Copyright Gerhard Hess 20. März 2021
 
 
Google-Weltkartenbild von Möthlow mit Himmelsscheibe - Die beiden Sonnenheiligtümer von Möthlow im Havelland, ca. 100 km westlich Berlins, waren möglicherweise die Urheimat der legendären Himmelsscheibe vom Mittelberg an der Unstrut. Die beiden gezeigten Kreise sind moderne landwirtschaftliche Anbauflächen. 
 
Woher die Himmelsscheibe stammt
 
Prolog: Zu einem bestimmten Winkelgrad zwischen den nördlichsten und südlichsten Sonnenpendel-Azimuten, gehört ein dazu passender Breitengrad. Gesucht wird der nächstliegende Breitengrad der mit dem Sonnenpendel-Winkelgrad der „Himmelsscheibe vom Mittelberg“ bei Wangen-Nebra übereinstimmt. 
 
Beim Frühlingsbeginn am 20. März 2021 ist wieder die Tag- und Nachtgleiche. Das heißt, es ist tagsüber genau so lange hell, wie nachts Dunkelheit herrscht. Und es bleibt in den Zeiten darüber hinaus mit jedem Tag ein bisschen länger hell. Die Sonnenaufgangs- und Untergangspunkte am Horizont wandern nach Norden hinauf. Dieser Prozess vollzieht sich bis zur Sommersonnenwende am 21. Juni. Danach geht es in umgekehrte Richtung und mit umgekehrter Auswirkung der Wintersonnenwende am 21. Dezember entgegen. Die tägliche Dunkelheit wird dann wieder länger. Die Strecken zwischen den Extrempunkten am Horizont werden als Pendelbögen der Sonne bezeichnet. Ihre Strecken schwanken je nach den geographischen Breitegraden der Erde. Durch den Fund der Himmelsscheibe vom Mittelberg bei Wangen-Nebra an der Unstrut wissen wir, dass das schon den Menschen Mitteleuropas vor etwa 4.000 Jahren bekannt war. Die Frage erhebt sich, wer wohl der mächtige Fürst der sog. „Aunjetitzer Kultur“ (2.300-1.550 v.0) im Herzen des prähistorischen Germaniens gewesen sein mag, der den Auftrag zur Schaffung der Himmelsscheibe erteilte ? Dazu kommen nur die „Herren vom Bornhöck“ in Betracht, so der Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt Prof. Harald Meller. Die Himmelsscheibe muss um 1.800/1.700 v.0 in Auftrag gegeben worden sein. Unweit von Halle entstand um 1.800 v.0 der „Bornhöck“ bei Dieskau (Saalekreis), das größte Hügelgrab Mitteleuropas, als Machtsymbol einer mächtigen Dynastie, die von hier aus eine weiträumige Herrschaft ausgeübt haben muss. Zwei Mächtige wurden darin begraben. „Der erste Fürst wurde vor etwa 3.800 Jahren, der zweite vor 3.750 Jahren bestattet“, stellte Meller fest. „Sie waren um ein Mehrfaches mächtiger als die Fürsten der Gräber in Leubingen (vor 3.942 Jahren) und Helmsdorfer (vor 3.829 Jahren)“, wo ebenfalls bronzezeitliche Grabhügel erkannt wurden. Offenbar ist alles Land vom Nordharz bis zur Goldenen Aue im Süden während seiner Zeit von den „Fürsten von Bornhöck“ kontrolliert worden. Auch zeigte es sich, dass der „Bornhöck“ nicht in mehreren Etappen erweitert worden ist, vielmehr von Anfang an als Riesenhügel und stolzes Symbol eines weitreichenden Herrschaftsanspruchs geplant war. Die 5,8 Meter mal 3,5 Meter große Grabkammer war mindestens 2,5 Meter hoch. Darauf lagen schwere Sandstein- und Porphyrblöcke. Rund 20.000 Tonnen aufgeschüttete Muttererde ergaben einen kegelförmigen Hügel von 65 Meter Durchmesser und 13 Meter Höhe. Die Spuren der Wagen, die beim Transport des Materials eingesetzt wurden, konnten über 35 Meter im Bereich des Hügels nachgewiesen werden. Leider haben nur wenige Grabbeilagen die Plünderungen über die Jahrhunderte hinweg überdauert. Die im Jahr 1874 sichergestellten 13 Goldgegenstände stammen aus dem Hügel. Die Funde gelangten in Museen von Berlin und Leipzig. Ein großer Teil ist verschollen, nachweislich sind fünf Stücke von einer sowjetischen „Trophäenkommissionen“ der Roten Armee um 1945 nach Moskau ins Puschkin-Museum entwendet.
 
Vom Mittelberg, dem Fundort der Himmelsscheibe, sind es nur ca. 20 km bis zum Ringheiligtum von Goseck, dessen Begriff sich aus einem Wort für „Gottesacker“ entwickelt haben dürfte. Etwa 100 km nördlich von Goseck liegt das Sonnenheiligtum von Pömmelte im Salzlandkreis. Und noch einmal ca. 100 km nordwestlich von Pömmelte liegt der Mühlenberg von Möthlow im Havelland, wo ebenso zwei Ringheiligtümer erkannt wurden. „Auf der plateauartigen Anhöhe des Mühlenberges, etwa 1 km südöstlich von Möthlow gelegen, befindet sich mit einem Kultplatz der Jungsteinzeit und der frühen Bronzezeit ein besonderer Fund“, so äußern sich die Autoren im Sachbuch „Das Havelland um Rathenow und Premnitz“ (2017). Es handelt sich um Spuren von zwei Kreisgrabenanlagen im Durchmesser von 7 bis 12 Meter. Es heißt dort, auf der gesamten Fundfläche hätten keine Nachweise für einen Bestattungsplatz festgestellt werden können, „daher sprechen Lage und Befunde für einen rein kultischen Zwecken vorbehaltenen Platz“. Der 1996 archäologisch nachgewiesene Kultplatz ist bedauerlicherweise durch einen Sandtagebau weitgehend zerstört. Vielleicht bot der Hügel gute Rundumsicht bzw. einen weiten Horizont. An seiner höchsten Stelle misst er 47 Meter. Die erste urkundliche Erwähnung vom kleinbäuerlichen Möthlow fällt erst auf das Jahr 1307. Es liegt etwa 100 km westlich von Berlin. Also haben bereits auch die neolithischen Havelländer die Sonnenaufgänge exakt beobachtet. Zudem wird die dortige Kultur mit einem Rinderkult in Verbindung gebracht, den auch die Leute vom Heiligtum Goseck geübt haben. Die spätneolithischen Havelländer sollen Rinder nicht nur geopfert, sondern teilweise sogar bestattet haben. Über die tiefere Bedeutung der Ringheiligtümer schreibt Ina Wunn aus Remscheid: „Ein weiterer Schwerpunkt neolithischer Religion war die Verehrung der Ahnen, mythischer oder tatsächlicher Vorfahren. Ein Teil der im frühen Neolithikum weit verbreiteten Figurinen muss als Ahnenfiguren angesprochen werden. Auch die Rondelle und Megalithgräber des mittel- und westeuropäischen Neolithikums dienten dem Ahnenkult. Dementsprechend waren Totenbrauchtum und Bestattungssitten von überragender Bedeutung“ („Götter, Mütter, Ahnenkult Neolithische Religionen in Anatolien, Griechenland und Deutschland“, 1999).
 
Seitdem der Archäologe Harald Meller, der Direktor des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle an der Saale, die Himmelsscheibe im Jahr 2002 aus dem Händen von Unbefugten gerettet hat, hat sich das Deutungswissen um diesen Jahrtausendfund unablässig erweitert. Etliche Experten haben daran mitgearbeitet. Über den Sinn der beiden einstmals noch komplett vorhandenen beiden goldenen Randleistenbögen der Himmelsscheibe ist sich die Wissenschaft einig: „Die beiden oberen Endpunkte der Bögen markieren die Sonnenauf- und -untergänge zur Sommersonnenwende, die beiden unteren jene zur Wintersonnenwende. Man konnte folglich den 21. Juni und den 21. Dezember auf der Scheibe ablesen. Wie die darüber forschenden Wissenschaftler erkannten, geht aus der Bebilderung der Himmelsscheibe hervor, dass sie eine Schaltregel für das Lunisolarjahr beinhaltet. Auf diese Art der germanischen Jahresorganisation ging ich breits elf Jahre vor der wissenschaftlichen Wahrnehmung der sog. „Himmelsscheibe von Nebra“ in meinen Schriften zur Runenentschlüsselung im Jahre 1981 ein und dann in meinem diesbezüglichen Buch „ODING-Wizzod“, (1993). Ich wurde damals wegen meiner Prognosen heftig angegriffen, erst der Himmelsscheibenfund vom Jahr 2002 hat meine Theorie bestätigt. Das Problem aller Kalenderstrategen ist die 11-tägige Differenz zwischen Sonnenjahr von 365 Tagen und Mondjahr von 354 Tagen. Um die beiden geglaubten und effektiv sichtbaren Gestirnskreisläufe in Einklang zu bringen, müssen Monate zugeschaltet werden. Der Sichelmond auf der Scheibe zeigt ein Alter von ca. 5 Tagen nach Neumond auf. Steht eine so starke Mondsichel bei den Plejaden, ist das das Anzeichen, dass ein Schalten wieder nötig wird. Demgemäß lautet auch der erhalten gebliebene Keilschrifttext einer babylonischen Regel aus dem 7./6. Jh. v.0, nämlich dass man einen Schaltmonat einfügen muss, wenn im Frühlingsmond kein Neulicht, sondern eine ein par Tage alte Mondsichel neben dem Siebengestirn (Plejaden) erscheint. Ein weiteres Signal für die Einschiebung des Schaltmonats ist der Hinweis, dass 32 Tage vergehen müssen, seit dem Neulicht des Monats vor dem Frühlingsmonat, bis der Mond bei den Plejaden steht. Darin sieht man die Begündung, warum genau 32 Goldpunkte/Sterne auf der Scheibe zu finden sind. Hören wir dazu die Fachwissenschafter Harald Meller und Wolfhard Schlosser selbst: „Dank der astronomischen Untersuchungen Wolfhard Schlossers verfügen wir bezüglich der dargestellten Himmelsphänomene über eine einfache und plausible Arbeitshypothese. [...] Sichelmond und Vollmond mit Plejaden stehen jeweils für zwei Daten der Plejadensichtbarkeit am westlichen Himmel, den 10. März und den 17. Oktober.“ (Meller, in: „Der geschmiedete Himmel. Die weite Welt im Herzen Europas vor 3600 Jahren“, 2004, S. 27) „Innerhalb von nur zwei bis drei Tagen wurden die Plejaden in der Dämmerungshelligkeit unsichtbar. Diese Situation trat - nach heutigem Kalender - um den 10. März und 17. Oktober ein. Besagte Termine zeigen den Beginn und das Ende des bäuerlichen Jahres an. Es steht außer Zweifel, dass für den bronzezeitlichen Bauern und seine geistigen Führer diese Eckdaten von besonderer Bedeutung waren, da ihr Leben vom Gedeihen der Pflanzen und Tiere abhing. Weiterhin ist der März-Termin dadurch gekennzeichnet, daß der junge Mond - wenngleich nicht in jedem Jahr - in Plejadennähe am westlichen Abendhimmel sichtbar werden kann. Entsprechend wird der Oktobertermin durch einen (ungefähren) Vollmond bei den Plejaden definiert. So fügen sich auch die beiden Großobjekte der Himmelsscheibe zwanglos in die hier vorgestellte Arbeitshypothese ein.“ (Schlosser, ebenda, S. 46f.)
 
„Mit etwa 82° entsprechen die Winkel der Goldbögen denen des Horizontdurchlaufs der Sonne in den Breitengraden Mitteldeutschlands“, erklären die Himmelsscheiben-Fachleute. Genauer genommen sind es aber laut Angaben in diversen Publikationen: 82,5°, 82,7°, 82-83° oder sogar 84°. Der Winkel von ca. 82° bezöge sich auf die Zeit der Himmelsscheibe, inzwischen sei er etwas kleiner und läge bei Nebra auf 79°. Diese Abweichungen werden verursacht durch die leichten Differenzen bei der Wahl des Kreuzmittelpunktes, wegen dem Fehlen der linken Randleiste und der Überlegung, ob man den Mittelpunkt knapp innerhalb des Vollmondes wählen sollte oder exakt auf dessen Rand. Die wissenschaftliche Frage ist, ob die Daten der Himmelsscheibe sich auf den Fundort des Mittelberges beziehen, oder ob sie für eine andere Örtlichkeit hergestellt worden sein könnte ? Wie die Ausgrabungen ergeben haben, befand sich auf dem Mittelberg ein flacher Ringwall von etwa 160 m Durchmesser und auch zwei gerade Wall-Graben-Bauten grenzten den heiligen Bezirk ein. Harald Meller gab bekannt: „Alles deutet darauf hin, dass die Himmelsscheibe und die übrigen Gegenstände aus dem Hort in Mitteleuropa hergestellt worden sind.“ Das Kupfer für die Bronze stammt aus dem Ostalpenraum, Zinn und Gold aus Cornwall in England. Wie schon gesagt, schwanken die Strecken der Pendelbögen der Sonne je nach der geografischen Breite. Je weiter nördlich, umso größer die Bögen. Die Wissenschaft geht, bezüglich Entstehung und Nutzung der Himmelsscheibe, von einem Bereich zwischen dem 51. und 52. Breitengrad aus. Auf dem 51. Breitengrad liegen Stonehenge, Agister-Externstein, Mittelberg-Wangen/Nebra, Heiligtum Goseck und Heiligtum Pömmelte. Der Abstand zwischen zwei Breitengraden beträgt konstant 111 Kilometer. Der Mittelberg liegt auf 51,17° nördlicher Breite, das Ringheiligtum Goseck liegt auf 51,12°, der Bornhöck-Standort liegt auf 51,24°, die Kreisgrabenanlage Schalkenburg bei Quenstedt/Südharz liegt auf Breitengrad 51,41°, ebenso wie das Heiligtum von Pömmelte, der Dom zu Magdeburg liegt bei 52,1°. Etwa bei 52,3 Grad nördlicher Breite beginnt in der Stadt Brandenburg das Havelland. Die Ringheiligtümer von Möthlow im Havelland liegen auf 52,36°. Als idealen Standort der Himmelsscheibe fand in den Jahren 2004/5 der Forscher Harald Gränzer aus Berlin: 52,3°; nachzulesen auf: http://www.analogika.info/nebra/. Ein halbes Grad mehr oder weniger bei Winkelmessungen auf der Scheibe kann bereits zu sehr abweichenden Annahmen der möglichen Produktionsstätte führen. Nach einer Reihe von Erwägungen kommt Harald Gränzer in o.a. Publikation zu dem Schluss: „Diese Werte stimmen - nach den Tabellen von Burkhard Steinrücken (BST) mit den Aufgangspositionen der Sonnenmitte überein, und zwar für die fragliche Zeit vor 3.600 Jahren für einen Ort ca. 52,3 Grad nördlicher Breite. Das wäre - wenn man es so genau nimmt - ein ganzes Grad (entsprechend 111 km) nördlicher als der Fundort der Scheibe, z.B. etwas nördlich von Magdeburg. Doch eine solch genaue Ortsangabe ist hier zunächst nicht gerechtfertigt. Die jeweils beobachtbaren Winkel zwischen den Sonnenwenden sind nämlich sehr stark von weiteren unbestimmten Größen abhängig. Liegt etwa - ganz banal - in Blickrichtung des Sonnenaufgangs ein Berg, so findet der beobachtbare Aufgang natürlich später statt, und entsprechend früher, wenn man selbst auf einem Berg steht. Daher lässt sich zunächst glaubhaft nur die allgemeine Aussage vertreten, daß es sich bei den äußeren Bögen mit großer Wahrscheinlichkeit um die Horizontbögen handelt, deren Begrenzungen die Sonnenwenden ungefähr in der Gegend des Fundorts wiedergeben.“ Da es sich bei der Region um Möthlow um Flachland handelt, besteht die von H. Gänzer erwähnte Gefahr nicht !
 
Wegen der im Havelländischen vorherrschenden jungbronzezeitlichen Keramik lassen sich die dortigen Kreisgrabenbezirke in zeitliche Daten einordnen. Laut Angaben zur Epoche auf www.praehistorische-archäologie.de steht der Abschnitt von 2.200 bis 1.550 vor Ztr. für die frühe Bronzezeit. Daraus ist schlüssig abzuleiten, dass die Beobachtungsanlage vom Möthlower Mühlenberg für eine kultische Himmelsbeobachtung errichtet worden sein muss. Und auch, dass möglicherweise dort die Himmelsscheibe geschmiedet wurde, die auf dem um fast 200 km südlich liegenden Mittelberg an der Unstrut gefunden wurde. Es könnte sich also der mächtige „Herr von Bornhöck“ (bei heute Raßnitz-Schkopau) aus Möthlow (Märkisch-Luch), über eine Strecke von ca. 150 km nördlich, die Himmelsscheibe sich gewaltsam oder durch Kauf beschafft haben.