02.03.2023

Alphabetbaum_1a.JPG

Johannes Geiler von Kaysersberg: Alphabetbaum (1490)

Johann Geiler von Kaysersberg (1445-1510) aus Straßburg gilt als der bedeutendste deutschen Prediger des ausgehenden Mittelalters. Geiler übte in seinen derben und humorvollen Predigten scharfe Kritik am Zustand der Kirche und der Verweltlichung des Klerus und forderte Reformen. Seine Werke gelten als bedeutendste Zeugnisse volkstümlicher deutscher Erbauungsliteratur vor Martin Luther. Er entwarf seine Predigten lateinisch und hielt sie dann großenteils in deutscher Sprache frei. Hörer schrieben die volkstümlichen Predigten aus dem Gedächtnis nieder. Aus diesem Grund wird Geilers Autorschaft öfter angezweifelt. 1498-1499 hielt Geiler eine Reihe von Predigten über Sebastian Brants Narrenschiff, die 1520 von Pauli ediert und veröffentlicht wurden. Mit der Veröffentlichung gehört Geiler zu den berühmtesten Vertretern der satirischen „Narrenliteratur“ im ausgehenden Mittelalter, die der Beschreibung menschlicher Schwächen, durch Karikierung und Übertreibung, zum Inhalt hatte. Hierzu sind neben Sebastian Brants einflussreicher Verssatire „Narrenschiff“ (1494), auch „Lob der Torheit (1509) von Erasmus v. Rotterdam, sowie „Die Schildbürger“ und „Till Eulenspiegel“ (1514) zu zählen. Über seine Tätigkeit als volkstümlicher Prediger hinaus wurde Geiler als Mitherausgeber und Übersetzer der Schriften von dem Franzosen Jean Gerson, dem Theologen und Mystiker, bekannt. „Sein umfangreiches Werk, das Papst Paul IV. 1559 auf den „Index der verbotenen Bücher“ setzen ließ, beruht zu großen Teilen auf Mitschriften von Hörern, lat. Aufzeichnungen und nachgelassenen Materialien. Es ist dem spätscholastischen Denken verpflichtet, wobei Einflüsse des sog. Nominalismus erkennbar sind, und behandelt nahezu alle Bereiche der kirchlichen Lehre. In kirchenpolitischer Hinsicht ist Geiler nicht als Vorläufer der Reformation, sondern als Vertreter der religiösen Erneuerungsbewegung des 15. Jahrhunderts aufzufassen. Mit Luthers Reformation kam die Beschäftigung mit Geilers Werk zu einem baldigen Ende.

Ausdrücklich sollte die „ordenung des abc“ die Regeln der „ars moriendi“ oder der „heilsamen Lehre“ dem Gedächtnis einprägen; doch bedurfte das ABC offenbar der visuellen Unterstützung durch ein Baumbild. Daher illustrierte der Drucker Johannes Zainer aus Ulm die 1490 gedruckte Ausgabe der „Alphabetpredigt“ mit einem - von ihm selbst entworfenen - Holzschnitt des Alphabetbaums (siehe obiges Titel-Bild). Bei anderer Gelegenheit kommentierte Geiler von Kaysersberg einen Holzschnitt zur Predigt über den Baum des Zacheus mit dem Hinweis auf die Äste des Baums, die zugleich als die sieben Buchstaben des Namens Zacheus verstanden werden sollten. Die Geschichte der Alphabetbäume wirft eine Reihe von Fragen auf. Wieso war es gerade der Buchdruck, der die Visualisierungen durch Stammbäume aufgriff und verbreitete? Wäre es nicht naheliegender gewesen, gleich das Prinzip der Schrift, das Alphabet, als Ordnungssystem einzusetzen, statt es mit Bäumen und Zweigen zu illustrieren? Gewiss, die Assoziation mit Pflanzung, Hegung und Wachstum – als Allegorien der Pädagogik und Alphabetisierung – mag eine Rolle gespielt haben; doch wieso wurden die Bäume in der Darstellung stärker naturalisiert als jemals zuvor? In gewisser Hinsicht waren die realistischen Bäume aus dem späten 15. Jahrhundert freilich abstrakter als die arbores des Hochmittelalters; denn sie zitierten nicht nur verschiedene Metaphern und Narrationen (vom Baum der Erkenntnis bis zum Baum des Kreuzes, vom „goldenen Zweig“ bis zum Baum des Zacheus), sondern eben auch die Prinzipien konkurrierender Wissensordnungen und - nicht zuletzt - ihrer eigenen Generierung. Wer einen Holzschnitt von einem realistischen Baum anfertigt, ein Blatt von einem Baum, referiert - nicht anders als die heilige Anna - auch auf das ursprüngliche Material seiner Tätigkeit. (Verweis: Thomas Macho, „Die Bäume des Alphabets“ in: Neue Rundschau, 116. Jahrgang / Heft 2, Frankfurt/Main (S. Fischer) 2005, 66-80)

Geiler_v._Kaiserberg.JPG

 Der deutsche Kirchen-Gelehrte Dr. Geiler v. Kayserberg

Aufsatz „Das buch d[er] sünden des munds“ von Johannes Geiler von Kaysersberg, Straßburg 1518 - XL Bl. „Alphabet in XXIII. Predige[n] so er gethon vnd die geordnet hat an eine[n] baum“ Titelzusatz  „XXIII est vfzesteige[n] zu ewigem lebe[n], gut zelesen vn[d] dauo[n] ma[n] wol gebessert mag werde[n]“ - Geiler verwendete 23 lateinische Buchstaben für seine Predigt der Mundsünden. 23 ergibt die Quersumme 5 die über die theosophische Addition zur summus perfectus 6 führt. Das kann kein Zufall sein, denn die christliche Zahlenmystik war keine andere als die der germanischen Mystik, wie sie uns im gematrischen Monumentalwerk des germanisch-holsteinische Runenmeisters Hlewagast vom südjütländischen beschrifteten Runenhorn von Gallehus-Rosengaard entgegentritt. In der Lebenszeit des Geiler v. Kayserberg waren heidnische Zeugnisse der Alemannen im südwestdeutschen Raum noch bekannt, insbesondere für einen Theologen der Zugang zur Straßburger Dombibliothek und anderen Kirchenarchiven besaß. So werden interessierte Gelehrte, Forscher und speziell Heimatkundler in ihren stillen Kämmerlein die altheidischen Träktätchen, Spüchlein, Segensworte ihrer kirchlicherseits geschmähten Vorfahren wohl doch noch beschaut und verwertet haben. das Runenwissen gehörte dazu, wie es in den Wiener Handschritfen des Gelehrten Hrabanus Maurus (780-856) Archiven zu finden war (siehe Wilhelm Carl Grimm „Über Deutsche Runen“, 1821, S. 81ff) Ein Alphabet-Baum ist zutiefst ein germanischer Buchstaben-Gedanken, denn der kosmologische Runen-Sinn und die Weltenbaum-Gedanken korrespondieren miteinander. Die Christen kannten weder einen Weltenbaum, noch ein fähiges Buchstabensystem das vorgab, Weltwissen vermitteln zu können. Darüber verfügten die alten Hebräer, mit ihrer Kabbalah („das Überlieferte“), die von Christen als heidnisches Teufelswerk abgelehnt worden ist. Judäo-christlich ist allerdings die Vorstellung von einem „Baum der Erkenntnis“ im Paradies. Die Metapher des „Baumes“ ist aber zentral im germanischem Gedankengut verankert (12. ODING-Rune), während ihn der vatikanische Christismus noch in den 30er Jahren des XX. Jahrhunderts als „heidnichen Günkult“ in der Vatikan-Postille „L'Osservatore Romano“ verketzerte. Ein Buchstabenbaum von A bis Z impliziert den Kreislaufgedanken vom Frühjahr bis zum Herbst und Winter, wie ihn das ODING'sche Runen-Kalendersystem vorführt. Die lateinische Buchstabenreihe beherbergt keinen Sinn der über das Worteschreiben hinausweisen würde. Wenn wir anstatt der lateinischen Buchstaben die ODING-Runen einsetzen, haben wir den Runen-Jahresrad-Kalender vor uns. Das macht wahrhaft echten Sinn, nicht aber der lateinische Buchstaben-Merkbaum für eine törichte Kirchenmann-Predigt. Töricht hat allein schon der dumme und gemeine Teufels- und antiweibliche Hexenglauben des Geiler von Kayserberg jede seiner Predigten gemacht.