Abb. 1
Eigene Naturfarben-Abreibung (Fingerkraut und Moos-Humus)
des bronzezeitlichen Felsbildes von Litsleby / Tanum / Schweden
DER GERMANISCHE FRUCHTBARKEITSKULT
Das obige Felsbild von Litsleby (Tanum / Bohuslän) zeigt einen pflügenden Bauern mit dem Ochsengespann seine Furchen ziehend. Er hält einen sein Unternehmen weihenden Fruchtbarkeitsboschen in der Hand, ebenso wie die beiden Gestalten in oberer rechter Bildecke, die ihre Weihezweige, um Fruchtbarkeit bittend, der Sonne entgegen halten. Im Baum und vornehmlich in seinen frisch beblätterten Frühlingszweigen, wie beispielsweise denen der Birke, und in den ganzjährig begrünten Nadelbäumen, erkannte man eine naturzauberische Verlebendigungskraft, deren Numen man rituell den persönlichen und allgemein menschlichen Wünschen dienstbar zu machen hoffte. Das Halten und Schwingen von Fruchtbarkeitszweigen war auch im nordisch beeinflussten Apollon-Kult der Griechen üblich. Der uralte germanische Brauch der Weiheboschen hat als „Queste“ und dem „Questenfest“ („Quost / Quaste“ = Laubbüschel), bis in unsere Zeit allein noch in Questenberg des Südharzes als Pfingstbrauchtum und in Nordschleswig zu Seth (dän. Sæd) als „Mismosquost“ im Sonnwendbrauchtum überlebt, aber im schwedischen Mitsommerbaum-Fest. Wälder sowohl einzelne stattliche Bäume genossen bei den germanischen Stämmen heilige Verehrung. Zur Zeit des römischen Beschreibers Germaniens waren gewisse Wälder einer Gottheit geweiht (Germania 9) Im brandenburgischen Semnonen-Gebiet befand sich der dem „regnator omnium deus“ geheiligte Wald (Germ. 39) und auf einer Insel der Ostsee das „castum nemus“ der Göttin Nertha (Germ. 40), der „Lucus Naharvalorum“, zwischen Oder und Weichsel (Germ. 43), war den beiden Jünglingsgottheiten, den Alkes, geweiht. Und in der Nähe der Weser lag die „silva Herculi sacra“ (Annalen II., 12), im friesischen Nordwestdeutschland lag der „lucus Baduhennae“ (Ann. IV + 3) und noch später erwähnten Gregor von Tours und die „Fränkischen Annalen“ wiederholt heilige Bäume im westlichen Germanien. - Die Weihezweige, mit aufwärts- (Laubbaum-Typus) sowie abwärts gerichteten Zweigen (Tannen-Typus), finden sich in der darstellenden Schmuck- und Sakralkunst des Nordens in beträchtlicher Anzahl. Eine bekannte Felsritzung von Himmelstalund (Norrköping / Östergötland) zeigt die Fruchtbarkeitszweige im „Frachtraum“ eines großen Schiffes. Das knappeste Symbol des Fruchtbarkeitszweiges mit abwärts gerichteten Zeigen ist als Asen-Rune - dem Runen-Zeichen Wodan-Wodins - als 21. ODING-Symbol , mit herbstlichem Kalenderstandort, ins Ur-Runenkonzept aufgenommen worden. Gemeint ist in dieser Jahresphase, und mit dem Bezug auf den Geistgott (Psychopompos), nicht die unmittelbar erlebbare Fruchtbarkeit des Frühlings, sondern vielmehr die unauslöschliche, auch in Herbst und Winter weitervorhandene, unsichtbar schlummernde, zum Wiedererwachen befähigte Befruchtungskraft.
Die erlebbare Vegetationsenergie des jungen Jahres bzw. des beginnenden Sommers aber drückte der Runenmeister durch das im Norden urvertraute Sinnzeichen der Dreispross-Rune aus , dem sogenannte Algiz-Stab. Er steht im ODING-Runenkalendariun an der einzigen Stelle an der er sinnvoll stehen düfte, nämlich zum alten Sommerbeginn, dem Anfang des Monat Mai des Julianischen Kalenders --, im altgermanischen Runen-Zeitweiser als 10. Zeichen auf dem 5. Jahres-Vollmond.
Entwicklung des Dreispross als Fruchtbarkeits-Sinnbild
Abb. 2
Die bronzezeitliche Felsgravur vom schwedischen Lövasen (Abb. 2) zeigt unverkennbar einen Nadelbaum bzw. eine Eibe, mit dem für diese Bäume typischen Seitentrieb. Die Spitze läuft im Dreispross aus und die Wurzeln in kaum zufälliger Anordnung ebenso. Das Bild des Dreispross demonstriert das pflanzliche und darüber hinaus das gesamte Naturleben so eindringlich, dass er sich als Sinnbild für jegliches Wachstum geradezu aufdrängt. Jeweils aus Zweien erwächst als neuer Lebensspross ein Drittes, der junge Trieb bzw. das Kind. So wie sich die Baumkrone in den Himmel erstreckt, um Licht-, Wärme- und Regen-Nahrung einzusaugen, so geht das Wachstum in gleicher Weise nach unten ins Erdreich hinein, um auch von dort die benötigten Lebensenergien der Tiefe aufzunehmen. Dieses natürliche Weltverständnis drückt sich im doppelten Dreispross aus, mit drei Streben nach oben und drei Streben nach unten. Aus der Anleitung solchen Naturbildes erwählte ein Frühzeit-Denker die Chiffre des Doppeldreispross, welcher vom Runenschöpfer als Algiz-Rune ins ODING-FUÞARK-System aufgenommen wurde. Der allein nach oben gerichtete Dreispross ist als vorrunisches Zeichen schon in der nordischen Bronzezeit anzutreffen, wir finden ihn auf Felsbildkompositionen und als Heilszeichen auf Waffen, wie beispielsweise mehreren Bronzebeilen.
Abb. 3 4
Ein prächtiges, großes, tief eingegrabenes Felsrelief - jenes von Lövasen (Tanum / Bohuslän) – will die gesamte Weltvegetation im Weltenschiff darstellen, in Gestalt der beiden Vertreter von singrünen (immergrünen) Pflanzen einerseits und den periodisch ihr Laub verlierenden Bäumen andererseits. Auf der Spitze der großen Fichte sitzt ein Auerhahn. Auerhähne waren auch in Skandinavien äußerst zahlreich, schon in den steinzeitlichen „Muschelhaufen-Siedlungen“ Dänemarks sind Auerhahnknochen sehr oft zu finden. Die Vorzugsnahrung dieser Vogelgattung sind Fichtensamen, weshalb sie die Fichten auf Nahrungssuche bevölkert haben. Das liebe, kleine, geradezu idyllisch anmutende Felsbildchen von Medbo (Brastad / Bohuslän) zeigt zwei Fichtensamen suchende Auerhähne am Nadelbaum (Abb. 4). Auffällig ist, der Bronzezeitkünstler hat den Laubbaum im Weltenschiff mit Sicherheit so gestaltet, dass drei Hauptranken entstanden, sie sich grobvisuell zu einem Dreispross zusammenfügen. Die bedeutendste Bildaussage aber ist diese: Der kultische Bildcharakter einer Naturheiligung bzw. einer Weiheandacht für die Weltvegetation ergibt sich aus dem Umstand, dass im Weltenschiff zwei Lurenbläser-Paare zu sehen sind, die sich jeweils gegenüberstehend, wie das beim Lurenblasen üblich war. Die Schalltrichter jeweils beider Luren sind aufeinander gerichtet, so erzeugten sie die gewünschte duale Klangfülle. Es ist also eine kultische Handlung ins Bild gesetzt worden, während der ein Lurenkonzert gegeben wird, zum Lob oder zur Beschwörung der Fruchtbarkeit.
Abb. 5
Dass in den alten mythischen Vorstellungen die Vegetationskraft in der Natur personifiziert als Fruchtbarkeits-Gott geschaut werden konnte, ist bekannt. Der germanische Sonnen- und Fruchtbarkeitsgott ist aus geschichtlicher Zeit unter mehreren Bezeichnungen bekannt: Frô / Frikko / Freyr / Frodi. Wir haben unter den nordischen Bronzezeitgravuren ein Bild von Region Balken (Tanum / Bohuslän) wo er förmlich aus dem Nadelbaum herauswächst, der anthropomorphe Vegetationsgeist (Abb. 5). Er streckt die beiden Arme empor, wie es ein Adorant, also einer in der alten Gebetshaltug Verharrender tat. Dergestalte Adoranten sind auf den nordischen Felsbildplatten oft dargestellt. Bei flüchtiger Überschau zählte ich allein im Bohuslän: Domäne Backa, Gemeinde Brastad = 8, Kreis Stangenäs, Gemeinde Bro, Ort Wese 1, Kreis Tanum, Gemeinde Tanum = 24, Distrikt Bottna = 13, Distrikt Kville = 10. Auch auf der Steinkistengrabplatte von Anderlingen (Lkr. Rotenburg / Wümme / Niedersachsen) ist ein Adorant zu sehen. Dass im Bild von Balken tatsächlich mit der Menschengestalt eine geistige Erscheinung gemeint wurde, düfte ersichtlich sein, denn ein leiblicher Mensch vermag auf keiner Fichten-, Tannen- oder Eibenspitze zu stehen. Links daneben strebt ein Dreispross aus einer Doppelspirale heraus, dem nordischen Symbol-Kürzel für das Jahr und die Zeit schlechthin (Ebenso zu finden auf Bohusläner Felsbilder von Ryland, Aspeberget, auch auf dem 6. Bildstein des Kivik-Grabes). Die Bildaussage ist eindeutig: Bitte um, oder Hoffnung auf, oder Beschwörung zur „Fruchtbaren Zeit“. (Um dieses Bild für den Felsbild-Laien besser hervortreten zu lassen, habe ich nebensächliche Bildelemente in der Abreibung gelöscht.) Bekanntlich ist aus diesem nordischen Jahres-Zeit-Sinnbild - mit seinen beiden angedeuteten Halbspiralen - die Jahr-Rune ( ) des ODING-FUÞARK erwachsen, welche im ODING-Kalender sinnvollerweise zur Jahresteilungsphase der Sommer-Sonnenwende auf 12. Position steht, um damit auch Zeugnis von den 12 synodischen Monaten des normalen Sonnenjahres abzulegen.
Zwischenerklärung:
Entwicklung der Rune jera, dem Sinnbild des Jahres
(drei Beispiele: Kivik-Grabplatte + Felsbilder von Ryland + Balken)
Vorrunische Fruchtbarkeitssinnbilder der Bronzezeit
Abb. 6 7 8 9
Der einfache und der doppelte Dreispross ist als Zierung auf mehreren bronzezeitlichen Funden nachweisbar. Ein Tüllenbeil (Abb. 6) aus Erkrath (Krs. Mettmann / Düsseldorf / Nordrhein-Eestfalen) ist in dieser Hinsicht ein besonders schönes Stück. Vielleicht darf auch das Tüllenbeil (Abb. 7) aus Merlsheim (Stadt Nieheim / Krs. Höxter) dazugerechnet werden, welches zusätzlich ein Fruchtbarkeits-Musterfeld in Form sog. Fischgräten aufweist. Auch das Tüllenbeil (Abb. 8) aus der Umgebung von Frankfurt od. Wiesbaden (Mus. Wi.) weist ein markantes Fruchtbarkeits-Fischgrätmuster auf. Ein Randleistenbeil aus Enger-Heringshausen („Bünde 59 / 21“) trägt ein Dreispross-Zeichen, ebenso ein Randleistenbeil-Fund aus Gießen (Abb. 9), ein weiteres aus Ostenfeld (Ks. Rendsburg) und mindestens fünf ähnliche Exemplare aus Smørumovre (Kobenhavn / Dänemark). Das Randleistenbeil ist eine Beilform vor allem der Früh- und Altbronzezeit Mittel- und Nordeuropas, in der Zeit von ca. 1.800 bis 1.500 v.0, während Die Tüllenbeile der späten Bronzezeit bzw. der Urnenfelderzeit angehören, ca. 1.000 bis 800 v.0
Bei Untersuchung und Abriebsherstellung der Algiz-Rune auf dem mittelalterlichen Kreuz hoch an der Kirchenaußenwand von Nørresundby (Stadtteil von Aalborg auf nördlichster Seite des Limfjordes / Dänemark) benutzte ich ein loses Einfriedungsgitter, um aufzusteigen.
Die Fruchtbarkeits-Rune () war ein so weit verbreitetes, verständliches Symbolzeichen, welches auch in christlicher Zeit nicht ganz beiseite geschoben und vergessen gemacht werden konnte. Beispielsweise auf dem jütländischen Taufsteinsockel von Saelde, der wohl die Jahreszeitenfolge darstellt, flankiert es das Rosettensinnbild der voll erblühten Jahreswuchsphase (Abb. 10). Die doppelte Algiz-Rune ziert den steinernen Sarkophagdeckel des Propstes Ebbelin (gestorben 1057), im Dom-Langhaus zu Würzburg gefunden, jetzt im Kreuzgang aufgestellt. Der Christus auf dem Tympanon der Kapelle von Schloss Tirol hängt nicht am Kreuz, vielmehr steht er in Form der Lebensrune vor der Lebensrune. Es handelt sich um eine Arbeit die in den Jahren 1150-1160 entstand. Etliche Christusdarstellungen des 14. Jhs. zeigen das sogenannte „Astkreuz“ in Form der Lebensrune, wie z.B. in der Dominikanerkirche zu Friesach in Kärnten. Die einfache Algiz-Rune führt auch der Taufsteinsockel von Rustenfelde (Thüringen, Lkr. Eichsfeld). Auf dem Sigel von „Eduart dem Bekenner“ (1046-1066), dem letzten König Britanniens aus angelsächsischem Haus, trägt er die Algiz-Rune ein Kronen-Emblem.
Abb. 10
Taufsteinsockel-Abrieb von Saelde (Nordjütland) mit trauernder und freudiger Lebensbaum-Palmette - dazwischen Rosette, flankiert von zwei Fruchtbarkeits-Runen
Algiz-Rune und Man-Rune
Wie es bereits beim bronzezeitlichen Felsbild von Balken (Abb. 5) sichtbar wird, kann der Dreispross, als Sinnbild des Gedeihens und der allgemeinen Fruchtbarkeit zusammengeschaut werden mit der Gestalt des aufrechten Menschen, der als Anbetender die Arme so dem Himmel entgegen hebt, wie es die Pflanzen-Äste in ihrem Wachstumsstreben nicht anders machen. Der Dreispross - die spätere Algiz-Rune in ihren Varianten ( / ) - vermochte deshalb sowohl die vegetative Wuchskraft wie auch den gesunden Menschen darzustellen. Der Runen-Begriff Algiz leitet sich her von der altgläubig-mythischen Vorstellung der Alkes, der „Hirschbrüder“, die als „Dioskuren“ in der gesamten indogermanischen Glaubenswelt eine hervorragende Rolle spielten und noch im kirchenchristianischen System der Übertölpelungsmission als „Wetterherren“ (Johannes und Paulus) dem Glaubensvolk als Ersatzspieler angeboten worden sind. Die Alkes-Dioskuren galten als die beiden polaren Weltkräfte der Himmelsgottheit, deshalb der Name griech. Dioskuren, also „Göttersöhne“. Die Gläubigen riefen sie an, zum Schutz vor allerlei Gefahren. Da sie von der altgläubigen Theologie als die polaren Gotteskräfte, gewissermaßen der linken und der rechte Hand, oder wie eines Baumes Wurzel und Gipfel aufgefasst wurden, konnte man sie als doppelte Algiz-Rune ins Symbol setzen. In diesem Sinne sind sie im Felsbild von Ryland (Abb. 11) zu sehen. Das Ryland-Relief, aussagestark wie wenige andere Felsbilder, zeigt das bronzezeitliche Jahresschema mit den beiden Jahreshälften mit der Lichtzunahme und Abnahme, dargestellt durch die beiden gegenläufigen Sonnenspiralen -; die polaren Alken-Dioskuren (welche die Algiz-Rune versinnbildlichte) durften in der Komposition nicht fehlen. Würden sie mit den Füßen zueinander stehen und nicht, wie hier, mit den Köpfen, sähen wir das das Ausgangsbild für das spätere Bildkürzel der Algiz-Rune. Die einfache Algiz-Rune des älteren ODING-FUÞARK ist im jüngeren Runen-Schwundsystem der Wikingerzeit, mit der nur noch 16 Buchstaben umfassenden FUÞARK-Reihe, als „Man-Rune“ „Mensch-Rune“, aufgenommen worden. Darin kann kein Verständnisbruch gesehen werden, denn - wie ich ausgeführt habe - hatte dieses Ursymbol von alters her die beschriebene sinnreiche Doppelbedeutung.
Abb. 11 12
Das aufschlussreiche Felsbild von Ryland (Tanum) mit bronzezeitlichem Jahres-Schema und den personifizierten Kräften des Auf- und des Abstiegs, den sog. Alkes-Brüdern (Abb. 11). Auch das Felsbild von Kasen (Tanum) zeigt die Alkes-Dioskuren, den hellen und den dunklen Bruder, bei rein zufällig den Sinn verdeutlichender Beleuchtung der Abriebs-Fotografie. Man beachte die Dreifinger-Hände, die in Form der Sprießkraft-Symbolik gehalten sind, welche die spätere Algiz-Runenform bestimmte.
Die einfache Algiz-Rune, die ihre Sprießarme nach oben richtet, gilt völlig zu Recht als Zeichen des Lebens, mit nach unter gerichteten Armen, als Todessymbol. Weil für die Sommerzeit der Lichtzunahme allein der positiven Alke-Dioskur zuständig sein kann, setzte der Runenschöpfer in seinem ODING-Kalendersystem die Runen an den Sommeranfang, zum heutigen Mai-Beginn. In eddischer Zeit wurde der ausschließlich positive Alke in der Baldur-Gestalt geschaut, während der „dunkle“ Bruder im blinden Hödur seine Versinnbildlichung erfuhr. Mit ihrer Christusinterpretation konnte die christenkirchliche Mission an den vertrauen Baldur anknüpfen und versuchte ihn als ihren Christus umzudeuten, was sich in der künstlerischen Gestaltung von „Erlöserbildern“ niederschlug, wie jenem von der alten Kirche zu Schlotzau im Lkr. Fulda (Abb. 13), die zum Kirchspiel Langenschwarz gehört (erstmalige Nennung durch Fuldaer Abt i.J. 1174 als Sclazesowa, also „Sumpf-Aue“). Letztlich handelt es sich aber um die uralte Haltung des vom Sonnenlicht begeisterten Menschen, wie es der geniale Heide Ludwig Fahrenkrog (1867-1952), der Dichter, Schriftsteller, Maler und Kunstprofessor, ins Bild gesetzt hat (Abb. 15).
Abb. 13
Alter Haupteingang der Kirche zu Schlotzau mit Algiz-Man-Runen-Christus
Abb. 14
Das interessante Felsbild von Smörsten (Tanum / Bohuslän) zeigt einige Adoranten, drei in einem Schiff, ein vierter kleiner links unter dem Schiff und ein großer, entweder vor dem Schiff stehend oder es möglicherweise hochstemmend (Abb. 14). Die dominante Gestalt steht bestimmt nicht ohne Sinn zwischen einer menschlichen und einer tierischen (Pferd) Wesenheit. Vielleicht sollte die Trinität der Gottheit verbildlicht werden, indem Gott in seinen drei Erscheinungsformen dargestellt wird, wie sie in später eddischer Zeit noch als Odin („Geist / Seele“), Vili („Wille“) und Vé („Heiltum / Weihe / Segen“) bzw. Wodin, Wille und Weih überliefert ist.
Abb. 15
Ludwig Fahrenkrog (1867-1952) - „Sonnengebet“
Kirchenchristliche Verteufelung des Dreispross
Die Gretchenfrage im Gesamtzusammenhang der Einschätzung und letztlichen Beurteilung der im Denkmälermaterial so ambivalent - mal als kirchenchristliches Heilszeichen, mal als heidnisches Lebensbaum-Sinnbild - auftretenden „Lilie“ und „Palmette“ ist, wie dieser eklatante Widerspruch plausibel zu erklären sei. Die Lebensbaum-Palmette, auch in knapper Dreispross-Form, kommt aus dem alten Orient, das ist durch ein überwältigendes Belegmaterial einwandfrei nachweisbar. Der nordisch-europäische Kulturkreis entwickelte, wie anhand der skandinavischen Felsbilder erkennbar wurde, ein Dreispross- oder Dreiblatt-Sinnbild für die allgemeine Vegetationskraft der Natur. Auch das dreiblättrige irische „Shamrock“ (Irisch seamróg, kleiner Klee) gehört zu dieser Tradition. Als das knappste Begriffszeichen mit dieser Aussage hat der Runen-Schöpfer die Algiz-Rune in sein mythisches Welterklärungsprogramm aufgenommen. So scheint es höchst verständlich, dass die Christenkirche, bei ihrer Verteufelungsstrategie gegenüber dem Heidentum, die orientalische Palmette dem nordischen Dreispross gleichstellte und als diabolisches Symbol auf Kircheneingangs- und Taufsteinbildern brandmarkte. Eindeutig kommt das zum Ausdruck im Taufsteinsockel-Relief der Söne Kirche (Lidköping / Schweden), wo die Wolfsschwanzquaste als Dreispross ausgeführt wurde; so eng die drei Sprossen, dass fast ein runischer Charakter entstand (Abb. 16). Aber jegliches dreisprossige Lebensbaum-Sinnbild gleicht bei grobem Augenschein der Fruchtbarkeits-Rune, wie z.B. das von deutlichem Palmetten-Typus in der Kirche zu Grarup (Amt Hadersleben / Dänemark, Abb. 18). Sogar der deutliche Palmetten-Typ der Kirche von Borby (Krs. Eckernförde) betont den runischen Dreispross (Abb. 17). Bei den Abbildungen handelt es sich um eigene Papierhandabriebe der Taufsteinsockel-Reliefs. Die Marienkirche in Hürup (Kr. Schleswig-Flensburg) zeigt ein sich vom Lebensbäumchen – fast wieder in schmaler Algiz-Runenform - mit Abscheu abwendendes Christenlamm (Abb. 19). Die Arbeit wird dem dänischen Steinmetzkünstler Horder zugeschrieben, der um 1180 in Djursland lebte.
16 17. 18 19
Andauern des „Heidnischen Grün-Kultes“
Manch ein Zeitgeiststolzer der vielleicht abfällig über altgläubige Weihbräuche des „Grünkults“ denkt, übersieht, dass exakt diese Brauchtümer bis in unsere Tage fast unverändert andauern. Im Katholizismus werden geweihte Buchsbaumsträußchen an den Wohnzimmer-Kruzifixus gesteckt. Am „Palmsonntag“, dem letzen Sonntag in der Fastenzeit und vor Ostern werden von den Kirchen Prozessionen mit Weidenzweigen, Pamwedeln, Palmkätzchen, Buchsbaumbüschel durchgeführt. Ihr „Fronleichnamsfest“, auch „Prangertag“ genannt, feiern die Katholiken in Gestalt von Flurumgängen bzw. Feldprozessionen mit Birkenzweigen und ausgelegten Blumenteppichen. In manchen Gegenden stellt man einen „Hochzeitsbaum“ bei Eheschließungen auf. Noch heute stellen Freunde von Eheleuten, bei denen sich Nachwuchs einstellt, einen „Kinderbaum“ vor das Haus und behängen ihn mit Babysachen. Nach Errichtung des Dachgebälks bei Neubauten setzen die Zimmerleute, meist verbunden mit einem Segenswunschvortrags des Poliers, ein Weihebäumchen auf den Firstbalken. Weil mit unserem „Weihnachtfest“, der eigentlichen Wintersonnwendfeier, einstmals das neue Sonnenlauf-Jahr begann, ein Umstand der eine Weihung notwendig erschienen ließ, legte man singrüne Weihezweige aus oder stellt geschmückte Tannenbäumchen auf. Ein Brauchtum, welches noch in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts der Vatikan in seiner Hauspostille „Osservatore Romano“ als „heidnischen Grünkult“ scharf verurteilte. Der Hochzeitsbaum, oder besser gesagt, die Weihung einer neuen Lebensgemeinschaft durch Fruchtbarkeitssymbolik, ist bereits in einem aussagestarken Felsbild von Kalleby (Tanum / Bohuslän) erkennbar (Abb. 20).
Abb. 20
Von den schwedischen Felsritzungen zeigen zwei den beachtenswerten Bildvorwurf, eine Hochzeit im Schiff. Das sich umarmende Brautpaar ist deutlich erkennbar daran, dass die Frau den üblichen langen Zopf im Nacken herabhängen hat. Wir wissen nicht, ob es sich um eine mythische Hochzeit des geglaubten Urelternpaares, eines Götterpaares im Weltenschiff handelt, oder um eine reale menschliche Hochzeit an Bord. Über das Bildthema hat schon Wilhelm Gaerke („Altgermanisches Brauchtum auf nordischen Steinbildern“, 1935, S. 95 ff) nachgedacht und vor ihm Oskar Almgren („Nordische Felszeichungen als religiöse Urkunden“, 1934, S.70 ff) Die feiernden Männer im Schiff, Verwandte, Freunde, schwingen Schwerter und Äxte, es scheint turbulent frohgesinnt zuzugehen. Die noch bis in unsere Zeiten fortlebenden Hochzeitsbräuche können darüber Aufschluss geben, was es damit auf sich hat. Im Wesentlichen kommt es darauf an, die bösen Geister - die den neuen Lebensabschnitt beeinträchtigen könnten - zu vertreiben. Bei den Esten halten Vater, Bräutigam und Hochzeitsmarschall ihre Schwerter über die Braut beim Hauseintritt. In Schweden war es üblich, dass das Brautpaar beim Brautritt Schwerter trugen. Bei den Hochzeiten deutscher Militärs lief das Brautpaar durch ein Spalier erhobener Waffen der Bräutigams-Kameraden. In der Oberpfalz zieht der Hochzeitslader den blanken Degen wenn er die Braut begleitet. Die geschwungenen Weihe-Hämmer oder -Äxte haben ihre Bedeutung als Fruchtbarkeits- und Segensverleiher, wie es das große Hochzeits-Felsbild von Vitlycke (Tanum / Bohuslän) eindruckvoll aufzeigt.
Warum ich aber dieses Felsbild in meinen Aufsatz über den germanischen Fruchtbarkeitskult aufgenommen habe, liegt darin begründet, dass über der Schiffs-Hochzeit das Bildkürzel für den immergrünen Nadelbaum eingraviert ist. Eindeutig gehört der Baum zur Gesamtszene. Hier kommt wieder der schon beschriebene Urbrauch zum Ausdruck, vor jeden Neubeginn als Einganssegen ein Bäumchen zu stellen. Vor das Brauthaus im schwedischen Upland setzt man junge Tannen. Ein ähnlicher Brauch ist in Rumänien bekannt, wo eine Tanne oder Fichte gefällt und im Hof des Hochzeitshauses aufgestellt wird. Dasselbe geschieht bei den Kleinrussen, Ungarn und Kroaten. Die dauerhafte Fruchtbarkeit der vegetativen Natur soll sich auf das junge Paar übertragen. Der „Hochzeitsbaum“ hat sich beim Schloss Spycker auf der Insel Rügen in Gestalt einer Sage niedergeschlagen. Dort steht ein Pfortenbaum, den man durchschlüpfen kann, wo sich einstmals ein verbotenes Liebespaar nächtens eingefunden habe, von einem Blitz getroffen worden sein soll und, nachdem sie den Ehesegen doch noch erhielten, das Zeitliche gesegnet hätten. Gerade in unseren Tagen feiert der „Hochzeits-„ oder „Liebesbaum“ wieder fröhliche Urständ, er wird entweder von Freunden in der Hochzeitsnacht vor dem Haus des jungen Paares positioniert, oder vom Paare selbst gemeinsam angepflanzt.