Copyright Ⓒ Gerhard Hess - April 2021
Die Agistersteine bzw. Externsteine aus der Vogelperspektive. Sie liegen auf dem 51,52° nördlichen Breitengrad. Der Fokus konzentriert sich auf den Felsengrabblock. Ein Blick dessen der in seinem Arkosolgrab liegt geht auf NNO bzw. das Azimut 40°/45° N, was etwa dem höchsten Sonnenaufgangspunkt entspricht und eine wichtige, uralte heidnische Visierlinie war, aber niemals eine christliche/klerikale. - 2. Bild = mein Besuch u. Messung vom 02.09.2021
Der Externsteinstreit der Diskutanten: Teudt, Fuchs und Focke
Dass die Agister-Externsteine schon in vorchristlicher Zeit aufgesucht und bearbeitet wurden, akzeptiert mittlerweile auch die Schulwissenschaft. Schon der hervorragende deutsche Wissenschaftler Prof. Dr. Wolfhard Schlosser, der Physik, Mathematik, Astronomie und Geophysik studierte, an der Ruhr-Universität Bochum ab 1969 bis 2005 beschäftigt und als Astrologe an der wissenschaftlichen Untersuchungen der „Himmelsscheibe von Nebra“ beteiligt war, erkannte den vorchristlichen Charakter der Agister-Externsteinanlage. Auch Dr. Burkard Steinrücken von der westfälischen Volkssternwarte und Planetarium Recklinghausen, schreibt https://sternwarte-recklinghausen.de/astronomie/astronomie-im-alten-europa/#14: „Das Sazellum, die obere Kapelle im höchsten Turmfelsen, liegt heute frei. Einst war sie ein dunkler Raum, in den nur durch das Rundloch an der Nordostseite Licht einfiel. Das Rundloch des Sazellums deutet in die Richtung des Sonnenaufgangs am Tag der Sommersonnenwende. Genaue Untersuchungen zeigen, dass die Lochwandung konisch gearbeitet ist und ein Kegelstumpf eingepasst werden kann, dessen Mittelachse unter einem Winkel von ca. 3° gegen den Himmel ragt. Die Mittelachse des konischen Loches zeigt auf einen Ort am Himmel, den der Mond auf seiner nördlichsten Bahn erreicht, die er nur alle 18 bis 19 Jahre für einige Male durchläuft. Die Sonne kann diesen Himmelsort nie erreichen. Er bleibt dem Mond vorbehalten.“ Daraus ergibt sich die Feststellung, dass der Agisterstein eine vorchristliche Sternwarte gewesen sein muss. Kein offizieller Kirchenchrist hat sich im Mittelalter mit derlei Mondbeobachtungen beschäftigt. Natürlich konnte aus dem Sazellumloch zur Sommersonnenwende auch der Sonnenaufgang beobachtet werden, nur etwas weniger mathematisch exakt wie der von Burkhard Steinrücken beschriebene Mondgang.
Um die Bedeutung des Agistersteins/Externsteins wurde in den 30er Jahren des 20. Jhs. ein Weltanschauungskampf geführt, der sich unter anderen Objekten auch dieser Steine annahm, wobei es bei dem Gezerre nur vordergründig scheinbar um die Sache ging, im Kern ging es beiden Seiten um ideologische Rechthaberei. Auf der einen Seite stand der evangelisch-deutschnationale Theologe Wilhelm Teudt (1860-1942), auf der Gegenseite stand der katholische Theologe Alois Fuchs (1877-1971), jeweils mit ihren Anhängern. Teudts Hauptinteresse beschrieb dieser schon in seinem Buch „Germanische Heiligtümer“ (1929), in dem er die Externsteine als eine germanische Kultstätte bzw. eine „Sonnenwarte“ definierte. Der engagierte Kirchenchrist Alois Fuchs bezog mit seinem Buch „Im Streit um die Externsteine - Ihre Bedeutung als christliche Kultstätte“ (1934) die Gegenposition. Ihm zur Seite stellte sich der neutal gebende Friedrich Focke (1890-1970) mit seinem Buch „Beiträge zur Geschichte der Externsteine“ (1943), worin er auf S. 42 argumentiert: „Unterhalb des Felsens am weitestens rechts liegt jener fast würfelförmig zurechtgehauene Felsblock, in dessen Nordwestseite die bekannte Grabnische eingearbeitet ist. Um ihn freizulegen, ist von dem umgebenden Gestein offenbar nicht wenig weggeschlagen, wohl auch deshalb, weil man Platz für gottesdienstliche Veranstaltungen schaffen wollte. Deutlich ist das besonders an der dem Block zugewandten Nordostseite des großen Nachbarfelsen, wo erhebliche Absprengungen stattgefunden zu haben scheinen, um eine Gemeinde von Andächtigen oder Zuschauer unterbringen zu können. Dazu stimmt, daß an der Rückseite des Grabfelsens zwei kleine Treppen übereck zu einem ebenen Standplatz auf der sonst nach vorn abfallenden Felsoberfläche führen. Eine Einzelperson konnte sich von dort gut sichtbar an die unten Versammelten wenden. Daß diese Anlage das Heilige Grab und nie etwas anderes hat darstellen sollen, halte auch ich für sicher. Sie bildet mit dem Kreuzabnahmebild und den beiden Kapellen einen dramatischen Sinnzusammenhang, dem der Gedanke einer Nachbildung der Grabesheiligtümer in Jerusalem zugrunde gelegen hat. Diese zuletzt von A. Fuchs eingehend begründete Deutung der Externsteinanlage ist in ihrem Kernbestand als gesichert zu betrachten.“ Mit dieser fantastischen Aussage ist die irrtumsbeladene vorgefasste Kirchenmeinung in Gänze umschrieben. Sie konnte nur deshalb im Brustton der fundiert scheinenden Überzeugung artikuliert werden, weil das Wesentliche der Anlage gar nicht in Augenschein genommen worden ist. Noch Klemens Honselmann salbaderte mit verklärtem Blick auf den Hochgelobten in „Westfälische Zeitschrift“, 100, 1950, S. 461ff, „Alois Fuchs 1877-1971“: „Im Streit um die Externsteine“ (1934) legte er gegenüber der phantastischen Inanspruchnahme des Naturdenkmals und der darin geschaffenen Räume als Stätte germanischen Götterkultus deren Bedeutung als christliche Kultstätte dar“. Dass der von diesen Übergläubigen herbeigedachte jüdische Reformer Jesus in seinem „Externsteingrab“ nach Nordnordosten geschaut hätte, was nie und nimmer eine christlich gewürdigte Himmelsrichtung war, und nicht nach seiner geliebten Wirkstätte Jerusalem, ist den Rabulisten völlig entgangen ! In einer modernen tendenziösen Enzyklopädie liest man: „Der willkürlichen Interpretation germanischer oder angeblich germanischer Überlieferung trat Focke in seinen wissenschaftlichen Arbeiten entschieden entgegen.“ Die Lobhudelei ist unangebracht, denn Fuchs und Focke machten gegenüber den ihnen nicht ins Konzept passenden Fakten fest die Augen zu. Fuchs’ eigentlicher Arbeits- und Forschungsschwerpunkt lag im Bereich der Architektur- und Kunstgeschichte. Er hätte wissen müssen, dass ein Bauauftrag der mittelalterlichen Reichskirche, zur Errichtung einer Pilgerstätte in Gestalt des „Heiligen Grabes“ am Externstein, mit Sorgfalt ausgerichtet worden wäre. Schon zur karolingischen Zeit war die Architektur absolut in der Lage, einen sauberen Zirkelschlag vorzunehmen und mithin einen symmetrischen Rundbogen auszuschlagen, was die schier zahllosen Kirchen-Tympani unter Beweis stellen. Bereits der römische Architekt und Architekturtheoretiker Vitruv, aus des 1. Jh. v.0, schrieb von der „Mutter aller Künste“ und führte aus, die „Architectura“ beruhe im klassischen Verständnis auf den drei Prinzipien Festigkeit (Firmitas), Nützlichkeit (Utilitas) und Anmut (Venustas). Der Akosolbogen des Agistersteingrabes ist alles andere als anmutig-schön und korrekt. Nach links flacht der Halbbogen etwas ab, was den Eindruck einer archaischen Arbeit verstärkt. Die Bogenlinie ist nach Augenmaß und nicht nach exakten Anzeichnungen geschlagen worden. Ein „Heiliges Grab“ wäre seitens der finanzstarken Kirche jedenfalls einem Könner seines Fachs in Auftrag gegeben worden. Einen sauberen Rundbogen zu meißeln hat man ja bei der mittelalterlichen Abänderung der Sonnenfensternische im Turmzimmer des Felsens 2, dem so genannten „Sacellum“, sehr gut gekonnt; warum dann nicht ebenso am Sargfelsen, sollte der zeitgleich gedeutet werden ? Demnach sprechen Ausrichtung und Ausführung der Grabanlage für ihre uralte vorchristliche Errichtung, mit einer dementsprechenden kultischen Bedeutung.