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Die 11 - , - Liebe, Lust und Fruchtbarkeit
 
Altindische Schriften ordnen die 11 dem gewaltigen Indra zu: 11-schalig ist sein Opferku­chen: ,,elfsilbig ist das indramächtige Versmaß“ (Satapatha Brahmana 12,7,2,18). Ur­sprünglich weist das astrolog. Schema der Griechen nur 11 Stern­bilder auf, da der Skor­pion zwei Zeichen bzw. 60 Grad umspannte. Die Waage fand ihren Einzug in die konventionelle Reihe erst seit dem Sternen­handbuch von Nech­epso und Petosiris im 2. Jh. v.0. Die einfachste, aber auch älteste Anwendung der Zahl 11 dürften wir sicher bei der Angleichung des 354-tägigen Mondkalenders an das Sonn­enjahr von 365 Tagen finden. Die sogenannte Zauber­formel „abracada­bra“ besteht aus 11 Buchstaben. Im Märchen von Dornröschen beschen­ken 11 „wei­se Frauen“ das Königskind mit ihren Wundergaben, die 13. spricht einen bösen Fluch aus, die 12. schwächt ihn wieder ab. Die 11 wird mit ihrer QS zur 2 und in der antiken Zahlen­lehre vertrat die 2  das feste, negative, weibliche, empfangende Prinzip. Das scheint wirr durcheinander zu gehen, wo könnte sich ein durchgängiger Zahlensinn ergeben?
 
Liebesmutter
 
Im Weiteren wird sich zeigen, dass die 11 im Runensystem als Symbol der lie­benden Weltenmutter bzw. Liebesgöttin verstanden wurde. Diese besaß nach Auffassung ei­ner pythagoreischen Tradition höchste Bedeutung. So schildert Empedokles (Frag­ment 17, 24 u. 128) das Goldene Zeitalter, da nicht Ares, Zeus, Kronos, Poseidon göttlich gal­ten, sondern die ideale Weltkraft der Aphrodite alleinige Königin war. Sie fügte mit „Liebes­nägeln“ die Elemente zusammen, hauchte die Erde mit Wärme an; sie bildete Augen, erschuf die Tiere usw. Ebenso besaß schon innerhalb des philo­sophischen Systems des Parmenides (Fragment 12 f.) die alles lenkende und paar­ende Liebesgöttin, die Offenbarerin jeglicher Wahrheit, eine höchste Bewertung als zentrales Weltprinzip.
 
In welche Richtung wir zu denken haben, um die Sichtweise des Runenschöpfers zu verstehen, zeigt das eddische Skirnismál (Vers 19). Der lichtstrahlige Skirnir wirbt im Auf­trage des göttlichen Freyr um die schöne Riesentochter Gerda. 11 goldene Apfel ver­spricht der Bittsteller als Morgengabe. Die 11 erscheint hier deutlich als Verstär­kung der Äpfel, der uralten Lebens- und Liebessymbole.39 Dass der Fasching, das Fasel-Fest, mit einstmals erotischen Fruchtbarkeitsriten seinen Anfang zum 11.11. um 11.11 Uhr nimmt, spricht entweder von einer nicht abgebrochenen Zahlenver­ständ­nistradition, oder von einem erstaunlich stimmigen „zufälligen“ neuzeitlichen Griff. Von christli­cher Seite wird ohne ernstzu­nehmende Begründung die 11 als Zahl der Sünde bezeichnet, was bei der leib- und lust­feindlichen Predigt dieser weltlust­verneinenden Religion nur folgerichtig ist.
 
Ursula - Osa - Isis
 
Die Zahl erscheint in der christl. Legende von der „Hl. Ursula“ mit ihren 11 Schif­fen und 11.000 Jungfrauen, die angeblich durch heidn. Hunnen bei Köln ihren Tod gefunden hätten. Bis zum 11. Jh. führte das dortige, nach ihr benannte Kloster, die Bezeich­nung „Zu den Jungfrauen“, nicht aber „Zur hl. Ursula“, wie jetzt. Bei dieser Erzählung handelt es sich, wie wahrscheinlich gemacht wurde, um eine erst im Hochmittelalter verchristlichte kel­t.-germ. Mythe.40  Eine heidn. Göttin und ihre Saga muss der Ursula-Legende zugrunde liegen. Diese bedeutende Göttin ist erschließ­bar: Eine ihrer lokalen nordwestgerm. Sonderformen war die Nehalennia, von der eine Menge Inschriften auf den niederländ. Inseln Walcheren und Noord-Beveland künden; zwei fanden sich in Köln-Deutz. Auf ihren Votivsteinen ist sie mit Frucht­körbchen, Hund, Schiff oder Ruder abgebildet. Das weist auf Fruchtbarkeits-, Todes- sowie Schifffahrtsfunktionen hin. Alle diese Attribute gehören ebenso zur Göttin Isis, der nach Ausweis Tacitus (Germ. 9) auch die Sueben opferten. Auch Göttin Nerthus, deren Kultzentrum auf einer Ostseeinsel lag (Tacitus, Germ. 40), gehört in diesen Rahmen. Ihr Hauptattribut, das Schiff, gab der Nehalennia wahrscheinlich den Namen: „Nachengöttin", mit dem verbreitetem Suffix -ennia. Köln am Rheinstrom muss eine Hochburg dieses Mutterkultes gewesen zu sein. Die Stadt besitzt einen Brunnen an der St. Kunibert-Kirche, wo der Legende nach die vorgeburtlichen Kinder um die Gottesmutter herumsitzen, die ihnen Brei gibt und mit ihnen spielt. Ein Isis-Türbild fand sich in der Kirche St. Ursula zu Köln eingemauert (H.d.dt. Abgl. Bd.VI S. 992ff). Einem Kapitell der Kirche war die Statue der Isis, mit der Aufschrift: „Isidi invicte“, einge­arbeitet worden. Aus vorhandenen Unterlagen ist ersichtlich, dass die ältesten Namen der Kölner Jungfrauen-Führerin Pinnosa oder Winnosa, also auf -osa lauteten, später erst Ursula. Der christl. Ursula-Legende liegen ganz offen­sicht­lich die belegten heidn. Schiffsumzüge aus den Kulten der Isis, Nerthus, Nehalennia, bzw. einer germanischen Osa / Asa zugrunde.
 
Aus dem Sprachbefund erhebt sich die zu bejahende Frage, ob eine einstige Göttin Asa / Osa / Osel in christl. Zeit zur Ursula / Ursel umbenannt wurde? Der Oselberg bei Dinkelsbühl, der Urschelberg der „Alten Urschel“ bei Pfullingen, der Horsel­-, Hosel-, Höselberg der Frau Holda bei Eisenach sowie der Bechtelsberg der Bechta bei Ott­rau/Nordhessen berichten von einer volkstümlichen Göttin welche die „Weiße Frau“, allerdeutlichst „Frau Venus“, andernorts „Wilde Ursel“ hieß.41 Die Frauen von Antwerpen nannten ihre Venus „Wal­burgis“.42 Bis in die Neuzeit hinein erschien sie dem Landvolk ebenfalls als Führerin der mythischen schweifenden Nachtscharen. In Süddeutschland heißt die Führerin des Wilden Heeres Ursula, Urschel, auch Wilde Urschel. Die gesuchte unmittelbare Verbindung von Ursel und Osel schenkt uns die Mär von der gefallenen Nonne Tut-osel oder Tut-ursel, die sich gleich einer tutenden, pustenden Eule, also als Totenvogel, der Wilden Jagd Wodans angeschlossen habe. Zwar handelt es sich um eine späte, von christl. Seite ins Spiel gebrachte irre­führen­de Namenserklärung, doch liefert gerade sie das gewünschte Indiz: „Mitternacht, wann in Sturm und Regen der Hackelnberg fatscht [durch den Schlamm stapft] und auf dem Wagen mit Pferd und Hunden durch den Thüringer Wald, den Harz und am liebsten durch den Hackel zieht, pflegt ihm eine Nachteule voranzufliegen, welche das Volk die Tut-Osel nennt. Wanderer, denen sie aufstößt, werfen sich still auf den Bauch und lassen den wilden Jäger über sich wegfahren; und bald hören sie Hunde­bellen und den Waidruf: huhu! - In einem fernen Kloster zu Thüringen lebte vorzeiten eine Nonne, Ursel geheißen, die störte mit ihrem heulenden Gesang noch bei Leb­zeiten den Chor; daher nannte man sie Tut-Ursel. Noch ärger wurde es nach ihrem Tode, denn von elf Uhr abends steckte sie den Kopf durch ein Loch des Kirchturms und tutete kläglich, und alle Morgen um vier Uhr stimmte sie ungerufen in den Ge­sang der Schwestern. Einige Tage ertrugen sie es; den dritten Morgen aber sagte eine voll Angst leise zu ihrer Nachbarin: 'Das ist gewiß die Ursel!' Da schwieg plötz­lich aller Gesang, ihre Haare sträubten sich zu Berge, und die Nonnen stürzten aus der Kirche, laut schreiend: 'Tut-Ursel, Tut-Ursel!' Und keine Strafe konnte eine Nonne bewegen, die Kirche zu betreten, bis endlich ein berühmter Teufelsbanner aus einem Kapuzinerkloster an der Donau geholt wurde. Der bannte Tut-Ursel in Gestalt einer Ohreule in die Dummburg auf den Harz. Hier traf sie den Hackelnberg und fand an seinem huhu! so groß Gefallen, als er an ihrem uhu! Und so ziehen sie beide zu­sammen auf die Luftjagd." (Hackelnberg = mittelalt. Name Wodans, aus hekla bla = Blaumantel, zu hakolberand; vergl. GDM 874f)
 
Einer einstigen Göttin Asa / Osa / Osel ist demnach der lat. Name Ur­sel / Ursula („kleine Bärin“) aufgelegt worden, - vielleicht weil der Bär ein Attribut der alteurop. Jagdgöttin (griech. Artemis, röm. Diana, altn. Skadi) war und das Siebengestirn der Bärin als Sitz dieser Göttin galt. Dann wäre der Begriff Ursula ursprünglich keine christlich-manipulative Neuschöpfung, sondern hätte über das röm. Heidentum sei­nen Weg in die mittel­alterliche Mythenwelt gefunden. Die „Wilde“ heißt Artemis schon in der Ilias (21,471). Das Schweifende ihres Wesens, machte sie zur Anführ­erin von mythischen Scharen sowie wandernden Volksgruppen. Als dreigestaltige Artemis-Hekate nahm sie auch düstere, unheimliche, spröde und sogar grausame Züge an. Die attischen Jungfrau­en, die der Göttin im Alter von fünf bis zehn Jahren dienten, wurden Bärinnen, Arktoi, genannt. Diese Artemis galt aber auch als Vege­tationsgöttin und stand deshalb dem Dionysos nahe; ihr Kult wurde auch im Won­nemonat began­gen; man feierte ihren Geburtstag am 6. des Frühlingsmonats, der etwa unserem Mai entsprach. Sie wurde als Geburtsgöttin angerufen, hatte sie doch bei der Geburt ihres Bruders Apollo geholfen. Wie eng diese Göttin dem Norden ver­bunden blieb, bestätigt der Umstand, dass die zwei hyperboreischen Besuch­erinnen Arge und Opis, den Beinamen der Artemis trugen. Im Artemision, auf Delos, ihrer ältesten griech. Kultstätte, zeigte man die Gräber der beiden nordischen Mäd­chen. (Erika Simon, Die Götter der Griechen, 1985, S. 160)
 
So sind offenbar verschiedene altheid. Vorstellungen in die Ursula-Legende einge­flossen. Ihr mittelalt. Namen Pinnosa, -osa, wäre als nieder­dt. Form füraltnord. as und ans mit der Bedeutung „Gott, Göttin“ (sans. asura „Herr, Gott“, aus asu „Leben“) zu deuten. Denn der Os-ning (Teutoburger Wald) erklärt sich als Got­tes­berg. Osna­brück lag an der Asnebruggi, der Gottesbrücke über die Haase. Die norweg. Haupt­stadt Oslo gedieh am Aslon, der geschützten Gottesbucht. Im Hösel-/Hosel-/Hor­selberg bei Eisenach/Thüringen haust angeblich der Teufel, Frau Holle hält dort Hof und die Hexen wallfahrten zu ihm. Man findet gleichbedeutend Horsel-, Hursel-, Ho­sel-, Oselberge. Deren Ableitung von Ursel, Usel, Osel wurde von Sprach­­for­schern vermutet, doch zusammen gehen sie wohl auf osa, asa zurück. Jedenfalls  entpuppt sich die „hl. Ursula" als ursprünglich alteuropäische und germ. Volksgöttin, die in christli. Ära auch als Frau Venus, Frau Gaude, Holda, Berhta usw. weiterlebte. (vgl. 6.Tür 21./22.10.)
 
Zudem werden weiterreichende Göttinnenaspekte in ihren Kultkreisen Einfluss genommen haben: Die Vedagöttin Ushas, Personifizierung der Morgenröte, spiegelt sich in der griech-röm. Eos / Aurora und der germ. Eostra / Ostara. Die Ushas präsentiert sich im Rigveda (I. 124, 7) als Sinnbild verführerischer Sexualität - sie entblößt ihre Brüste gleich einer Buhlerin. Ihr charakterli­ches Erscheinungsbild stimmt weitgehend überein mit Venus / Aphrodite, die als Tochter des Uranos („Himmel“) den Beinamen Urania trug, sowie mit der leidenschaftlich-lüsternen sumerischen Inanna, semit. Ischtar-Irnini, syrischen Astarte, die mit ägypt. Isis viele Übereinstimmungen besaßen. Eine wilde, schweifende, zuweilen bedrohliche Göttin weiblicher Schönheit und geschlechtlicher Liebe, der Frühlingsvegetation, des Frohsinns und des Tanzes: So begriff das lachende Heidentum ihre komplexe Geistgestalt. Die Venus / Aphrodite-Urania / Artemis-Hekate / Ostara / Osel / Ursel zog mit ihrer großen Schar der Dienerinnen, den Nymphen, Chariten und Horen, den Wachstumsdisen, durch die Maiennächte. Sie hatte besonders in Hafen­städten und an Meeresküsten ihre Heiligtümer, erschien sie doch als mächtige Schutzherrin ge­rade der Seefahrer.43 Mit 11 Schiffen fuhr die Göttin, von der Küste kommend, den Rheinstrom hinab nach Köln, von 11.000 zu Liebe und Fruchtbarkeit begeisternden Elfen begleitet. So könnte Mythos und Brauchtum jener die Göttin ehrenden frühjähr­lichen Schiffsum­züge gelautet haben.44 Nach christlicher „Entschärfung“ entstand dage­gen die blutrün­stige Ursu­la-Legende. Das Boot galt im antiken mimischen Gleich­nis allgemein als Vulvasymbol.45 „11 Schiffe“, darin 11.000 wachstumswilde Liebesgeister, 11 Funken/Flocken im Kölner Stadtwappen. Wir ahnen, warum die 11 als „Zahl der Sünde und Unvollkommenheit“ die christl. Interpreten46 so arg be­drück­en mußte: Nach deren Vorstellung war ja das penislose und verstandesarme Weib das unvollkommene Geschlechtswesen; die 11 aber galt als die Chiffre begehrlicher weiblicher Lust und leibbejahender Sinnesfreuden.
 
Bestätigung aus dem Fundmaterial liefert der latenezeitl. (ca. 6.Jh. v.0) bronzene Kult­wagen von Stettweg/Oberöstereich. Eine alle anderen Figuren überragende nackte, jungfräulich-schlanke Göttin befindet sich inmitten einer Figurengruppe von zwei Hirschen und Menschen­paaren; sie trägt eine Schale () auf hochgereckten Händen und steht auf einer Bodenrosette von 11 Strahlen. Es muss sich um die mitteleurop. Jagd- und Fruchtbarkeitsgöttin, die „Herrin der Tiere“, dem Prototyp der Artemis / Diana-Dione (Dione: Frau des mitteleurop. Zeus) handeln -, welche spät­erhin mehr sinnliche Aspekte von anderen Göttinnen (Astarte, Isis, Frija) annahm.
 
Auch der Ferne Osten kennt die 11-Zahl im Zusammenhang mit einer Göttin: Shō Kannon („Heilige Kannon“) oder Jūichimen Kannon („Kannon mit den Elf Gesichtern“) ist die Buddhistische Göttin der Barmherzigkeit. Ihre Verehrung begann schon im ersten Jahrhundert in Indien. In Japan wird sie auch als Guze-Kannon bezeichnet und die erste je gefertigte Holzstatue befindet sich im Hōryū-ji Temple in Nara. In traditionellen buddhistischen Werken wird Shō Kannon zumeist stehend, mit einer Lotos-Blüte oder einem Gefäß mit Wasser in der Hand dargestellt. Diese Ikonographie wurde im siebten Jahrhundert von China nach Japan gebracht. Kannon hat hierbei elf Gesichter als Krone auf ihrem Kopf, wobei es verschiedene Erklärungen für die Zahl 11 gibt. Laut einer Volkssage sind die elf Köpfe ein Symbol dafür, dass Kannon von dem vielen Leid auf der Erde so bedrückt war, dass sie ihren Kopf teilte, um so allen gerecht werden zu können. Eine weitere Erklärung ist, dass zehn Köpfe die zehn Stufen des Bodhisattva-Weges, die man durchlaufen muss, um Erlösung zu finden, darstellen. Der elfte Kopf steht hierbei das Zentrum und die Erreichung der Buddhaschaft. Auch die Darstellung der Arme kann sich in ihrer Zahl unterscheiden und reicht von zwei bis hin zu acht..