festgehalten, während nahe bei oder im alten Oderwitz der eigentliche heilige Hain oder der hölzerne Tempel gestanden haben wird. Hier entstand das „Rittergut Oderwitz“ und es gruppierte sich eine malerische Ortsanlage mit schönen Fachwerkhäusern, deren Zerstörung seit 1963 für den „Braunkohletagebau Profen“ geplant war. Diesem Schicksal ist Oderwitz glücklicherweise entgangen. Die Martins-Kirche von Elstertrebnitz ist wegen Baufälligkeit 1839 abgerissen worden, ihr Altar von 1529 gelangte zwecks Neuaufstellung zur Lutherkirche nach Costewitz. Das viel besprochene Bogenfeld über dem Eingang der alten Kirche befindet sich heute im Museum der Albrechtsburg zu Meißen. Später wurde eine neue Martinskirche errichtet, die seit einigen Jahren profanisiert, auf einen privaten Käufer wartet.
 
Ist die Stätte Oderwitz-Trebnitz als Kultort der germ. Od-Gottheit Wodan-Odin erkannt, erklärt sich die Motivation zur Errichtung einer Martin-Kirche von selbst, denn die kirchlichen Ersatzangebote für diese Gottheit waren der „Erzengel Michael“ sowie der soldatische Schimmelreiter Martin. Der „Martinstag“ wird am 11. November begangen, in jener herbstlichen Jahresphase des altheidnischen Ahnengeister-Gedenkens das mit dem Od-Gott in innigster Beziehung stand. Der Name des künstlich geheiligten Martinus leitet sich vom röm. Kriegergott Mars ab, so ist es nicht erstaunlich, dass er etliche von dessen Attributen und Schutzfunktionen übernommen hat. Auch der streitbare, hellhörige, wachsame Gänserich/Ganter gehört dazu. Der noch heute übliche Martinsgansbraten scheint in Gestalt eines Lichtgansessens, im Sinne einer Kommunion, bereits Bestandteil des Od-Gott-Kultes gewesen zu sein. Die praktische Veranlassung zum herbstlichen Gänsebraten ergab sich auch schon daraus, dass nicht alle Gänse über den Winter erhalten werden konnten, weshalb man die meisten, bis auf wenige Zuchtpaare, vor Beginn der kalten Jahreszeit geschlachtet hat. So ist die Abbildung der Gans in rechter Ecke des Elstertrebnitz-Tympanons - das in der Zeit ostelbischer Missionsbemühungen entstand - auch als eine einladende Reminiszenz gegenüber dem zunächst heidnischen Laienvolk zu verstehen. Nicht anders wird es sich mit dem (Sonnen-)Rad in linker Bogenfeldecke verhalten, denn die Abbildungen von Rädern in den Reliefs der frühen Kirchen-Tympani häufen sich auffällig. So zeigt auch der frühe angebl. karolingische Geisenheimer-Türsturz die vielen Sonnenräder, bedeutsam auch die Ing-Rune (links vom Haupt) als Sinnzeichen des noch rein solar aufgefassten Christos mit den übergroßen Segenshänden. Ähnlich archaisch mutet ja auch der Türsturz von Elstertrebnitz an, so dass er wohl deutlich älter sein muss, als 10./11. Jh..
 

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Abb. 1.) Rad-Relief von Elstertrebnitz-Matinskirche Abb. 2.) karolingischer Türsturz von Geisenheim / Rheingau (derzeit im Museumsdepot Wiesb.) Abb. 3. Gans von Elstertrebnitz-Martinskirche