Copyright Gerhard Hess - März 2017
 
Errare humanum est, sed in errare perseverare diabolicum“
 
(„Irren ist menschlich, aber auf Irrtümern zu bestehen ist teuflisch“)
Lucius Annaeus Seneca
 
IRMINSUL-DILETTANTISMUS
(Die Dattelbaum-Ikone vom Externstein ist keine Irminsul !)
 
 
 
Abb. 1 - die Frontseite der Kirche St. Maria der Abtei Pomposa / Lombardei -
das Lebensbaum-Medaillon ist nach den typischen orientalischen Vorbildern gearbeitet
 
 
Wer uns den orientalischen Dattelpalmen-Lebensbaum als germanische Irminsul unterschieben will, beleidigt unsere Ahnen, unsere Religion, unsere Götter und offenbart sich als Tölpel. Ich werfe allen Verfechtern der vermeintlichen „Irminsul“ im Externstein-Relief Quellen- und Sachunkenntnis und diesbezüglich sträfliches Dilettantentum vor - mögen sie nun Wilhelm Teudt heißen oder Julius Andree, Herman Wirth, Freerk Haye Hamkens, D. Bornhausen, Hugo Reinhold Karl Johann Höppener (Fidus), J.D. Plassmann, Ferdinand Seitz, Ulrich v. Motz, Fritz Vater, Julius Nase, Jörg Lechler, Werner Graul, Heinrich Sprick, Dieter Kestermann, Wilhelm Langewische, Wolfgang Willrich, Wilhelm Kusserow, Jürgen Rieger, Willy G. Fügner, Franz Spilka, H.W. Hammerbacher, Otto Hantl, Harry Radegeis, Michael Blasius, Jürgen Spanuth, Siegrun Schleipfer, Gerd Meier, Wolf Dieter Schröppe, Dieter S. Wolfert, Edmund von Hollander, Varg Vikernes, Helmut Greif - „Greifenkunst“, Dennis Krüger - „Parzifal-Versand“, „Die Goden eV“, „Armanen-Orden“, „Artgemeinschaft-GGG“, „Asatru“, „Germanenherz“, Widukind-Museum der Stadt Enger, um nur einige der unwissenden Enthusiasten zu benennen, die in Schriften und Malereien eine „Irminsul vom Externstein“ gepredigt haben und sich damit der leichtfertigen Volks- bzw. Heidenverdummung schuldig machten. - Diese Autoren postulierten die orientalische Lebensbaum-Dattelpalme als sächsisch-heidnische Irminsul und die heraldische Lilie als germanisch-heidnischen Irminsul-Vorläufer, obwohl die Kirche, aufgrund ihres vorderasiatischen Herkommens, den Lebensbaum und den Palmettenschmuck vom Judentum übernommen hatte und verstärkt seit dem 11. Jh. dieses Sinnzeichen zu den Herrscheremblemen christlicher Fürsten, Kaiser und Äbten/Äbtissinnen gehörte. - Ich korrigiere diese Autoren ausschließlich hinsichtlich ihrer Irminsul-Aussagen ! In der Wissenschaft darf es nie um Sympathie oder Antipathie gehen, hier zählen allein die Fakten, denn die Suche nach der Wahrheit ist ihr oberstes Gebot.
 
Abb. 1 - Die Abtei von Pomposa in Norditalien zeigt ein schmückendes Bauelement in der Kirchenfront aus dem 11. Jahrhundert, welches einen der typischen vorderasiatischen Dattelbaum-Lebensbäume vorführt. Er gleicht in seiner Grundstruktur dem Lebenbaum im Externstein-Relief. Vielleicht besinnt sich der eine oder andere Irminsul-Verbendete, wenn er einen nüchternen Vergleich vom Externstein-Bild und dem Pomposa-Bild vornimmt, um daraufhin endlich zu begreifen, dass diese Lebensbaum-Ikonen keine altsächsisch-germanische Irminsul (Weltstützen-Allsäule) darstellen können und wollen. 
 
Im lombardischen Oberitalien der Provinz Ferrara ließen sich Benediktinermönche bereits im 7. Jahrhundert auf der Po-Insel Pomposa nieder. Im 8. / 9. Jh. wurde die Basilika Santa Maria erbaut, die im 11. Jh. um eine kunstvoll geschmückte Vorhalle und den ca. 50 Meter hohen Turm erweitert wurde. Durch seine Lage an der Pilgerstraße nach Rom, entwickelte sich das Kloster zu einer beliebten Raststation und wurde zum Zentrum des mittelalterlichen Kultur- und Geisteslebens. Kaiser Friedrich Barbarossa hielt sich 1171 in Pomposa auf. In der Fassade der  Klosterkirche „Santa Maria“ ist sind in den Rundfenstern der Lebensbaum mit den üblichen Flankentieren eingearbeitet. Eine Naturkatastrophe leitete den Niedergang von Pomposa ein. Im Jahre 1152 durchbrach der Po bei einer Überschwemmung oberhalb von Ferrara die Dämme und verlagerte sein Bett. Auch die heißesten Gebete der Mönche vermochten gegen die Naturereignisse natürlich nichts auszurichten. Das Gebiet um die Abtei versumpfte, und die durch Mücken übertragene Malaria dezimierte die Bevölkerung. Im Jahre 1306 lebten nur noch 10 Mönche im Kloster. 1663 wurde das Kloster aufgehoben, 1671 verließen die letzten Mönche die Abtei.
 
Was das Verstehen so schwer macht:
 
Das Kriterium welches es den Irminsul-Dilettanten so schwer macht, den Sachverhalt zu durchschauen ist folgendes: Die Christenkirche nahm ihren Ausgang vom Orient mit ihren frühen Hochburgen Jerusalem, Damaskus, Antiochia, Aleppo, Tarsus, Efes, Alexandrien, überhaupt Syrien, Anatolien und Ägypten. Im dortigen Heidentum hatte der Lebensbaum-Kult einen hohen Stellenwert, weshalb sich die aggressive Christensekte damit kämpferisch auseinandersetzen musste. Als hervorragendes Sinnbild des orientalischen Volksglaubens wurde der Lebensbaum christlicherseits ab einem bestimmten Zeitpunkt offensiv geschmäht und nach christenkirchlichem Übergewicht und dem Moment des Privilegs als Staatsreligion, wurden die Heidentempel geschlossen und die Heidentümer, also heidnische Sinnbilder, verboten. Sie durften allein noch in Gestalt von kirchlichen Demonstrationen dessen vorgeführt werden, was als „Teufelswerk“ und überwunden zu gelten hatte. Der röm. Kaiser Theodosius I. (347-395) gilt als erster katholischer Herrscher. Er erklärte 380 in einem Edikt das sog. „nicäische Christentum“ als maßgeblich für sein Reich: „dass wir also an die eine Gottheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes bei gleicher Majestät und heiliger Dreifaltigkeit glauben“. Wer das nicht glauben könne, gelte fürderhin als Ketzer. 391/92 verbot er die heidnischen Kulte und ihre Ausübung, 393 verbot er die „Olympischen Spiele“. Mit Kaiser Theodosius II. (401-540) steigerte sich der Glaubensterror.
 
Der orientalische Lebensbaum, der als Dattelpalmbaum-Ikone traditionell ins Bild gesetzt worden war, kam auf den kirchenchristlichen Index. Als solcher wurde er in die Liste der „Ungeheuerlichkeiten“ aufgenommen und an den Pranger gestellt bzw. an Stellen aufgezeigt, wo er als abschreckendes Beispiel geschmäht und verflucht werden konnte, beispielsweise an Kirchenaußenmauern, Kircheneingangstürstürzen (Tympani), Kirchenpfeilerkapitellen und Taufbeckenreliefs. An den Kirchenaußenmauern wurde demonstriert, was „draußen zu bleiben“ habe. So lautete die kirchlich-propagandistische Bildersprache. Die Säulenkopfreliefs zeigten, wie die Kirche das überwundene Heidnische zwang, das schützende Dach der Kirche zu stützen. Und die Taufsteinbilder zeigten die heidnischen Motive denen der erwachsene Täufling vor der Taufe abschwören sollte.
 
Die orientalische Dattelbaum-Lebensbaum-Ikone gehörte bald in die Liste der „unholden“ Heiden-Logos, die nur noch als abschreckende Mahnung akzeptiert wurde, ganz gleich wie heute das geschmähte NS-Hakenkreuz nur noch als Warnzeichen mit dem roten Querstrich in der Öffentlichkeit geduldet werden soll. In diesem Sinne hat die Kirche die Lebensbaum-Ikone thematisiert und tradiert. Als der römisch (päpstlich) gelenkte internationale Christiansmus nach Nordeuropa ausgriff, brachte er in einer Art Automatismus auch dorthin sein Repertoire der „unholden“ heidnischen Klischees, obwohl man im Norden überhaupt keinen Lebensbaum kannte, sehr wohl aber eine Weltsäule (Irminsul) und einen Weltenbaum (Eibe/Esche Yggdrasils). Der antikirchliche germanisch-heidnische Säulen- und Weltenbaum-Glauben wurde per se in das der Kirche altbekannte feindliche Lebensbaum-Bild hinein hi­n­ein­pro­ji­zie­rt und dem - aus Kirchensicht - gleichgeschaute, gleichgeschaltete Heidentum vorgehalten. Mehr oder minder echte Irminssul-Abbildungen hat die Kirche ebenso an ihren Außenmauern anbringen lassen. Das beste Beispiel dafür ist der Würzburger Dom. Als dann im 11./12. das orientalische Lebensbaummotiv immer mehr zum Sinnzeichen, zunächst für die europäischen weltlichen Herrscher wurde, welche mit den überzogenen Herrschgelüsten der Päpste überkreuz kamen, aktualisierte sich - aus Sicht der z.B. Benediktiner-Mönche - der Heidencharakter des Lebensbaum-/„Lilien“-Zeichens. Die papstfeindlichen Salier-Heinrich-Kaiser trugen als Zeichen ihrer Würden das sog. Lilienzepter, welches bei genauem Hinsehen eben eine kleine Dattelpalme mit den deutlich gerippten Palmenwedeln war, was auf einigen der damaligen Abbildung noch einwandfrei erkennbar ist. Im alten Orient war dieses Symbol längst als Zepter-Kopf im Gebrauch. So wurde das Dattelpalmen-„Lilie“-Bildnis bei den Hurritern genutzt, wovon das Bildnis des „Vornehmen von Van“ zeugt, und ebenso das des aramäischen Königs Bar-rekub, des 7. Jhs. v.0..  
 
So kam es zur Mehrdeutigkeit auch der gebogene Palme vom Externstein-Relief des 12. Jahrhunderts. Einerseits galt dieser Lebensbaum als uraltes verachtetes Heidenbild, das sich demütig abzubeugen hat vor dem Triumpfkreuz und andererseits gab man damit dem damaligen Kaiser Heinrich V. eine schallende bildsprachliche Ohrfeige, wozu man (die internationalen Benediktiner-Mönche) sich auch getraute, hatte doch der Kaiser gerade in dieser Zeit eine entscheidende Schlacht, nämlich die am Welfesholz, um Sachsen/Ostsachsen verloren, so dass er bis zu seinem Tod diese norddeutschen Gaue nicht erneut zurückzugewinnen vermochte. Der Kaiser verlor für den Rest seiner Regierungszeit jeglichen Einfluss in Sachsen, wozu das Weserkloster und das Externsteingebiet gehörten. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Rache des sächsischen Bischofs Reinhard von Halberstadt, er verweigerte den gefallenen Feinden - also den Rittern und Mannen des Kaisers - ein christliches Begräbnis, womit ihre Seelen verdammt bleiben sollten. Daran ist zu ersehen, wie krass kirchlicherseits die Partei des Kaisers als heidnisch definiert worden ist. Diese Zusammenhänge zu begreifen ist nicht schwer, sie sind aber die unbedingte Voraussetzug, das Relief vom Externstein, hinsichtlich des abgebogenen fremdländischen Lebensbaumes zu verstehen. Der abrundende Schluss, dass die Dattelpalme niemals ein religiöses Zeichen der Altsachsen gewesen sein kann und deshalb ebensowenig sie sächsische Irminsul meinen konnte/kann, dürfte auch für die langsamsten Köpfe zu begreifen sein.
 
Wie kam die Dattelpalme auf das Reichszepter und den Krönungsmantel ?
 
Heinrich I., „Heinrich der Finkler“ (876-936), Sachsenherzog aus dem Geschlecht der Liudolfinger, König des Ostfrankenreiches wird in der anonymen Kaiserchronik für Kaiser Heinrich V., um 1112/14 („Corpus Christi, Cambridge, Ms 373, fol. 40r“) ohne Lilienzepter dargestellt. In der Verwandtschaftstafel der Ottonen“ („Chronica St. Pantaleonis, Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel, „Cod. Guelf. 74.3 Aug., pag. 226“) aus 2. Hälfte des 12. Jhs. aber sehr wohl und zwar mit „Heinricus rex und Methildis regina“ im Doppelkreis. Und darunter Heinrichs Sohn Otto I. der Große (912-973), als „Otto Imperator primus“ ebenso mit Lilienzepter. Otto rettete durch seine Siege Westeuropa vor den Ungarn und Slawen. 961 eroberte er das germanisch-langobardisch bestimmte Königreich Italien bis in dessen Süden hinein. Er unterwarf den langobardischen König Berengar II. (900-966). Berengar I. von Friaul (850-924), wird im „Chronicon Casauriense“ des Johannes Berardi, aus spätes 12. Jh., mit Dreispross-Zepter dargestellt. Auch die langobardische „Eiserne Krone“, aus 2. Hälfte des 9. Jhs., der Könige von Italien, zeigt bereits Zierelemente die dem Dreispross und dem Volutenzepter nahekommen. Doch schon auf Darstellungen von Münzen des Pippin III., Pippin der Kurze und Pippin der Kleine (714-768), Sohn Karl Martells, fränkischer Hausmeier und Vater „Karls des Großen“, erscheint er mit der „heilige Lanze“, die an ihrer Spitze bereits ein Volutengebilde zeigt. Otto III. (980-1002), Sohn von Otto II., trug möglicherweise als Dreijähriger bei seiner Krönung 983 in Aachen zum röm.-deutschen König jene Lilienkrone, die heute zum Essener Domschatz gehört und mit der die sog. „Goldene Madonna“ ab dem 11. Jh. im Rahmen von Prozessionen und besonderen Feiertagen bekrönt wurde. Es handelt sich um die älteste erhaltene Lilienkrone der Welt. Sie entstand wahrscheinlich jedoch erst in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts. Doch die im Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte aufbewahrte „Gotenkrone von Kertsch“ (Abb. 4), von der einstmals gotisch besiedelten Krim, trägt schon das „Lilienmotiv“ in Kronenmitte. Sie müsste aus dem 4. Jh. stammen. Kertsch ist eine Hafenstadt auf der gleichnamigen Halbinsel Kertsch, am Nordrand des Schwarzen Meeres. Zum Welfenschatz gehört ein Armreliquiar mit „Lilien-Apfel“ des „hl. Sigismund“ aus dem 11. Jh.. Die Welfen als burgundisch-schwäbische Adlige beste Beziehungen zur Lombardei und in die Toskana. Nach der Familienlegende führen die Welfen ihren Stammbaum bis auf Edekon, den thüringischen Vater von Odoaker zurück, der in Ravenna regierte. Welf VI. (1115-1191), Markgraf von Tuszien (Bruder Heinrichs des Stolzen) wird in den „Acta Sancti Petri in Augia“ (Kantonsbibliothek St. Gallen) mit grünem „Lilien-Reichsapfel“ abgebildet. Kaiser Otto IV. (um 1175–1218), Sohn Heinrichs des Löwen und Mathildes, trägt auf seinem Siegel das „Lilienzepter“.
 
Brachten möglicherweise die Normannen das „Lilienzepter“-Motiv in den europäischen Adel des Hochmittelalters ? Im Jahre 999 landeten normannische Pilger, aus Jerusalem zurückkehrend, in Salerno und halfen der dortigen Bevölkerung, erfolgreich sich der Sarazenen zu erwehren. Dieses Ereignis veranlasste normannische Glücksritter und ganze Rittergruppen nach Süditalien zu ziehen, um hier als Söldner langobardischer und byzantinischer Fürstentümer ihren Lebensunterhalt zu erstreiten. Der langobardische Adlige Melus von Baribewog 1016/17 veranlasste solche Normannen, gemeinsam mit ihm, das byzantinische Apulien anzugreifen. Von dort griffen Normannen nach dem arabisch besetzten Sizilien. Roger, der jüngere Bruder des Grafen Robert Guiskard, unterwarf die gesamte Insel in nur 30 Jahren und wurde als Roger I. (1031-1101) Großgraf von Sizilien. Er war der 6. von 12 Söhnen des Normannen Tankred von Hauteville, seine Mutter hieß Frensendis. 1066 eroberten französische Normannen unter Wilhelm I. in der Schlacht bei Hastings England. Es folgte die Eroberung von Wales, Schottland und Irland durch die Anglo-Normannen.
 
Abb. 2 - Heinrich V. mit „Lilienzepter“
 
Roger I., dem Eroberer Siziliens und weiterer Gebiete, folgte sein 2. Sohn, Roger II. (1095-1154), der als König von Sizilien, als reichster Herrscher Europas galt. Er vereinte mit Sizilien die normannischen Besitzungen Unteritaliens in Kalabrien und Apulien, auch eroberte er nordafrikanische Küstenstädte. Seine Tochter, von Ehefrau Adelheit, war die blonde Konstanze (1154-1198), sie heiratete 1186 den römisch-deutschen Kaiser Heinrich VI. (1050-1106) in Mailand. Im „Liber ad honorem Augusti“ von 1196 wird er mit einem grünen Palmbaum-Zepter gezeigt wird. Ihm wurde von Konstanze nur der spätere hochgelobte Kaisers Friedrich II. (1194-1250) geboren, der auch König von Sizilien und Jerusalem war.
 
Doch die Palmbaum- bzw. sog. „Lilienzepter“ sind älter. Zu den zehn prächtigsten Handschriften des Reichenauer Klosterskriptoriums gehört als ältester der „Gero-Codex“. Gero war 970-976 Erzbischof von Köln, hat ihn vor 969 in der Reichenauer Malschule in Auftrag gegeben. Die göttliche Thronlehne ist geziert von goldenen „Lilien“. Der Salier-Kaiser Konrad II. (990-1039) des Ostfrankenreiches, König von Burgund und Italien, hält auf einem zeitgenössischen Siegel mit der linken Hand das sog. Lilienzepter. Der strenge Beichtvater Bischof Burchard von Worms hatte den jungen Konrad ausgebildet. Gisela von Schwaben (989-1043) war die schöne und kluge Ehefrau von Konrad II., ihr wird die herrliche Adlerfibel (Gold, Email, Rubin) zugerechnet, welche im Landesmuseum-Mainz verwahrt wird (Inv. Nr. 0/1518). Stilistisch ist sie gut mit der Reichskrone vergleichbar und gehört somit in die ottonische Ära. Die beiden Kreisranken enden in „Lilien“-Form und in einem Medaillon oberhalb des Adlerschwanzes ist die kleine „Lilie“ eingelegt. Konrad II. war der Nachfolger des letzten Ottonen Kaiser Heinrich II. (973-1024), Herzog von Bayern und König von Italien. Der teilvergoldete, silberne Einbanddeckel des Sakramentars des hl. Heinrich II. - erschaffen 1002/14 - stellt im Zentrum den „Hl. Gregor“ dar. Über ihm, unter einem Halbbogen, ist der Lebensbaum dargestellt (aus Bamberger Domschatz - Bay. Staatsbibliothek  - Cod. lat. 4456). Konrad II. und Gisela wurden die Eltern von Heinrich III., der seine Kaiserwürde weitergab an Sohn Heinrich IV., der wieder an seinen Sohn Heinrich V., welcher im „Cod. lat. 295, fol. 81v“, um 1130, allein das Lilienzepter trägt (Abb. 2). Kaisers Heinrich III. (1016-1056), trägt auf dem Sarkophag als Detail seines Herzgrabreliefs, in der Pfalzkapelle Goslar, das Lilienzepter. Die Pfalzkapelle wurde 1040/50 errichtet. Kaiser Konrad II. Sohn, der Kaiser Heinrich IV. (1050-1106), musste sich mit den aufständischen Sachsen herumschlagen (1073-1075). Er ließ seinen jüngeren Sohn, den späteren Heinrich V. (1081-1125), zum Nachfolger bestimmen. In der „Weltchronik“ des Ekkehard von Aura (1085-1125) gibt es die Zeichnung des Themas der Übergabe von Herrscherinsignien durch Kaiser Heinrich IV. an seinem Sohn Heinrich V., in Gestalt eines Lilienzepters. Rudolf von Rheinfelden bzw. Rudolf von Schwaben (1025-1057) war zunächst Anhänger seines Schwagers Heinrich IV., schlug sich dann im Investiturstreit zu dessen Gegnern, der Papstpartei. Seine Grabplatte im Dom zu Merseburg ist die älteste Bronzegrabplatte Mitteleuropas, sie zeigt das Palmbaum-Zepter mit den gerippten Palmwedeln. Rudolf taucht 1048 erstmals in einer Urkunde Kaiser Heinrichs III. auf, als Graf im Sisgau, das war eine Landschaft der Nordwestschweiz auf der Grenze zwischen Schwaben und Burgund. Vom Sisgau aus konnten die Pässe ins langobardische Norditalien kontrolliert werden. Und die Langobarden und ihre Bauhütten-Knappen waren die hervortretenden Künstler und Wissenden um den Lebensbaum und die Lilie, wir hören noch davon. So nimmt es wahrlich kein Wunder, dass Rudolf zu Lebzeiten ein Lilienzepter führte, dem man den Dattelpalmen-Charakter noch deutlich ansah, ein Umstand den der Künstler seiner Grabplatte offensichtlich berücksichtigte. Die Grabplatte wurde ihm zu Ehren um 1080 von einer nicht überlieferten Werkstatt gefertigt. Die Bronzeplatte gilt - wie gesagt - als die erste figürliche Grabplatte Mitteleuropas. In der Kirche des Stifts Enger (Ks. Hersfeld), welches 947 von Königin Mathilde, Ehefrau des König Heinrich I. gegründet wurde, befindet sich eine Grabplastik, von etwa 1100, die nach Überlieferung Grabstelle vom Sachsen-Herzogs Widukind sein soll, der als Gefangener auf Lebenszeit in Klosterhaft auf der Reichenau, um 825 gestorben ist. Die angebliche Widukind-Figur trägt, wie die Bronzegrabplatte Rudolfs von Rheinfelden im Dom zu Merseburg, von 1080, das „Lilienzepter“. Ein Unterschied besteht darin, das die „Lilie“ des Rudolf, dem gescheiterten frommen Gegenkönigs von Heinrich IV., aus einem Knauf, aber die „Lilie“ des heidnischen Freiheitskämpfers Widukind aus einem Sonnen-Kreis herauswächst (wie im heidnischen Bilddetail des Taufsteinbildes von Freudenstadt). Heutige Beschauer messen diesem Unterschied sicher keinerlei Bedeutung zu, aber die Sinnbildsprache in alter Zeit war sensibler als es heutige Augen sind.
 
Der erste Kreuzzug begann 1096 zum einen als bewaffnete Pilgerfahrt von Laien, zum anderen als Zug mehrerer Ritterheere aus Frankreich, Deutschland und Sizilien und endete 1099 mit der Einnahme Jerusalems durch ein Kreuzritterheer. Doch schon lange vorher war es für Scharen von überfrommen, arbeitsscheuen und verbrecherischen Pilgern üblich, ins sog. Heilige Land zu ziehen, um dort Ablass für ihre Sünden zu erlangen oder Abenteuer zu erleben, denn das Weitgereistsein wurde vornehmlich in Deutschland fast so gut wie einen Adelstitel gehandelt. So mancher Querulant oder Strauchdieb wurde von den Obrigkeiten der Städte verdonnert, zur Strafe eine Pilgerfahrt zu unternehmen, so war man ihn für eine gute Weile los, oder womöglich für immer. So mancher Springinsfeld hatte den Orient besucht und daheim - lange vor den Kreuzzügen - von seinen Wundern berichtet. 
 
Auch Heinrich V. (1081-1125) geriet - ebenso wie sein Vater Heinrich IV. (1050-1106) - mit dem Papst wegen des umstrittenen Investiturrechts in Konflikt. Er zog im Heer seines Vaters gegen die renitenten Sachsen (1103/05), allein dann 1111 nach Rom, wo er den Papst Paschalis II. und einige Kardinäle gefangen setzte und seine Kaiserkrönung erzwang. 1115 erlitt er gegen Ostsachsen die Niederlage am Welfesholz, mitsamt der Schmach des bendiktinischen Externstein-Rüge-Reliefs, in dessen Komposition der verbogene Kaiser-Palmbaum obendrein mit Füßen getreten wird.
 
Friedrich II. (1090-1147), Herzog von Schwabens jüngerer Bruder, wurde 1138 als erster Staufer zum deutschen König Konrad III. gewählt. Ihn zeigt ein Wachssiegel aus 1138 als thronenden Herrscher mit „Lilienzepter“. Friedrichs II. Sohn wurde als Friedrich I., Barbarossa (1122-1190) deutscher Kaiser. Ihn zeigt die „Weingartener Welfenchronik“, um 1180, mit „Lilienzepter“. Sein Sohn war Kaiser Heinrich VI. von Hohenstaufen (1165-1197), der auf den Abbildungen das „Lilienzepter“ trägt. Er heiratete die Tochter Konstanze (1154-1198) vom Roger II. von Sizilien, wodurch das süditalienische Normannenreich an die Staufer kam. Der deutsche Kaiser Heinrich VI. wurde 1194 im Dom zu Palermo zum König von Sizilien gekrönt und verbrachte den normannischen Thronschatz auf die Burg Trifels in der Pfalz. Sein kostbarstes Stück ist der sog. Krönungsmantel mit ca. 3,50 m Spannweite, aus purer Seide. Die Motive der darauf gestickten Dattelpalme mit Löwe und Kamel auf roter Seide, sind als Importwaren aus Byzanz vermutet worden, doch die Fertigung ist - wie es sich auf dem Prachtstück verzeichnet findet - im Jahre 1133 christlicher Zeitrechnung von arabischen Kunsthandwerkern in Sizilien vorgenommen worden. Dass im sizilischen Palermo, einer normannisch geführten Werkstätte, von muslimischen Künstlern, der Königsmantel des Roger II. mit einer Dattelpalme entstand ist kein bisschen verwunderlich, denn auf griechisch-sizilischen Münzen des 4./3. Jh. v.0 und römisch-sizilischen Tetradrachmen, ca. 350-300 n.0, erscheinen schon die Münzbilder von Dattelpalme und Pferd. Die Dattelpalme war also ein über Jahrhunderte altes Sinnbild Siziliens. Dem Innenfutter des Mantels ist eine weitere Stickarbeit aufgebracht, ein großer Baum (keine Palme) der von einem Menschenpaar (Frau und Mann) flankiert wird; die beiden haben blaue Augen und blonde Haare. Im gegabelten Wurzelbereich des Baumes steht eine kleine „Lilie“-Palmette. Ganz ähnlich steht im Wurzelfuße der keltischen Bronzeeimer-Gravur von Birka (um 8. Jh.) unter dem typisch keltisch verschnörkelten Lebensbaum eine gleiche „Lilie“. Das Akroterion des attischen Poseidon-Tempels von Sounion, um 440 v. 0, zeigt schon das gleiche Motiv; ich komme darauf zurück. So ist anzunehmen, dass bei des Normannen Roger II. Auftrag für die Herstellung des Königsmantels, den arabischen Stickern (Stickerinnen ?) nicht völlig freie Hand gelassen wurde, vielmehr gab es doch konkrete Anleitungen. Und dass die beiden Löwen welche Kamele schlagen, möglicherweise als Wunschbild gedacht worden sind, dass nämlich die normannischen Löwen die islamischen Kamele überwinden sollen, denn man ließ den sich unterordnenden Muslimen wohl das Leben im normannischen Sizilien und Unteritalien, aber rottete sie dort gnadenlos aus und deportierte sie, wo sie sich widersetzten.    
    
Palmette und „Lilie“
 
Der Isländer Eystein Asgrimsson dichtete im 14. Jh. den „Marienpreis“, unter dem Titel „Die Lilie“, in dem die Stelle vorkommt: „Frühere Dichter die alte und kluge Kunde aus heidnischen Büchern hatten…“ (Wolfgang Lange, „Christliche Skaldendichtung“, 1958, S. 58). Wer weiß heute noch woher die „Lilie“ kommt, was sie aussagt und wie ihre Bedeutung im Mittelalter von den heidnischen und christlichen Gruppierungen eingeschätzt worden ist ? Fragt man heute nach Bedeutung der „Lilie“, hört man nur die Antwort: „Reinheit, Keuschheit und Tugendhaftigkeit“.  Wer die Kunstgeschichte des östlichen Mittelmeerraumes mit Levante, Ägypten, Anatolien bis nach Mesopotamien studiert, weiß um die Genese des ins Bild gesetzten nahrhaften, geheiligten Dattelbaumes zur reduzierten Palmette und schließlich zu dem Gebilde das in der europäischen Kunst die „heraldische Lilie“ genannt wird.  Diese Tendenz zeichnet sich schon ab im frühen bronzezeitlichen Helladikum des griechischen Festlandes und währt bis ins Späthelladikum und der kretisch-minoischen Kunst Kretas von etwa 2.900-1.600 v.0. (Entwicklung der Keramik: frühhelladisch I-III 2.600 bis 1.850 v.0. - mittelhelladisch 1.850 bis 1.600 v.0 - späthelladisch I-III 1.600 bis 1.150 v.0.) Besonders einprägsam ist der Dattelpalmbaum in seiner Entwicklung zur sog. „Lilie“ auf dem goldenen minoischen Becher aus dem Schliemann-Fund zu ersehen. Auch vorgeschichtlich-ägyptische Kunstdarstellungen demonstrieren bereits die Palme als Lebensbaum-Palmetten-Säule, wie auf der „Schieferplatte mit Palme und Tieren“ (Louvre E 11052). Die Kunsterzeugnisse Mesopotamiens, der sumerischen, assyrischen, babylonischen, persischen Zeit, sowie die der phönizischen der östlichen Mittelmeerküsten, vermitteln den Dattelpalmbaum als zentrales ikonographiertes Objekt der Sakral- und Schmuckkunst. Der Palmzweig  und die Palme sind das Schwursymbol des Gottes Assur, wie es die Althebräer übernahmen, wovon noch die jüdische Bibel Zeugnis ablegt. Der assyrische Goldschatz von Ziwije wurde bei Saqqez gefunden (Mus. Teheran); aus 9./7. Jh. v.0. Er umfasst u.a. eine Goldtafel mit dem geprägten Abbild des Lebensbaumes (ähnlich dem Externstein-Lebensbaum), zwischen zwei Flügellöwen mit gemeinsamen Kopf. Dem akkadisch-babylonischen Sonnengott Schamasch (Šamaš) war die Dattelpalme heilig und so wurde sie es auch dem griechischen Apollon. Im syrischen Kunsthandwerk finden sich so herrliche Möbelplatten des 8. Jhs. v.0, die die Palmette, mit den Voluten und dem Dreiwinkel-Symbol des Heils vorführen und ebenso tun es die steinernen zyprischen Kapitelle dieser Epoche. In zyprisch-archaischer Periode II-A (600-550 v.0) finden wir Töpferwerke der Typen „Bichcrom-IV“, mit den Lebensbaum-Palmetten. Liebevoll und fantasiereich setzten zahllose Künstlergenerationen in den Gestalten vielfältiger Kunststile die Dattelpalme immer aufs Neue ins zeitgemäße Bild, doch die Grundstruktur als Palmette („Lilie“) blieb erhalten. Im griech. Olympia-Museum befindet sich eine Bronzeplatte des 7. Jhs. v.0 die den Kentaurenkampf mit dem Lapithen, dem Apollosohn Kaineus, darstellt. Im Hintergrund sind zwei Palmetten-Voluten-Säulchen zu sehen, die strahlende Sonnenaufgangsmotive zu tragen scheinen. Die etruskische „Tomba Campana“ von Veji, aus 6. Jh. v.0, besitzt ein halbzerstörtes Fresko das eine eindrucksvolle Palmetten-Säule mit großen Spiralvoluten zeigt. Klassisch-griechische Bekrönungen der Tempel-Giebelfirste und griechische Grabstelen entwickelten im 6./5. Jh. v.0 aus dem naturalistischen Vorbild der Dattelpalme bzw. ihrer helladischen und orientalischen Vorläufer-Gestaltungen, das religiöse Zierelement der Akroter und ebenso nutzte es die etrurische Kunst bei der Ausgestaltung ihrer Nekropolen. Aus dem 6. Jh. v.0 gibt z.B. den etruskischen Grabfund des bronzenen Sonnen-Pferdchens, aus der Tradition der attischen Sonnen-Pferdchen mit dem Hakenkreuzemblem. Das etruskische Pferdchen ist markiert - wie durch ein Besitzerbrandmal auf dem hinteren Oberschenkel - durch die Raute aus deren 4 Ecken die „Doppellilie“ sprießt. Eine westgotisch-arianische Schrankenplatte des 7. Jhs. in Salvatierra de Tormes (Prov. Salamanca / Spanien) ist wie ein Bilderbuch des synkretistischen Altglaubens. Ein „Lilien“-Baum mit ungeheuer starkem, ausladendem Wurzelwerk wächst hervor, von 4 Pfauen umgeben; darüber eine Sonne mit 6 mächtigen Strahlen. Dieser westgotische Künstler wusste noch vom Segensbaum-Charakter der sog. „Lilie“. Über der „Lilie“ steht - also von ihr hervorgebracht - der Granatapfel, womit die Bedeutung der „Lilie“ bestens umschrieben wird. Der Granatapfel hatte bei Römern und Griechen die Bedeutung von Verjüngung, Unsterblichkeit und Fruchtbarkeit. Er galt als ein Attribut von Persephone, der Göttin des vegetativen Lebens, das im Frühling erwacht und im Winter wieder abstirbt. In seiner Symbolik ist die periodische Wiederkehr des Frühlings und der Fruchtbarkeit der Erde gegeben. Er entspricht also exakt der Lebensbaum-Sinngebung. Das Kirchenchristentum übernahm im Wesentlichen diese Vorstellungen und deutete: „Ewiges Leben und die Fruchtbarkeit des Geistes“. Die Platte geht mit zahlreichen Reliefs zusammen, auf denen dekorative Skulpturen seit der 2. Hälfte des 6. Jhs. oft vorkommen. Aber noch viele Jahrhunderte später in Deutschland wussten die Steinmetze das noch immer, wie es das „Lilien“-Bäumchen eines Kapitells der Wunstorfer (bei Hannover) Stiftskirche zeigt, aus 2. Hälfte 12. Jh. (3. Kapitell der Südarkaden, von Osten). In röm. Kaiserzeit findet sich schon auf Gladiatorenhelmen der mehrstöckige Palmwedel-Volutenbaum herausgeprägt, mit dem beiderseitigen Dattelfruchtstandgehänge, so dass man annehmen könnte, er bedeute für den Träger so etwas wie „Leben, Glück, Segen“. In der Kunst der Griechen wie der Römer, bei Sassaniden und Byzantinern ist sie zuhause, doch das Zentrum der Palmette blieb der anatolische und persische Großraum. Er beeinflusste die byzantinische Kunst bis in deren Spätzeit. Die islamischen Araber- und die christlichen Byzantiner-Herrscher wussten noch sehr genau um die heidnisch-religiöse Tradition der Palmette. Deshalb nutzten deren Herrscher, die byzantinischen Kaiser und die großarabischen Emire und Kalifen, dieses Symbol nicht bei der Gestaltung ihrer Würdenzeichen bzw. Zepter.
 
Der oström. Kaiser Justin I. (450-527), wurde als Sohn bäuerlicher Eltern bei Naissus in der römischen Provinz „Dacia mediterranea“ bzw. in Dakien geboren, wo Illyrer, Thraker, Kelten wohnten, das schon im Jahr 168 Germanenstürme erlebte und im Jahr 267 wieder gotische und herulische Kriegerverbände. Erst 580 siedelten dort die ersten Slawen. Justin war eigentlich nichts als ein Krieger bzw. Militär, der kaum Griechisch sprach und nicht schreiben konnte. Seine Kampfgefährten waren vielfach Goten in oström. Diensten, so nimmt es nicht Wunder, dass ihn der Goten Godilas mit einem Wendelring (torques) im öffentlichen Zirkus zum Herrscher krönte. Die Ostgotenherrschaft in Italien währte von 493 bis 553. Dass Justin I. an die Macht kam, was damals viele Leute vom Hofe erstaunte, ist allein erklärbar durch seinen Rückhalt im Heer mit den vielen Germanen bzw. Goten die arianischen Glaubens waren. Die Arianer wurden erst ab dem Jahr 523, also 4 Jahre vor Justins Tod verboten und zunehmend verfolgt, als schon Justins begabter, skrupelloser, mörderischer Neffe, der spätere Kaiser Justin II. (520-578), die Reichspolitik streng anti-arianisch leitete. Die Germanen welche das Christentum angenommen hatten waren der freieren arianischen Glaubensform zugewandt, in der stammesgläubige synkretistische Elemente noch Platz fanden. Vor diesem Hintergrund versteht es sich, dass das sog. „Justinuskreuz“ („Crux Vaticana“), das im vatikanischen Schatz von „Sankt Peter“ zu Rom liegt, noch die naturalistisch-palmblattförmigen Schmuckelemente trägt. Es soll, laut Inschrift (kann gefälscht sein !), 570 dem Papst Johannes III. (561-574) geschenkt worden sein. Sollte tatsächlich Kaiser Justin II. (520-578) das mit Palmbaum-„Lilien“ verzierte Kreuz 570 dem Papst Johannes III. geschenkt haben, wäre dem zu entnehmen, dass diese Schmuckform damals in Byzanz gebräuchlich war und die Langobarden auch daher ihre Anregungen zur „Lilien“-Palmetten-Kunst empfangen haben könnten. Die Zeit von Papst Johannes III. fiel in die stürmische Phase der Langobarden-Invasion. - Zu den byzantinischen Justin-Kaisern: Justin I. (450-527), Justinian I. (482-565), Justin II. (565–578), Justinian II. (668-711).
 
Papst Hormisdas (514-523) bemühte sich die seit 484 bestehende Kirchenspaltung von Rom und Konstantinopel zu beenden und schrieb deshalb an den Patriarchen Timotheos I. (511–517) von Konstantinopel. 519 sandte dessen Nachfolger Johannes II. Kappadokes den Vertragsvorschlag akzeptiert zurück. Es wurde mit der Kirchenvereinigung trotzdem nichts, aber in diesem Zusammenhang könnte sehr wohl das Freundschaftskreuz vom damaligen oström. Kaiser Justin I. (450-527) nach Rom gesandt worden sein. Es gibt Interpreten die das Kreuz als Geschenk dem oström. Kaisern Justinian „dem Großen“ (482-565), oder Justinian II. (668-711) zuschreiben, was historisch fraglich wäre. Ersterer war viel zu geizig und großspurig für derartige Geschenke und der zweite hatte ebenso keinerlei Grund dazu. Dieser berief 691 ein Ökumenisches Konzil ein, das Quinisextum oder Trullanum II., doch Papst Sergius I. verweigerte jede Zustimmung, so dass Justinian den Papst verhaften und gegen seinen Willen nach Konstantinopel schleppen lassen wollte, was nur am Eingreifen der papsttreuen Milizen scheiterte. Also sah auch dieser Ostromkaiser keine Veranlassung für Kreuz-Geschenke. Kaisers Justinian I. („der Große“ 482-565) führte dann auch Intrigen zur Beseitigung der Gepiden und in langen Kriegen lässt er die Reiche der Ostgoten und Wandalen vernichten, was aber wenig echten Erfolg für die beabsichtigte römische Restauration brachte, denn kaum war er gestorben, rückten 568 die deutschen Langobarden in Italien ein. Die hatten im Krieg gegen die Ostgoten Italien kennengelernt. Dem oström. Feldherren Narses waren sie zunächst als Landsknechte nach Italien gefolgt. Die Goten hatten Freunde der Italiener sein wollen, doch die Langobarden traten als deren Feinde auf, sie hatten in ihrer Volkserinnerung mit Sicherheit das mitgetragen - anders als die Goten - was die grauenhaften römischen Eroberungsversuche Germaniens verursacht hatten, vornehmlich durch Claudius Germanicus (15 v.0-19 n.0), der die friedlichen Marser hat niedermetzeln lassen und als er bis zur Weser vorstieß, seine Soldaten zum schonungslosen Massenmord anfeuerte, weil man dieser Germanen nicht anders Herr werden könne, es sei denn, man rotte sie aus. Trotzdem verhielten sich die Langobarden in Italien zivilisierter und toleranter als die meisten anderen Invasoren.   
 
Wie kam es, dass die germanischen Arianer den Dreispross, welcher der „heraldischen Lilie“, die wiederum der palmettischen Schrumpfform entsprach, in ihren religösen Kunstwerken schätzen ? Sie entspricht genau der altgriech. Bildkürzel-Hieroglyphe des hl. Palmbaum-Verständnisses. Bereits der mykenische Krater aus Enkomi (Grab 17), des 14. Jhs. v.0, führt sie in seinem Bild-Arrangement vor. Die sog. „Gotenkrone“ von Kertsch/Krim entspricht in etwa diesem sakralen und profanen Urmodell, denn die heilige Lebensbaum-„Lilie“ wurde zum Zierwerk auch auf Alltagsgegenständen. „Lilien“ waren in altröm. wie byzantinischen Zierdekors anzutreffen. Aber all diese Formen der Palmetten, dem Naturvorbild des Palmbaumes abgeschaut, hat auch die klassische griechische Kunst lange Zeit voraus schon bei ihren Grabstelen und Akroterien (Tempel-Giebelzieren) vorgelebt. Die Fruchtbarkeits-Mutter, die Göttin Demeter, trug schon den schmalen „Lilien“-Stab wie ein Zepter. Der Tempel des Poseidon von Sounion, am Kap an der südlichsten Spitze Attikas, um 440 v.0, besaß ein Akroterion (Höhe 1.14 m) mit prächtigem Palmblattwipfel und darunter den Voluten und den Spiralen, jener Formen, die wir in weniger vollendeten Ausführungen in der römischen Kunst wiederfinden und schließlich bei den West- und Ostgoten und Langobarden, in einer fast volkskunstartigen Manier begeisterter Nachahmer. Der Sounion-Akroter zeigt bereits im Gestaltungsprinzip das Motiv welches im Innenfutter des Königsmantels (späterer dt. Kaisermantel) vom normannischen König von Sizilien, Roger II., eingearbeitet ist: Im Fuß vom Palmetten-Ranken-Baum, die „Lilie“, der Dreispross mit etwas stärkerem Mitteltrieb.
 
Als die gotisch-gepidischen Völker Skandinaviens den europäischen Ostraum zu beherrschen und zu besiedeln begannen, die Weichsel flussaufwärts an die Donau, das Schwarze Meer und die Ukraine zogen, dehnte sich ihr Reich von der Ostsee bis vor die Pforten von Byzanz, bis es im Jahre 375, durch asiatische hunnische Reiterhorden zersprengt wurde. Die Skandinavier kannten den Brauch des Weihezweiges, mit dem die Felder in einem Umgangsritus gesegnet worden sind, was z.B. das bekannte bronzezeitliche Felsbild des „pflügenden Bauern“ mit dem Dreisprossenzweig unter Beweis stellt (Gemeinde Tanum/Bohuslän/Schweden). Die gleichen Riten übten griechische Völker. Während ihrer ausgiebigen Kontakte mit griechischen, skythischen, anatolischen und persischen Volksgruppen sahen die Germanen diesen Urbrauch bestärkt, denn hier galt als Weihezweig oftmals der Palmwedel. Der altgerm. Dreispross hatte sich schon in der Bronzezeit als vorrunisches Zeichen auf Keramiken und Tüllenbeilen niedergeschlagen (spätere Algiz-Rune), so fand die formähnliche Dreiblatt-Palmetten-„Lilie“ Aufnahme in die germanisch-arianische Kunst. Ganz angetan von dieser schönen und weit verbreiteten Weihe-„Lilie“, griffen die jungen Germanenvölker das Thema auf und verbreiteten es auf ihren Westzügen nach Italien und die Iberische Halbinsel. Dort war es von der römischen Kultur her zwar längst bekannt, doch war es in dieser nicht im vorrangig religiösen Sinne genutzt worden, wie bei den Arianern. Ostgoten, Westgoten und Langobarden ließen ihre diesbezüglichen Zeugnisse bis heute in ihren Bildwerken der Baudenkmäler zurück. Geradezu einen „Lilien“-Rausch scheinen die Langobarden in ihren italischen Sitzen entwickelt zu haben. Sie waren ein norddeutscher Teilstamm der Sueben Mecklenburgs, eng mit den elbgermanischen frommen Semnonen verwandt, die sich für das germanische Kernvolk hielten. Im Verlaufe ihrer langen Wanderschaft bis in den italischen Stiefel hinein, hatten sie manchen Unbill zu erfahren und wurden ein weltangepasstes hartes Eroberervolk, das unter König Alboin ab 568 große Teile Italiens unterwarf und durch seine großzügige Religionspolitik auch römische und byzantinische Einflüsse verarbeitete. Den langobardischen Kunstäußerungen sieht man an, dass sie einerseits ihren norddeutschen Traditionen lange treu blieben, was das Sonnenspiral-Kapitell- bzw. Weltsäulen-Relief beweist (Kirche St. Assunta in Gussago / Lombardei), aber die Lebensbaum-Palmette erdachten sie in immer neuen, fantasiereichen Schöpfungen, wovon der langobardische Brunnen im Lateran anschauliche Kunde geben kann. So lange der Arianismus herrschte blieb diese kraftvoll-lebendige Formensprache unangekränkelt, sie erlischt nicht so bald mit der Katholisierung, aber langsam mit der Verwerfung aller freieren - nicht christenkirchlich genormten - Bildaussagen im Abendland, auf seinem unheiligen Weg in die papstkirchliche Gleichschaltung.      
 
Jahrtausende alt ist die Palmbaum- und Palmetten-Ehrung, was sich im Kunsthandwerk niederschlug. Mittelprotoattische (670/50 v.0) Vasen zeigen - wie jene die das Thema „Odysseus blendet Polyphem“ behandelt - schon die hieroglyphengleichen Sinnbildkürzel (auf dem Kopf stehende Anker-Form - siehe mykenischer Enkomi-Krater) der Palmette mit der aufgehenden strahlenden Sonne über den Voluten (Eleusis-Museum). Keltische Stater der Namnètes (aus Sammlung von Fortuné Parenteau (1814-1882), der sie der Stadt Nantes schenkte) liegen mir als Abbildungen vor. Sie zeigen Münzprägebilder des mehretagigen „Lilien“-Baumes aus dem 1. Jh. v.0. Die Palmetten- und „Lilien“-Gebilde gehören zum Repertoire der Künstler das Nahen Ostens und rund um das Mittelmeer. Wir können sicher annehmen, dass sie als Zeichen des Heiles und z.B. - aufgrund der Platzierung im Wurzelbereich von allegorischen Bäumen - der Auferstehungshoffnung und Fruchtbarkeit galt. Auf den griech. Vasenbildern bezeichnet die Palme den heiligen Bezirk, sie steht neben Apollos Dreifuß und seinem Altar. Da gibt es beispielsweise die herrlich gearbeitete Silberflasche mit den Lebensbaumranken und der exakten „Lilie“, aus dem vorislamischen Iran des 5. Jhs. n.0 - Museum für iranische Kunst/Berlin (Kat./Inv.-Nr. I. 4968).
 
Das römisch-frühchristliches Stifter-Fußbodenmosaik des Statthalters Ursus von Teurnia/Tiburnia bei Spittal an der Drau wurde Anfang 5. Jh. gelegt. Es zeigt den Lebensbaum und der „Lilien“-Krönung. Die Randbordüren sind Hakenkreuz- und Sonnenrauten-Mäander. Hier entstand 50 n.0 der Tempel des keltischen Heilgottes Grannus und im völkerwanderungszeitlichen 4. Jh. wurde eine Christenkirche geweiht. Im Raum mit dem schönen Lebensbaum-Mosaik hielten die Arianer ihre Gottesdienste ab. Ein Kreuz ist in diesem Mosaik nicht vorhanden. Aber die Gleichberechtigung der beiden frühchristlichen Embleme, das gleichschenklige Griechenkreuz und die Lebensbaum-„Lilie“ bestehen von Anfang an nebeneinander. Das galt im Nahen Osten bis hin zu den ägyptischen Kopten, bis nach Germanien und Iberien. Man sehe z.B. koptische Grabstelenreliefs von Luxsor und koptische Friese des 5. Jhs. und die Koptische Stele 6./7. Jh. von Medinet Habu (Inv.-Nr. J.197 - Kopt. Museum / Luxor-Mus. Kairo). Nach dem Sieg des katholischen Papsttums erscheint mir diese Bilderformel geschmäht, als arianisch-ketzerisch verurteilt, taucht später im Mittelalter wieder auf. Ganz sicher bin ich hinsichtlich dieser Entwicklung nicht. Der Arianismus lebte in einigen ostgotisch-langobardischen Alpenregionen weiter und mündete möglicherweise in die diversen Ketzerbewegungen des Mittelalters ein. Beispielsweise ist der Regiswindisschrein in Lauffen am Neckar ein solches Zeugnis der Arianer, aus dem Anfang 9. Jh., heute in der „St. Anna-Kapelle“. Ihr Vater Ernst soll ein Grenzgraf in Gebieten nördlich der Donau gewesen sein. Auch der trapezförmige sog. Siegfried-, oder Tassilo-Sarkophag, wohl deutlich älter als aus dem 12. Jh., wohin man ihn datierte, welcher 1753 beim ehemaligen Kloster Hagen, nahe Lorsch, aufgefunden wurde, stellt beide Motive nebeneinander (Museum Lorsch). Die Innenseiten des Sarges weisen insgesamt vier lateinische Kreuze und sechs auf den Kopf gestellte ankerförmige Motive auf, die kürzeste Form des Lebensbaumes. Der Sarkophag enthielt zwei gegensätzlich gebettete Leichname, über deren genauere Identität man nichts weiß. Dass dieses „Ankerzeichen“ auch den Lebensbaum meint, beweisen die Zierfriese der Spangenhelme aus den Fürstengräbern von Planig, Stößen und Marken bei Jülich (5./6. Jh.), bei denen Weintrauben- oder Dattelpergel von den Halbbögen herunter hängen, was langobardisch anmutet. Schon auf merowingischen Münzen fällt das Ankermotiv in Kombination mit dem Kreuz auf. Das vieldiskutierte sächsische Elstertrebnitz-Tympanon aus Ende 12. Jh. ? (Staatl. Sammlungen Dresden, Inv.-Nr. SAV 2611), zeigt zwei anbetende Gestalten vor Christi, welche jeweils hinter einer Palmette/„Lilien-Baum“ und einem Kruzifixus stehen. Beide wirken wie demonstrativ gleichberechtigt. Auf zwei langobardischen Kapitellen in Cividaes „Tempietto“ (Tempelchen) stehen sie wieder gleichberechtigt beisammen, „Lilie“ und Griechenkreuz. Diese wiederkehrende Nebeneinanderstellung kann nicht zufälliger Natur sein, sie muss Ausdruck einer arianischen Formelsprache von fest umrissener Bedeutung sein, wie etwa „Heil und Segen“, „Lichtheil und Wachstumssegen“. Wobei immer in Rechnung zu setzen ist, dass diese diversen Kreuzformen nicht die geringsten Ähnlichkeiten mit dem Bestrafungskreuz der römischen oder sonst einer Justiz zu tun hatten, sondern aus dem Symbolfundus des Sonnenkreuzes kamen, folglich auch die Betrachter etwas wie  „Sonnensegen“ assoziierten. Die alemannischen Goldblattkreuze, die den Toten aufgeheftet wurden, sind nichts anderes als Sonnenkreuze, mehrfach mit dem hängebärtigen Wodankopf in der Kreuzmitte. Noch z.B. Kreuze auf französischen Münzen des 12. Jhs. gleichen dem Eindruck eines quadratischen „Eisernen Kreuzes“. Die arianische Nebeneinanderstellung von Kreuz und „Lilie“ wurde - wie wir erkennen mussten - von einigen nichtarianischen Fürstenhäusern tradiert. Auf ihren Siegeln halten diese Potentaten mit der einen Hand den Kreuz-Stab und mit der anderen Hand den „Lilien“-Stab (Abb. 9). 
 
Ein altkroatisches Kreuz, flankiert von zwei Lebensbäumen, jeweils mit Voluten-Schneckchen, findet sich an der Fassade des früheren Marija-Klosters in Dubrovnkna. Ebenso zeigt das Kapitellrelief in der westgotischen Kapelle „St. María de Quintanilla de las Viñas“ beim span. Burgos, das, laut Beschreibung, den Apostel Philippus ins Bild setzt, welcher ein Schiff über dem Kopf hoch hält, in dem das griech. Kreuz von zwei „Lilien“ flankiert wird. Was wird von den arianisch-christli. kunstschaffenden Germanen ins Bild gesetzt ? Der „Lilien“-Baum mit den Traubenpergeln, der Weltfruchtsüße, als Sinnbild des gewünschten Überflusses. An die Stelle der Dattelfruchtgehänge des Orients traten stellvertretend die Weintrauben, in der langobardischen Kunst ebenso wie in der westgotischen. Man schaue sich die Reliefs von „Santa María de Quintanilla de las Viñas“, en el antiguo alfoz de Lara (Burgos / Region Kastilien-León). Oder den „Altar visigodo, Sevilla“. Sonnenkreuze, die weit davon entfernt sind, jemals Galgenkreuze werden zu können. Und die westgotischen „Capitel en Toledo“, welche die gleichen Sonnenspiral-Voluten ins Bild setzen wie langobardische Künstler. Und ebenso die großen Sonnenwirbelrosetten, die gotländische Bildsteine (4./10. Jh.) von Visby (Museum „Gotlands fornsal“) genau so zeigen wie die westgotisch-spanischen Reliefs von „Santa Maria de Lebeña“, Cantabria (7./8. Jh.), das westgot. Sonnenwirbelrelief („Estela funerana“) im „Museo de Navarra“, Pamplona, Nordspanien. Und die langobardisch-italienischen in Rom, Kreuzgang von „St. Giovanni in Laterano“, „St. Maria in Cosmedin“, Cividale „Tempietto Longobardo“ (7./8. Jh.). Welche zentrale hohe Stellung die Sonne im arianischen Glauben bis in die Spätzeit behielt und der Christus nur als eine ihrer Inkarnationen verstanden worden ist, demonstriert eindrucksvoll ein Bildwerk in der westgot. Kapelle „St. María de Quintanilla de las Viñas” ( Provinz Burgos), im Querhaus zur Apsis. Ein Stützstein-Relief mit zwei geflügelten menschlichen Wesen, halten einen Kranz in dem eine bärtige männliche Figur mit den Buchstaben SOL (Sonne) zu sehen sind. Außerdem trägt der Stein eine Inschrift, die auf die Kapellen-Wiederherstellung im Jahr 879 durch eine germanische Frau namens Flamola verweist: „Flamola, die Geringste der Geringsten, macht Gott dieses Geschenk in Erfüllung eines Gelübdes“. Sogar die altgermanisch-bronzezeitliche Sonnenstütze - wie sie auf Bohusläner-Fibeln erscheint - ist darunter ins eindeutige Bild gebracht worden (Abb. 3). Natürlich weist die Sonnenalegorie 9 Strahlen auf, ist doch der Namen der 9. ODING-Rune Sowilo = Sonne.
 
Abb. 3 - Iglesia visigótica de Quintanilla de las Viñas /
Provinz Burgos /Nordspanien
 
Wurzeln der langobardischen Kunst
 
Im pannonischen Becken, im 6. Jh., wo westgotische, ostgotische, langobardische, skythische, griechische, awarische Einflüsse zusammenflossen, wird die „Lilie“ als Symbol und Schmuckelemente von den Langobarden als dauerhafte Anregung aufgenommen worden sein. Ihr germanisches Brauchtum des Weihezweiges, der Baum-Numen-Verehrung und des Dreispross-Brauchtums fand in der weithin im Südostraum aktuellen Palmblätter-, Palmen-, Palmetten bzw. „Lilien“-Verehrung einen neuen attraktiven Ausdruck. Dazu kam der im 6. Jh. in allen germanischen Siedlungsbezirken Europas aufkommende Kunststil der Bandornamentik. Ab der langobardischen Generation die das arianische Glaubensbekenntnis annahm, wuchsen die christlicherseits adaptierten Motive des griechischen Kreuzes dazu, das die germ. Völker aus dem steinzeitalten Herkommen des Sonnenkreuzes und Sonnenradkreuzes als ein Sonnenzeichen verstehen mussten und somit auch leichter als Düpierte für die christlich-arianische Missionspredigt vereinnahmt werden konnten. Die jungen fantasiereichen, tabufreien Langobarden verwoben alle die bildnerischen Ideen miteinander und arrangierten Palmetten, Kreuzpalmetten, Spiralkreuze, Ranken, Flechtwerke, Bänder, Traubenpergel, Sonnensterne und -wirbel zu Reliefplatten von verwirrend-beglückender Raffinesse. Es scheint, dass die langobardische Kunst in die Fußstapfen ihrer ostgotischen Vorgänger trat, denn das ostgot. Ornament von „San Apollinare nuovo besitzt schon die Sonnenrauten, Hakenkreuze, Weinrankengeschlinge und Zopfbänder. Die Bandgeschlinge und Zopfborten finden sich auch auf den germanischen Fibeln, Gürtelbeschlägen des 4./7. Jhs. und ebenso als Randornamente auf den etwa gleichzeitigen germanischen wodan-religiösen Geleitamuletten, den sog. „Brakteaten“ und auf den synkretistischen alamannischen Goldblattkreuzen des 6./7. Jhs., bis zum Hornhausener Wodanstein des 7. Jhs.. Dass die germanische Welt untereinander Austausch übte, dass die Gesandtschaften hin- und hergingen, das wissen wir nicht allein aus der Zeit des ostgotischen Königs Theoderich. Dass der Arianer Theoderich einem Sonnenglauben anhing, wozu er sich offen bekannte, beweisen seine Münzprägebilder, wie auch der Randfries seines Totenhauses, zu Ravenna. Dieses dortige  sonnenkultische Fries-Segment (Sonne mit Heilspiralenfortgang) erscheint ebenso auf germ. Fibeln wie Brakteaten. Die „langobardische Lilie“, die „Kreuzlilie“ und das Weltsäulenspiralkreuz vermischten sich in der langobardische Kunst mit dem Lebensbaum-Kreuz. Der altgermanische und griechisch-römische Sonnenglauben ist für die Arianer nur in eine neue, sich jetzt „christlich“ nennende Religionsform transportiert worden. Der griech. Helios-Apollon-Kult und der röm. Sol-Kult verbreitete sich im 2. Jh. nochmals unter dem Beinamen „Mithras“ und wurde im 3. Jh. durch Kaiser Aurelian besonders in seiner Erscheinungsform als „Sol invictus“ hervorgehoben. Der Sonnenkult, erkennbar an den Sinnzeichen der zentrischen Kreise, Spiralen und Doppelspiralen, ist in sämtlichen christlich-arianischen Kunstwerken fassbar, bis in die sog. frühchristlichen Erzeugnisse hinein.  
 
Vom Balkan bis Spanien dehnte sich einstmals das gotische Imperium aus. Bischof von Pavia Magnus Felix Ennodius (473-521) war von dem hünenhaften Gotenkönig hingerissen: „Was bei anderen Herrschern die Krone bewirkt, hat meinem König die gottgeleitete Natur geschaffen“ und seine „wohlgestalteten Hände teilen Untergang den Rebellen und erbetene Ehre den Unterworfenen aus.“ Über die Bautätigkeit Theoderichs: „Ich sehe, wie den Aschenhaufen der Städte unverhoffter Glanz zuteil wurde und ... überall die Dächer der Paläste schimmern.“ Als nach Theoderichs Tod der glücklose König Witigis Ravenna den Oströmern, aufgrund der Hungersnot kampflos übergeben musste, spien die Gotinnen ihren Männern ins Gesicht und schalten sie Feiglinge, als die Truppen Ostroms unter Belisar, mit ihren mickerigen Soldaten, in die Königsstadt einzogen. Selten gewinnen die wahrhaft Besseren die Kriege, meistens jene mit der besseren Versorgungslage. Und Justin I., der oström. Kaiser, staunte über die „schönen und hochgewachsenen Barbarengestalten“ gefangener Goten, wie Historiker Prokopios von Caesarea berichtete. Wahrhaft glanzvoll, trotz oder wegen ihres heroischen Unterganges blieb auch die Gotenherrschaft in der Erinnerung der nordischen Nachwelt. Im herrlichen „Dietrich von Bern“ lebt der Amaler bis heute in den Sagen fort. Selbst der katholische „Karl der Große“ war von dem berühmten arianischen Gotenkönig noch so angetan, dass er dessen Reiterstandbild zur Pfalz nach Aachen bringen ließ. Auf seinem Rückzug nach der Kaiserkrönung 801 war er über Ravenna gekommen und griff das goldene Reiseandenken ab. Das teilte uns im „Liber Pontificalis“ der Historiker Andreas Agnellus (805-846) mit, der im Dienst des Bischofs von Ravenna stand. Wir können bisher nur annehmen, dass schon die Ostgoten aus der Krim („Gotenkrone“) oder aus Pannonien den Palmetten- bzw. „Lilien“-Schmuck nach Italien mitbrachten, wo sie ihn an römischen Schmuckgegenständen ebenso da und dort vorfinden konnten. Die Langobarden, als gotische Nachfolger, griffen das Idol als Ikone auf und variierten sie in bekannter Vielfältigkeit. Ließ sich Frankenkaiser Karl vom vermeintlichen ostgotischen Nimbus oder von spätlangobardischer, schließlich langobardisch-katholischer Kunstfertigkeit überzeugen ? Jedenfalls verschmähte Kaiser Karl den „Lilien“-Schmuck nicht, wie es nachzuweisen sein wird.
 
 
Die alten Thraker waren ein geschicktes, kampfstarkes, frommes, trinkfrohes, hellhaariges Volk im Westraum des Schwarzen Meeres, das nicht erst seit den Seevölkerzügen des 13./12. vorchristl. Jhs. mit Nordvölkern - Kelten und Germanen - gute Beziehungen pflegte. Die „Haplogruppe I1“, mit ihren Untergruppen, kommt am häufigsten in Skandinavien, Insel Gotland, Westfinnland, Südnorwegen, Dänemark, Norddeutschland, Niederlande, Bretagne, spanische Nordküste, Sardinien, Nordbalkan vor. Die keltische Latène-Kultur breitete sich im 4./3. Jh. v.0 bis in den Nordosten des Karpatenbeckens aus und in das Gebiet der Oberen Theiß entlang der Westkarpaten nach Süden und nach Siebenbürgen. Die dortige thrako-skythische Bevölkerung - so bezeugen die Gräberfelder - im Totenritual und der Sachkultur eine kulturelle Verschmelzung der Träger der Latène-Kultur mit den Einheimischen zu einer neuen Gemeinschaft. König Burebista (82-44 v.0) führte die sog. Geto-Daker in einem großen Staat zusammen, verbündet war er mit den keltischen Skordiskern. Eine griech. Inschrift von Dionysopolis nennt Burebista „den ersten und größten König von Thrakien“. Doch der röm. Kaiser Trajan (98-117) besiegt die Daker, er beendet in zwei Vernichtungskriegen (101/106) die Freiheit Dakiens. Im August 106 erstürmen die Römer die Hauptstadt Sarmizegetusa. Der tüchtige Daker-König Decebalus brachte sich mit dem Schwert um und rettet sich von der Erniedrigung, lebendig im Triumphzug des Siegers mitgeführt zu werden. Sein Tod ist im obersten Teil der „Trajansäule“ in Rom abgebildet. Die dortigen Daker-Schilde tragen Spiral- und „Lilien“-Säulen-Dekor.
 
Abb. 4 - Die sog. „Gotenkrone von Kertsch“ / Krim.
 
Kelten lebten also lange vor der Zeitwende inmitten der Daker und der alten Illyrer im europ. Südostraum. Die Goten siedelten ab 3. Jh. v.0 in fruchtbaren Regionen am Schwarzen Meer, Skiren und Bastarnen um 200 v.0. ebenso. Sie kamen in Kontakt mit schweifenden skythischen indogerm. Völkerschaften, die Kunde von Persien und noch östlicheren Reichen und deren Kunststilen mitbrachten. Seit dem 3. Jh. n.0 drängten germ. Bastarnen und die Goten in die Provinzen an der unteren Donau Nachdem die Römer sich 271 n.0 hinter die Donau zurückzogen und Dakien aufgaben, griffen im Frühmittelalter verschiedenste Völker nach der Region, unter anderem Byzantiner, Westgoten, Gepiden und Hunnen, wobei letztgenannte als ein flüchtiger, mörderischer  Reiterhordenspuk ohne dauerhaften Einfluss blieb. Der Nordbalkan (Makedonien) war im 4. Jh. zeitweise westgotisch. In der einstmals von Illyrern bewohnten Pannonischen Tiefebene (Ungarn) siedelten einige Jahrzehnte die Ostgoten. Im 5. Jh. n.0 gab es ein Skirenreich im damals gut besiedelten und bewaldeten Alföld, der späteren ungarischen Puszta. Das Ostgotenreich wurde von den Ostgoten/Ostrogoten in Italien und angrenzenden Regionen gegründet, es bestand von 493, als König Theoderich (451-526) in Ravenna einzog, bis 553, als bei Neapel, in der Schlacht an einem Engpass des „Mons Lactarius“, das Ostgotenheer geschlagen und aufgerieben wurde und nur eine kleinere Gruppe unter Führung des Indulf nach Norden abzog. Die gotischen Garnisonen die noch bis 562 widerstanden, wurden ausgelöscht oder zogen sich über die Alpen zurück. Ab 508 besiedelten die Langobarden das Karpatenbecken und entlang der Donau. Sie rückten im Jahre 568, mit Hilfe eines Sachsenheeres, in Italien ein und herrschten dort bis 774 n.0 -, danach gingen sie im Frankenreich auf und wurden von deutschen Herrschaften regiert.
 
Die Münzen des Theoderich sind aussagefähig. Sie folgen einer altgriechisch-römischen Tradition. Jahrhundertelang prangte der schöne Kopf des Helios-Apollon auf den Münzen. Auch für die ankommenden Germanen war die Sonne die uralte, schon steinzeitliche und bronzezeitliche Identifikation des großen allgemeinen Heils. Anstelle des Apollo-Kopfes setzen die Ostgoten den Sonnenkreis ins obere Münzbildfeld, rechts und links durch Palmwedel geehrt. Die Herzöge vom langobardischen Benevent (565-578) nutzten noch die gleichen Münzbilder wie sie die Ostgoten hatten (Abb. 5), nämlich die Kombination: gleichschenkliges Sonnenkreuzchen, Palmblattranken-Kranz und das Sonnenkreischen. Theoderich war damit nicht originär, er folgte genau byzantinischen Schmuck-Vorbildern die ebenfalls den Sonnenkreis zwischen zwei gebogene Palmranken stellten (kl. christl., Goldrelief, Zypernmuseum, Nikosia). 
 
Abb. 5 - Ostgotenkönig Theoderich - Sonnenkreis, Kreuz, Palmblätter
 
Der germanische Einfluss auf dem Balkan sollte nicht unterschätzt werden. Das Reich des thüringisch-skirischen Odoaker, der das weström. Kaisertum auflöste, und das des ostgotischen „Theoderich des Großen“ umfasste Balkangebiete wo später Serbien und Kroatien entstand und Bulgarien ist vor der slawischen Einwanderung im 6. Jh. ebenso germanisch besiedelt worden. Stellt man die germanisch-religiös-arianische Stilrichtung, wie sie im langobardisch-italienischen und westgotisch-iberischen Raum erblühte, in Rechnung, so wundert man sich nicht mehr unbedingt über die westbalkanische Bogomilen-Kunst mit ihren sakralen Motiven: Knotengeflechte, Spiralen, Doppelspiralen, Spiralsäulen, Tierdarstellungen, Hirsche, Reiter, seltsame Kreuzformen, Sonnenrosetten, Sterne, Hakenkreuze, Malkreuze, Dreiblattembleme, Halbmonde, Blumenranken, Menschen, Reigentänze. Die Bogomilen-Bewegung soll sich ab dem 10. Jh. sporadisch bis nach Rumänien ausgebreitet haben. Ihr Begründer war ein Eiferer namens Bogomil, der die dualistische Lehre der Manichäer und der Paulizianer verarbeitet haben soll und dazu Elemente aus dem slawischen - also ostgermanischen - Volksglauben. Bogomilen lehnten die Verehrung von Heiligen, Heiligenbildern und Reliquien ab, sie verurteilten die orthodoxen und katholischen Kirchen als Wohnsitze des Teufels, ebenso wie deren Gottesdienste und deren kirchlichen Rituale. Sie lehnten wie die Arianer die „christliche Dreifaltigkeit“ ab. Im Konavlje-Tal, südlich vom kroatischen Dubrovnik lag die Mutterkirche, „Crkva matica“, wo man ein geistiges Zentrum der Bogumilen vermutet, was von Gleichgesinnten aus weiten Teilen Europas aufgesucht wurde. Es deutet vieles darauf hin, dass sowohl die Katharer in Frankreich als auch die Patarener in Italien mit den Bogumilen in enger Verbindung standen. In Dalmatien hatten im 9. Jh. Arianer und Patarener den Katholizismus fast verdrängt. Rudolf Kutzli hat in seinem Buch „Langobardische Kunst“, 1975,  darauf hingewiesen, dass die altkroatische Flechtornamentik unübersehbare Übereinstimmungen mit der Kunst der Langobarden aufweist, wie sie insbesondere in Norditalien zu finden ist. Er schloss daraus, dass die langobardischen Steinmetz-Meister ihre Kunde und ihr  Können auch an kroatische Schüler weitergaben. Man sehe sich z.B. den typisch langobardischen Bogomilien-Stein „Kulin Ban“ an. Was die Langobarden in Italien von den Bauwerken ihrer germanischen Vorgänger, den Ostgoten, vorfanden, wissen wir nicht, aber deren Bautätigkeit war gewaltig. Dass sie als Nordeuropäer den Gotenstil zunächst aufnahmen und zu verarbeiten und weiterzuführen gedachten, liegt auf der Hand.
 
Im Flickenteppich des Vielvölkerlandes Italien, mit seinen vielen kleinen Fürstentümern langobardischer, byzantinischer, kirchenstaatlicher Territorien, bevölkert von Altrömern, Kelten, eingebürgerten orientalischen Sklaven, Ostgoten, Langobarden, Byzantinern und Sarazenen, wucherten die verschiedensten Einflüsse durcheinander und verwoben sich. Der langobardische Stil zog alle Register: Sonnenwirbel, griechische Kreuze, Spiralkreuze, germ. Knotengeflechte, Schlingenornamente, Palmetten, „Lilien“, Lebensbäume, Lebensbaum-„Lilien“. Im Langobardischen ging alles scheinbar durcheinander und erhielt nebeneinander seine Lebensberechtigung, wie es die Platte des Sigvald in Cividale (762-776) zeigt, oder ebenso die Reliefplatte von Modena, um nur diese beispielshaft rauszugreifen. Noch bis in die karolingische Zeit, über das Jahr 800 hinaus, arbeiteten langobardische Steinmetze ihre typischen „Lilien“- und palmettischen Lebens-Bäume aus. Mit der Eingliederung des Langobarden-Reiches in den karolingisch-fränkischen Staatsverband, durch König Karl im Jahre 774, müssen die Reste der germanisch-arianischen Sippen untergegangen sein, obwohl die langobardische Sprache noch bis ins 11. Jahrhundert überlebte. Der frohe arianisch-germanische Geist erlosch und mit ihm seine fantasievolle Kunstrichtung. Der westgotisch-iberisch-südostgallische Arianismus war schon durch Angriffe der katholischen Franken beschädigt und erlag als sich das Tolosanischen Reich einem muslimischen Invasionsheer im Jahre 711 durch Verrat geschlagen geben musste. Im nordwestspanischen Rückzugsgebiet muss sich manche arianische Sippe, vielleicht auch kleine Gemeinden gehalten haben, doch die zentral romgelenkten katholischen Bischöfe sorgten für deren Verketzerung und deren Aussterben in den folgenden Jahrhunderten. Ein romanisches nordspanisches Kastenfragment (33 x 45 cm) des frühen 10. Jhs. - mit dem thronenden Christus in der Mitte - besteht aus 40 dünnen, quadratischen Elfenbeinplättchen, welche ornamentale Pflanzen und Tiere darstellen, führt den Palmetten-Lebensbaum mit krönender „Lilie“ vor. Ebenso den Palmettenbaum dessen Voluten in zwei heidnisch gemeinten Tierköpfen enden. Unterhalb des Christos ist ein Palmetten-Lilien-Baum der von einem Paar (Mann und Frau) flankiert wird. Im Gesamtarrangement wird den genannten „Bäumen“ klar ein heidnischer Charakter zugewiesen. (aus A. Goldschmidt, „Die Elfenbeinskulpturen aus romanischer Zeit“, 1926, Bd. 4, Tafel XX - Spanisches 10. Jh., Museum-Cluny, Nr. 1054.
 
Schon die langobard. Könige des 7. Jhs. neigten sich aus politischen Gründen dem Katholizismus zu, die Herrscher Aripert, Perctarit, Cunincpert (688-700) waren Katholiken. Unter dem letztgenannten kam es zum Aufstand des Arianers Alahis, der ohne Erfolg blieb. Cunicpert förderte in kluger Berechnung den Kult um den „Erzengel Michael“, um seinem Volk einen „Nationalheiligen“ als kämpferischen Wodanersatz anzubieten und ihn als Integrationsfigur mit dem Königtum zu verknüpfen. Denn dieser „Heilige“ wurde von Katholiken wie Arianern gleichermaßen verehrt. Nachdem die Langobarden Ende des 8. Jhs. Angehörige des fränkischen und dann der deutschen Staatsformen wurden, machten sie sich im Reich als hervorragende Baumeister und Steinmetzkünstler einen großen Namen. Ihre leistungsfähigen Bauhütten waren an den Bauvorhaben der entstehenden Dome und Kirchen beteiligt. Diese aber sind zumindest seit dem Einfluss der katholischen Merowinger, und verstärkt, seit des Frankenkönig Karls Bedürfnis, sich vom Papst zum „römischen Kaiser“ krönen zu lassen, der römischen Kirchenzucht unterworfen gewesen. Rom bestimmte fortan was erlaubt und was zu verbieten sei. Der Arianismus mit seiner sakralen Lebensbaum-Verehrung war passé. Seine Bilder - wie jenes an der Außenwand des Doms zu Speyer - galten als Abschreckungsbeispiele. Der kirchenfromme salischen König und spätere Kaiser Konrad II. ließ um 1025 den Bau mit dem Ziel beginnen, die größte Kirche des Abendlandes zu errichten. Erst im Todesjahr Heinrichs IV., 1106, war der gigantische Dom fertiggestellt. Die anhebende fleißige Bautätigkeit in deutschen Gauen des 11. und 12. Jhs. hatte ihre Gründe, einmal waren es Prestigeobjekte, weil die starken Kaiser die sich damit Denkmäler setzen und Eindruck beim Klerus, den Fürsten und Laien hervorrufen wollten, zum anderen hatte wohl manch einer echte Sorgen um sein Seelenheil und hoffte, damit im Himmel Pluspunkte sammeln zu können. Aber es lag auch daran, dass das Reich und der abendländische Christianismus um seinen Bestand ringen mussten. Die Evangelisierung des Volkes war keineswegs abgeschlossen, ein Großteil der niederen Ritterschaft pfiff auf die kirchlichen Sakramente. Und die Christianisierung der rechtselbischen Lande und Skandinaviens waren im vollen Gange und voller Rückschläge. Vom 11. bis ins 13. Jh. währte der hauptsächliche Prozess, erst seit 1520 wurde z.B. die Christianisierung Schwedens energischer betrieben, im 17. Jh. das renitente Volk gewalttätig bekehrt und erst im 18. Jh. erging ein Verbot der germanischen Heimatreligion.
 
Der skandinavische Norden stand immer mit den germanischen Südreichen in Verbindung, man wusste sehr gut voneinander. Des großen Theoderichs Taten zur Schaffung eins überregionalen Germanenreiches wurden besungen, der schwedische „Runenstein von Rök beweist es: …Es herrschte Theoderich, der Kühngemute, der Fürst der Seekrieger, über den Strand des Hreidmeers….“ Die Wandalen gaben noch von Afrika aus Nachricht ihren ostdeutschen Heimatsitzen in Schlesien. Theoderich hielt seine schützenden Hände über die kleinen Germanenländer, hielt Verbindung mit Thüringern, bewahrte Westgoten vor dem Zugriff der Franken, übernahm zeitweilig deren Verwaltung. Theoderich förderte das arianische Bekenntnis und ließ arianische Kirchen errichten bzw. ausbauen. Der prächtige „Codex Argenteus“ (gotische Bibelübersetzung) wurde in seiner Regierungszeit in Italien gefertigt. Er zielte auf die Verwirklichung eines europaweiten arianisch-germanischen Staatenbundes, aus dem weisen Bewusstsein der Verantwortung vor der großen Volksgemeinschaft über alle engstirnigen Stammesinteressen hinweg. Von keinem anderen Germanenfürsten hörten wir derartige weitsichtige, modern anmutende Pläne. Wer das vereitelte waren die intriganten katholischen Bischöfe und das katholische Frankenreich. Auch die nachfolgenden Langobarden, die unter Hilfe der Sachsen in Norditalien einmarschiert sind, blieben sicher informiert und informierten den heimatlichen Norden. Arianisch-christliche Vorstellungen vom „Weißen Christ“, einer scheinbar historischen, heldischen Sonneninkarnation, werden in den Norden gedrungen sein, ähnlich der im „Heliand“ vom Dichter Otfrid von Weißenburg (790-875) niedergeschriebenen. Die grauenvollen Ausrottungskriege (772-804) und Heidenverfolgungen „Karls des Sachsenschlächters“, den die Kirche aus Dankbarkeit dafür zum „Heiligen“ erklärte, mündeten ein in die Jahrhunderte währende Nötigung der Bevölkerung zum romkonformen kirchenchristlichen Bekenntnis. Der rein heidnische Sonnen- und Wodan-Glauben wurde ebenso bekämpft wie die mischgläubigen Formen, die arianischen und iro-schottischen, beide mit ihrem altheiligen solaren Radkreuz-Zeichen. Die schleswig-holsteinischen, jütländischen und skandinavischen Taufsteine des missionsfrohen 12. Jhs. zeigen oftmals heidnisch-synkretistische Lebensbäumchen, die zuweilen Allsäulencharakter annehmen, um den Täuflingen das vor Augen zu halten, dem sie abzuschwören hatten. Darunter sind „heidnisch“ aufgefasste Palmetten- und „Lilien“-Formen, andere zeigen deutlichere altnordische irminsulische Spiralsäulenformen.
 
   
Baumkult und „Lilien“-Ambivalenz
 
Die Kaiserpfalz zu Goslar war das altdeutsche Kaiserhaus und der größte weltliche Bau des 11. Jhs. in Deutschland. Er diente insbesondere den Salierkaisern als bevorzugte Aufenthaltsstätte. Der Chronist Lampert von Hersfeld rühmt ihn als „berühmtesten Wohnsitz des Reiches“. Die dazugehörende Stiftskirche hat man 1051 eingeweiht. Um 1150 wurde dem Nordportal der Kirche eine Vorhalle vorgesetzt, die mitsamt der sog. „Bestiensäule“ bzw. „Hartmannus-Säule“ (Abb. 6) als letzten Rest des Baukomplexes bis heute erhalten geblieben ist. Die Säule könnte, was wir nicht wissen, aus dem Stiftskirchenbau von 1051 stammen und nicht erst im Zuge des Vorhallenbaues erzeugt worden sein. Sie zeigt in einem herausgearbeiteten kirchenchristlich gemeinten Netz einige gefangene, also unschädlich gemachte, heidnische Motive, wie den mehrgestaltigen Lebensbaum und konkret den „Lilien“-Baum mit Palmwedeln, als Ausdruck des heidnischen „Grünkultes“ der Baumverehrung, wie es im „Indiculus superstitionum et paganiarum“ („Kleines Verzeichnis des Aberglaubens und des Heidentums“) aus dem karolingischen 8. Jh., auf 6. Position heißt: „Über heilige Haine, die sie Nimidas nennen“. Die altheidnische Baumverehrung war der Christenkirche ein Dorn im Auge, ganz gleich, sei es die germanische Donar-Eichen- und die griechische Zeus-Eichenehrung, oder die orientalische und griechische Schamasch-/Assur-/Apollo-Palmbaumverehrung. Wo für die Kirche eine konkurrierende Baumehrung erkennbar wurde, ging sie dagegen an. Die Verketzerung der „Lilie“ ist auch im benediktinischen Taufbeckenbild von Freudenstadt, im 10./11. Jh. für Kloster Hirsau zu sehen. Hier wächst die heidnische „Lilie“ aus dem Sonnenkreischen hervor. Der aus jüdisch-essenischer Reformsekte hervorgegangenen Romkirche war das pharisäische Judentum so fremd und bekämpfenswert wie die Volkskirchen Europas, gegen die sie zu Felde zog. Was sie aus dem Judentum übernahm, war für sie durch den reinigenden Filter ihres Gründers Saul-Paulus aus Tarsus gegangen. Eine Natur- und Baumverehrung war darin nicht enthalten. Diese paulinische Christenlehre hielt sich streng an den Grundsatz der absoluten Naturfeindlichkeit, die Natur galt geradezu als der Feind, der untertan gemacht werden müsse, der zu überwinden sei -, bis hin zu den natürlichsten Trieben wie Volks-, Vaterlands- und Gattenliebe. Darin hatte der Sektengründer Paulus die Predigten seines ihm nur bruchstückhaft bekannten Meisters Jeshua-Jesus gut verstanden. Nur führte Paulus - und seine blindgläubigen Nachbeter - diese Richtung bis zum Exzess. Hatte Jesus noch ein Weib namens Magdalena mit sich geführt, sie geliebt und ihr „auf den Mund geküsst“ („Philippusevangelium“, Nag-Hammadi-Codex II, 3 Vers 55), so verbot der unansehnliche Weiberfeind Saul-Paul jegliche Natürlichkeit auch im Umgang mit den Frauen. Dem Rom-Christianismus war alles fremd und feind was nicht aus der paulinischen Abartigkeit kam. Der Papstagent und missionarische Wüterich Bonifatius (673-755), einer der Henker deutscher Geistesfreiheit, ließ, als ein zutiefst prophetisches Gleichnis, die geheiligte Donar-Eiche der Chatten (Hessen) im Jahre 723 fällen, unter dem Schutz landfremder fränkischer Soldaten -, als schauerliche Wegweisung in den Wahnsinn christlicher Naturfeindlichkeit. Ganz anders verstanden es die christophilen Schulen die eine vorrömische Verbindung mit den Volksreligionen eingegangen waren, und sich mit ihnen versöhnlich arrangiert hatten, wie die arianischen, irischen und iroschottischen Kirchen.
 
 
Abb. 6 - Geschmähte Palmette in Bestiensäule, Domvorhalle, Goslar
Abb. 7 - Kaiser Heinrich VI. mit Palmbaum-„Lilien“-Zepter
 
Um so erstaunlicher, oder sogar verständlicher ist es, dass die selbstbewussten Salier-Kaiser, welche einerseits den gigantischen Dom zu Speyer in Auftrag gaben, und andererseits - gestützt auf unfromm-verwegene Reichsritterheere - dem Papst Paroli boten, den altgermanischen Weihezweig, in Gestalt des Palmwedels und der Palmbaum-„Lilie“, zum Kaiser-Zepter erhoben. Und geradeso tat es der nachfolgende nicht weniger selbstbewusste Kaiser Barbarossa. Es gab Vorläufer, das hörten wir, und die biblischen Palmzweige waren - ersatzweise in Deutschland die Weidenzweige - auch im kirchenrituellen Brauch. Doch die kirchlichen Fronleichnam-Flurumzüge hatte sich das Volk gegen den Willen Roms ertrotzt. Im „Kleinen Verzeichnis des Aberglaubens und des Heidentums“, aus karolingischer Zeit, heißt es unter dem „sündigen“ Punkt Nr. 28: „Über Opfer, wobei sie etwas über die Felder tragen“.
 
Gehen wir noch einmal auf die strenge Suche, wann das „Lilienzepter“ und „Lilien“-Sinnbild verstärkt zu ersichten ist:
 
Schon „Pippin der Jüngere“ (714-768), Vater „Karl des Großen“, trug auf den Münzprägungen seiner Zeit eine „heilige Lanze“ als Zepter, deren Spitze „lilienartige“ Voluten hatte. Die kleine Reiterstatuette von Metz, um 870 entstanden, die „Karl den Großen“ oder Karl II. „den Kahlen“ (823-877) darstellt (Louvre, Paris), zeigt den Herrscher mit einer Dreiblatt-Zierde an der Krone. Und die Buchmalerei der „Vivian-Bibel“ aus 845/846 zeigt Karl II. auf dem Thron sitzend, von Leibwachen und Beratern umgeben, Mönche aus dem Kloster Tour empfangend, die im Auftrag ihres Abtes Vivian jene Handschrift überbringen, in der sich diese Miniatur befindet („Bibliothèque Nationale“, Paris). Kaiser Karl II. trägt auf diesem Bild eine „Lilien-Krone“ und seine Thronlehne zieren 3 „Lilien“. Im Bild König Heinrichs I. (876-936), aus dem Geschlecht der sächsischen Liudolfinger, in der anonymen Kaiserchronik für Kaiser Heinrich V. (1112/14) in „Corpus Christi, Cambridge, Ms 373, fol. 40r“, trägt der Herrscher ein achtblättriges Blüten-Zepter. Im Bild Kaiser Ottos I. (912-973), Sohn Heinrich I., der 951 mit der italienischen Königswürde die eiserne Langobardenkrone empfing, in der anonymen Kaiserchronik für Kaiser Heinrich V., um 1112/14 in „Corpus Christi, Cambridge, Ms 373, fol. 42v“ trägt der Herrscher ein Dreiblatt-Zepter, keine „Lilie“. Im Bild Ottos II. in der anonymen Kaiserchronik für Kaiser Heinrich V. „Cambridge, Corpus Christi College, Ms. 373, fol. 47r“, trägt Otto II. ein Vogel-Zepter. Der Salier-Kaiser Heinrich III. (1016-1056) trägt ein Adler-Zepter am Jahrestag seines Herrschaftsantritts, 05.06.1040, in „Miniatur aus „Perikopenbuch Heinrichs III., Echternach, Mitte 11. Jhs. Bremen, Staats- u. Universitätsbibliothek, Ms. b. 21, fol. 3v.“. Die Darstellung Heinrichs IV. (1050-1106) in der Chronik des Ekkehard von Aura um 1112/14 in „Cambridge, Corpus Christi College, MS 373, fol. 60r“, zeigt den Kaiser mit Adlerzepter. Der Salier-Kaiser Heinrich V. (1081-1086) trägt ein Vogelzepter, in „Evangeliar aus St. Emmeram in Regensburg, Krakau, Bibliothek des Domkapitels, Cod. 208, fol. 1r“. Aber in Ekkehard von Auras (1085-1125) „Weltchronik“ gibt es die Zeichnung, wie Heinrich IV. seinem Sohn Heinrich V. die Herrscherinsignien des „Lilienzepters“ übergibt. Auf einer Pfennig-Münze von Friedrich I. (1152-1190), aus der königlichen Münzstätte Nijmegen, steht das Kaiser-Haupt zwischen Malkreuz und Palmzweig. Die Rückseite ziert das Tupfenkreuz, wie es schon bei den bronzezeitlich-bohuslänischen Feldbildern vorkommt. Auch Ottokar I. Přemysl (1155-1230), böhmisch-deutscher König unter Kaiser Heinrich VI. (Münzstätte Prag), trug Kreuz- und „Lilien“-Zeichen gleichzeitig, so wie andere Herrscher dieser Zeit (Abb. 9). Die königl. Münzstätte Wetterau, Heinrichs VI. (1190-1197) zeigt den Kaiser mit Dreispross-Zepter und Reichsapfel. Ein Denar der königlichen Münzstätte Aachen Friedrichs II. (1215-1250), zeigt neben dem Kaiserhaupt Reichsapfel und Palmzweig. Ein Brakteat der markgräfl. Münzstätte Meissen des „Heinrich des Erlauchten“ (1221-1288) zeigt den sitzenden Grafen mit Schwert und linker Hand den kombinierten „Lilien“-Kreuzstab, dessen Spitze ein Sonnenkreis krönt. Man sieht, wie das durcheinandergeht und die rein romchristlichen Vorgaben sich noch immer nicht ganz durchzusetzen wussten. Bei Bestandsaufnahme ergibt sich der Schluss, dass das „Lilienzepter“ Ende 11., Anfang 12. Jh. stark in Mode gekommen sein muss. Das hieße, dass der 1. Kreuzzug, der 1099 mit der Einnahme Jerusalems erfolgreich zu Ende ging, doch damit in Verbindung stehen könnte. Zur Zeit des Staufers Heinrich VI. (1165-1197) hatte sich das Dreiblatt und „Lilien“-Zepter durchgesetzt. Als König von Sizilien trug er schließlich auch den Palmbaum-Krönungsmantel. Aus dem Bild Heinrichs VI. im „Liber ad honorem Augusti“ von 1196 (auf dem der engl. König Richard Löwenherz des Kaisers Füße küsst) wird ersichtlich, dass man das kaiserliche sog. „Lilienzepter“ sehr genau als Palmbaum-Zeichen zu deuten wusste (Abb. 7).
 
 
 
Abb. 8 - Kaiser Karl mit „Lilienzepter“, Kapitellplastik im Züricher Großmünster, 12. Jh.
Abb. 9 - Ottokar I. Přemysl, böhmisch-deutscher König unter Kaiser Heinrich VI., 12./13. Jh.
 
Abb. 10 11
Abb. 10 - Die Dalmatica, als Teil der Reichskleinodien wurde Mitte des 12. Jh. auf Sizilien gefertigt und gehörte später zum Krönungsornat röm.-deutscher Kaiser (Schatzkammer Wien). Die Saumborte ist mit palmenförmigen Ornamenten und mit sog. „Lilien“ bestickt. Sie gehört nach Befund, zum Krönungsmantels für den normannischen König auf Sizilien Roger II. und seit Heinrich VI. zu den Reichskleinodien. - Abb. 11 - Sog. „Mantel Karl d. Großen“, für Friedrich II. gearbeitet (Ende 12. Jh.), Aufbewahrungsort: Kathedrale Metz. Sie zeigt auf den Schultern bzw. den Flügel-Medaillons des Adlers, das Lebensbaum-Dattelpalmen-Zeichen.
 
Palmetten-Lebensbaum-Motiv auf zyprischer Vase im Stil „Cypro Archaic“, 750/600 v.0
 
Papst Gregor I. (der Große - 540-604) entstammte einer einflussreichen röm. Patrizier-Sippe, die im Geiste der altröm. Völkerversklavung fortlebte und im Christianismus nichts anderes als ein neues Mittel verstand, den eingeborenen dünkelhaften Herrschwillen auf rein geistige Art weiterhin durchsetzen zu können. Dass damit beträchtliche Einkünfte für den Klerus einhergingen, was als eine der Triebfedern jeden Herrschertums zu erkennen ist, ob im altrömisch-imperialen oder romkirchlich-katholischen, versteht sich von selbst. Er unterschied sich von seinen blutrünstigen römischen Vorgängern der Völkerunterjochung in keinen Stücken. Scheinheilig wie sein hebräischer Vordenker Saul-Paulus nannte er sich „Knecht der Knechte Gottes“, doch seine martialische Intoleranz wurde damit kaum kaschiert. Im Jahr 599 gab er Anweisung, die Heiden Sardiniens gewaltsam zu Christianisieren: „Wenn ihr feststellt, dass sie nicht gewillt sind, ihr Verhalten zu ändern, so befehlen wir, dass ihr sie mit größtem Eifer verfolgt. Sind sie unfrei, so züchtigt sie mit Prügeln und Folter, um sie zur Besserung zu zwingen. Sind sie aber freie Menschen, so sollen sie durch strengste Kerkerhaft zur Einsicht gebracht werden, wie es angemessen ist, damit jene, die sich weigern, die Worte der Erlösung anzunehmen, welche sie aus den Gefahren des Todes erretten können, durch körperliche Qual dem erwünschten gesunden Glauben zugeführt werden.Gregors Befehle zur Gewaltsamkeit und auch der perfiden Übertölpelung von Nichtchristen prägte das christenkirchliche Verhalten bis in die Neuzeit. Er erkannte den Wert eines internationalen päpstlich-mönchischer Streiterheeres, das nach den Regeln des „Benedikt von Nursia“ (480-547), die er teilweise selbst formulierte, aufgebaut werden könnte. Deshalb erklärte er sie für die gesamte Kirche als verbindlich. Der geförderte Benedikt gründete um 529 auf dem „Monte Cassino“ bei Neapel in einem Apollotempel das erste „Benediktiner-Kloster“. Die Macht Roms im germanischen Lebensraum, mithilfe des ihm ergebenen benediktinischen Mönchtums, entstand aus dem Umstand, dass die Karolinger als Hausmeier (Verwalter) der merowingisch-fränkischen Könige ihren Aufstieg begonnen hatten. Es fehlte ihnen an echter Legitimation zum Herrschen, einem Übel dem sie abhalfen, indem sie sich auf eine angeblich höhere berechtigende Macht stützen, nämlich einen neuen Glauben mit einem neuen Gott, eben den römisch-katholischen des Papstes. Damit begann die schlimme Abhängigkeit der fränkischen und der deutschen Herrscher des Mittelalters. Es benötigten die Könige die Kaiserkrönung durch den römischen Papst und mussten sie durch Abgabe von Befugnissen teuer erkaufen („Investiturstreit“). Der Karolinger „Pippin der Jüngere“ (714-768) und sein Sohn „Karl der Große“ strebten aus derlei Gründen, um die Nähe zu einem Mönchtum, das ihren Herrschwillen mittrug, indem es das Volk im „christlichen“ Sinne unterrichtete: „Gib dem Kaiser was des Kaisers ist !“ Im Jahre 744 gründete der dem Papst und gleichermaßen den Karolingern ergebene landfremde Bonifatius (673-754) das benediktinische Kloster Fulda. Die geistig-religiöse Gleichschaltung der Germanen/Deutschen nahm damit ihren zielgerichteten Fortgang.
 
Jede kombinierte Machtkonstellation läuft aber auf Dauer auf eine konkurrierende hinaus, mit dem Klärungsversuch, wem den größere Machtanteil zustünde und wer ihn erringen könnte. Papst oder Kaiser, religiöses oder staatsmännisches Denken, bei wem soll das Übergewicht liegen ? Das war die ungeklärte Frage das gesamte Mittelalter über. Natürlich waren die Benediktiner-Äbte konziliant genug, den Widerspruch nicht beständig auf den Lippen zu tragen, doch insgeheim und konsequent arbeiteten sie für die Erhöhung und die Dominanz ihres Chefs, des Papstes, über den jeweiligen Kaiser. Nicht immer war das in kämpferischer Weise nötig und ratsam, unter den Salier-Kaisern kam es zum offenen Streit. Um seinen Raub sächsischen Landes und die Knebelung der unteren sächsischen Stände zu sichern, förderte Frankenkönig Karl die Ansiedlung „seiner“ Mönche auch in Niederdeutschland, das Missionskloster Fulda wurde Reichsabtei, nur dem König unterstellt. Dem Benediktiner-Kloster „St. Gallen“, im süddeutsch-alemannischen Raum, wurde dann 910 mit der Abtei Cluny eine weitere fränkisch-römische Missionszentrale an die Seite gestellt. Diese Mönchsorden waren ein Staat im Staate, sie multiplizierten sich dank ihrer Privilegien selbst. So vermehrte sich beispielsweise innerhalb eines Jahrhunderts der Klosterverband von Cluny um über 1.000 Klöster. Während das Volk draußen schwer um seine Existenz ringen musste, saßen diese Mönche zumeist gemächlich beim Lesen, Beten, Singen und nicht selten beim Fälschen von Urkunden und beim einträglichen „Messesingen“ für reiche, um ihr Seelenheil besorgte  Stipendiaten. Die grobe Arbeit hatten leibeigene Knechte und Bauern zu leisten.  
 
Ihre fundamentale Lebensberechtigung erachteten diese mönchischen Besserwisser und Schlaumeier in der Bekämpfung von eingebildeten und wirklichen geistigen Missständen, worunter sie ausschließlich das verstanden, was ihren spezifisch klerikalen Interessen zuwiderlief und was sie als „heidnisch-dämonische“ Erbfeindschaft aufs Korn genommen hatten. Dazu gehörten die Volksbrauchtümer, Volksfeste, die Götterverehrung, gegen die noch der Abt vom Kloster Fulda, Hrabanus Maurus (780-856), ein bebildertes geradezu dümmliches Werk (Codex 132) in den Jahren 842 bis 847 verzapft hatte. Es ist erschreckend, wenn man heute erkennen muss, mit welch primitiven Mitteln solche angeblichen „Geistesgrößen“ ihre christophile Propaganda betrieben. Die Verzerrung der antiken Göttergestalten zu Comicstrip-Männeken, wobei die Venus, nackt mit Hängebusen und gespreizten Beinen und der Merkur mit Hundekopf und Flügel zwischen den Beinen, abgebildet werden, sind da noch das Gelindeste. Jedes Mittel der Überredung  und Seelenfischerei war erlaubt, auch das Gemeinste. Wir sehen es anhand der Kirchentürsturz- und Taufsteinbilder, wie Kröten und Molche (Freyburg a.d. Unstrut) ein heidnisches Idol anbeten, oder dummer Esel und stolzes Ross (Feldstedt), oder Bär und Wolf, oder demütig leckende Löwen (Schönrain), oder Flügeldrachen und gehörnte Kentauren (Hamersleben), oder Wildsau und Bär (Althadersleben), oder zwei Greifen (Reisby). Die beleidigende Schmähung kann gar nicht groß genug sein, man ließ sich immer neue Verächtlichmachungen einfallen. Der Drache, das alte Symbol des Bösen (Apollo-Schlange / Siegfried-Lindwurm) wurde zum christenkirchlichen satanischen Flügeldrachen, der an romanischen Bauwerken auftaucht. Der in kirchlicher Bildpalette das Heidentum vertretende Teufelsdrachen wird verbunden mit der orientalisch-heidnischen „Lilie“, die - erwiesen aufgrund eines überwältigenden Belegmaterials - den Palmbaum-Lebensbaum vertritt. Beispiele: Die Flügeldrachen vom Burgkapelleneingang Schloss Tirol (1100/1140), wie vom Baseler Münster der Galluspforte (1185) auch Externstein-Relief (1115-1122) Taufstein von Freudenstadt/Hirsau (1150). Dreispross- und „Lilien“-Gebilde wachsen den Drachen aus dem Maul und aus dem Schwanzende hervor, wie auf dem Taufsteinbild von Freudenstadt. Dieses Bilddetail ist eines der sicheren Kriterien für die Festlegung der Datierung des Externstein-Reliefs: 12. Jahrhundert. Dazu schrieb mir am 07.03.2017 der Fachmann Dipl. Architekt FH, Münsterbaumeister von Basel Andreas Hindemann: „Basler Galluspforte - Kreuzabnahmebildnis in Horn-Bad-Meienberg: Evtl. sind die beiden Bildwerke etwa zeitgleich entstanden, Datierungen in diesem Zeitrahmen auf ein Jahrzehnt genau festzulegen, sind immer so eine Sache, wenn sie nicht auf schriftliche Quellen beruhen.“
 
Abb. 12 - Flügeldrachen mit „Lilien“-Schwänzen: 1 + 2: Schloss Tirol, 3: Basel-Münster, Galluspforte
Abb. 13 - Der Drachen vom Externsteinrelief, welcher zwei Heiden umschlingt
 
Wir stehen vor einem Rätsel und kommen nicht umhin, festzustellen, dass der „Lilie“ ein doppelter Charakter beigemessen worden ist: Die „Lilie“ der Reinheit, der Weihe und des Heiles und die andere „Lilie“ der Dämonie, des Satans Symbol. Je nachdem wo und wie sie ins Bild gesetzt worden ist, sollte sie unterschiedliche Bedeutung versinnbildlichen. Aber ist es nicht mit anderen Symbolen ganz ähnlich ?! Sehen wir die Äpfel in den Fruchtkörben der keltisch-germanischen Matronen-Steine, wissen wir, dass sie Bitte um Fruchtbarkeit verbildlichen sollen und sehen wir auf kirchenchristlichen Malereien des „Sündenfalls“ den „Apfel der Schlange“ in Adams Hand, verknüpft sich dem Betrachter die Vorstellung vom Unheil. Da steigt so eine Ahnung herauf und die philosophische Frage reift heran: Ist nicht alles und hat nicht jegliches Ding zwei Seiten ? Das hilfreiche Feuer, das vernichtende Feuer, das nährende Nass und das vertilgende Hochwasser. 
 
Die „Lilie“ bzw. Palmette des Heils könnten die Karolinger - die sie schon nutzen wie wir sahen - von den Langobarden übernommen haben, die in ihrer Endphase - und als sich Frankenkönig Karl zum Langobardenkönig krönen ließ - bereits mehrheitlich den Katholizismus angenommen hatten. Das war die „gute Lilie“, die schließlich zum Zepter-Symbol deutscher Kaiser wurde. Die „dämonisch-heidnische Lilie“ erwuchs aus dem verkürzten orientalischen und arianischen Lebensbaum-Bildnis, das der päpstliche Katholizismus und der radiale, antiweltliche „Gregorianismus“, mit seinen querulanten mönchischen Wühlmäusen, den Benediktinern, schon deshalb in dem Maße zunehmend schmähe, indem das „Lilien“-Zepter Sinnzeichen der stolzen salischen Kaisermacht wurde. Diese musste, aus dem Verantwortungsgefühl für das Ganze, den Ansprüchen der Päpste entgegen treten, um das Reich nicht zugrunde richten zu lassen.   
  
 Die „Lilie“ entstand aus der Dattelpalmen-Ikone,
sie hat keine Berührungspunkte mit der Irminsul.
 
Abb. 14 - Goldbecher aus Kuppelgrab von Vaphio (15. Jh. v.0) - Mus. Athen -
Schon hier ist Dattelpalm-Blätterkrone zur „Lilie“ reduziert
Abb. 15 - Goldplättchen mykenischer Fürsten - Palmen u. kämpfende Tiere
- V. Schachtgrab/Mykene (16. Jh. v.0) - Mus. Athen -
Palmbäume schon zum „Anker-Symbol“ reduziert
Abb. 16 - Assyrische Goldtafel aus Ziwije, Kurdistan (9./7. Jh. v.0)
Die heilige Dattelpalm-Ikone mit Voluten u. Fruchtstands-Schneckchen;
die Kolben stellen die kompakten männlichen Rispen dar.
 
Zu den ostmittelmeerischen bzw. zyprischen und vorderasiatischen Vorbildern für die Externstein-Palmette könnte eine Menge Material beigebracht werden. Beispielsweise aus dem Nikosia-Museum/Zypern: Elfenbeinobjekt (Handspanne breit) in Form von 2 Voluten, an Enden nach unten eingerollt; zwischen beiden das Dreiwinkel-Zeichen wie es Palmette vom Externsteinrelief vorführt (Zeitangabe: 14. Jh. v.0). Aus „Cypro-geometric I. period“ (1.050-950 v.0) Palmbaumdarstellungen im Lebensbaum-Schema, flankiert von Vögeln und Tieren, doch in „gewendeter Ankerform“, die an Himmelsstütze erinnert. In „Cyproarhaic I. period“ (750-600 v.0) wiegt der Lebensbaum-Dattelpalm-Charakter vor. - Die Dattelpalme ist ein zweihäusiger Baum bei dem die Bestäubung der weiblichen Bäume vom Wind vorgenommen wird, doch schon in assyrischen Zeit (18. Jh.-612 v.0) besorgte der Mensch das Geschäft sicherheitshalber selbst und übte die künstliche Befruchtung aus, nämlich so, dass er eigenhändig die abgeschnittenen Blütenstände eines männlichen Baumes mit denen des weiblichen, fruchttragenden Baumes in Berührung brachte, sie somit besamte. Das ist ein waghalsiges Geschäft das nur junge, gelenkige Männer durchführen konnten. Diese künstliche Bestäubung der Dattelpalmen wird auf assyrischen Bildtafeln abgebildet. Nach erfolgter Bestäubung reifen die weiblichen Anlagen innerhalb von fünf bis sechs Monaten zu pflaumengroßen, süßen Früchten heran. Die heilige Dattelpalme des „Alten Orients“ ist also der weibliche Fruchtbaum, der die Datteln hervorbringt. Die Bedeutung der „Zapfen“ (Abb. 16) auf den Bildtafeln lässt sich nur erklären, als die kompakten männlichen Blüten-Rispen, die den Blütenstaub produzieren. Sicher ist also, dass sie als Befruchtungssymbole für die weiblichen Bäume angesehen wurden, denn die göttlichen Geistwesen, die „Genien“, welche die weiblichen Bäume auf den Reliefs befruchten, halten diese „Zapfen“ in ihren Händen.
 
  
Abb. 17 - Männliche Palmen-Samen-Rispe, die in assyrischer Sakralkunst
zum „Zapfen-Symbol“ der Befruchtungskraft wurde,
welcher das Wachstum der weiblichen Palme selbst
und ihrer Früchte zu danken ist.
 
Mein recherchierter Ausschnitt zur Kunst- und Symbolgeschichte des orientalisch-ostmittelmeerischen Dattelbaum-Lebensbaumes, der schon im 2. Jahrtausend v.0 zur Ikone einer dreisprossigen sog. „Lilie“ reduziert wurde (Abb. 14), berührt die altsächsische oder germanische Kultsäule „Irminsul“ eigentlich nicht, denn die „Lilie“ kommt aus der Vorstellung des heiligen Baumes, während die „Irminsul“ eine religiöse Allegorie zur statischen Welterhaltung darstellt. Die Kunstgeschichte der Palmetten-„Lilie“ berührt allein insofern das Problem, um das uns zunächst nicht konkret bekannte Aussehen der „Irminsul“, als sich schon in altorientalischer Zeit Künstler und Gestalter verlocken ließen, Mischformen zu produzieren, die den ursprünglichen Lebensbaum-Fruchtbaum Charakter der Dattelpalme, mit ihrem säulengleichen hohen Stamm, zu einem Himmelsträger zusammendachten. Dazu kam der orientalische und dann frühgriechische Gedanke, dem Sonnengott die Palme als Attribut beizugeben. So vereinte die reduzierte Dattelpalme, als „Lilien“-Ikone, in sich Vorstellungen von Erhabenheit, Fruchtbarkeit und Sonnenkult. Ihre Bezüge zur kirchenchristlicherseits erfundenen „Muttergottes“ sind absolut sekundär und ohne tiefere symbolgeschichtliche Bedeutung. Die Mischformen von Weltsäule und Lebensbaum ziehen sich, zumindest seit der langobardischen Kunst in Italien, durch die Ikonographie des ganzen Mittelalters. Trotzdem ist es möglich, die beiden Themenkreise auseinander zu halten. Werden große Spiralen ins Bild gesetzt, steht immer der Weltsäulen-Charakter mit der Sonnen-Spiralen-Symbolik im Vordergrund, während die kleinen Schneckchen am Stammende/Säulenende, unterhalb der vollen Blattkrone - welche sich zum Dreispross oder zu nur zwei Voluten (wie beim Externstein-Bildnis) reduzieren kann - immer die Fruchtstände der Dattelpalme andeuten wollen, also der Lebensbaum-Charakter betont werden soll. Das gebogene Baumgebilde im Externstein-Relief weist die typischen gerippten beiden Palmblatt-Voluten auf und trägt darunter die beiden kleinen Schneckchen als Symbole für die Dattelfruchtgehänge. Damit steht unabweisbar fest, dass im Externsteinbildnis von der Kreuzigung des christlichen Kultgottes zu Jerusalem eine orientalische Palmbaum-Ikone gemeint ist, wo sie zweifellos thematisch auch hingehört.
 
Empfehlenswerte Literatur:
Reinold Wurz, „Spirale und Volute“, 1914
W. Andrae, „Die ionische Säule - Bauform oder Symbol ?“, 1933
Emerich Schaffran, „Die Kunst der Langobarden in Italien“, 1941
Siegfried Fuchs, „Kunst der Ostgoten-Zeit“, 1943
Georg Wild, „Die Lilie als sakralbezogener Symbolträger im Mittelalter“, S. 91 ff, in „Bogumilen und Kartharer in ihrer Symbolik“, Teil I, 1970
H. Genge, „Lebensbaum“ in  „Acta Orientalia“, 33, 1971, S. 321-334
Rudolf Kutzli, „Die langobardische Kunst“, 1974
Gottfried Engelhardt, „Das Lebensbaum-Motiv in der Kunst“, 1974
„Romanske Stenarbejder“, 1977/1981, Forlaget hikuin
Rudolf Edwin Kuhn, „Die Bauornamentik des St. Kiliandomes in Würzburg zur Zeit des heiligen Bruno“, 1984
Uno Holmberg, „Der Baum des Lebens“, 1996
 
Beispiel einer gelungenen Irminsul-Darstellung von Werner Graul (1905 -1984),
 
gegen die man nichts einwenden kann, obwohl sie sich auch an die Palmette vom Externstein-Relief anlehnt, denn es sind keine Dattelpalm-Röllchen
unter den Voluten vorhanden und die Voluten weisen keine Palmblatt-Fächerzeichen auf. Der Charakter einer stämmiger Weltsäule ist absolut gegeben.
Das ist vom ersten Eindruck her eine mächtige Weltsäule und keine Dattelpalmen-Ikone, wie die vom Externstein !