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Tür 4 - Rätselgeraune der Runen
4.1 Erul - Erzvater der Runen
4.2 Germanische Gnosis
4.3 Der erlösende Oding
4.4 Linkskreisender Oding-Ring
4.5 Runenarkanum
Tür 4
Rätselgeraune der Runen
1. - Erul - Erzvater der Runen
Über den anzunehmenden Runenschöpfer schreibt Gerhard Alexander (1903-1988) wohldurchdacht und zurecht: „Er war gewiß kein, ungebildeter Hilfssoldat oder Kriegsgefangener, der ein durch lateinische Buchstaben bereichertes norditalienisches Alphabet mit nur geringfügigen Veränderungen nachbildete [...] Viel wahrscheinlicher ist es, daß er Angehöriger eines Adelsgeschlechts war, wie Arminius oder Marbod, der, mit heimischer Religion und Magie durch Herkunft und Stellung vertraut, sich in römischem Dienst lateinische Sprache und römisch-hellnistische Kultur angeeignet hatte. Er wird dabei nicht nur das lateinische und, vielleicht in keltischen Landen, das griechische Alphabet, sondern gewiß an Ort und Stelle, auch norditalische Schriften kennen gelernt haben. Gerade weil er keine profane Gebrauchsschrift schaffen wollte, für die bei den Germanen damals kein Bedürfnis vorlag, sondern für magisch-religiöse Zwecke verwendbare geheimnisvolle Zeichen („Runen"), schloß er sich dabei weitgehend an die norditalischen Alphabete mit ihren archaischen Formen und Schreibgewohnheiten an, zumal deren Träger in ihrem sozialen Gefüge und ihrer geistigen Haltung den Germanen in der Heimat sicherlich näher standen als die Römer. War er auch kein geschulter Phonetiker, so besaß er doch zweifellos ein sehr feines Ohr für seine Muttersprache." Zur Runenentstehung ist bei heutigem Erkenntnisstand noch kein abschließendes Urteil abzugeben. Denkbar wäre, dass ein Angehöriger der Kimbern- und Teutonenzüge (Germanen und Kelten) nach den verlorenen beiden Schlachten (im Herbst 102 v.0 bei Aquae Sextinae und im Juli 101 v.0 bei Vercellae) in den Alpenraum ausweichen konnte und dort die Anregung erhielt die germ. Buchstabenordnung zu schaffen. Oder war es die Niederlage des germ. Heerkönigs Ariovist, der 72 v.0 über den Rhein setzte, nach etlichen gewonnenen Schlachten gegen die Gallier, sich in deren Gebieten festsetzte, aber 58 v.0 von Cäsar geschlagen und angeblich über den Rhein zurückgetrieben wurde. (Bello Gallico, Kap. 30-54) Seit dieser Zeit wird das linksrheinische Elsass germanisch-deutsch besiedelt. Stets sind es die erschütternden Kampf- und Notzeiten, welche große geistige Schöpfungen und Neuausrichtungen hervorbringen!
Es scheint, dass der spätere Runenvater einige Zeit als Söldner das italische Heerwesen kennenlernte und zum Hauptmann einer Hundertschaft aufstieg. Der Fund von Negau (südl. Steiermark) brachte fast Zweidutzend Helme ans Licht, die mit Buchstaben und Zahlen versehen waren. Die Helme (Negau A u. B) zeigen die bislang früheste Feststellung eindeutig germ. Worte, jedoch in einer alpenländischen runenähnlichen linksläufigen Buchstabenschriftart. Auf Helm B steht: harigasti tewa „Heeresgast-Gott. Helm A (vgl. Abb. Helm ?) weist verschiedene Namensritzungen auf, darunter ein keltischer und skythischer und den germ. „C(enturio) Erul“. Offenbar handelt es sich bei dem Depotfund um ein Weiheopfer für die Gottheit. Eine Gruppe von Männern der röm. Auxiliarkohorte ritzten ihre Namen in die Helme, vergruben sie und beendeten ihren Dienst als Legionäre. Die zeitliche Festmachung hängt von der Datierung des Negau-Fundes ab, diese aber ist unsicher, sie schwankte zwischen dem 5. Jh. v.0 und augusteischer Zeit (63 v.0-14 n.0); die letztereist die wahrscheinlichere. Ersichtlich hatte sich zumindest der germ. Hauptmann Erul alpenländische Schriftkenntnisse angeeignet. Er dürfte unser gesuchter Runenerfinder, Gründer und Verkünder der Runenreligiongewesen sein. Er muss sich ausreichend lange im Dunstkreis gnostisch-religiöser und philosophischer Schulen aufgehalten haben, um sie studieren und innerlich verwerten zu können, denn sie sind in seine Schöpfung eingeflossen. War Erul nun Angehöriger einer bestehenden erulischen Volksgruppe dieses Namens (auf Seeland, Fünen und südl. Jütland, vor der dän. Einwanderung), oder übertrug sich sein Eigennamen, nach Heimkunft und Runenverkündung, auf einen dort ansässigen Germanenstamm? Jedenfalls muss Erul das runische Sinnbild- und Lautzeichensystem ausgebildet haben, auch in die nordische Heimat zurückgekehrt sein um dort eine wodanische Glaubensgemeinschaft zu errichten, als deren Einweihungskerbstock und Glaubenslehrbuch die ODING-Runen dienten. Er verwendete dafür urnordische Begriffszeichen sowie alpenländische vorlateinische Alphabetbuchstaben einer dort beheimateten kelto-germ. Bevölkerung, deren Lautsystem dem Nordgermanischen noch sehr nahe stand. Vorrunische Symbolefinden sich z.B. auf der jungsteinzeitliche Trommel aus Rössen bei Merseburg (etwa 4500 Jahre alt) mit einem Dekor von t-Zeichen. Das Tüllenbeil von Hagenow/Mecklenburg, aus der älteren Bronzezeit (ca. 1800 v.0), ist mit erhaben-gegossenem z-Zeichen versehen. Das Kreiszeichen der Ing-Rune, auch die Frühform der U-Rune, finden sich bereits auf dem Bildstein der Wartberg-Kultur (Kr. Höxter) aus 3500-2700 v.0. Der Runenvater lehnte sich aber an keines der vorhandenen Alphabete an, sondern griff jeweils heraus, was ihm für sein Vorhaben geeignet erschien. Neun seiner Zeichen sind keinesfalls aus diesen Vorlagen ableitbar: d q p y j n w g x Seinem Werk wird die Stimmung und Idee einer Glaubensvertiefung oder -neugestaltung zugrunde liegen. Er schuf eine Botschaft, eine Lehre. Seine Schöpfung, das ODING-FUÞARK, ist ein in sich geschlossenes, durchmathematisiertes Gotteslied, ein Weltbetrachtungs- und Gottesverständniswerk ohne Gleichen. In seiner Ordnung steht nicht mehr der alte indogerm. Himmelsgott Tiwaz / Tiu im Mittelpunkt (dessen vernichtendem Gottesurteil die verlorenen Schlachten zugerechnet werden mussten), sondern der Seelen-Geistgott, der Ase Wodanaz / Wodinanz. Aus der kämpferischen Geisteshaltung dieser Od-Gott-/Wodin-Religion erwuchs den germ. Völkern die Kraft für weitere Auseinandersetzungen und bereits wenige Generationen später zum endgültigen Sieg über die imperialistische, sitten- und skrupellose röm. Sklavenhaltergesellschaft, sie allen nichtitalischen Völkern wie ein wahrer Moloch, eine völkerverschlingende Mordmaschinerie erscheinen musste.
Erul wird ein erulisches Glaubensvolk gegründet haben, dessen kriegerische Einheiten langlebige, straffe, kampftüchtige Organisationen von außerordentlicher Beweglichkeit schufen. Ihre weitreichenden erfolgreichen Unternehmungen führten sie nach Griechenland, Italien, Spanien, Nordafrika, Gallien bis Schottland und Skandinavien. Ihre Angehörigen nannten sich Eruler / Eriler, lat. Heruler - wahrscheinlich nach ihrem Gründer und Großmeister - sicherlich aber Volksgenossen, Erul. Sie vernichteten 454 zusammen mit den Gepiden das Hunnenreich, auch gehörten sie 476 zu den Stammtruppen des Odoaker bei der Eroberung Italiens und dem damit eintretenden Ende des weström. Reiches. Sie gründeten in Oberungarn, zwischen March und Theiß, ein Herrschaftszentrum, bis sie 508/509 eine entscheidende Niederlage durch die ebenfalls wodangläubigen Langobarden erlitten, worauf die meisten an die untere Donau zogen, wo sie noch 550 genannt wurden. Andere kehrten in die Nordheimat zurück. (Rudolf Simek, Lexikon d. germ. Mythologie, 1984, „Heruler“)
Dort, im ursprünglichen Erulergebiet, verbreiten sich die ältesten Runenfunde, wie die aus typologischen Gründen in die erste Hälfte des 1. Jh. n.0 einzuordnende Rollenkappenfibel von Meldorf/Süderdithmarschen. Auf ihr steht das linksläufige Runenwort iwih „hiwi“ mit der wahrscheinlichen Bedeutung germ. hiwa; ahd. hiwo, hiwa; urnord. hiwigaR „der/die Häusliche / Hausherr/-frau“. Dazu gehört das herrliche Meisterwerk des goldenen Runenhornes von Rosengaard/Nordschleswig (ca. 400 n.0). Auf etlichen Runenritzungen lesen wir „ek erila“ („Ich der Eruler“), als stolze Selbstbezeichnung eingeweihter Runenmeister. Auf dem Amulett von Lindholm/Schweden (1.H.d.6.Jh.): ek erilaR sa wilagaR haiteka („Ich der Eriler, heiße der Listenreiche“). Weit voneinander entfernte Funde künden von den Weltfahrten dieser Männer. Ein Irila (Erila) erscheint sogar Mitte des 2. Jh. n.0 unter den Inschriften der buddhistischen Krypta zu Junnar, Bezirk Puna. Der Begriff „erilaR“ galt als Standesbezeichnung der germ. Schriftkundigen, der Runenmeister und hat vermutlich auch das Grundwort für den altnord. Adelstitel „Jarl“, ags. „eorl“, engl. „earl“ geliefert. Mit dem neuen Gottes-, Welt- und Selbstverständnis verbreitete sich die runische Schrift innerhalb der germ. Völkerfamilie. Diese Zeichenreihe von 24 Runen ist, wie der dänische Forscher Ludvig Frands Adalbert Wimmer in „Die Runenschrift“, 1887, nachwies, die älteste Runenreihe, deren sich in der Völkerwanderungszeit alle germ. Stämme bedienten, und aus der erst später, verursacht durch sprachliche Neubedürfnisse, die übrigen längeren oder kürzeren Runenreihen herausentwickelt wurden. Zweifellos ist eine umfangreiche Literatur in dieser Schreibtechnik entstanden, welche nach dem christl. Glaubensumbruch vom Frankenkönig Karl noch geduldet und eingesammelt, dann erst durch seinen pfaffenhörigen Sohn, den frömmelnden Schwächling Ludwig (778-840), als „heidnisches Teufelswerk“ verbrannt und an den Vatikan ausgeliefert wurde.
Gerhard Alexander, Die Herkunft der Ing-Rune, in Zeitschr. f. dt. Altert. u. dt. Literatur, Herausgeber Kurt Ruh, Bd.104, 1975, S. 7 - Die nordetruskischen Alphabete auf Inschriften und Münzen, Th. Mommsen; Mitt. d. Antiq. Gesellsch. i. Zürich, Bd. 7, 1850/53 - F. Altheim u. E. Trautmann, Kimbern und Runen, 1942, S. 9ff - H. Arntz, Handbuch der Runenkunde, 1944, S. 30ff - G. Vernadsky, Der sarm. Hintergr. d. germ. Völkerwanderung, Saeculum. Jb. f. Universalgesch., Bd. 2, Jg. 1951, H. 3; S. 340ff - W. Krause, Runen, 1970, S. 34ff - H. Klingenberg, Runenschrift, Schriftdenken, Runeninschriften, 1973, S. 138ff - K. Düwel, Runenkunde, 1983, S. 90ff
Wo sind die Quellennummern im Aufsatz?
FADAR RUNAR
Erzvater Runar im Ahnen-Od,
Gültiger Geist aus germanischem God,
Du sahst, wie das Sonn'rad des Nordens stieg,
Der schimmernde Hammer das Südland schlug,
Sprangst mit dem Lichtheer von Sieg zu Sieg -
Ertrugst auch das Ende in Trauer und Trug.
Erzvater Runar im Ahnen-Od,
Dich neigte nicht Drangsal, nicht Todesnot -
Verloren die Schlachten, das Volk zerfallen,
Blutend in fremdem Gebirg' geborgen,
Als heimloser Gast in garstigen Hallen -
Die Seele geschunden von brennenden Sorgen.
Erzvater Runar im Ahnen-Od,
Du brachtest ein besseres neues Gebot -
Warfst dir vom Halse den würgenden Wicht,
Der von Unglaube, Ohnmacht und Kleinmut sprach;
Aufleuchten musst' wieder erloschenes Licht,
Gesühnt sollte werden die Schande, die Schmach.
Erzvater Runar im Ahnen-Od,
Du buhltest um Lebens-Gebräu und -Brot -
Du fandest God - und das God fand dich,
Du sangest der Zukunft das Zauberlied;
Aus Sinnmarken fügtest du meisterlich
Die ratweise Schöpfung - du Runenschmied.
Erzvater Runar im Ahnen-Od,
Du wiesest den Enkeln den waltenden Wod.
Um seinen Gewinn kreist der Runen Gewalt.
Wer ihn erkennt, sich selbst begreift,
Der weiß seiner Gottheit ganze Gestalt,
Der steht für Segen und Sieg gereift !
(Island, Heuert 6999 n.M.)
Einer der größten und am nachhaltigsten wirksamen Lehrer dieser Zeit war Pythagoras (580-500 v.0). Seine Lehre beschrieb erst 800 Jahre später Jamblichos. Er verdeutlichte die damals eher gefühlsmäßig intuitive Suche nach Erkenntnis und Bewusstseinsentfaltung. Um nur das Wichtigste zu streifen:
Das Corpus Hermeticum
Über das sog. Corpus Hermeticum hat sich der Basler Philosphielehrer Olof Gigon (im L. d. A.) böse geäussert. Er hält es für eine in mehreren Etappen und Fassungen um die Zeitwende entstandene Sammlung theologisch-philosophischer Erbauungsschriften. Heute sind nur noch einge grössere und kleinere Fragmente erhalten. Trotz der Berufung auf Hermes Trismegistos ist die Sammlung keine „ägyptische“ Weisheit, sondern abgesunkene, zerfaserte griechische Literatur, „Proletarierplatonismus“, in den sich ziemlich viel Aristoteles und spätere Stoa mischt. Gigon meint: „Die Gesamtsammlung ist zweifellos den geistigen Bedürfnissen der Halbgebildeten des 1.-3. Jh. n. Chr. entgegengekommen, hat auch vom 15. Jh. an in theosophisch orientierten Zirkeln immer wieder Beachtung gefunden."
4.2 - Germanische Gnosis
Die Generationstreue Jahwes und seine Verheißung ist erweitert um Zurvans Verheißung an Ahura Mazda, nach langem Kampf mit Ahriman schließlich doch die endgültige siegreiche Macht in der letzten Zeit-Etappe des Weltgeschehens zu erlangen, wobei der Urgrund, aus dem das Sein in der Zeit entspringt, eine der Geschichte enthobene Präexistenz in einer ideellen Welt ist, die zugleich die erste und letzte Bestimmung, die Heimat der angefochtenen Seelen ist. (558) Die Sehnsucht nach der himmlischen, übersinnlichen Welt hat im alten Iran ihren Ursprung. Identität von Urmensch und Erlöser geht davon aus, dass der Urmensch die Summe aller emanierten Einzelseelen in sich enthält und Erlösung komplette Rücksammlung von der Erdversprengung in die Himmelsheimat ist. Der 'Große Mensch', zu dessen Leib alle Menschen, alles Leben zählt, wird immer wieder mit historischen Erlösern identifiziert, ob Buddha oder Zarathustra. Selbst wenn Jesus nirgends als Urmensch explizit bezeichnet wird, ist die paulinische Lehre vom s*ma cristo« eine Wiederholung der indo-iranischen Urmensch-Lehre: Wir alle seien Teile dieses Leibes, dessen Tod ein schöpferisches Vollbringen war, ein Übergang von dem Einen zu den Vielen, die ihn nun repräsentieren. Viele Dispute über die Auferstehungsleiblichkeit Christi im s*ma pneumatik7' verweisen nur auf die gnostische Adaption der iranischen Menôk-Welt, des platonischen Ideenhimmels. Die pneumatische Licht-Materie, der Geistleib, ist nichts anderes als die iranische Menôk-Welt.
Der griech. Schriftsteller Lukian (120-180) spricht in seiner Einleitung zum „Peregrin“ vom „Geist der Filosofie eines Pythagoras“ und führt dann mit ironischem Unterton die magischen „Wundermänner des Altertums“ auf: den „Ägyptischen Hermes“, „Baktrianischen Zoroaster“, „Indischen Budda“, „Hyperborischen Abaris“ und „Thrazischen Orfeus“. Ganz ernsthaft verkündet dagegen Agrippa (von Nettesheim, 1486-1535) in „Die Magischen Werke“ (1. Bd., Kap. 2), es seien die Physik, Mathematik und die Theologie „die drei mächtigsten Zweige der Gelehrsamkeit, welche die Magie umfasst“. Und er führt aus: „Die weisesten und berühmtesten Gelehrten und Schriftsteller haben diese Wissenschaft erläutert; unter ihnen glänzten besonders Zamolris und Zoroaster so sehr, daß sie Vielen als Erfinder der Magie gelten. In ihre Fußstapfen traten Abaris der Hyperboräer, Charmondas, Damigeron, Eudorus, Hermippus und noch andere berühmte Koryphäen, wie Hermes Trismegistus, Porphyrius, Jamblichus, Plotinus, Proklus, Dardanus, der Thrakier Orpheus, der Grieche Gog, der Babylonier Germa, Apollonius von Tyana [...] Überdies machten Pythagoras, Empedokles, Demokritus, Plato und noch mehrere der ausgezeichnetesten Philosophen Seereisen, um die Magie zu erlernen, und nach ihrer Rückkehr schrieben sie dieser Kunst die größte Heiligkeit zu und wahrten sie als ein Geheimnis.“ Im abfälligen oder hochbedeutsamen Sinne, jede Art Wissenschaft als Magie zu begreifen, trifft letztlich den Kern der Sache. Jegliche menschliche Erkenntnisgewinnung wurde eigentlich nur angestrebt um wirkliche oder wahnhaft eingebildete Schwierigkeiten durch zaubrisches Mehrwissen zu lösen und damit Hindernisse zu überwinden. So gesehen unterscheidet sich prinzipiell weder Philosophie von Alchimie noch von pythagoreischer Zahlenmagie und schamanisch anmutendem Runengalster. Wie es aus den Namensaufzählungen hervorgeht, erschienen aus den verschiedensten Völkern immer wieder Männer, die philosophische Spekulationen, Geheimlehren und naturwissenschaftliche Erkenntnisse mit den Mythen und Mysterien ihrer Heimat in Übereinstimmung zu bringen versuchten, um damit die Gesetze des Weltbaues, seine Entstehung, auch die Harmonie der Natur, also die Beziehungen der einzelnen kosmischen Kräfte untereinander, zu erklären.
Es waren Gnostiker, die versuchten Antworten zu finden. Erkenntnis ist das zentrale Anliegen all dieser religiösen Bewegungen, denen sehr verschiedene zusammenfließende theosophische und philosophische Anschauungen des Altertums zugrunde liegen. Der Begriff Gnosis stammt vom griech. Wort gnosis, das soviel bedeutet wie „Erkenntnis / Wissen“. Es ist eine Übersetzung aus dem eranischen Zend, weswegen man vom Zend-Avesta (hl. Texte der Parsen) spricht. Am Beginn aller Gnosis standen die Menschenfragen „Warum“, was ist Begründung und Sinn allen Seins, woher kommen Krankheit, Tod und Übel aller Art? Die Anfänge der Bewegung welche als die eigentliche Gnosis bezeichnet wird, datiert man ins 1. Jh., im 2./3. Jh. n.0. stand sie in ihrer Blüte. Diese Darstellung ist insofern irreführend, als schon im 6. Jh. v.0 in Griechenland seit dem Aufkommen der Naturphilosophie und der orphischen sowie pyhagoreischen Mysterienkulte typisch gnostische Erscheinungen vorhanden waren. Orpheus und Pythagoras (540-500) lehrten sowohl die Unsterblichkeit und Wiedergeburt der menschlichen Seele, wie auch den Leib-Seele Dualismus. Gedanken, die später von den Autoritäten Platon (427-347) und seinem Schüler Aristoteles vertreten wurden. Wie Jamblichos über die Weisheit des Pythagoras berichtete, nannte dieser die drei typisch gnostischen „Lebensregeln, die zur Läuterung und Weihe, den Aufstieg in die Freiheit des Äthers führen“: a) „Erkenne dich selbst!“ b) „Erkenne die Einheit des Weltgefüges und ihr geistiges Wesen!“ und c) „Erkenne die Verbindung zwischen den sterblichen Menschen und den unsterblichen Göttern und deinen Weg von diesem Zustand zu jenem!“ Sehr genau auf solche Wegweisung ist das germ. Oding zugeschnitten. Um dessen Sinn und Zweck und damit gleichzeitig das Gesamtwesen germ. Religion zu umreißen, taugen die Sätze mit denen das Weltverständnis der Pythagoreer beschrieben wurde; Heinz Klingenberg fand sie so zutreffend, dass er sie in seinem Runenbuch als Erklärung für das durchmathematisierte Runenhorn von Rosengaard heranzog: „Mathematik war ein Teil ihrer Religion. Gott hat den Kosmos nach Zahlen geordnet, so lehrten sie. Gott ist die Einheit, die Welt ist die Vielheit und besteht aus Gegensätzen. Was Einheit in die Gegensätze bringt und sie zu einem Kosmos vereinigt, ist Harmonie. Die Harmonie ist göttlich und besteht aus Zahlenverhältnissen. Wer diese göttlichen Zahlenverhältnisse ergründen lernt, wird selbst göttlich und unsterblich.“ (Heinz Klingenberg, Runenschrift, Schriftdenken, Runeninschriften, 1973, S. 370) Durch die Eigenart des griech. Zahlen- und Buchstabendenkens, welches beides miteinander verwob, entstand die Gematria und die religiösen gnostische Buchstaben- und Zahlenspekulationen, bis hin zur jüd. Kabbala. Insoweit dürfte ein Konsens zwischen Kennern der Materie gesichert sein, was jedoch überraschend wirkt und zur Neuorientierung zwingt, ist meine Feststellung, dass die germ. religiöse Mathematizität älter ist als Pytharoras, schon der bronzezeitl. „Sonnenwagen von Trundholm“ weist sie auf (vgl....).
Immer mehr Menschen begannen schon in der klassischen Antike an den altüberlieferten religiösen Weltbildern zu zweifeln und suchten Trost in der Philosophie oder den Erlösungslehren. Dazu gehörte auch der Hermetismus (300 v. bis 300 n.0) die Attis-Kybele-, Osiris-Isis- und Dionysoskulte, auch die jüd. Sekte der Essener, ab dem 1. Jh. v.0, aus der sich das Christianismus entwickelte. Der Hermetismus könnte sehr gut eine der direkten Vorlagen oder Anstöße zur Ausarbeitung der ODING-Religion geliefert haben, seine Glaubensvorstellungen wurden in hermetischen Schriften niedergelegt, die die Geheimnisse der Natur ebenso erklärten zu enthüllen, wie die einzelnen Beziehungen zwischen den kosmischen Kräften. Die Eingeweihten erhofften sich aus diesem Wissen und der Verehrung des Wissensspenders, dem Gott Hermes (Wodan), Fähigkeiten zur Beherrschung der Natur und Hilfe für ein erfolgreiches glückliches Leben. Die Aufnahme in den Kultkreis erfolgte einzig auf geistiger Ebene und bestand aus einer Einweihung in bestimmte hermetische Texte sowie Versenkungsübungen. Es war also eine Art Buchreligion, die sich - exakt vergleichbar mit dem ODING-Richtkreis - auf Offenbarungen stützte.
Die Übergänge vom alten Götterglauben zu den Mysterienreligionen waren fließend. Es gab viele unterschiedliche Schulrichtungen. Spät erst hängten sich neben den griechisch-iranischen, ägyptischen auch mosaische und schließlich christliche Formeln ein. Einige Grundelemente sind jedoch durchgehend anzutreffen, so wie diese, dass dem Menschen auf dem Wege der Erkenntnis seine Erlösung zuteil werde. Er, der Mensch, versucht sich in der Gnosis selbst zu erkennen, seine Herkunft, seine Bedeutung und das Ziel seiner weltlichen Wanderung. Das erreicht er nicht nur durch ein verstandesmäßiges Erkennen, die gewünschten Antworten scheinen nicht allein aus eigenem Denken zu gewinnen, vielmehr werden sie durch ein sich offenbarendes Erkennen geschenkt. Ganz wichtig ist dabei die Überzeugung, dass die Erkenntnis zwar allen Menschen gleichermaßen möglich wäre, aber nur von einigen Auserwählten in Gestalt eines esoterischen Schatzes gefunden wird. Bei genauem Hinsehen ist Gnosis nichts anderes als Magie! Es geht um die zauberische Errettung, um das Heil der menschlichen Seele. Dazu bedarf es einer - eben gnostischen - Geheimlehre, einer verborgenen Offenbarung und der Unterweisung durch einen „Zaubermeister“, den Offenbarer.
Die Gnosis ging von der Existenz zweier gegeneinander gerichteter Prinzipien und Welten aus, der Welt des lichten Geistes, die des guten Gottes mit seinen Äonen, den Ewigkeitsmächten, und der finsteren Welt der Materie. Die frühesten Verkünder dieses Weltdualismus und damit auch Urväter der Gnosis, waren der Iraner Zarathustra und der etwa gleichzeitige ind. Begründer der Samkhya-Lehre, namens Kapila (6. Jh.v.0). Dessen dualistische Metaphysik stellte zwei Prinzipen in den Anfang: Purusha (in den Veden der Urmensch aus dessen Teile der Kosmos gebildet wurde) und Prakriti. Sie waren immer und bleiben für immer getrennt. Der Purusha ist das höhere und letztlich bestimmende Prinzip,das transzendentale Bewusstsein, die Weltseele; der Samkhya hat nichts dagegen, dass man etwa Brahma/Atman im Vedanta, Vishnu und Shiva im Tantra verehrt, denn man versteht in ihnen Purusha. Er entspricht dem Atman/Brahman oder Shiva -, auch dem „wirklichen Menschen“ in unserem Innern. In dem Moment in dem Purusha die Strahlen seines Bewusstseins in die Prakriti hineinsendet, fängt diese an sich zu verändern, aktiv zu werden, der Schöpfungsprozess kommt in Gang. Purusha tut dies um die Möglichkeiten und Kräfte kennen zu lernen die latent in ihm und Prakriti liegen. Wenn demnach das gleichzeitig göttliche wie menschliche Bewusstsein nach vielen Äonen von Leiden und Vergnügen ihre Ausdehnungsmöglichkeiten erfahren haben, ist das Wissen ihrer selbst vervollkommnet. Die Prakritiist also das Seiende, Werdende, die dynamische Urmaterie, die Natur, dasmaterielle Universum, das Prinzip, das alle Formen von Aktivität hervorbringt, es ist der dunkle Mutterschoß aller Wesen und Dinge. Sie ist brodelnde Betriebsamkeit, unermessliches Chaos, völlige Vergänglichkeit - überquellend an Vielfalt, Anstößen und Gegensätzen, die sich aber vollständig gegenseitig aufheben. Nach dieser Sichtweise gilt alles, was einen Anfang oder ein Ende hat, als unwirklich, nur eine Gaukelei von Maya, die Täuschung, Unwissenheit, Illusion bewirkt. Etwas, was Anfang und Ende hat, am Anfang und am Ende nichts ist, existiert eigentlich auch in der Mitte nicht.Deshalb lehrt der Samkhya drei Grundprinzipien: Unterscheidungskraft, Beobachtung, Entsagung.
Kapila stand mit der Entwicklung eines Urdualismus aus der vedischen Traditionslage nicht allein, das sieht man an den etwa gleichaltrigen ältesten Dokumenten der persischen Literatur und Religion, dem sog. Awesta, das auf den Religionslehrer Zarathustra zurückgeht. Dieser setzte dem guten Lichtgott Ahura Mazdah den Herrn der Finsternis und des Todes Angra Manyav gegenüber. Denn das moralische Problem bestimmt, dass Gott nicht die alleinige Ursache der Welt sein kann, weil er dann ungerecht und unbarmherzig wäre. Zarathustra betonte, als sein wichtigstes Anliegen, den strengen moralischen Aspekt. In awestischen Versen klingt das so: „Die beiden Geister zu Anfang, die sich durch ein Traumgesicht als Zwillingspaar offenbarten, sind das Bessere und das Böse in Gedanken, Wort und Tat“. Der ind. Religionsstifter Buddha, im 5. Jh. v.0, ging in dieser Richtung des Kapila und Zarthustra noch weiter. Auch er erkannte schmerzhaft das Niedrige, Unechte und Leidvolle der materiellen Welt und lehrte diese durch Verzicht zu überwinden. Er predigte: „Es gibt Leid; Leid hat eine Ursache; Leid kann überwunden werden; und es gibt eine Methode, mittels derer man Freiheit von allem Leid erlangen kann“ und weiter: „Dies, meine Schüler, ist die Wahrheit des Leids: Geburt, Alter, Krankheit und Tod. Dies ist die Ursache des Leids: Lust und Wunsch, der Durst nach Sinnengenuss und der Durst nach Macht“. Eine möglichst vollkommene Verzichtshaltung in Bezug auf die materiellen Güter der Welt war die nur folgerichtige Konsequenz. Ins Extrem steigerte dies der iranischen Zervanismus mit seinem Abscheu vor dem weiblichen Geschlecht und des sexuellen Faktors.
Mit der gnostischen Überzeugung von der Schlechtigkeit der Welt hatte die Suche nach dem Verursacher des Bösen begonnen. Zarathustra nannte ihn Angra Manyav („böser Geist“). Viele Gnostiker glaubten ihn in der Gestalt des jüdischen Jahve, wie er in den mosaischen Büchern beschrieben wurde, zu erkennen. Er sei es, der die finsteren Welt der Materie als böser Schöpfergott, als „Demiurg“ mit seinen Helfern erschaffen habe. Unbestreitbar schien, dass der Geist sich zur Materie entäußern und in sie hinabsinken, doch die Materie sich nie zum Geist erheben kann. Die menschlichen Seelen glaubte man als in Materie gestürzte göttliche Funken, die in dieser Welt als Gefangene des Fleisches leben, hier nicht heimisch werden könnten, sich in den Niederungen gebunden fühlen und zurücksehnen. Daraus resultierten alle Angst, geistige Not, das Gefühl des Verlorenseins, des Herumirrens und Heimwehs zur guten lichten Urheimat.
Die Gnosis bot ein Mehrwissen an, gleichsam ein Höherwissen. Ihre Schulen versprachen grundlegende Kunde und allumfassende Deutung von Erdenwelt und Kosmos. Hinzu kam, dass die Gnosis geprägt war von einem Befreiungsschwung, im Sinne: „Ich bin in das Heiligtum eingetreten; mir kann nichts mehr widerfahren.“
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Von solch einem zwiespältigen Gott sagt Kaushîtaki-Up. 3,8: „Denn er machet das gute Werk tun den, welchen er aus diesen Welten emporführen will, und er machet das böse Werk tun den, welchen er abwärts führen will; er ist der Hüter der Welt,“
Aber selbst in diesem anerkannt dualistischen Mazda-System und seinen manichäischen Nachfolgern blieb es nicht aus, daß der gute Gott letztlich wieder die Oberhand behielt und alles Dunkle, Böse und Teuflische irgendwo in die Heerscharen dieses Oberherrn eingereiht wurde. Der Teufel behält auch in dualistischen Religionen ebenso wenig das letzte Wort, wie in den Metaphysiken ein dualistisches Gegenprinzip.
Awesta = Wissen
Dieser Erlöser wird gleichgesetzt mit dem Urmenschen oder der Urseele/Weltseele, dem Gottwesen, das auch Vertreter der Einzelseelen ist. Er ist Erlöser und Erlöster zugleich. Er befreit die weltlichen Seelen mit seinem Ruf aus der niederziehenden stofflich-sinnlichen Welt. Der ideale Anspruch der Gnosis wäre in dem Augenblick erfüllt, wenn keine personale Offenbarer- und Erlöser-Gestalt das Rettungswerk vollbrächte, weil diese viel zu stark an die Welt gebunden wäre, sondern eine unkörperliche, rein geistige Wesenheit, wie es beispielsweise ein Buch, eine Heilige Schrift oder unsere, rechten Rat raunenden Runen sein würden. Der gnostische Befreier ist die so beschaffene Personifikation der göttlichen Offenbarung. Dieser herbeigesehnte Erlöser, dieser Rufer der Seelen zu Gott wird erkennbar in der Geistgestalt des Od-ing, des Od-Kindes. Es ist die Kundgebung einer germanischen Gnosis.
Erlösung vollzieht sich durch die Offenbarung; allein das befreiende Wort ist maßgebend. Für die germ. Schule war es das Wort: ODING. Es und die damit verbundene Erkenntnis, gewinnt man in der Gnosis nicht auf die gleiche Art, wie man ansonsten zu Einsicht und Weisheit gelangt. Das Wort muss man hören und annehmen, dann wird man sich an seinen Ursprung erinnern, dann erhält man blitzartig die erleuchtende Erkenntnis und ist dementsprechend Erlöster und Gnostiker. Der Mensch erkennt dann sowohl Gott, sein eigenes Ich, als auch die Verworfenheit der Welt. Gnosis bedeutet schlagartige Einsicht, und das Wesentliche daran ist die Wiedererinnerung. Der Mensch muss sich daran erinnern, woher er eigentlich stammt und was er eigentlich ist. Auch heute noch können die Runen den Menschen schlagartig daran erinnern, dass er ein Germane bzw. ein nordischer Mensch ist, der zurück will zu seinem Geistgott und in seine nordische Geistesheimat.
Zu einer strengen Weltverneinung und totalen Askese muss die Gnosis nicht zwangsläufig führen, das Sich-über-die-Welt-Stellen konnte eine Art Erhabenheit und in seltenen Randgruppen sogar Ausschweifung und Zügellosigkeit zur Folge haben. Die stoffliche Unterscheidung von Männlichem und Weiblichem erschien auf der Ebene der Seele und des Geistes als unwesentlich, weshalb das Eins-Werden angestrebt wurde und die Frauen keine der damals gewöhnlichen Zurücksetzungen erfuhren. Überwunden ist hier der Abscheu des iranischen Zervanismus vor dem weiblichen Geschlecht und des sexuellen Faktors. Recht modern anmutend strebte die Gnosis eigentlich eine Vergeistigung und Veredelung und Überwindung der grobmateriellen Gier und Sinnenwelt an. In den gnostischen Gemeinschaften und Schulen wurde die jeweilige Offenbarung weitergeführt, wobei man davon ausging, dass der göttliche Offenbarer weiter in die Gemeinde hineinspricht. Dies geschieht vornehmlich durch den Mund des Schulgründer und dessen Nachfolger.
Viele Gnostiker meinten, diese feindlichen Mächte seien in den Juden personifiziert. Die Juden sind nach den antiken gnostischen Mythen die Abkömmlinge und Verehrer jener widergöttlichen Schöpfungsmacht, die die Gnostiker verfolgte und in einem irdischen Körper festhielt. Damit stempelten gnostische Gruppen die Juden zu Angehörigen eines anderen „Samens" oder „Geschlechts", die die Vertreter der reinen Rasse der Gnostiker bedrohen.
Denn neben dem Dualismus von göttlicher Lichtsphäre und widergöttlicher Schöpfungssphäre ist das Auf- und Abstiegsschema, das wesentliche Merkmal der Gnosis.
Diesem Schema liegt die Auffassung zugrunde, dass die seelische, also immaterielle Essenz des Menschen ihren Ursprung und ihre eigentliche Heimat in anderen Welten habe, die sich entweder in überirdischen Sphären oder ganz außerhalb der uns bekannten Welt befinde. Die Gnostiker setzten ihre Erlösungshoffnungen auf eine Überwindung und Zerstörung des Kosmos.
Die meisten der gnostischen Gebete und Hymnen thematisieren die Erlösung des Selbst. Die Erlösung ereignet sich durch die Erkenntnis der eigenen Herkunft, welche die gnostische Heilsgestalt vermittelt.
(Hegel)– Aber wo ist dann das Böse im Logos?
„Weltvernunft" und – bei Hegel– als die "absolute Macht" gefeiert worden.
4.3 - Der erlösende Oding
Schon der ionische Philosoph Anaxagoras(500-428 v.0) vertrat die Meinung, die Substanzen der Welt seien durch eine nicht hinterfragbare Kraft, den Weltgeist, zusammengefügt worden, den er Nous (griech. „Geist / Gedanke“) nannte. Für Demokrit (460-370 v.0) war die sich aus Buchstaben zusammensetzende Sprache, der Logos (griech. „Gedanke“), „ein Schatten der Wirklichkeit“ (Diels 55 B 145.) und stellte als solcher ihr getreues, aber unkörperliches Abbild dar. Platon(427-347 v.0) ließ sich von Anaxagoras inspirieren (Phaidon 97B),führte diese Anregungen fort und erklärte die Inhalte des Denkens, die Ideen, zum eigentlichen Sein. Geradeso wie sich der Logos aus Buchstaben, Silben, Worten zusammenfügt, so fügen sich auch die Grundstoffe, die Elemente, zu kleineren, größeren anorganischen oder organischen Verbindungen, zu Körpern verschiedenster Art und schließlich zur Gesamtwelt. (E. Frank, Plato und die sogenannten Pythagoreer, Halle, 1923, S.169f) Der Neuplatonismus, dem zusätzlich die aristotelischen Lehrmeinungen zur Verfügung standen, hat das Denken als das Umfassende beschrieben und es als Geist, als Kraft und göttliche Allmacht verehrt.
In dieser Phase des Hellenismus verschmolzen Attis mit Adonis, Osiris, zu derselben Wesenheit: dem Logos (Weltvernunft / Naturgesetz / Kraft die alles Leben bewirkt und lenkt). Auffassung der Hermetiker war: „Hermes ist der Logos“, der Gottesgedanken, der Weltschöpfer aus dem Wort, der aus dem Chaos einen Kosmos gestaltet, also der Weltordner und ebenso auch der notwendige Erlöser aus Himmelshöhen. Als germ. Hermes-Mercurius galt bekanntlich nach röm. Vergleich der Seelen- und Runengott Wodan.Nach Meinung aller Gnostiker bestand der Sinn jener erhofften Erlösung und Vollendung der Welt und des Menschen darin, dass der Ring des Werdens wieder geschlossen würde. Das geschähe dadurch, indem der außerweltliche Logos, „das Urlicht“, „der gestaltlose Gott“ in seiner ganzen Fülle in die irdische Welt des Menschen niedersteigt, ihm den Weg zeigt und die Kraft gibt zu seinem Ursprung im reinen Geist und Licht zurückzukehren. Aufgabe des irdischen Menschen sei es daher, sich aus dem Fleischlichen empor zu entwickeln, indem er zu dem ihn erfüllenden Logos, seiner Seele, dem überweltlichen Logos hinstrebt, wie ein in sich selbst zurückfließender Strom.
In der Bildsprache der Gnosis wurde der Logos, indoiranischen Verständnis- und Sprachtraditionen folgend, als Mensch (griech. Anthropos), als Urmensch (skrt. Purusha) verbildlicht. Deshalb nannten aus mosaischem Herkommenden stammende Gnostiker den Urmenschen-Logos Adam. Viele gnostische Gruppen symbolisierten ihn als Schlange (griech. Ophis), die sich in den Schwanz beißt, um den Kreislauf alles Werdens zu versinnbildlichen. Auch die einzelne Menschenseele wurde ja oft als Schlängelein gedacht, das den Körper im Tode wieder verlässt. Der Logos sei dadurch entstanden, dass Geist und Materie sich zusammenfanden, sich vermählten und ihn hervorbrachten. So ist sein Wesen das des Mittlers zwischen Geist und Stoff. Ist der Geist männlich und der Stoff (Chaos) weiblich, muss der Logos als Vereiniger beider mannweiblich sein. Gliedern sich nach altem Schema Welt und Mensch in Geist, Seele und Körper, dann kommt dem Logos innerhalb dieser Dreigliederung die mittlere Stelle, die Seele zu. Er ist nach stoischer und neuplatonischer Lehre die Weltseele, ein Pneuma (griech. „Geist“), das in verschiedenen Spannungen Steine, Pflanzen, Tiere, Menschen, das gesamte Weltall der unterirdischen, irdischen und himmlischen Wesen durchdringt. Er ist sowohl ein über der Welt bei Gott existierendes, ewig sich gleichbleibendes reines Geistwesen (der „obere Mensch“), als auch die im Stoffe schaffende regelnde, alles erzeugende, alles beseelende und alles zusammenhaltende Kraft, der Kosmos (griech. „Ordnung“) selbst (der „große Mensch“). Er ist gleichzeitig in der Überwelt ein Gott und seine Gestaltwerdungen im Einzelmenschen sind die vernünftige Seele und die Geisteskraft. Anthropos und Kosmos, Mikro- und Makrokosmos, bestehen danach aus einem Körper und einer einzigen Seele.
Die Gnostiker betrachteten in ihrem dualistischen Weltbild die irdische Materie als „Finsternis“ die es zu bekämpfen und zu überwinden galt, die Seelen aber als in der Materie gefangene Lichtfunken. Der Logos-Geist-Urmensch war ihnen der erhoffte lichte Erlöser von den Übeln der Welt. Er sollte in die „Finsternis“ herabsteigen um seine in der vergänglichen Materie eingeschlossenen zerstreuten seelischen Lichtglieder zusammen sammeln. Von der verhängnisvollen Lage der Seele in der Welt spricht z.B. der manichäische Psalm (MPB 181) und enthält die Aufforderung sich der wahren kosmischen Lichtheimat zu erinnern. Es sollte also der erhoffte, als Person gedachte heilige Retter, gewissermaßen die Summe aller Menschenseelen in sich einschließend, der sich selbst erlösende Erlöser sein. Jener Dämon aber, der die Materiewelt geschaffen habe (der pers. Angraman oder der jüd. Jahwe), galt den meisten Gnostikern als der erklärte Feind des Logos.
Unter den gnostischen Beständen der wiedergefundenen frühchristl. Klosterbibliothek aus Nag-Hammadi/Ägypten zeigt eine Schrift (NHC VIII,1) am eindringlichsten wie bedeutend die Einwirkung durch persische Magoi war, deren Zoroaster-Predigten damals große Popularität besaßen. Es handelt sich um eine vom Anfang 2. Jh., herrührende 132 Seiten lange Erzählung von der Himmelsreise des Zostrianos (Zoroaster). Sie dokumentiert den Einfluss der Zarathustra-Religion auf jungchristliches Denken durch unmittelbares Zusammenstehen mit dem Petrusbrief an Philippus „NHC VIII,2“. Zostrianos lebt ewig, hat diese Worte aufgeschrieben, als er in der Erdenwelt war, um die Auserwählten seiner und folgender Generationen durch seine mitgeteilte Wahrheit zu retten, zu erlösen. Seine Himmelsreise soll ein Bericht von der Gotteswelt, vom All, sein. Die gesamte Einleitung verhandelt platonische Zentralthematik: Die Begrenztheit der Erd-Aufenthalte gegenüber der Unsterblichkeit der Seele, die immer wieder in ihre immateriell-himmlische Heimat zurückkehrt und von dort neu ausgesandt wird in eine weitere, wiederum durch Verblendung und Begierden verfinsterte uneigentliche Materialisation. Den Schöpfer dieser Sinnenwelt, den Kosmokrator („pikosmokrator“), tadelt Zostrianos: der Materie fehlt das Leben des Heiligen Geistes. Zostrianos, dort hineingeboren, probiert dieses sinnliche Leben eine kurze Zeit aus, bis es ihm als Leere erscheint und er sich unzufrieden, weil entwurzelt fühlt: seine wahre Abkunft ist aus einer heiligen, himmlischen Sphäre. Diese Sehnsucht nach der himmlisch-übersinnlichen Welt hat im alten Iran ihren Ursprung.Auch Zostrianos Erdenleben gleicht einem Gastspiel auf fremder Bühne. Er verkündet jene immaterielle Welt, die sich in seiner Dokumentation spiegeln soll. Sie spiegelt sich ersichtlich mittels der Anzahl von 132 Seiten seines Berichtes; das ist die gekonterte Geistesweltzahl 231 des 21-ers, des Asen Wodan (Ergebnis der Theosophischen Addition von 21) ebenso wie im jüngeren jüd. Sepher Jezira („Buch der Schöpfung“). Im Zostrianos-Text hören wir die iranische Predigt vom großen Gegensatz zwischen göttlichem Urwesen einerseits, und andererseits der Welt der Natur und Materie. Lautete also, aus solchen Schulen kommend, eine gematrische Überlegung des Runenschöpfers folgendermaßen?: Die Wegweisung des 22-ers (x), des Materieschöpfers, führt nur zum materiellen Weltbeginn: 22=2+2=4=1+2+3+4=10=1Õo- also ins irdisch grobe Gewebe zurück. Die Wegweisung des 21-ers (a), des Seelengottes, führt dagegen in den endlosen Kreislauf einer ewigen Wiederkehr geistiger Welten bzw. des Seelenlebens innerhalb geistiger Welten: 21=2+1=3=1+2+3=6=1+2+3+4+5+6=21=2+1=3Õq- also in die geistige Feuer-Glanzwelt „Gimle“ (Vsp. 64), in den Ring der runischen Ewigkeit -; ist doch die QS-Kernzahl des 24-er Runenreigens, des All-Spiegels, die 3.
Nicht nur die Buchstaben, eben auch die Zahlen standen, entsprechend damaliger Betrachtungen, zu den Elementen in unmittelbarer Beziehung. So berichtet Hippolythos von der Vorstellung des Gnostikers Monoimos:„Denn die Würfel, Oktaeder, Tetraeder und alle ähnlichen Figuren, aus denen Feuer Luft, Wasser und Erde bestehen [gemeint sind die angenommenen atomistischen Formen der Elemente], sind aus Zahlen entstanden, die in jenem einfachen... [Buchstaben] enthalten sind, welcher ist der vollkommene Sohn des vollkommenen Menschen“ (Hippolyt. Elench. VIII 14, 2.). H. Leisegang erklärt dazu: „Wobei unter dem Menschen hier wieder Makrokosmos und Mikrokosmos in gleicher Weise zu verstehen sind...“. (Hans Leisegang, Die Gnosis, 1985, S.295) In Buchstabe und Zahl vermochten gnostische Schulen den Logos und Welterlöser zu bestimmen, sie bezeichneten ihn als „vollkommenen Sohn“, „Weltseele“, „Urmensch“, „Christos“, „Sohn des Vaters“.
In einem gnostischen Offenbarungsdialog von den Geheimnissen aus der oberen Welt (Nag-Hammadi, 1. „Buch vom großen geheimnisvollen Logos“, Fragm. 2, ca. 2. Jh.n.0), wird der Logos gepriesen: „der [du] aufstrahltest in deinem Geheimnis“, der veranlasst hat „den Ort der 24 unsichtbaren Hervorbringungen aufzustellen [...] „Errette alle meine Glieder, welche zerstreut worden sind seit der Grundlegung der Welt in den 24 unsichtbaren Hervorbringungen und ihren Oberen/Richtern ihren Göttern, Herren, ihren Boten, himmlischen Herrschern und Dienern, sammele sie zusammen und nimm sie in das Licht auf.“ Hier richtet die Seele der Menschheit als Person gedacht, ihr Gebet an den Logos und Menschheitserlöser er möge ihre in der geistigen Gesamtwelt der „24 Hervorbringungen“ verstreuten Lichtseelenglieder zusammensammeln und ins reine Gotteslicht zurückführen. Als Ideenlieferant für die Zahl 24, die als Totale für die Geisteswelt genutzt wird, kann nur das griech. Alphabet mit seinen 24 Buchstaben gedient haben.
Der schon erwähnte „Magier“ Markos (1./2.Jh.n.0) führte sein Wissen und die daraus resultierende Lehre auf eine ihm persönlich zuteil gewordene Geheimnisoffenbarung zurück, die vor ihm keinem anderen Wesen enthüllt worden sei. Er lehrte vom Logos, dieser hätte bei seiner Erscheinung als erstes Wort seines Namens, den Begriff „Anfang“ ausgesprochen. Sein gesamter Name würde 4 Worte von zusammen 30 Buchstaben umfassen, die das Weltall symbolisieren. Da jedes Namenswort dieser Buchstaben wieder mittels Buchstaben beschieben wird, und so fort, soll der männlich-weibliche Urvater als eine Art Buchstaben-Urmeer verstanden werden. Die Buchstaben dieser Masse gelten als Äonen, als ewige Geistwesen, als Elemente des Kosmos. Die aus ihren himmlischen Wohnungen herabgeführte nackte Aletheia (griech. „Wahrheit“), die identisch mit dem Weltlogos ist, beschreibt Markos als ein Wesen dessen Einzelglieder aus den 12 Buchstabenpaaren des griech. Alphabets besteht. Diese 24 Zeichen gelten ihm ebenso als Ausflüsse und Abbilder der 3 Kräftepaaren oder 6 Mächte, welche die ganze Zahl der Buchstaben, die er in drei Oktoaden (griech. „Achtheiten“) einteilt, in sich enthalten. (Hans Leisegang, Die Gnosis, 1985, S.326ff) Alle gedanklichen Elemente der neupythagoreischen Lehre des Markos, die auch einige christl. Begriffe einwob, finden sich in der ODING-Systematik, so dass man von einem direkten Vorbild sprechen könnte, wenn nicht Runeninschriften vorlägen, die älter als Markos sind. Entweder gab es eine Runenschrift vor der Systematisierung zur ODING-FUÞARK-Reihe, oder der Runenschöpfer und Markos waren kongeniale neupythagoreische Geister. Der eine wendete sich halbherzig einer christl. Gnosis zu, der andere blieb streng germano-keltisch volksreligiös.
Die gnostische Schrift „Apokryphon des Johannes“ (NHC II,1; 2.Jh. n.0), sagt von sich, sie sei die „Lehre [des] Erlösers“, die ein Johannes seinen Schülern weitergab undsie würde die Enthüllung„der Geheimnisse“ lehren; sie endet mit: „Jesus Christus, Amen“.Im Kapitel „Die Erschaffung des Adam“ wird die Zahl der englischen und dämonischen Mächte, die den Urmenschen erschaffen, mit 365 angegeben: „Sie alle arbeiteten an ihm, bis Glied für Glied der psychische und materielle Körper von ihnen vollendet wurde.“ Es heißt: „sie schufen die Harmonie der Glieder und die Harmonie des Körpers und die richtige Zusammensetzung der einzelnen Glieder. Der erste begann den Kopf zu schaffen,“ - abschließend werden die Füße gefertigt.Ganz zum Ende gibt der Autor den Rat: „Wenn du sie [die noch nicht namhaft gemachten Wirkmächte am Menschen] aber kennen willst, es ist geschrieben in dem Buch des Zoroaster.“ Wieder wird es deutlich, sogar namhaft gemacht, woher die Weisheit kommt, aus den Lehren der persischen Magoi des Zorasters.
Hat, nach zitierter Nag-Hammadi-Schrift, der Logos 24 Hervorbringungen bewerkstelligt und sind die Glieder der Menschenseele in diesen 24 zerstreut, so liegt der Gedanke nicht fern, Menschenseele und Logos als 24-gliedrig anzuschauen. Waren 365 Kraftmächte mit der Arbeit am Logos-Urmenschen beschäftigt, muss er folglich selbst aus dieser Anzahl von Teilen zusammengewirkt sein, nicht anders als der Jahresring des Oding, dessen Kennzeichen ausnahmslos ihre Entsprechungen in den Zeugnissen der iranisch geprägten Gnosis haben: Er stellt eine 24-stabige, zahlenmystische, 365 tagesgliedrige, in sich zurücklaufende, also endlose, Buchstabenschlange dar. Peinlich genau war der Runenschöpfer bemüht, alle gnostischen Kriterien des Logos in sein Werk zu integrieren. Um ihn auch noch menschengestaltig erscheinen zu lassen, bedurfte es der Begrifflichkeiten: „von Kopf bis Fuß“, deshalb beginnt die senkrecht aufgestellte Runenreihung oben mit „OD“ und endet unten mit „FUÞ“. Es bedeutet altn. oddi die „Landzunge“, oddr meint die „Spitze“ einer Waffe, der oddviti ist der „Spitzenweiser“, also das Haupt einer Schar; so konnte das entsprechende urgerm. Wort sehr gut im Sinne von „Anfang“ genutzt werden (bei Markos erster Eigenname des Logos). Und auch der runische fuð war für die Adepten unschwer als Fuß zu verstehen; got. fōtus, ahd. fuoz, altn. fótr, aengl. fot, schwed. fot,dän. Fod, nass.-westerwäld. mundartl. (Rennerod) Fude.
Der Runenschöpfer nannte den germ. Logos Oding, Od-ing, Od-Sohn, indem er den Runenbuchstaben „Ng“ verwendete, der auch als „Ing“ einzusetzen war. „Ing“ wurde gebraucht, um einen Nachkömmling, einen Sohn, zu bezeichnen. In den Abstammungslisten angelsächsischer Könige („Historium Britonum“, ca. 835 n.0), die sich bemühen bis ca. ins 5. Jh. n.0 zurückzugehen, tritt die altags. Art und Weise der Namengebung zu Tage. Dem Sohn wurde zum eignen Rufnamen der Vaternamen mit zusätzlicher Anhängung eines „ing“ dazugestellt, um ihn so als Abkömmling seines Vaters zu kennzeichnen. Hieß der Vater Godwulf und sein Sohn Finn, war dessen voller Name: Finn Godwulfing. Einige Beispiele seien vorgeführt, denn mitunter wurden Zwischenvokale fallengelassen. Den Sohn eines Winta nannte man Winding, Beda wurde zu Beding, Eni zu Ening; der Sohn eines Woden war der Woding, Wodning oder Wodening; Weoðogeots Sohn war Weoðogeoting, Uodens und Uuodens Sprösslinge waren Uodning und Uuodening; dem Siggeot folgte Siggeoting, dem Angelgeot, Angelgeoting, dem Osmod, Osmoding, Oesa war Vater des Oesing, doch das Kind von Oda ist Iding, bei überraschendem Vokalsprung, obwohl er regulär Oding hätte heißen müssen. War damals „Oding“ noch ein Sakralwort, welches im profanen Gebrauch gemieden wurde? (Six Old English Chronicles. ed. J.A. Giles. London, Henry G. Bohn, 1848) Der Sohn eines Vaters namens Od war also der Oding oder Odning. Dargelegter ags. Spracheigenart zufolge - und damit auch jener aus dem norddeutsch-südjütländischen Urbezirk der Runenentstehung - meint die Bezeichnung der Ur-Runenreihe ODINGnichts anderes als „Sohn/Kind des Od“ - bzw. Geistprodukt des Od-Gottes. Nach einer väterlichen Sakralgestalt des Oding braucht nicht lange gesucht zu werden, da in altn.-eddischer Literaturder Gott Óð/Óðr (Gylf. 34, Skalds. 20 / 30) als Gatte der ggerm. Muttergöttin Freyja/ (Frija/Frea) erscheint. Es muss sich dabei sowohl um eine ältere Namensform wie auch Paarbildung des germ. Geist-Seelengottes Wodan-Wodin-Oðin handeln. Die allein aus skandinavisch-eddischer Literatur bekannte Götterpaarung Oðin-Frigga hingegen kann demnach nur jüngeren Ursprunges sein. Wie sehr noch der späte altnordische Glaube Odin mit allem Seelenleben verband, geht aus Vsp. 18 hervor: „önd gaf Óðinn, óð gaf Hœnir“ („Atem/Seele gab Odin, Seele/Sinne gab Hönir“). Dass Oðin oð gab musste der Dichter nicht sonderlich betonen, war der Begriff doch ein selbstverständlicher Bestandteil des Gottesnamens, so ließ er ihn zusätzlich auch önd, den Lebensodem, schenken.
Ist durch die ersten drei Runenbuchstaben der Titel des gesamten Symbolzeichensystems zu erfahren, kennen wir damit auch den Namen des Runenlogos. Verstand der Runenerfinder sein Werk als eine Nachschöpfung des gleichen Anspruches wie es das griechische Alphabet für das gnostische Denken besaß, dann konnte für ihn der Oding, das Seelengottkind, nicht allein als Logos seiner 24-stabigen runischen Geisteswelt gelten, sondern er war ihm gleichzeitig als Logos Gesamtseele und Gesamterlöser einer germano-keltischen Menschheit. Er beschrieb diesen Logos als Ring der Zeit, als Jahreskreis, als Ophis, Ouroboros, der weder einen Anfang noch ein Ende hat, denn was aus Geburt kommt, geht zurück in den Tod; nur für die Zeit ist jeder Endpunkt gleichzeitig der Moment einer Neugeburt. Das weltliche Buchstabengebilde, das Lehr- und Zaubersystem der ritzbaren Runen, wäre aus diesem Betrachtungswinkel als ein materialisiertes weltliches Kind des Logos (Od-Wodan) zu verstehen, als dessen göttliche Inkarnation, als dessen Gesandter, Verkünder, alsein Avatara (nach ind. Sprachgebrauch: „der Herabsteigende“, skrt. ava „hinab", tri „hinübergehen"). Er ist ins Irdische getreten wie ein Helgi, wie ein Heiland, Mittler zwischen Gott und Mensch, zwischen Weltseele und Einzelseele; er könnte uns zum Selbst erlösen, lösen von den Banden der Knechtschaft eines wachsenden Selbstverlustes durch den uns bindenden Fremdgeist. Sollte er denn erlösen? Es war zweifellos die Grundlage der germ. Wodanreligion, aus ihr schöpften unsere Vorfahren die Kraft zum generationenlangen Kampf gegen das völkerverzehrende Rom. Somit hat das Od-Kind, der Geist-Sohn, seinen Anteil daran, dass wir noch sind.
4.4 - Linkskreisender ODING-Ring
Der Altphilologe Professor Dr. Jürgen Blänsdorf entschlüsselte die 30 beim Fund des Tempels für Isis und Magna Mater (in ehemaliger Lotharstraße) entdeckten "Fluchtäfelchen" aus dem 2. Jh. Sie geben Einblick in den privaten Kult der Menschen, die Hilfe in Not suchten bei Magna Mater, der "Großen Mutter". Angerufen wurde neben Magna Mater auch gleich auf vier Täfelchen Attis, ein Nebengott, der von einem der Bittsteller indes mit Göttervater Jupiter gleich gesetzt wurde. Um den Göttern eine Nachricht zukommen zu lassen, habe es genügt, "den Namen aufzuschreiben und zu versenken". Besonders wirkungsvoll seien die "Fluchtäfelchen" gewesen, wenn sich auf ihnen eine "verkehrte Welt" gezeigt habe, erkannte Blänsdorf, denn genau das war für ihn der Schlüssel zur Entzifferung: "Buchstaben und Schrift sind auf einigen linksläufig angelegt."
Linksläufigkeit
Über diese hinreichende Erklärung hinaus, ließen sich andere und gewichtigere Argumente für die Schaffung eines linksläufigen Geheimzeichensystems anfügen: Der ja als Gott der Runen bezeichnete Wodan (Wodin / Odin) höchstselbst dürfte im naturmythologisch-theologischen Sinne nur als „linksläufiges“ Wesen dargestellt werden. Er verkörpert - ähnlich wie der altägyptische Osiris - die Nachtsonne und den Unterweltsweg, den das Gestirn scheinbar zurücklegt, beginnend mit seinem abendlichen Eintauchen in westliche Totenländer bis zum Wiedererwachen und Emporsteigen am östlichen Horizont. Insofern steht Wodin für das nächtige, das geheime, das gebärende, das „linke“ Prinzip der „Schwarzen Sonne“. Freilich könnte es, so gesehen, keine richtige oder falsche, wohl aber eine vorrangige und eine nachgeordnete Manier der Runenlesung gegeben haben. Da nach altem keltisch-germanischem Denken die Nacht dem Tage vorausgeht (Tacitus, Germ. 11), wäre in linksläufiger die erste, also bedeutungsvollere Lesweise zu vermuten und in Konsequenz die wahrhaft esoterische - hingegen in rechtsläufig-exoterischer, das für den Schreibgebrauch nutzbare profane Informationsmittel. So könnte die Logik der Runenmeister/-innen gelautet haben. Wenn sich aber wirklich in einer sakralen Schriftsymbolik das große Schauspiel am Himmel hätte spiegeln sollen, wäre zu bedenken, dass dieses Geschehen in einer doppelten Gestirnsbewegung verläuft. Da ist einmal die jedem Beobachter der nördlichen Halbkugel offenbare Bewegung aller Gestirne von links nach rechts, vom Aufgangspunkt im Osten zum Untergangspunkt im Westen. Das geheime Geschehen, welches nur kundigen Beobachtern erkennbar wird, ist die Wanderung von Sonne, Mond und Planeten durch den Tierkreis von rechts nach links, von West nach Ost.
Lange nach meiner anfänglichen Beschäftigung mit dem Thema erfuhr ich, dass die Linksläufigkeit von Schriftsystemen ein allgemeines Merkmal ihres hohen Alters ist und somit auch unserer Runen sein könnte. Sämtliche frühen Schriftformen wurden zuerst einmal von rechts nach links geschrieben und gelesen. Unter dem Eindruck dieser Nachricht erhebt sich die Frage, ob die Antike ein linksläufiges System nicht überhaupt als das Rechte und allein Richtige hätte ansehen wollen? In der Sinnbildlichkeit der Sprache, nicht nur der deutschen, ist das rechts Befindliche das Gerechte. Das belegen solche Ausdrücke wie „das Recht“, „rechtfertigen“, „ins rechte Licht setzen“, „Rechtschreibung“. Der rechten Seite wird in der Regel ein vorgeordneter, wertvollerer Sinn zugesprochen, im Gegensatz zur minder geachteten linken Seite, die in solchen Redewendungen wie „linkisches Benehmen“, „links liegen lassen“ und „mit dem linken Fuße aufgestanden sein“, „die linke Seite“ (z.B. bei Geweben) mit abfälliger Wertbetonung auftritt. Nach Plutarch schreibt Platon die rechte Seite den Göttern zu, die linke den Dämonen. Zur antiken Rechts-Links-Symbolik unterrichtet uns der Baseler Gelehrte J.J. Bachofen: Das menschliche Händepaar erschien den Alten als „dievollkommene Darstellung der ganzen Naturkraft in ihrer doppelten Potenzierung [...] In der Linken sitzt der Zauber, in der Rechten die Macht ihn zu lösen.“(J.J. Bachofen, Gräbersymbolik, Basel. 1859/1925, S. 179)Die Schriftzeichen galten zu ihrem Beginn als heilige Zeichen, den Menschen von einem Gott geschenkt, daher waren sie anfangs allein für göttliche Offenbarungen zu verwenden. Als Gottesgabe kann aber - nach folgerichtigem Denkgesetz - ein solches Zeichensystem nicht anders als rechts beginnen, um nach links hin dem Nachgeordneten und Empfangenden zu verlaufen. Die linke Seite verkörperte nach alter Lehre der Gnostiker nicht nur das Zweitrangige, das Weibliche, sondern mithin auch den Abstieg ins Irdische, Stoffliche. (Hans Leisegang, Die Gnosis, 1955, S. 174f, 317, 320)Das Seelische manifestiert sich in der rechten, das Materielle in der linken Seite. Wenn dem so ist, gibt es zur Linksläufigkeit der Runenorganisation keine Alternative, dann müssen sie von rechts, vom göttlich Geistigen ausgehend, nach links hin, dem weltlich Menschlichen verlaufen. Genau so muss der Runenschöpfer gedacht haben, er stellte auf die rechte Seite den Begriff „Od“ (od), für das Geistige und Göttliche und ließ die Reihe links enden mit der F-Rune (f), dem Sinnzeichen für „Vieh“, der Metapher für materiellen Besitz und Geld.
Griechische Texte wurden ca. bis 500 Jh. v.0 linksläufig geschrieben oder hin- und hergehend (griech. bustrophedon „furchenwendend“). Bei unserem heutigen rechtsläufigen Schreiben bestimmt die Federspitze gewissermaßen den Gegenwartspunkt, Alles links davon ist Vergangenheit, rechts davon liegt das unbeschriebene Blatt - die Zukunft. Der Mensch weist, wenn er deuten will, von sich - dem Punkt - weg nach rechts, und nicht über seinen eigenen Körper hinweg nach links. Das linksläufige ODINGweist damit auch zurück zum Ursprung! Wenn der abendländische Mensch vor seinem Altar stand, hatte er den Aufgangspunkt der Sonne im Osten zur Rechten, er schaute zur Himmelshöhe nach Norden, dann ist rechts die gute Aufgangsseite und der Westen zur Linken die Sonnenuntergangsrichtung, die Todesseite. Es ist kein Zufall, dass Ausdrücke „das Rechte“, „gerecht“, „rechtfertigen“, „ins rechte Lichte setzen“, „Rechtschreibung“, so heißen wie sie heißen, weil der rechten Seite ein positiverer wertvoller Sinn zugesprochen wird im Gegensatz zu der minder wertvollen Seite, die in solchen Redewendungen wie „linkisches Benehmen“, „linke Masche“, „links liegen lassen“, „mit dem linken Fuß aufstehen“, die „linke Seite“ bei Textilstoffen, mit negativer Wertbetonung auftritt. Eine von links nach rechts verlaufende Schrift muss aber schon deshalb als „die rechte“ gelten, weil sie der guten Seite den Vortritt lässt und die linke nachordnet; sie beginnt mit rechts!
In linksläufiger Zirkulation bewegen sich aber auch scheinbar die beiden großen Jahresgestirne Sonne und Mond durch den Fixsternhimmel. Einem konsequenten Kosmos- oder Kalenderzeichensystem müsste, der kosmischen Regel zufolge, ebensolche Eigentümlichkeit innewohnen. Das Linke galt dem alten Verständnis entsprechend als das Dunklere, Nächtige viel Geheimere als das Rechte, Offene, Tagsonnenhafte. Die Linksläufigkeit der Bewegung bedeutet in der Psychologie soviel als eine Bewegung des Unbewussten, ins tiefste menschlich-weltliche Wesen hinein. Es handelt sich beim Runen-ODINGalso im tiefsten Verständnis um kein apollinisch-baldurisches, sondern vielmehr um ein dionysisch-wodinisches Mysterium.
In der alten kelt.-germ. Volksreligion spielten Sexualität und Fruchtbarkeit als lebengebende und -erhaltende Kräfte eine zentrale Rolle. Unfruchtbarkeit als Bruch des ewigen Kreislaufes von „Geburt-Tod-Wiedergeburt“, war neben der Vorstellung, nicht im Kampf zu fallen, und so auch nicht an der Seite der göttlichen Ahnen einen ehrenvollen Platz einnehmen zu dürfen, die einzige Angst. Der gesamte ODING-Ring mit seinen 24 Wegmarken des Auf- und des Niederganges ist eine Kundgebung des Kreislaufgedankens.
Ogimoswird als kahlköpfiger Alter dargestellt. Der Römer Lucan schildert ein großes Frescogemälde: Es zeigte Ogimos, wie er viele Menschen, an ihren Ohren gefesselt, hinter sich herzieht. Die Fesseln sind dünn und bestehen aus Gold und Bernstein. Diese Menschen folgen ihm mit strahlend-freudigem Gesichtsausdruck, er wendet sich ihnen lächelnd zu. Die Ketten hält der Gott nicht etwa in der Hand, sondern sie sind an seiner Zungenspitze befestigt, ein anschauliches Bild dafür, wie das Volk durch die Zunge, die Worte seines obersten Herrschers, gefesselt und entzückt ist und ihm freudig folgt.
Liksläufiges oding weist zu uns selbst zurück, typisch gnostisch.
Der Neuplatonismus im griechischen Bereich wurde das Sammelbecken des Widerstands gegen das Christentum.
Initiation: Einweihung in Geheimnisse oder Riten.
AUM oder Om Die Ursilbe. Die Laute A und U verschmelzen sehr oft zu dem Laut O. Gesungen klingt die Silbe stets AUM. Die ganze Silbe bedeutet den vierten Zustand, den sogenannten Turiya-Zustand, das ist ein Zustand der Vollwachheit, welcher Wachen und Träumen und Schlafen durchdringt, zu dem sich unser Wachen bloss wie ein Traum verhält. „Die Silbe Om ist das 'grosse Wort', der Ursprung der Veden, von der Natur Gottes, aller Welten Heim." (Krsna-Caitanya im Caitanya-caritamrta) Die Silbe 'Om' wird von Caitanya-Bhaktas auch der Same des Namens Krsna genannt. Der Name selbst wird mit dem vollerblühten Baume verglichen. Om repräsentiert auch das unpersönliche Brahman, das von den Brahmavadis (oder Mayavadis) als das höchste Ziel betrachtet wird.
OTAR = Hören (griech. otarion); „otarion" ist das „Ohr". Doch bereits auf dieser einfach nachzuprüfenden Ebene gibt es relativ grobe Fehldeutungen: „oratio" bedeutet "Reden, Sprechen, Gebet";
4.5 - Runenarkanum
Bliðguð urait runa - bliðguð urait runa - „Blithguth schrieb die Runen“, steht auf dem Holzstäbchen aus Grab 168 von Neudingen. Und in die Spange von Freilaubersheim, aus 6.Jh., wurde eingetieft: Boso wraet runa ðk Daðena golida - boso wraet runa ðk daxena golida - „Boso schrieb Runen, dich Dathena erfreute“. Das sind Zeugnisse für den Runenbegriff im dt. Fundgut. Der Name einer Zauberpflanze, Alraune, ahd. alruna, mhd. alrune („Allgeheimnis“), erhielt sich durchgehend bis heute. Rune heißt nichts anderes als „Geheimnis“ (nhd. raunen „geheimnisvolles Flüstern“; irisch ruin „Geheimzeichen“; finnisch runo „Kultlied“). Wie es der Name unmissverständlich zum Ausdruck bringt, handelt es sich bei den Runen um das germanisch-keltische Arkanum schlechthin, um das Geheimnis der Geheimnisse. So wie die Runen in ihrer Gesamtheit dem mystisch-mythischen kosmischen Gottesleib entsprechen, so galt jegliche Arbeit mit diesen bezaubernden Lautsymbolen als geheimnisumwittertes religiöses Werk. Mit Recht schreibt Hermann Güntert: „Denn es ist eine echt nordisch empfundene Vorstellung, daß Runenweisheit und Skaldenschaft etwas Mystisches und Geheimnisvolles sind und daß diese Weisheit in Runen verborgen werden müsse, verborgen vor der unheiligen Menge: fela i rúnom - 'in Runen verbergen, verhüllen' wird geradezu als das Wesen dieser heidnischen Weisheit gepriesen.“ (Hermann Güntert, Von der Sprache der Götter und Geister, 1921, 155)So erscheint die Unklarheit und Mehrdeutigkeit vieler Runeninschriften ein bewusst gewähltes ureigentümliches Stilmittel gewesen zu sein, das entweder dem Uneingeweihten den sicheren Zugriff verwehren sollte, oder aus grundsätzlichen Überlegungen hinsichtlich der göttlich-weltlichen Vielschichtigkeit jede profane Eindeutigkeit zu vermeiden trachtete. Auch für die keltischen Druiden schien es nichts Schlimmeres zu geben als feststehende Definitionen, wie Diodoros von Sizilien berichtet: „Wenn man sich mit ihnen unterhält, reden sie wenig; sie sprechen in Rätseln und zeigen in ihrer Ausdrucksweise eine Vorliebe dafür, das meiste erraten zu lassen.“
Das Schreiben mit Runen war eine Art Gottesdienst, ein sakraler Akt, galten doch Sprache und Schrift - von der Gottheit ihren Lieblingen, den Schriftkundigen, den Goden (Priestern) geschenkt - als hohes, hehres Vermächtnis. Felix Dahn faßte es in seinem sprachlich wie inhaltlich so wertvollen Buche „Odhins Trost“ in kleidsame Worte: „Was da gewonnen an Wissen und Wahrheit / Der mühseligen Menschen grübelnder Geist -: / Alles hat Odhin uns offenbart! / Er hat das hohe, das heil‘ge Geheimnis geritzter Runen / Seine Lieblinge lösen gelehrt!“ Wer die Verborgenheiten der göttlichen Schrift verstand, war der Gottheit zunächst. Ja, alles Heilige ist schließlich geheim, also dem profanen Publikum unverständlich, fern und verschlossen. Die ariogermanischen Inder verstanden das nicht anders: „... denn die Götter lieben offenbar das Geheime“, „die Götter sind nämlich Liebhaber von Geheimnissen.“ (Aitareya-Up. 14 u. Aitareya-Brahmana III, 33). An anderer Stelle der heiligen Schriften (Rigveda X, 53, 11) wird der Begriff der mythischen Worte erläutert. Die sakrale Rede liebt die Paradoxa, das scheinbar Widersinnige, als Verschlüsselung, sie stellt die Dinge auf den Kopf - denn je mystischer, desto lieber ist es den Göttern: „Die Götter lieben das Unverständliche, sie hassen das Verständliche.“ (Brihadaranyaka-Up. IV, 2, 2). Ähnliches schrieb der röm. Dichter Ovid (43 v.0-18 n.0) in „Heroides“ XX: „Die Natur liebt es, sich zu verbergen, und das Geheimnisvolle am Wesen der Götter verträgt es nicht, mit nackten Worten vor unreine Ohren geworfen zu werden. Dabei vermag die verborgene Natur der Schriftzeichen zu nützen, auch wenn sie nicht gekannt wird. Sie fördern nicht nur die Seelen, nein auch die Leiber und bringt Göttererscheinungen zuwege. Dasselbe geschieht, glaube ich, auch oft durch die Mythen, wenn durch sie das Göttliche in die Herzen der Vielen, die es nicht in seiner Reinheit vernehmen können, durch Mythensinnbilder eingegossen wird.“
Der Forscher, welcher sich die Verständlichmachung eines antiken bzw. runischen Schriftzuges als Ziel gesetzt hat, muss sich demnach darauf einstellen, dass er zuerst eine Art Verständnisbarriere zu überwinden hat. Sein Streben wird darauf gerichtet sein, den Schlüssel ausfindig zu machen, mit dessen Hilfe er das Rätselschloss aufschließen könnte. So finden sich zuweilen - in Gestalt eines Symbolismus, der sich nur dem Kenner offenbart - hinter scheinbar schlichten Wörtern und Sätzen feinstempfundene Gedanken, Informationen und Gebete verborgen. Dass sich solcherart vedistische Geheimnisliebhaberei - ein Charakteristikum, welches auch dem griechischen Schriftdenken zugrunde liegt - ebenfalls in den germ. Runeninschriften wiederfindet, konnte Heinz Klingenberg nachweisen. (Heinz Klingenberg, Runenschrift - Schriftdenken, Runeninschriften, 1973). Um wieviel mehr muss diese Regel für das Strukturprinzip, also die Gestaltungsidee des 24er Runensystems selbst, gelten! Einer der besten Kenner der alten Alphabetmystik gab zur Verfahrenstechnik einige konkrete Hinweise: „Wollte man nun den Zauber verstärken, so lag es nahe, mit den geschriebenen Buchstaben irgendwelche Operationen anzustellen. Man kehrt etwa die Buchstaben um, um damit die Umkehr der Dämonen oder des zu bannenden Dinges zu bewirken, oder man schreibt statt von links nach rechts in umgekehrter Richtung." (Franz Dornseiff, Das Alphabet in Mystik und Magie, 1925, 56) Dass jedoch die Linksläufigkeit der Runenorganisation sicherlich nicht allein aus Gründen der Dämonenabwehr sowie der Arkandisziplin, also Täuschung Uneingeweihter, vorgenommen wurde, sondern höchstwahrscheinlich aufgrund des kosmischen Anschauungsunterrichtes, den der Mensch in nördlichen Breiten erfährt, wurde dargestellt.
f u th a r k g w h n i j j p z/R s t b e m l (i)ng d o
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