DAS SPINNEN-NETZ
 
Die Welt ist wie ein Spinnen-Netz,
um uns her flirren Klebefäden -;
es herrscht der Spinnen Trug-Gesetz,
das fängt so gut wie einen jeden.
 
Rings Silber-Bänder in der Sonne,
wie sie vor blauem Himmel locken,
da lacht das Herz in junger Wonne,
da sucht es gleich sich anzudocken.
 
Wie leicht der Strang im Winde weht,
wie blinkt er köstlich als Geschmeid’,
„dort möcht’ ich sein“, die Seele fleht,
„im Flug hinzu -, es ist nicht weit ! “
 
So silber-goldig schimmert Glanz,
im warmen, frühen Morgenschein,
und rundum ruft des Lebens Tanz:
„Komm' in den Ringelreih’n hinein !“
 
Es fliegen Menschlein wie die Fliegen,
dem gleisnerischen Blinken zu,
weil sie dem Augenschein erliegen -,
die Lebens-Gier kennt kein Tabu.
 
Schon ist das zarte Netz zu fühlen,
wie es sich dehnend federnd spannt,
gleich wohlig weichem Daunen-Pfühlen -;
zu spät wird Trug und List erkannt !
 
Zum Drahtstrang werden Seidenweben,
unlösbar fesseln sie die Glieder,
verzweifelt ringt Befreiungsstreben,
und bald sinkt Hoffnung müde nieder.
 
Dann kriecht aus seiner Finsternis,
ein dunkles Schicksal her aus Ecken,
die Spinne kommt zum Todesbiss,
ihr jüngstes Opfer zu erschmecken.
 
Drum hütet euch vor Flitterwerk,
prüft sorgsam Flug und Gang,
übt argwöhnisch das Augenmerk,
und dämpft zum Glanz den Hang !